Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310014/2/Le/La

Linz, 15.02.1996

VwSen-310014/2/Le/La Linz, am 15. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Herrn J M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 23.3.1995, UR96-69-1994, wegen Übertretung des O.ö.

Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 23.3.1995 wurde der nunmehrige Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 7 Abs.1 iVm § 42 Abs.1 Z2 lit.b O.ö.

Abfallwirtschaftsgesetz 1990 (im folgenden kurz: O.ö. AWG) mit einer Geldstrafe in Höhe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) bestraft.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, in der Zeit zwischen 28.11. und 2.12.1994 beim Eingangstor zur Altstoffsammelinsel Mettmach einen 60 l-Sack mit Küchenabfällen, verschmutzten Windeln udgl. mit Entledigungsabsicht als Abfälle (Hausabfälle iSd O.ö. AWG) außerhalb einer Abfallbehandlungsanlage abgelagert zu haben.

In der Begründung wurde zunächst der Sachverhalt dargestellt, wonach am 2.12.1994 von Bediensteten der Marktgemeinde Mettmach beim Eingangstor zur Altstoffsammelinsel die oben bezeichneten Abfälle vorgefunden worden seien. Bei der Durchsuchung dieses Mülls sei auch eine schriftliche Terminvereinbarung für "Herrn/Frau M" mit der "P", gefunden worden. Es wurde daher seitens der Marktgemeinde die Vermutung geäußert, daß der Abfall von Herrn M, abgelagert worden sei.

Nach Vorhalt des Sachverhaltes durch die belangte Behörde hätte der Bw diese Ablagerung bestritten. Er hätte zwar eingeräumt, Abfälle nach Hause gebracht zu haben, doch wären diese für den Hausmüll bestimmt gewesen. Wer sie dann entsorgt hätte, könne von ihm nicht bekanntgegeben werden, zumal ihm diesfalls auch ein Entschlagungsrecht zukommen würde.

Daraufhin sei von der Erstbehörde die Tat Herrn J M zur Last gelegt worden, doch hätte sich dieser sinngemäß geäußert, daß er aus gesundheitlichen Gründen gar nicht in der Lage wäre, einen 60 l-Sack mit Abfällen zu transportieren.

Nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage führte die belangte Behörde aus, daß der Müllsack mit Entledigungsabsicht abgelagert worden sei. Tatsache sei ferner, daß eine Terminvereinbarung im Müllsack war und der Beschuldigte angegeben hätte, Abfälle nach Hause gebracht zu haben.

Daraus zog die belangte Behörde den Schluß, daß die vor der Altstoffsammelinsel abgelagerten Abfälle in seinem Haushalt angefallen wären.

Der Beschuldigte hätte zwar die Ablagerung der Abfälle bestritten, doch hätte er nicht angegeben, wer die Abfälle abgelagert hätte. Dazu stellte die belangte Behörde fest, daß der Verfahrensgrundsatz, daß die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat, die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen, befreie. Es sei ihm die Möglichkeit geboten worden, Tatsachen und Beweise zur Widerlegung der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung bekanntzugeben, was er aber nicht getan hätte. Das bloße Bestreiten der Tat sei daher als Schutzbehauptung anzusehen. Somit sei anzunehmen, daß die Abfälle von ihm abgelagert worden seien, zumal es den Erfahrungen des täglichen Lebens widerspreche, daß Personen fremde Müllsäcke herumtragen.

Sodann legte die belangte Behörde die Erwägungen zur Strafbemessung dar.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 4.5.1995, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

In der Begründung dazu wurde angeführt, daß das Verfahren mangelhaft geblieben sei und Tatsachen unrichtig festgestellt worden wären. Im einzelnen führte der Bw dazu aus, daß die Erstbehörde kein Beweisverfahren durchgeführt hätte, zumal es keinesfalls ausreichend sei, eine Aufforderung zur Rechtfertigung zu versenden und dann das Bestreiten des zur Last gelegten Deliktes durch den vermutlichen Täter als "Schutzbehauptung" zu qualifizieren.

So wies der Bw daraufhin, daß die Behörde offensichtlich selbst unschlüssig gewesen sei, da sie auch gegen seinen Vater ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet hätte. Es könne keinesfalls Aufgabe der Verteidigung sein, der Behörde vorzugeben, welches Ermittlungsverfahren sie durchzuführen gehabt hätte. Es sei aber absolut unzulässig, auf Verdacht hin jemanden der Täterschaft zu bezichtigen bzw. den Tatbestand als erwiesen anzunehmen. So hätte zumindest in der Physiotherapie H rückgefragt werden müssen, da zu berücksichtigen sei, daß sowohl er als auch sein Vater verheiratet sind und daher auch andere, keinesfalls fremde Personen, als Täter in Betracht kommen könnten. In diesem Zusammenhang verwies er nochmals auf sein Entschlagungsrecht gemäß § 38 VStG.

Er verwies nochmals ausdrücklich auf die im Verwaltungsstrafverfahren geltende Unschuldsvermutung.

Der Bw behauptete eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache und führte dazu aus, daß bei den sogenannten Ungehorsamsdelikten lediglich hinsichtlich des Verschuldens eine gesetzliche Vermutung bestehe, keinesfalls aber hinsichtlich der Täterschaft.

Zur Beweiswürdigung brachte der Bw weiters vor, daß alle Tatsachen, die nicht offenkundig sind oder für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstelle, eines Beweises bedürfen, wobei die zur Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wären wie die belastenden. Die Behörde hätte zumindest in der Physiotherapie-Praxis H rückfragen müssen.

