Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310009/3/Ga/La

Linz, 12.06.1996

VwSen-310009/3/Ga/La Linz, am 12. Juni 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzender: Dr. Grof, Berichter: Mag. Gallnbrunner, Beisitzer: Dr. Schön) über die Berufung des R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 2. März 1995, Zl. UR96-106-1993, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes - AWG, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4, 64a.

VStG: § 24; § 51 Abs.1 und Abs.6, § 51c, § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber wie folgt schuldig erkannt:

"Bei einem Lokalaugenschein am 18.10.1994 um 08.45 Uhr wurde festgestellt, daß die von Ihnen auf dem Grst.Nr. , KG. R (Eigentümer Manfred Binder), gelagerten Fahrzeugwracks, nämlich ein LKW der Marke MAN, Type 9.192, sowie ein orangefarbener STEYR-LKW entgegen dem niederschriftlich festgehaltenen Auftrag vom 27.9.1994 nicht entfernt wurden, obwohl es sich dabei um gefährliche Abfälle nach dem AWG gehandelt hat, da in den Fahrzeugwracks noch Motor- und Getriebeöl sowie Bremsflüssigkeiten und andere gefährliche Substanzen enthalten waren, wodurch die Umwelt, insbesonders das Grundwasser, bei einem Austreten von Öl, Bremsflüssigkeit etc. über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden konnte und deren Erfassung und Behandlung als Abfall deshalb im öffentlichen Interesse geboten war. Sie haben daher gefährliche Abfälle, da Sie diese auf einer bloß geschotterten und nicht überdachten Fläche abgestellt bzw. gelagert haben, nicht so gelagert, daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs.3 AWG (Z.3:

Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus) vermieden werden, obwohl gefährliche Abfälle und Altöle unbeschadet weitergehender Verpflichtungen jedenfalls so zu lagern und zu behandeln (verwerten, ablagern oder sonst zu behandeln) sind, daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs.3 vermieden werden." Dadurch habe der Berufungswerber § 39 Abs.1 lit.a Z2 iVm § 17 Abs.1 und § 1 Abs.3 Z3 AWG verletzt und sei er wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß "§ 39 Abs.1 lit.a Z2 AWG" mit einer Geldstrafe in der Höhe von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 36 Stunden) kostenpflichtig zu bestrafen gewesen.

1.2. Begründend hält die belangte Behörde ua. fest, daß das zugrundeliegende Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19.

Oktober 1994 unter Anlastung der Tat eingeleitet und mit Straferkenntnis vom 9. Dezember 1994 abgeschlossen worden sei. Der dagegen erhobenen Berufung sei Berechtigung deswegen zugekommen, weil dieses Straferkenntnis einen "widersprüchlichen" Schuldspruch gefällt gehabt habe. Dieses Straferkenntnis sei daher mit Berufungsvorentscheidung aufgehoben worden. Mit neuerlicher Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Jänner 1995 sei dem Berufungswerber "die Tat nochmals angelastet" worden. Die Berufungsvorentscheidung - und mit ihr die Aufhebung des vorbezeichneten Straferkenntnisses sei jedoch in Rechtskraft erwachsen.

Dieses neuerlich eingeleitete Strafverfahren wurde mit dem vorliegend angefochtenen Straferkenntnis vom 2. März 1995 abgeschlossen.

2. Gegen dieses Straferkenntnis wendet der Berufungswerber unter dem Titel "Nichtigkeit des Bescheides" ein, daß das ursprüngliche Strafverfahren durch die rechtskräftig gewordene Aufhebung des (ersten) Straferkenntnisses als endgültig eingestellt anzusehen sei. Es spreche daher das nun angefochtene Straferkenntnis über einen "identen Gegenstand" ab, obwohl eine rechtskräftig entschiedene Sache vorliege.

Schon dieser Einwand verhilft der Berufung zum Erfolg.

3.1. Nach Einsicht in den zugleich mit der Berufung zu Zl. UR96-106-1993 vorgelegten Strafakt stellt der unabhängige Verwaltungssenat folgenden Sachverhalt als maßgebend für die h. Entscheidung fest:

Ausgelöst ursprünglich durch eine Mißstandsmitteilung des Stadtamtes Ried i.I. ist dem Berufungswerber schließlich mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. (als Abfallwirtschaftsbehörde) vom 21. Oktober 1994 die Entsorgung zweier, als gefährliche Abfälle eingestufter LKW-Wracks aufgetragen worden. Im besonderen wurde diesem auf § 32 Abs.1 AWG gestützten Behandlungsauftrag das Ergebnis eines am Tatort am 18. Oktober 1994 durchgeführten Augenscheines zugrundegelegt. Mit Bezug darauf ist im Vorspruch des Bescheides festgehalten, daß die Behördenorgane unzulässig "abgestellt(e) bzw. gelagert(e)" LKW-Wracks wahrgenommen hätten. Bereits aber mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. Oktober 1994 leitete die belangte Behörde gegen den Berufungswerber das Strafverfahren wegen Übertretung nach § 39 Abs.1 lit.a Z2 iVm § 17 Abs.1 und § 1 Z3 AWG ein. Als Tat wurde ihm vorgeworfen, er habe gefährliche Abfälle (zwei näher beschriebene LKW-Wracks) in einer bestimmte öffentliche Interessen verletzenden Weise "abgestellt bzw. gelagert" und daher "nicht so gelagert bzw.

behandelt (verwertet, abgelagert oder sonst behandelt), daß Beeinträchtigungen ... vermieden werden". In der Folge bestätigte die belangte Behörde dem Berufungswerber mit Schreiben vom 15. November 1994, sie habe im Zuge eines Augenscheines am 11. November 1994 festgestellt, daß "die beiden LKWs ... entfernt" worden seien. Der Schuldspruch des Straferkenntnisses vom 9. Dezember 1994 (erlassen am 19.

Dezember) formulierte den Tatvorwurf mit derselben Umschreibung wie die vorbezeichnete Aufforderung zur Rechtfertigung. Dieses Straferkenntnis bekämpfte der Beschuldigte mit Berufung vom 21. Dezember 1994. Diese Berufung wurde nicht vorgelegt, vielmehr richtete die belangte Behörde als nächsten Verfahrensschritt - mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Jänner 1995 neuerlich den Vorwurf derselben Tat an den Berufungswerber, diesmal allerdings eingeschränkt auf die unbefugte Lagerung; die unbefugte Behandlung (Verwertung, Ablagerung oder sonstige Behandlung) derselben gefährlichen Abfälle wurde nicht mehr angelastet.

Erst danach hob auf Grund der vorerwähnten Berufung die belangte Behörde mit Berufungsvorentscheidung (BVE) vom 7.

Februar 1995 das (ersterlassene) Straferkenntnis vom 9.

Dezember 1994 auf - ohne gleichzeitig die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen. Die Aufhebung begründend wurde ausgeführt, daß der Spruch des Straferkenntnisses insofern widersprüchlich sei, als einmal der Begriff "Ablagern" und zum anderen der Begriff "Lagern" verwendet werde. Diese BVE erwuchs in Rechtskraft (ein Vorlageantrag wurde nicht gestellt). Dennoch erließ die belangte Behörde in der Folge das vorliegend angefochtene Straferkenntnis vom 2. März 1995, dessen Schuldspruch allerdings einen nun auf die Lagerung eingeschränkten Sachverhalt - bei im übrigen gleichen Tatelementen - vorwirft.

Rechtlich hat darüber der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.2. Das aufgehobene Straferkenntnis vom 9. Dezember 1994 lastete die Tat mit einem das Bestimmtheitsgebot des § 44a Z1 VStG (in dem von der Judikatur des VwGH entwickelten Verständnis) verletzenden Alternativvorwurf an ("nicht so gelagert bzw. behandelt"). Auch die das zugrundeliegende Strafverfahren als erste Verfolgungshandlung einleitende Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. Oktober 1994 enthielt in diesem wesentlichen Punkt dieselbe unbestimmte Anlastung. Mit der gegen das Straferkenntnis vom 9. Dezember 1994 erhobenen Berufung bekämpft der Berufungswerber unter anderem die spruchgemäße Tatzeit "18.10.1994"; auch macht er geltend, daß das Abfallwirtschaftsgesetz mit den Begriffen "Lagern" und "Ablagern" unterschiedliche Lebenssachverhalte bezeichne.

Der belangten Behörde ist zugute zu halten, daß sie die durch den unbestimmten Tatvorwurf bewirkte inhaltliche Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses vom 9. Dezember 1994 erkannte; dessen Aufhebung mit der BVE vom 7. Februar 1995 erfolgte aus den genannten Gründen zu Recht.

