Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-102121/21/Br

Linz, 23.09.1994

VwSen - 102121/21/Br Linz, am 23. September 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung der Frau Josefine P, R, M, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. E, Dr. W und Dr. P, alle M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau, vom 8. Juni 1994, AZ.: VerkR96/18372/1993+1/Li, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 23. September 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I.1. Der Berufung wird in Punkt a) F o l g e gegeben; das Straferkenntnis wird in diesem Punkt aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

2. In Punkt b) wird der Berufung keine F o l g e gege-ben; das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Punkt vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG.

II. 1. Zu Punkt a) entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge. 2. Zu Punkt b) werden zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten als Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren 120 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt. Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG. Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau, hat mit dem Straferkenntnis vom 8. Juni 1994 über die Berufungswerberin Geldstrafen von a) 800 S und für den Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe und b) 600 S und für den Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie am 26. September 1993 um ca. 21.40 Uhr, den Pkw mit dem Kennzeichen, auf der B B in Richtung U gelenkt und es nach dem bei Strkm 28.450 im Ortschaftsbereich A, Gemeinde B, verursachten Verkehrsunfall mit Sachschaden, an dem sie ursächlich beteiligt gewesen sei, es unterlassen habe, a) sofort anzuhalten und b) ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen.

1.1. In der Sache führte die Erstbehörde begründend aus wie folgt:

"Die Verwaltungsübertretungen sind aufgrund der Anzeige vom 28. September 1993, GZP-1004/93/Rei, sowie des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen.

Demnach lenkten Sie am 26.9.1993 um ca. 21.40 Uhr den PKW auf der umseits genannten Strecke und haben nach dem bei Strkm. 28,450 verursachten Verkehrsunfall nicht sofort angehalten und die Gendarmerie nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt.

In Ihrer Rechtfertigung vom 18.1.1994 führten Sie an, Sie seien nach der Streifung ein kurzes Stück weitergefahren, da ein sofortiges Anhalten an der Unfallstelle zu gefährlich gewesen sei. Im Bereich der Unfallstelle befinde sich eine starke unübersichtliche Kurve und hätte zum Unfallszeitpunkt reger Verkehr geherrscht. Das Aufstellen eines Warndreiecks hätte entsprechend Zeit in Anspruch genommen und wäre ein Auffahrunfall zu befürchten gewesen. Da sich im PKW drei weitere Personen befunden hätten, wäre es verwantwortungslos gewesen, im Bereich der Unfallstelle anzuhalten.

Nachdem Sie Ihren PKW bei der erstbesten Gelegenheit abgestellt hatten, hätten Sie dann gewartet, daß der Unfallgegner sich dorthin begäbe. Da dies nicht der Fall war, seien Sie nach geraumer Zeit nach Hause gefahren. Am nächsten Morgen hätten Sie um 6.30 Uhr am Gendarmeriepostenkommando M und gegen 7.00 Uhr beim GPK M Anzeige erstattet. Dort hätten Sie erfahren, daß sich der Unfallsgegner noch nicht gemeldet hätte.

Gemäß § 4 Abs.5 1. Satz StVO haben alle Personen deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Laut ständiger Rechtssprechung des VwGH ist der Begriff "ohne unnötigen Aufschub" streng auszulegen(VwGH 25.9.1974, ZVR 1975/129; 30.11.1979, ZVR 1981/147).

Am 26.September 1993 um 21.40 Uhr waren Sie ursächlich an einem Verkehrsunfall auf der B Bundesstraße bei km 28,450 beteiligt. Die Anzeige von diesem Verkehrsunfall haben Sie erst nächsten Morgen um 6.30 Uhr erstattet. Eine 8,5 Stunden nach einem Unfall erstattete Meldung ist jedoch nicht "ohne unnötigen Aufschub" erstattet.

Laut VwGH kann eine am nächsten Morgen nach einem Unfall mit Sachschaden bei den Sicherheitsbehörden erstattete Anzeige nicht als Verständigung "ohne unnötigen Aufschub" gewertet werden (VwGH 20.9.1973, ZVR 1974/204).

Da Sie die Meldung des Verkehrsunfalles offensichtlich nicht "ohne unnötigen Aufschub" erstatteten, haben Sie den Tatvorwurf nach S 4 Abs. 5 StVO zu verantworten.

