Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300722/27/BMa/Ps

Linz, 19.05.2006

 

 

VwSen-300722/27/BMa/Ps Linz, am 19. Mai 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Berufung des O Ö, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 13. Februar 2006, Zl. Pol96-177-2005, wegen Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2.  

     

  3. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002

zu II.: § 66 Abs.1 VStG

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Linz-Land wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) für schuldig befunden und bestraft:

"Sie haben am 01.04.2005 um 21.40 Uhr in 4060 Leonding, Salzburger-Bundesstraße zwischen Strkm 190,850 und 189,500 den öffentlichen Anstand verletzt, indem Sie aufgrund der Vermutung, dass der Fahrzeuglenker, Herr R, sein Fahrzeug absichtlich unvermittelt abgebremst hat, diesen in der Folge beim links Einbiegen geschnitten, wobei die beiden Fahrzeuge an der Kreuzung B1/Haidfeldstraße kollidiert sein dürften. An der Kreuzung B1/Löwenzahnweg haben Sie angehalten und Herrn R an den Haaren und Ohren gepackt und vorgeworfen, zuvor absichtlich gebremst zu haben.

Ihr Verhalten in der Öffentlichkeit verstieß damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 1 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 lit a Oö. Polizeistrafgesetz 1979, LGBl.Nr. 36 idgF

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

80 Euro

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

37 Stunden

Gemäß

§ 10 Abs. 1 lit a Oö. PolStG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

8,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

88,00 Euro."

1.2. Begründend wurde im angefochtenen Erkenntnis im Wesentlichen angeführt, die Behörde habe keinen Anlass, an den Angaben der unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen P R und C R zu zweifeln, da diese wohl kaum das Risiko einer falschen Aussage (gerichtliche Verfolgung) auf sich nehmen würden.

1.3. Gegen dieses dem Berufungswerber am 17. Februar 2006 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die am 27. Februar 2006 (und damit rechtzeitig) niederschriftlich bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

1.4. In dieser Berufung gab O Ö an, er verstehe nicht, warum im Ermittlungsverfahren die beiden Kontrahenten (C und P R) als glaubwürdig erachtet würden und die in seinem Einspruch vom 16. Juni 2005 erwähnten Mitfahrer (V und S K) nicht befragt worden seien.

Konkludent ergibt sich aus dieser Berufung, dass die Aufhebung des Straferkenntnisses begehrt wird.

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat am 5. April 2006 eine mündliche Verhandlung im Beisein des Berufungswerbers, O Ö, durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den bezughabenden Verwaltungsakt und Einvernahme der Zeugen S K und V K. Die Verhandlung wurde am 3. Mai 2006 mit der Einvernahme der Zeugen P R und C R, die zur Verhandlung am 5. April 2006 nicht erschienen waren, fortgeführt.

2.1. Folgende Feststellungen werden getroffen:

2.1.1. Am 1. April 2005 nach 21.00 Uhr kam der Berufungswerber als Lenker eines Pkw mit den Insassen S und V K hinter dem von P R gelenkten Pkw bei einer auf rot geschalteten Ampel zum Stehen. Im von P R gelenkten Pkw befand sich dessen Cousin, C R, als Beifahrer.

Als die Ampel auf grün geschaltet hatte, beschleunigte P R seinen Pkw und bremste ihn nach ca. 50 Meter ohne ersichtlichen Grund stark ab. E Ö lenkte seinen Mercedes hinter dem von P R gelenkten Toyota auf die rechte Spur, fuhr am Toyota vorbei und wechselte gleich wieder auf die linke Spur vor den Toyota. Dabei sind beide Pkw leicht kollidiert. Der Berufungswerber ist bei der Bushaltestelle in St. Martin stehen geblieben und dem von P R gelenkten Pkw, nachdem dieser an ihm vorbei gefahren war, wieder nachgefahren. Bei der Kreuzung B1/Löwenzahnweg musste P R seinen Toyota wieder anhalten, da die Ampel auf rot geschalten war. E Ö lenkte seinen Pkw auf der Linksabbiegespur am Fahrzeug des P R vorbei und stellte sich quer vor ihn in die Kreuzung, sodass dieser am Weiterfahren gehindert war.