Das bloße Bestreiten im Verwaltungsstrafverfahren sei zwar nach der Judikatur des VwGH nicht ausreichend, doch könne dies nur dann gelten, wenn zwingende Indizien auf eine Täterschaft hindeuten, was aber in der gegenständlichen Angelegenheit, wo eine Reihe von Personen für die Ablagerung in Frage kommen, nicht der Fall sei.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. hat den Verwaltungsakt an den unabhängigen Verwaltungssenat ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung weitergeleitet und in der Gegenschrift ausgeführt, daß sich im Müllsack Windeln befunden hätten und Herr Manglberger jun. Anfang Dezember von Altheim nach Mettmach mit seinen zwei kleinen Kindern und ohne seiner Frau übersiedelt sei. Außerdem hätte Herr M in seiner ersten Rechtfertigung angegeben, daß er Abfälle nach Hause gebracht hätte. Eine Einvernahme von Frau H sei daher nicht notwendig erschienen. Erhebungen durch die Gendarmerie hätten mangels Mitwirkungspflicht der Gendarmerie nicht angeordnet werden können.

Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde nicht verzichtet. Es wurde beantragt, den Beschuldigten dazu unter Androhung von Zwangsfolgen persönlich zu laden.

Da schon aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte - auch in Anbetracht der Geringfügigkeit der verhängten Strafe in Ansehung des § 51e Abs.2 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Dem Beschuldigten steht gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde. Nach dem angefochtenen Straferkenntnis liegt der Tatort in der Gemeinde Mettmach, sodaß die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates gegeben ist.

4.2. "Beschuldigter" ist gemäß § 32 Abs.1 VStG die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache.

Einem Verwaltungsstrafverfahren voranzugehen hat damit zunächst die Ermittlung des bislang unbekannten Täters. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Täterschaft des Bw vor allem deshalb angenommen, weil im vorgefundenen Abfallsack eine Terminvereinbarung mit der Ordination "R H, Dipl.As.F.Phys.med.," vorgefunden worden war. Außerdem hätte der Bw angegeben, Abfälle "nach Hause" gebracht zu haben.

Diese Indizien reichen nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates nicht aus, den Bw mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Gewißheit als Täter und somit als Beschuldigten anzusehen:

Zunächst ist einmal darauf hinzuweisen, daß aus der Aussage, Abfälle "nach Hause" gebracht zu haben, für das vorliegende Verfahren nichts gewonnen werden kann, zumal es nicht um Abfälle geht, die nach Hause gebracht wurden, sondern von zu Hause weg gebracht und bei der Altstoffsammelinsel Mettmach abgelagert wurden.

Weiters ist darauf hinzuweisen, daß die vorgefundene Terminvereinbarung auf den Namen "M" ausgestellt ist.

Tatsächlich wurde der Name des Beschuldigten in seinen Eingaben regelmäßig mit "M" bezeichnet, wie dies auch in der Mitteilung des Arbeitsamtes über die Bemessung des Karenzurlaubsgeldes geschehen ist. Die belangte Behörde hat dagegen immer den Namen "M" verwendet. Hier liegt zumindest eine Ungenauigkeit vor, die aufklärungsbedürftig ist.

Weiters hat der Beschuldigte immer bestritten, diesen Sack mit Abfällen bei der Altstoffsammelinsel Mettmach abgestellt zu haben; in diesem Zusammenhang hat er auch auf sein Entschlagungsrecht im Sinne des § 38 VStG hingewiesen und dieses für sich in Anspruch genommen. Dieser Hinweis kann in Ansehung des Gesetzestextes darauf hindeuten, daß auch seine Mutter, sein Vater oder seine Ehegattin die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung begangen haben könnten. Es könnte aber auch sein, daß eine dritte Person, etwa eine Nachbarin/ein Nachbar im Haushalt geholfen und diesen Abfall "entsorgt haben".

Diesbezüglich hätten entsprechende Nachforschungen angestellt werden müssen. Insbesonders wäre durch Rücksprache mit Frau R H zu klären gewesen, wer an den in der Terminvereinbarung bezeichneten Tagen die Behandlung in Anspruch genommen hat bzw. - falls es sich dabei um ein Kind gehandelt haben sollte - wer als Begleitperson dabei war.

Da dies alles nicht geschehen ist, wurde damit der Beschuldigte in Wahrheit nicht ermittelt, sondern lediglich vermutet. Wie schon der Bw in seiner Berufung zutreffend bemerkt, besteht bei den Ungehorsamsdelikten lediglich hinsichtlich des Verschuldens eine gesetzliche Vermutung (§ 5 Abs.1 VStG), nicht jedoch hinsichtlich der Täterschaft.

4.4. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren ist daher so mangelhaft geblieben, daß der Tätervorwurf mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Deutlichkeit nicht erwiesen ist.

Es ist dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht möglich, dieses Beweisverfahren nachzuholen.

Überdies ist es mit der verfassungsrechtlichen Stellung des unabhängigen Verwaltungssenates als einem Organ der Gesetzmäßigkeitskontrolle nicht vereinbar, daß er an Stelle der belangten Behörde substantielle, sich auf die Klärung offensichtlicher Zweifelsfragen beziehende Versäumnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens nachholt. Er würde dadurch nämlich nicht bloß die Funktion des entscheidenden, sondern auch des untersuchenden Organes ausüben (siehe hiezu VwSen-210085/5/Ga/La vom 15.9.1994).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, daß der Berufungswerber weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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