Gemäß § 4 Abs. 1 lit.a StVO haben alle Personen deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten. Frau Ursula D und Frau Anna D (welche Mitfahrerinnen in Ihrem PKW waren) wurden am 1.2.1994 als Zeugen befragt, wo Sie das Fahrzeug nach dem Unfall zum ersten mal anhielten. Beide gaben an, Sie seien ca. 100 m nach der Unfallstelle stehen geblieben. Auf freier Strecke hätten Sie nicht anhalten können. Frau Augustine H, welche sich zum Unfallszeitpunkt ebenfalls in Ihrem Fahrzeug befand, konnte am 7.3.1994 nicht mehr sagen, wie weit Sie nach dem Unfall noch fuhren. GI H führte zeugenschaftlich an, Sie hätten bei der niederschriftlichen Befragung selber angegeben, nach der Kollision noch eine Strecke von bis zu einem halben Kilometer weitergefahren zu sein. Zu Ihrer Behauptung der Unübersichtlichkeit der Unfallstelle führte GI H an, daß die B zwischen Burgkirchen und der Abzweigung nach B bei M eben und gänzlich übersichtlich verlaufe. Es seien im Straßenverlauf einige Kurven enthalten, jedoch keinerlei Sichtbehinderung. Der Straßenverlauf sei zu beiden Seiten über einen halben Kilometer übersichtlich und einsehbar. Sichtbehinderung durch Nebel, Regen oder Schneefall hätte zur Unfallszeit nicht bestanden. Durch die Übersichtlichkeit der Straße sei ein stehendes Fahrzeug auf mehrere hundert Meter jedenfalls leicht erkennbar.

Dies bedeutet nun, daß es Ihnen ohne weiteres möglich gewesen wäre, sofort nach dem Verkehrsunfall anzuhalten. Sie hätten äußerst rechts stehenbleiben, die Warnblinkanlage einschalten und anschließend die Unfallstelle absichern können. Da der Straßenverlauf im Bereich der Unfallstelle übersichtlich ist, hätten Sie weder sich noch Ihre Mitfahrerinnen durch ein Anhalten an der Unfallstelle gefährdet und wären Sie nach der Gesetzeslage hiezu verpflichtet gewesen.

Da Sie dieser Verpflichtung nicht nachkamen, haben Sie auch die Ihnen unter Punkt 1 zur Last gelegte Übertretung zu verantworten.

Unter Bedachtnahme auf § 19 VStG 1991, wonach Grundlage für die Strafbemessung unter anderem die Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Da Sie Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse trotz Aufforderung vom 18.5.1994 nicht bekanntgaben, wurde bei der Bemessung der Strafe von der Ihnen mitgeteilten Schätzung (ca. S 8.000,-- monatliche Pension, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) ausgegangen . Beim vorgegebenen Strafrahmen - bei § 99 Abs. 2 lit. a StVO von S 500,-- bis S 30.000,-- und bei § 99 Abs. 3 lit b StVO bis zu S 10.000,-- sind die verhängten Strafen auch dem Unrechtsgehalt der Tat angepaßt.

Als mildernd war Ihre bisherige Unbescholtenheit zu werten." 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt schließlich die Berufungswerberin durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter inhaltlich aus: "Alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, haben nach § 4 Abs.1 lit.a StVO, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz legt mir die Übertretung dieser Bestimmung im wesentlichen mit dem Argument zur Last, daß es mir ohne weiteres möglich gewesen wäre, sofort nach dem Verkehrsun£all anzuhalten; ich hätte äußerst rechts stehenbleiben, die Warnblinkanlage einschalten und anschließend die Unfallstelle absichern können.

Zweifelsfrei habe ich die erste in meinen Augen optimale Möglichkeit genutzt, mein Fahrzeug nach dem Unfall sicher zum Parken abzustellen.

Wenn die Zeuginnen Ursula und Anna D ausführen, ich hätte auf freier Strecke nicht anhalten können, so entspringt diese Aussage dem natürlichen Rechtsempfinden. Die Zeuginnen gingen mit mir darin konform, daß es gefährlich gewesen wäre, unmittelbar an der Unfallstelle meinen Pkw auf der B 147 abzustellen.

Wenn die Bezirkshauptmannschaft Braunau in der Begründung des vorliegenden Straferkenntnisses auführt, ich hätte im Unfallbereich äußerst rechts stehenbleiben müssen, so entspricht dies zwar der Bestimmung des § 23 Abs.2 1.Satz StVO, wonach außerhalb von Parkplätzen ein Fahrzeug zum Halten oder Parken am Rande der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen ist. Die Erstbehörde übersieht in diesem Zusammenhang aber, daß das zum Stillstandbringen meines Fahrzeuges ein Parken nach § 2 Abs.l Z.28 StVO bedeutet hätte, weil das Absichern der der Unfallstelle und die nach einem Verkehrsunfall zu führenden Gespräche mit dem Unfallgegner erfahrungsgemäß länger als zehn Minuten in Anspruch nehmen.