E Ö, V K und S K stiegen aus dem Mercedes aus und gingen zu dem von P R gelenkten Pkw. Dieser verriegelte die Autotüre und kurbelte das Fenster herunter. Unmittelbar nach Eintreffen des E Ö beim von P R gelenkten Pkw ist es zu lautstarken Missgunstäußerungen des Berufungswerbers gegenüber P R gekommen. Es kann nicht festgestellt werden, dass E Ö dabei den P R an den Haaren und Ohren gepackt hat.

P R hat mit seinem Handy die Polizei verständigt. Daraufhin sind beide Lenker übereingekommen, in die nahegelegene Seitenstraße zu fahren und dort auf das Eintreffen der Polizei zu warten.

2.1.2. Der festgestellte Sachverhalt wurde aus dem Akteninhalt, der Aussage des Berufungswerbers und den sich auch in wesentlichen Punkten widersprechenden Angaben der Zeugen K und R abgeleitet.

Die Zeugenaussagen stimmen insofern überein, als P R, nachdem er seinen Pkw beschleunigt hatte, diesen plötzlich stark abgebremst hat und der hinter ihm fahrende E Ö seinen Pkw auch abrupt abbremsen musste, um einen Unfall zu verhindern.

Kein Zweifel besteht auch daran, dass der Berufungswerber bei der nächsten Bushaltestelle, nachdem es zu einer leichten Kollision der beiden Autos gekommen war, stehen geblieben ist.

Hinsichtlich eines - allfälligen - Anhaltens bei dieser Bushaltestelle durch P R ergeben sich bei seiner Aussage und der seines Beifahrers C R erhebliche Differenzen. So gab P R an, er habe gesehen, dass Herr Ö ca. 50 Meter von der Bushaltestelle entfernt mit seinem Pkw zum Stehen gekommen war, er habe aber nicht zum Auto des Herrn Ö fahren wollen, weil er schon vorher gewusst habe, was geschehen werde (Seite 4 der Verhandlungsschrift vom 3. Mai 2006).

Dagegen gab C R an, er hätte gesehen, dass Herr Ö vor dem Bus angehalten habe. Das bedeute, dass sie mit ihrem Auto an einer Seite der Haltestelle gestanden seien und Herr Ö an der entgegengesetzten. Sie hätten den Pkw hinter dem Bus angehalten, um den Busfahrer zu fragen, ob er den Unfall beobachtet habe. Er habe den Busfahrer aber nicht mehr erreicht, weil er zwischenzeitig wieder weggefahren gewesen sei, er sei zurück ins Auto und habe den Busfahrer bei der nächsten Haltestelle erreichen wollen. Erst als sie aus der Haltestelle ausgefahren seien, hätten sie Herrn Ö am rechten Straßenrand stehen gesehen. Sie seien nicht bei Herrn Ö stehen geblieben, weil die Haltestelle dort schon zu Ende gewesen sei, sondern seien dem Bus nachgefahren (Seite 6 der Verhandlungsschrift vom 3. Mai 2006).

Das Aussteigen seines Cousins, um den Busfahrer nach seiner Beobachtung des Unfalls zu befragen, hätte P R auch am Tag der Verhandlung, also nach über einem Jahr nach diesem Vorfall, noch in Erinnerung sein müssen, da er angab, sich noch in Einzelheiten an den Vorfall zu erinnern. Es ist daher zugunsten der Zeugen davon auszugehen, dass sie ihre Aussagen zwar nach bestem Wissen und Gewissen gemacht haben, jedoch auf Grund des langen Zeitraums die Erinnerung teilweise von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht.

Diese Abweichungen haben sich auch bei der Schilderung des Vorfalls auf der Kreuzung B1/Löwenzahnweg gezeigt, hat doch P R angegeben, er sei am linken Ohr und an den Haaren gepackt worden, da E Ö ihn aus dem Auto zerren habe wollen. Eine Rötung am Ohr sei aber nicht sichtbar gewesen. C R jedoch gab dazu an, sein Cousin sei am linken Ohr, an den Haaren und am Arm gepackt worden, es sei ihm sicher auch eine "geschmiert" worden.

Die Zeugen V und S K hingegeben gaben übereinstimmend an, es sei lediglich zu einer verbalen Auseinandersetzung, nicht jedoch zu Handgreiflichkeiten gekommen.