Allerdings wurde dabei übersehen, daß der ausdrücklich zwar nur auf 'Aufhebung' lautende (und in der Folge rechtskräftig gewordene) Spruch der BVE dennoch zugleich auch die Wirkung einer materiellen Einstellung des Strafverfahrens entfaltet hatte (vgl. das sinngemäß anwendbare Erk. VwGH 4.9.1992, 92/18/0353), u.zw. bezogen auf beide wesentlichen, jedoch unzulässig wahlweise (alternativ) angelasteten Tatelemente. Sowohl also der Vorwurf der verpönten "Lagerung" als auch jener der verpönten "Behandlung" (miterfaßt die "Ablagerung") verfiel der Einstellung. Von dieser Einstellungswirkung der BVE wurde notwendigerweise auch der Tatvorwurf der nach der vorliegenden Berufung, jedoch noch vor der BVE ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Jänner 1995 erfaßt. Davon abgesehen hätte diese rechtswidrige - Verfolgungshandlung nicht mehr gesetzt werden dürfen, weil sie den Berufungswerber in derselben Sache trotz schon erlassenen Straferkenntnisses und trotz des hiezu erhobenen, jedoch noch nicht erledigten Berufungsantrages belangte.

3.3. Nach der Rechtsprechung des unabhängigen Verwaltungssenates (vgl. das Erk. der 2. Kammer vom 11.4.1996, VwSen-103650/3/Br) verbietet in Konstellationen wie hier das (sich nunmehr aus § 51 Abs.6 VStG idFd Novelle BGBl.Nr.

620/1995 ergebende) Verschlechterungsverbot auch, das Rechtsinstitut der BVE zum Nachteil des Berufungswerbers zum Zwecke der Korrektur von Spruchmängeln oder gar zur Nachholung tauglicher Verfolgungshandlungen einzusetzen (zum Verschlechterungsverbot iZhg mit BVE vgl. allgemein Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensnovellen 1995 [1995], 78). Deshalb durfte die belangte Behörde nach den Umständen auch dieses Falles die BVE nur dazu benutzen, das Straferkenntnis vom 9. Dezember 1994 aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen. Die BVE vom 7. Februar 1995 ist daher gesetzeskonform dahin auszulegen, daß sie die rechtlich gebotene Einstellung des zugrundegelegenen Verfahrens impliziert. Trotz des gravierenden Spruchmangels des aufgehobenen Straferkenntnisses (wie auch des Tatvorwurfs in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. Oktober 1994) steht im vorliegenden Fall die 'Sache' iSd § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG (nämlich durch Individualisierung der vom Tatvorwurf erfaßten Manipulation mit bestimmten Abfällen) außer Zweifel. Daraus folgt weiter, daß bezüglich dieser Sache res judicata eingetreten war (zu den Bescheidwirkungen vgl. allgemein Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht 6. A 1995, Rz 451 ff; insbes. Rz 462 zu "ne bis in idem").

3.4. Bei dieser Sach- und Rechtslage durfte die belangte Behörde nicht nochmals mittels Straferkenntnis gegen den Berufungswerber vorgehen.

Da dem angefochtenen Straferkenntnis sohin das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache entgegenstand, war wie im Spruch zu entscheiden.

4. Bei diesem Ergebnis ist auf die übrigen Berufungsgründe, insbesondere auf das Vorbringen, welches die Beurteilung der vom Behandlungsauftrag vom 21. Oktober 1994 erfaßt gewesenen LKW-Wracks als Abfälle iSd AWG in Zweifel zieht, nicht mehr einzugehen.

Auf sich beruhen kann auch, ob der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses - bezogen auf den allein im zweiten Satz dieses Spruchs enthaltenen Vorwurf einer entgegen § 17 Abs.1 erster Satz AWG vorgenommenen Lagerung von Abfällen - überhaupt eine konkrete Tatzeit anlastet. So ist im Schuldspruch jedenfalls kein kalendermäßig eindeutig bestimmtes Ende der inkriminierten Lagerung - nach der ständigen Rechtsprechung des unabhängigen Verwaltungssenates ein Dauerdelikt (vgl. Erkenntnisse vom 7.2.1996, VwSen310057; vom 26.1.1996, VwSen-310055, mit Vorjudikatur) - angegeben; dies ist schon deshalb bemerkenswert, weil aktenkundig (oben 3.1.) die belangte Behörde selbst dem Berufungswerber das Ende der Lagerung ausdrücklich mit "11.11.1994" bestätigt hatte.

Und schließlich braucht auch darauf nicht näher eingegangen zu werden, daß dem ersten Satz des angefochtenen Schuldspruchs erkennbar keine Norm-, sondern nur Einleitungsqualität zugedacht sein sollte und dabei aber dem "niederschriftlich festgehaltenen Auftrag vom 27.9.1994" offensichtlich Rechtsverbindlichkeit unterlegt wurde, obwohl nach der Aktenlage dieser "Auftrag" nicht als Bescheid gewertet werden kann und eine Rechtsverbindlichkeit daher auch nicht im § 32 Abs.1 AWG Abstützung fände.

5. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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