Das Parken ist aber nach § 24 Abs.3 lit.g StVO während der Dunkelheit auf Vorrangstraßen außerhalb des Ortsgebietes - wie im vorliegenden Fall - verboten, weil im Unfallbereich keine Straßenteile vorhanden sind, die für das Parken von Fahrzeugen bestimmt sind. Bei der B 147 handelt es sich um eine gekennzeichnete Vorrangstraße.

Aufgrund des starken Verkehrsaufkommens wäre auch ein Aussteigen an der Unfallstelle viel zu ge£ährlich gewesen; dazu kommt, daß nach § 23 Abs.4 StVO die Türen eines Fahrzeuge solange nicht geöffnet werden dürfen, als dadurch andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden können. Diese Bestimmung stellt auf eine abstrakte Gefährdung ab, dies bedeutet, daß die Fahrzeugtür schon dann nicht geöf£net werden kann, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, daß andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten.

Diese Gefahrensituation wäre im Fall des Abstellens meines Fahrzeuges an der Unfallstelle jedenfalls gegeben gewesen, weil viele Fahrzeuge sowohl in meiner Richtung, als auch in die Gegenrichtung unterwegs waren. Hätte ich mein 1,6 m breites Fahrzeug auf der 6 m breiten Fahrbahn abgestellt, wären für die Fahrzeuglenker nur mehr 4,4 m zur Verfügung gestanden. Da jeder Verkehrsteilnehmer damit rechnen muß, daß Fahrzeug mit der höchstzulässigen Breite von 2,5 m unterwegs sind, wäre ein gefahrloser Begegnungsverkehr im Unfallbereich für die übrigen Verkehrsteilnehmer nicht mehr möglich gewesen.

Von einem Anhalten im Sinne des § 2 Abs.l Z.26 StVO kann nicht gesprochen werden, weil als wichtiger Umstand nach der Judikatur nur ein plötzlich auftretendes, die ordnungsgemäße Bedienung oder Weiterführung des Fahrzeuges hinderndes Ereignis angesehen werden kann (vgl. ZVR 1976/56). Ein derartiger Umstand lag aber nicht vor, weil mein Fahrzeug lediglich einen Seitenschaden aufwies, welcher die Fahrtüchtigkeit des Pkw nicht beeinflußte.

Im Falle des umgehenden Stehenbleibens nach der Unfallstelle hätte ich gegen die genannten Bestimmungen der StVO verstoßen, welche allesamt Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB darstellen. Die Verletzung einer solchen Bestimmung hätte meine Haftung für allfällige weitere Schäden herbeigeführt.

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau ist au£ meine Argument, daß eine Notstandsituation vorlag, im Straferkenntnis nicht eingegangen.

Da ich den Verkehrsunfall nicht verschuldet habe, habe ich mich auch nicht selbst in diese Zwangslage versetzt, welche der Annahme einer Notstandssituation entgegenstünde.

Unter einer Notstandssituation ist ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in welchem jemand sich oder einen anderen aus einer Gefahr nur dadurch retten kann, daß er - sollte man dies hier überhaupt annehmen - ein strafbare Handlung, hier eine Übertretung des § 4 Abs.1 lit.a StVO, begeht.

Bei regem Verkehrsaufkommen ist jeder Verkehrsteilnehmer angehalten, die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht zu behindern, eine derartige Behinderung wäre aber im Falle des umgehenden Stehenbleibens jedenfalls gegeben gewesen, weil das Aufstellen eines Warndreiecks und die Absicherung der Unfallstelle eine erhebliche Zeitspanne in Anspruch genommen hätte,in welcher in der damaligen Situation zumindest einige Dutzend Fahrzeuge vorbeigekommen wären, wie später ja aus meiner Stillstandsposition, in welcher ich das Eintreffen des Unfallgegners abgewartet habe, feststellen konnte.

Die genannten Bestimmungen der StVO schützen höherwertige Rechtsgüter, nämlich das Leben und die Gesundheit aller Verkehrsteilnehmer, wogegen § 4 Abs.l lit.a StVO gewährleisten will, daß die Identität der Unfallbeteiligten festgestellt und der Unfall rekonstruiert wird. Diese Rechtsgüter sind im Vergleich minderwertiger. Man darf nicht außer Acht lassen, daß ich ja ohnehin nach kurzer Distanz angehalten habe, die Zeuginnen sprechen ebenso wie ich von ca. 100 m, und daß von der Unfallstelle bis zur späteren Stillstandsposition freie Sicht bestand, mich also der Unfallgegner vom Unfallort und darüberhinaus in meiner Stillstandsposition sehen hätte können, wäre dieser stehengeblieben.