Auf Grund der übereinstimmenden Zeugenaussagen konnte festgestellt werden, dass es zu einer lautstarken und zu einer über das gebührliche Maß hinausgehenden Auseinandersetzung zwischen E Ö und P R gekommen war. Dabei ist davon auszugehen, dass vor allem E Ö sich in aggressiver Weise lautstark gegenüber P R geäußert hat.

Die Aussagen der Zeugen R waren durch eine voreingenommene Position gegenüber Ausländern gekennzeichnet. So hat P R geäußert, er sei nicht zum Auto des Herrn Ö gefahren, weil er schon vorher gewusst habe, was geschehen werde (Seite 5 der Verhandlungsschrift vom 3. Mai 2006), und er habe die Türen sofort zugesperrt, weil er sich Handgreiflichkeiten erwartet habe. Von Freunden habe er schon von mehreren derartigen Vorfällen gehört. "Solche Übergriffe kommen immer wieder vor, wenn drei Ausländer in einem Auto fahren."

Auch C R gab an, sein Cousin habe die Türen verschlossen und nur das Fenster heruntergekurbelt, weil man ja wisse, wie das sei, wenn drei "solche Mitbürger" auf sie zukommen würden. Sie hätten schon damit gerechnet, dass es zu Übergriffen kommen werde, weil das in der heutigen Welt so sei (Seite 8 der Verhandlungsschrift vom 3. Mai 2006).

Die beiden Zeugen R hatten sich nach Abstellen ihres Autos in der Seitenstraße (nach den angeblichen Handgreiflichkeiten) nicht weiter in diesem eingeschlossen, um das Eintreffen der Polizei abzuwarten, sondern waren ausgestiegen, um über den erfolgten Zusammenstoß der Autos mit dem Berufungswerber zu diskutieren. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung wäre es nahe liegend, dass der Attackierte das Eintreffen der Polizei in seinem Auto abgewartet hätte und nicht ausgestiegen wäre.

Aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Zeugen S und V K einerseits sowie Patrick und C R andererseits zu den entscheidungswesentlichen Punkten konnte nicht ermittelt werden, ob es tatsächlich zu Handgreiflichkeiten durch E Ö an P R gekommen war.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 1 Abs.1 Oö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt, außer es handelt sich um eine sonst mit Verwaltungsstrafe oder gerichtliche Strafe bedrohte Handlung.

Nach § 1 Abs.2 Oö. PolStG ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs.1 jedes Verhalten anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit in der Öffentlichkeit sowie die der guten Sitten bildet.

Die im Spruch der belangten Behörde angeführte Kollision der beiden Fahrzeuge an der Kreuzung B1/Haidfeldstraße und das Abdrängen des Fahrzeugs des Herrn R beim Linkseinbiegen sind Verhaltensweisen, die allenfalls einen Straftatbestand nach der StVO erfüllen und daher nicht geeignet, einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit in der Öffentlichkeit gemäß Oö. PolStG darzustellen.

Ein Packen an den Haaren und Ohren ist zweifelsohne geeignet, gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten zu verstoßen.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, konnte eine solche Handlung nicht nachgewiesen werden.

Aber auch das festgestellte laute Beschimpfen oder Drohen im Zuge einer lautstarken verbalen Auseinandersetzung ist, soweit sich daraus keine strafgerichtlichen Konsequenzen ergeben, geeignet, einen Verstoß gegen das Oö. PolStG darzustellen.

Im konkreten Fall wurde dem Berufungswerber dieses Verhalten, sich ungebührlich artikuliert zu haben, aber nicht vorgeworfen - und zwar weder im Straferkenntnis vom 13. Februar 2006 noch in der nahezu gleichlautenden Strafverfügung vom 13. Juni 2005.

Da einerseits die vorgeworfene Tat nicht erwiesen werden konnte und andererseits das nachgewiesene Verhalten, das gemäß Oö. Polizeistrafgesetz strafbar gewesen wäre, nicht vorgeworfen worden war, war im Hinblick darauf, dass eine Sanierung dieses Mangels durch die erkennende Behörde auf Grund der Bestimmungen der

§§ 31 und 32 VStG nicht mehr möglich ist, das Strafverfahren zu Folge Vorliegens von Umständen, die die Verfolgung ausschließen, gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

3. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

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