Man darf weiters nicht außer Acht lassen, daß aufgrund des ständig bestehenden Gegenverkehrs die Pkw-Lenker damals mit Abblendlicht fahren mußten und ich nach der Kollision nicht einmal wußte, ob die Beleuchtungseinrichtungen in meinem Fahrzeug noch funktionieren, weswegen keinesfalls gesagt werden kann, daß mein Stehenbleiben von nachkommenden Verkehrsteilnehmer rechtzeitig bemerkt wird, bei der bestehenden Dunkelheit ist davon auszugehen, daß dies nur innerhalb der Ausleuchtweite des Abblendlichtes, also durchschnittlich 50 m, der Fall ist.

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau wertet im Rahmen der Strafbemessung meine bisherige Unbescholtenheit zwar als Milderungsgrund, hat aber die von Amts wegen zu prüfende Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG ungeprüft gelassen.

§ 99 Abs.a lit.a StVO enthält einen Strafrahmen von S 500,-- bis S 30.000,-- Da, wie noch darzustellen sein wird, entsprechende Milderungsgründe vorliegen, die keinem einzigen Straferschwerungsgrund gegenüberstehene, wäre von einer Strafuntergrenze von S 250,-- auszugehen gewesen.

Meine Unbescholtenheit stellt in Anbetracht meines fortgeschrittenen Alters von 73 Jahren zum Unfallszeitpunkt einen besonders gewichtigen Strafmilderungsgrund dar, weil ich über Jahrzehnte im Zuge meiner aktiven Teilnahme am Straßenverkehr meine positive Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten unter Beweis stellen konnte. Schon dieser gewichtige Milderungsgrund, meines Erachtens ist dieser überhaupt der schwerwiegendste, rechtfertigt für sich alleine mangels Vorhandenseins von Erschwerungsgründen die außerordentliche Strafmilderung.

Es kommen aber weitere Milderungsgründe dazu, nämlich die oben beschriebenen besonderen Umstände des Einzelfalles.

Sollte der Unabhängige Verwaltungssenat das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes des Notstandes wider Erwarten nicht annehmen, so lag jeden£alls eine Situation vor, welcher diesem Rechtfertigungsgrund nahekommt, weswegen der Strafmilderungsgrund nach § 34 Z.ll StGB vorliegt.

Weiters wird mir, wenn man die Erfüllung des in Rede stehenden Tatbestandes annimmt, Unbesonnenheit nach Z.7 leg.cit. zuzubilligen sein, weil ich mich in dieser Situation verpflichtet gefühlt habe, mich, meine Bei£ahrerinnen und die übrigen Verkehrsteilnehmer vor weiteren Unfällen und gefährlichen Situationen zu schützen.

Es wird mir daher auch zuzubilligen sein, daß ich die Tat aus erachtenswerten (gemeint wohl: achtenswerten) Beweggründen (§ 34 Z.3 StGB) begangen habe, auf meinen absolut ordentlichen Lebenswandel (Z.2) habe ich ja schon hingewiesen. Im Rahmen der Strafbemessung darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Tat keinerlei nachteiligen Wirkungen nach sich gezogen hat, weil die Unfallrekonstruktion aufgrund der Schäden an den Fahrzeugen möglich war, die Schadensauseinandersetzung ist bereits abgeschlossen.

Im Lichte der besonderen Umständen des Einzelfalles ist mein Verschulden als geringfügig zu werten, sollte ein solches überhaupt als gegeben angenommen werden können, Folgen der Übertretungen gibt es keine, weswegen die Voraussetzungen £ür das Absehen von der Strafe bzw. für die Erteilung einer Ermahnung nach § 21 VStG vorliegen. Auch diese Rechtsfrage hat die Erstbehörde ungeprüft gelassen.

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau legt mir weiters zur Last, eine Übertretung des § 4 Abs.5 1. Satz StVO begangen zu haben, weil ich nach dem von mir mitverursachten Verkehrsunfall nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle verständigt habe.

Es ist unbestritten, daß ich gleich am nächsten Morgen, ohne von jemandem dazu aufgefordert worden zu sein, freiwillig den Unfall beim Gendarmerieposten M und dann in M gemeldet habe, dies nochdazu zu einem Zeitpunkt, als die Unfallgegnerin noch gar nicht getan hatte, diese hat sich erst einige Zeit später bei der Gendarmerie gemeldet.

Wenn der Bezirkshauptmannschaft Braunau auch darin zu folgen ist, daß die Rechtsprechung diesbezüglich streng ist, so muß darauf hingewiesen werden, daß jene Zwecke, die diese Bestimmung verfolgt, nicht vereitelt wurden. Diese gesetzliche Bestimmung hat den Sinn, entweder durch einen sofortigen Identitätsaustausch die Personalien des Unfallgegners feststellen zu können oder, wenn ein solcher nicht erfolgt, die Gendarmerie hievon in Kenntnis zu setzen, damit eine reibungslose Schadensabwicklung möglich wird.

Es ist die allgemein bekannte Praxis der Gendarmerie, bei Verkehrsunfällen mit Sachschaden überhaupt nicht einzuschreiten. Die Exekutivbeamten fahren nicht zur Unfallsstelle, machen keine Lichtbilder, sondern nehmen lediglich die Daten des Melders und des Fahrzeuges, sowie des Versicherers auf.

Auch das Verschulden an dieser Übertretung kann als geringfügig angesehen werden, weil ich, wenn auch nicht umgehend, den vom Gesetz verfolgten Zwecken selbsttätig zum Durchbruch verholfen habe. Auch hier wäre ein Absehen von der Strafe bzw. Ausspruch einer Ermahnung zulässig gewesen, wobei darauf hinzuweisen ist, daß diesbezüglich kein behördliches Ermessen besteht. Liegen die beiden in § 21 VStG genannten Voraussetzungen vor, muß die Behörde von der Strafe absehen oder eine Ermahnung aussprechen.

Zur Strafbemessung selbst darf ich ausführen, daß die Geldstrafe nach § 99 Abs.3 lit.b) StVO fast so hoch wie jene nach Abs.2 lit.a) StVO ausgefallen ist, obwohl der Strafrahmen nur ein Drittel der letztgenannten Bestimmung ausmacht.

Wäre nicht nur meine absolute Bescholtenheit (gemeint wohl: Unbescholtenheit), sondern auch die oben genannten weiteren gewichtigen Strafmilderungsgründe berücksichtigt worden, hätte die Erstbehörde mit der Geldstrafe in der Höhe von S 250,-- und S l00,-- (§ 13 VStG) das Auslangen gefunden.

Die Verhängung der gesetzlichen Mindeststra£e ist im gegenständlichen Verfahren jedenfalls gerechtfertigt, weil die Übertretungen keinerlei Folgen nach sich gezogen haben und die besonders widrigen Umstände des Einzelfalles Mindeststrafen rechtfertigen.

Ich stelle daher höflich den A n t r a g, der zuständige Einzelrichter des Unabhängigen Verwaltungssenates möge der Berufung Folge geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 8.6.1994 in beiden Punkten beheben und das Verfahren einstellen." 2.1. Mit einer Eingabe vom 26. August 1994 verzichtet die Berufungswerberin auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und führt hiezu aus:

"Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat im Verfahren VwSen-102121/2/Br, in gegenständliche Verwaltungsstrafsache für 23.9.1994 eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumt.

Im Sinne der Bestimmung des § 51e Abs.3 VStG verzichtet die Berufungswerberin aus nachstehenden Gründen ausdrücklich auf die Durchführung dieser Verhandlung und ersucht die Bezirkshauptmannschaft Braunau, diesen Schriftsatz dem UVS mit dem Bemerken weiterzuleiten, daß auch die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz auf die Durchführung der Verhandlung verzichtet, sofern dies der Rechtsansicht der Bezirkshauptmannschaft entspricht.

In den Augen der Berufungswerberin gibt es keine zwingenden Gründe für deren Durchführung.

Die Berufungswerberin ist 74 Jahre alt, steht in ständiger fachärztlicher Behandlung und hat auch für den 23.9. in der Zeit der ins Auge gefaßten Berufungsverhandlung wieder einen Facharzttermin.

Eine der Zeugin ist gesundheitlich, eine andere aus seelischen Gründen nicht in der Lage, zur Berufungsverhandlung zu kommen, wie die Berufungswerberin in Erfahrung gebracht hat, letztere ist in großer innerlicher Unruhe wegen dieser Verhandlung, was ihr auch vom Rechtsanwalt nicht ausgeredet werden kann.

Da die Angelegenheit aber wegen des im Raum stehenden Versicherungsregresses wegen Ubertretung des § 4 StVO sehr wichtig ist, möchte die Berufungswerberin das Rechtsmittel nicht zurückziehen. Die befürchtete psychische Belastung in und vor einer Verhandlung, eine solche hat sie in ihrem Leben noch nie absolviert, ist der Rechtsmittelwerberin und offensichtlich auch den Zeuginnen, zu groß." 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau, AZ. VerkR96/18372/1993+1/Li und Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Vernehmung der Zeuginnen Anna und Ursula D, Augustine H, Katharina S, Helga H, Gertraud K und Barbara K, sowie die Anhörung der Berufungswerberin, welche im Verlaufe der Verhandlung entgegen der obigen Mitteilung doch erschienen war. 4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Die Berufungswerberin hat zur oben angeführten Zeit ihren Pkw mit dem Kennzeichen, auf der B von B in Richtung U gelenkt. Zu diesem Zeitpunkt herrschte völlige Dunkelheit. Aus ungeklärten Umständen kam es zwischen dem Fahrzeug der Berufungswerberin zu einem Streifkontakt mit dem entgegenkommenden Fahrzeug der Frau Helga H. Beide Fahrzeuge wurden unmittelbar nach diesem Kontakt am rechten Fahrbahnrand nach etwa 100 Meter zum Stillstand gebracht. Beide Fahrzeuglenkerinnen stiegen aus ihren Fahrzeugen aus. Sie konnten das jeweils gegnerische Fahrzeug aufgrund der Dunkelheit bzw. einer infolge des Straßenverlaufes und der infolge auf den angrenzenden Feldern bestehenden Kulturen nicht mehr gegebenen direkten Sicht, nicht sehen. Beide Fahrzeuglenkerinnen setzten schließlich ihre Fahrt nach etwa fünfzehn Minuten in der Meinung fort, daß der jeweils andere Fahrzeuglenker sein Fahrzeug nicht angehalten gehabt hätte. Beide Beteiligte haben schließlich den Vorfall am Morgen des nächsten Tages gemeldet. Die Berufungswerberin war diesbezüglich am 27. September 1993 um 07.15 Uhr beim GP M erschienen. An eben dieser Dienststelle wurde dieser Vorfall von Frau H am 27. September 1993 um 08.45 Uhr gemeldet. 5. Das entscheidungsrelevante Beweisergebnis stützt sich auf die weitestgehend übereinstimmenden und schlüssigen Angaben sämtlicher Zeuginnen. Es wurde hiedurch deutlich und lebhaft zum Ausdruck gebracht, daß auch die Berufungswerberin ihr Fahrzeug unmittelbar nach dem Unfall angehalten hatte. Nachdem sich die Fahrertür nicht sogleich, sondern erst nach mehreren Versuchen öffnen ließ, stieg die Berufungswerberin aus und konnte dabei kein anderes Fahrzeug sehen. Sie brachte in der Folge gegenüber ihren Mitfahrerinnen, welche im Fahrzeug verblieben, zum Ausdruck, daß der Gegner offenbar weitergefahren wäre. Aus diesem Grunde sei sie nach etwa fünfzehn Minuten weitergefahren. Auch die Berufungswerberin machte einen sachlichen und glaubwürdigen Eindruck. Es war daran nicht zu zweifeln, daß bloß widrige Umstände zur Fahrtfortsetzung geführt hatten. 5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

5.1.1. Die Anhaltepflicht tritt wohl grundsätzlich schon dann ein, wenn dem Fahrzeuglenker objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, umso mehr wenn ihm der Verkehrsunfall in der hier vorliegenden Klarheit bewußt wurde. Es genügt im Sinne des § 4 Abs.1 lit.a StVO auch nicht das bloße kurzfristige Zum-Stillstand-Bringen des am Unfall beteiligten Fahrzeuges an der Unfallstelle bei anschließendem - ohne sich um die gesetzlichen Maßnahmen gekümmert zu haben - Fortsetzen der Fahrt. Diese gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen können jedoch dann nicht erfüllt werden, wenn auch der Zweitbeteiligte sich von der Unfallstelle entfernt (VwGH 6.4.1978, 754/77, ZVR 1978/253). Von dieser Tatsache konnte die Berufungswerberin hier aber ausgehen, indem sich aus ihrer Sicht das zweitbeteiligte Fahrzeug durch die augenscheinliche Weiterfahrt, aus seinem Sichtbereich entfernt hatte (VwGH v. 20.11.1990, Zl. 90/18/161 sinngem.). Ein weiteres Verbleiben an der Unfallstelle würde in dieser Situation wohl keinen Sinn ergeben. Der Rahmen der Zumutbarkeit würde überschritten, in einer derartigen Situation von einem Fahrzeuglenker zu verlangen, gleichsam durch ein Suchen, sich zu überzeugen, ob der Zweitbeteiligte nicht doch noch irgendwo angehalten hat. Dies wäre wohl, insbesondere zumal die Berufungswerberin 74 Jahre alt ist und der herrschenden völligen Dunkelheit, aus der Sicht der Berufungswerberin, nicht sinnvoll gewesen. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl. VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). 5.1.2. Ungeachtet dessen hat aber für die Berufungswerberin die Verpflichtung bestanden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch (nur) unterbleiben, wenn die genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander die Identität nachgewiesen haben (§ 4 Abs.5 StVO). Dies geschah aber nicht. Die Meldepflicht wird ebenso nicht bloß im objektiven Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen vom Eintritt eines derartigen Schadens. Der Tatbestand ist schon dann gegeben, wenn dem Fahrzeuglenker objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (VwGH v. 19.1.1990, Zl. 89/18/0199). Solche objektive Umstände sind im Wissen der tatsächlich stattgefundenen und von der Berufungswerberin auch wahrgenommenen Touchierung gegeben. Das Nichtkennen der diesbezüglichen Vorschrift - nämlich die Meldung ohne unnötigen Aufschub zu erstatten und nicht erst am nächsten Morgen - entschuldigt diese Zuwiderhandlung nicht. Der Begriff "unnötiger Aufschub" ist streng auszulegen, sodaß mit der hier erfolgten Verständigung der Gendarmerie dieser Anforderung nicht (mehr) genüge getan wurde (VwGH 28.11.1990, Zl. 90/02/0049). Ungeachtet des Umstandes, daß infolge der Einstellung des Punktes a) das diesbezügliche Berufungsvorbringen dahingestellt bleiben könnte, wird doch zum diesbezüglich umfassenden Vorbringen Stellung genommen:

Unhaltbar ist die Auffassung der Berufungswerberin insofern, als ein unfallbedingtes Anhalten, welches erwartungsgemäß einen Zeitrahmen von mehr als zehn Minuten in Anspruch genommen hätte, als Parken im Sinne des § 23 Abs.3 lit."g" (gemeint wohl § 24 Abs.1 lit.g) zu qualifizieren und somit an dieser Stelle verboten gewesen wäre. Ein durch "wichtige Umstände" erzwungenes Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges, ein solcher Umstand liegt wohl wesensspezifisch - weil gesetzlich bedingt - auch bei einem Verkehrsunfall vor. Sachlich unhaltbar ist auch der Rechtfertigungsversuch der Weiterfahrt nach dem Unfall, daß infolge des starken Verkehrsaufkommens die Fahrzeugtür nicht geöffnet werden hätte können, weil hiedurch eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht auszuschließen gewesen sei. Würde dieser Sicht tatsächlich generelle Bedeutung zuerkannt werden, wäre damit wohl fast jede Weiterfahrt nach einem Verkehrsunfall begründbar. Im Konkreten entbehrt diese Argumentation jeder sachlichen Grundlage, zumal nach einem Blick in den Außenspiegel und Beachtung eines allfällig herannahenden Verkehrs von hinten, erfahrungsgemäß jede Fahrzeugtür zum Zwecke des Aussteigens geöffnet werden kann. Nicht nachvollziehbar und rechtlich unhaltbar ist ferner die Sicht der Berufungswerberin, sie hätte im Falle des Anhaltens gegen eine als "Schutzgesetz nach § 1311 ABGB" geltende Bestimmung verstoßen.

Grundsätzlich ist zur Frage des Notstandes auszuführen, daß ein gesetzlich gebotenes Verhalten (Anhaltepflicht nach einem Verkehrsunfall) nicht dahingehend uminterpretiert werden kann, eine Rechtfertigung schon darin erblicken zu können, als allenfalls durch die Nichtbeachtung eine abstrakte Gefahrenquelle unterbunden werden könnte. Damit würde dem Gesetz ein völlig konträrer Zweck unterlegt, weil nämlich ein Anhalten an der Unfallstelle immer eine Gefahrenquelle in sich birgt, welche es jedoch durch umfangreiche Absicherungspflichten zu minimieren gilt. Von einem Notstand könnte daher nur im Falle der Abwendung einer konkret drohenden Gefahr, welcher aus der Sicht des Handelnden nur durch Verletzung eines geringerwertigen Rechtsgutes (Verhältnismäßigkeitsprinzip) begegnet werden kann. Die Rechtfertigung einer an sich gesetzwidrigen Verhaltensweise setzt voraus, daß der Eingriff in das fremde Rechtsgut das einzige Mittel zur Abwehr des drohenden Nachteils ist, dieser mithin nicht anders abgewendet werden kann; nicht der 'nächstmögliche Ausweg ist zu wählen, sondern der einzig mögliche' (KH 3586). Es darf somit kein anderer, schonenderer Weg zur Rettung des bedrohten Guts (hier wäre dieses Gut die bloß präsumtive Möglichkeit der Herbeiführung eines weiteren Verkehrsunfalles im Rahmen der Erfüllung der Anhaltepflicht, aber kein tatsächlich bedrohtes Rechtsgut) offenstehen (ÖJZ-LSK 1975/198). Rechtfertigung setzt aber weiters (und vor allem) voraus, daß das "gerettete Rechtsgut" gegenüber dem beeinträchtigten höherwertig ist; ist es dem beeinträchtigten (hier eine bloße Fiktion) gleichwertig oder gar geringerwertig, scheidet rechtfertigender Notstand aus. Die Höherwertigkeit muß eindeutig und zweifellos sein. Nur unter solchen Voraussetzungen könnte mit Fug davon gesprochen werden, daß die Rechtsordnung den eigenmächtigen Eingriff in fremde Rechtsgüter - was auch im Falle einer Pflichtverletzung im Falle einer Pflichtenkollision zutreffen würde - billigt, mithin für rechtmäßig hält; andernfalls kann sie den Straftäter zwar uU (nur) für entschuldigt ansehen, sein Verhalten aber nicht für rechtmäßig erklären (Leukauf-Steininger, Das österreichische Strafgesetzbuch, 3. Aufl., Seite 138 ff).

Schließlich wird gefordert, daß die Rettungshandlung das angemessene Mittel zur Rettung des bedrohten Rechtsguts ist (vgl Burgstaller 154; Kienapfel 165 und ÖJZ 1975, 429 und AT 212 Rz 24; Triffterer AT 233). Durch dieses Angemessenheitskorrektiv sollen bei bestimmten Fallgruppen notwendige Korrekturen anhand oberster Wertmaßstäbe ermöglicht werden; rechtfertigender Notstand kommt danach nicht in Betracht, wenn die Tat, bezogen auf die obersten Prinzipien und Wertbegriffe der Rechtsordnung, nicht als das angemessene Mittel erscheint (Kienapfel ÖJZ 1975, 431, 429), oder ein rechtfertigender Notstand setzt voraus, daß es sachgemäß, billigenswert und im Interesse der Gerechtigkeit erlaubt ist, die Notstandslage durch "Beeinträchtigung des kollidierenden Interesses zu überwinden" (Jescheck 326).

Das Begehen einer Fahrerflucht "zur Vermeidung eines abstrakt möglichen (weiteren) Unfalles" ist nicht gerechtfertigt bzw. impliziert im Sinne des oben Gesagten keinen Notstand. Die zum vorgeworfenen Verhalten führende Motivation der Berufungswerberin wäre in diesem Zusammenhang wohl im Rahmen der Verschuldensprüfung entsprechend zu würdigen gewesen. 5.1.3. Nach § 21 Abs.1 VStG kommt eine Ermahnung nur dann in Betracht, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Der unabhängige Verwaltungssenat vermag einerseits weder in der Unkenntnis dieser Rechtsvorschrift noch in der - wenn auch zeitlich nicht beträchtlichen - Nichteinhaltung dieser, ein nur geringes Verschulden erblicken, noch sind mit dieser Säumnis bloß unbedeutende Folgen verbunden. Diese führt zu behördlichen Aktivitäten, welche ansonsten unterbleiben könnten. Daran vermag auch hier die Tatsache nichts ändern, daß die Unfallgegnerin selbst diese Meldung erst verspätet erstattet hat. Eine Ermahnung konnte daher für Punkt b) nicht in Betracht kommen. 6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängte Strafe äußerst niedrig bemessen wurde. Die 74-jährige Berufungswerberin ist bisher noch nie negativ in Erscheinung getreten, sodaß ihr alle Milderungsgründe zugute kommen konnten. Sie hat offenbar nie die Absicht gehabt diesen Vorfall nicht aufzuklären. Trotzdem wäre eine noch weitere Reduzierung des Strafausmaßes angesichts des objektiven Unwertgehaltes dieser Übertretung nicht gerechtfertigt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat: Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum