Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310052/11/Le/La

Linz, 24.06.1996

VwSen-310052/11/Le/La Linz, am 24. Juni 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des F... P..., ... U..., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K... N..., P..., ... B..., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 11. September 1995, Zl. UR96-37-1995, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sowie öffentlicher Verkündung des Erkenntnisses im Anschluß an die mündliche Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 11. September 1995 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 17 Abs.1 iVm § 39 Abs.1 lit.a Z2 Abfallwirtschaftsgesetz (im folgenden kurz: AWG) eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10% der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, daß er zumindest am 23.

Mai 1995 auf dem Grundstück des Hauses A..., W... (gemeint wohl: W...), gefährlichen Abfall iSd § 2 Abs.5 AWG, nämlich einen LKW VW LT 31, weißer Kastenaufbau mit der Aufschrift "G... H...", in dem sich noch Betriebsmittel (Flüssigkeiten, wie zB Motoröl) befanden, entgegen § 17 Abs.1 AWG in einer Art und Weise gelagert hätte, daß die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden konnte.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen der Gang des Ermittlungsverfahrens dargestellt und insbesonders auf die Überprüfung durch den Amtssachverständigen der Abteilung Maschinenbau und Elektrotechnik vom 23.5.1995 verwiesen.

Laut Aussage des Sachverständigen hätte das Fahrzeug starke Beschädigungen und Rostschäden aufgewiesen, die eine wirtschaftliche Instandsetzung nicht mehr ermöglicht hätten.

Auf Grund der noch vorhandenen Betriebsmittel (Flüssigkeiten wie zB Motoröl) wäre vom Sachverständigen dieses Fahrzeug als gefährlicher Abfall iSd AWG bezeichnet worden.

Zur Rechtfertigung des Beschuldigten, daß er beabsichtigt hätte, das Fahrzeug bzw. die noch intakten Teile weiterzuverwenden bzw. daß er das Öl abgelassen und das Fahrzeug mit einer Plane unterspannt hätte, führte die Behörde aus, daß dies erst nach dem Lokalaugenschein des Sachverständigen vorgenommen worden sei. Die Rechtfertigung, daß der Beschuldigte den LKW in technisch einwandfreiem Zustand auf seinem Grund abgestellt hätte und eine Wiederherstellung nur deshalb nicht möglich sei, da unbekannte Vandalen das Führerhaus samt Einrichtung zerstört hätten, führte die Erstbehörde aus, daß diese Tatsache nicht geeignet sei, sein Verschulden an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschriften auszuschließen.

Dies deshalb, weil schon aus den der Anzeige des Gendarmeriepostens Altheim vom 16.1.1995 beigefügten Fotos ersichtlich sei, daß zumindest zu diesem Zeitpunkt das Führerhaus des LKWs schon zerstört war und dem Beschuldigten daher zumindest ab diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sein mußte, daß eine wirtschaftliche Instandsetzung des LKWs nicht mehr möglich gewesen wäre. Auf Grund des desolaten Zustandes des Fahrzeuges könne nicht ausgeschlossen werden, daß wassergefährdende Betriebsmittel austreten und in weiterer Folge durch den nicht befestigten Boden ins Grundwasser gelangen.

Sodann legte die Erstbehörde die Gründe für die Strafbemessung dar.

2. Dagegen richtet sich die Berufung vom 16.10.1995, die mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbunden wurde, da dieses Rechtsmittel zu spät erhoben worden war.

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau bewilligte mit Bescheid vom 7.11.1995 gemäß § 71 Abs.1 lit.a AVG 1991 (gemeint wohl:

§ 71 Abs.1 Z1 AVG) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erkannte weiters dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zu.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Der unabhängige Verwaltungssenat führte am 20. Juni 1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Marktgemeindeamt Altheim durch und begab sich zur Feststellung des Sachverhaltes auch zur Liegenschaft W....

An dieser öffentlichen mündlichen Verhandlung nahm der Bw teil und wurde Herr Insp. K... vom Gendarmeriepostenkommando Altheim als Zeuge einvernommen. Der Vertreter der Erstbehörde konnte aus Termingründen nicht teilnehmen.

Bei dieser öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Bw ausgeführt, daß es sich beim verfahrensgegenständlichen Klein-LKW der Marke VW LT 31 um ein Fahrzeug handelte, das vom Erstbesitzer H... nur für Marktfahrten verwendet wurde und sodann vom Zweitbesitzer, Herrn B..., als Baustellenfahrzeug Verwendung fand. Daraus ergab sich eine relativ geringe Kilometerleistung von 36.000 km, als der nunmehrige Bw dieses Fahrzeug im Jahr 1990 oder 1991 erworben hat. Eine Anmeldung des Fahrzeuges war ihm nicht möglich, da der Vorbesitzer den Typenschein verloren hatte.

Etwa im Jahr 1991 hätten dann Vandalen das Führerhaus des Klein-LKW zerstört, weshalb der Bw nicht mehr beabsichtigt hätte, das Fahrzeug wiederherzustellen; die Beschädigungen wären zu groß gewesen.

Allerdings hätte er beabsichtigt, das Fahrzeug nach Rumänien zu transportieren, da es dort gebraucht worden wäre. Das wurde durch eine Änderung der Ausfuhrbestimmungen, wonach Fahrzeuge, die älter als acht Jahre alt wären, nicht mehr ausgeführt werden durften, unmöglich.

Er suchte daher nach einem Fahrzeug gleichen Typs, um den Motor und die noch brauchbaren Fahrzeugteile dort einzubauen.

Nachdem er von der Gendarmerie beanstandet worden war, hätte er die Bremsflüssigkeit und das Motoröl abgelassen. Er zweifelte daher die Feststellungen des Amtssachverständigen vom 23.5.1995 an, wobei er angab, daß er kurz nach diesem Datum selbst zum verfahrensgegenständlichen Grundstück gekommen sei und festgestellt hätte, daß das Fahrzeug rings um von ca. 1m hohen Brennesseln umwachsen gewesen sei. Er äußerte daher die Vermutung, daß der Sachverständige das Fahrzeug nicht näher angesehen hätte. Zu dem Zeitpunkt wäre nämlich bereits das Motoröl abgelassen und die Bremsflüssigkeit entfernt gewesen.

Im Anschluß an den Lokalaugenschein durch den Sachverständigen hätte der Bw eine Folie unter das Fahrzeug gelegt und an den Seiten hinaufgespannt, sodaß kein Öl in das Erdreich gelangen konnte.

Anläßlich des Lokalaugenscheines wurde von der erkennenden Kammer der Platz in Augenschein genommen, auf dem der LKW VW LT 31 abgestellt gewesen war. Dabei wurden auch noch die Vertiefungen festgestellt, die durch die Räder verursacht wurden. Aus diesen Vertiefungen ergab sich exakt die Lage des Fahrzeuges und konnte mit den der Anzeige des Gendarmeriepostens Altheim beigelegten Fotos verglichen werden. Eine optische Untersuchung des dort befindlichen Bodens ergab keinerlei Anzeichen von ausgetretenem Öl oder sonstigen Betriebsflüssigkeiten eines Kraftfahrzeuges. Der gewachsene Boden befand sich vielmehr in naturbelassenem Zustand, dh, daß nach der Entfernung des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges keine Veränderungen dieser Fläche vorgenommen worden sind.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates.

Da eine Geldstrafe über 10.000 S verhängt wurde, ist für die Durchführung dieses Verfahrens die Zuständigkeit der Kammer gegeben (§ 51c VStG).

4.2. Die hier anzuwendende Strafnorm des § 39 Abs.1 lit.a Z2 AWG hat folgenden Wortlaut:

"§ 39 (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen a) mit Geldstrafe von 50.000 S bis 500.000 S, wer 2. gefährliche Abfälle und Altöle entgegen § 17 Abs.1 lagert, behandelt oder ablagert, ..." Der Gesetzgeber des AWG hat den Abfallbegriff in § 2 Abs.1 AWG wie folgt definiert:

"§ 2 (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, 1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder 2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs.3) geboten ist.

Die Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann geboten sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann." Im vorliegenden Fall scheidet die Anwendung der oben zitierten Ziffer 1 deshalb aus, weil fest steht, daß sich der nunmehrige Bw des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges nicht entledigen wollte.

Hinsichtlich der Erfüllung des in § 2 Abs.1 Z2 AWG definierten objektiven Abfallbegriffes hat sich die Erstbehörde auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Kraftfahrzeugtechnik vom 7.6.1995 verlassen. Dieser hatte nach einer Besichtigung des Fahrzeuges folgendes festgestellt:

"1. Lkw VW LT 31, weißer Kastenaufbau mit Aufschrift "G...

H...". Das Fahrzeug weist starke Beschädigungen und Rostschäden auf, die eine wirtschaftliche Instandsetzung nicht mehr ermöglichen. Auf Grund der noch vorhandenen Betriebsmittel (Flüssigkeiten wie zB: Motoröl) ist eine Einstufung als gefährlicher Abfall im Sinne des Bundes AWG vorzunehmen." Auf Grund dieser - nicht einmal als Gutachten bezeichneten "Stellungnahme" des Amtssachverständigen ist die Erstbehörde davon ausgegangen, daß das öffentliche Interesse iSd § 1 Abs.3 Z3 AWG (die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann) verletzt werden kann. Für diese Annahme bietet jedoch das durchgeführte Ermittlungsverfahren aus folgenden Gründen zu wenig Raum:

Nach § 2 Abs.1 Z2 AWG wird eine bewegliche Sache erst dann zum Abfall, wenn ihre Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse geboten ist. Das bedeutet, daß die Sache erst dann zum Abfall wird, wenn die (nicht bloß abstrakte) Möglichkeit besteht, daß (zumindest) eines der in § 1 Abs.3 AWG genannten öffentlichen Interessen beeinträchtigt werden kann.

Daß die Möglichkeit, daß die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann, im vorliegenden Fall erfüllt wurde, läßt sich aus der bereits zitierten Stellungnahme des Amtssachverständigen nicht entnehmen.

Der Bw, der anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat einen durchaus glaubwürdigen Eindruck hinterließ, gab vielmehr an, daß bereits vor der Besichtigung des VW LT 31 durch den Amtssachverständigen bereits das Motoröl und die Bremsflüssigkeiten abgelassen waren. Auch der Zeuge Insp.

K... gab in der öffentlichen mündlichen Verhandlung an, daß zum Zeitpunkt seiner Besichtigung unter dem Fahrzeug keine Ölspuren waren. Schließlich hat auch die erkennende Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates an Ort und Stelle auf dem Platz, auf dem der verfahrensgegenständliche Klein-Lkw abgestellt war, keinerlei Spuren von Betriebsflüssigkeiten dieses Fahrzeuges festgestellt.

Es ist daher davon auszugehen, daß das gegenständliche Ermittlungsverfahren nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit ergeben hat, daß tatsächlich das öffentliche Interesse iSd § 1 Abs.3 Z3 AWG beeinträchtigt werden konnte. In Anbetracht des doch sehr hohen Strafrahmens und einer vorgesehenen Mindeststrafe von 50.000 S war hier ein strenger Beurteilungsmaßstab anzulegen, dem jedoch das durchgeführte Ermittlungsverfahren nicht entsprach.

4.3. Zu den Berufungsausführungen wird folgendes ausgeführt:

Wenngleich die Einstufung eines Autowracks als Problemstoff gerade in Strafverfahren auf Grund der vorgesehenen Strafhöhen rechtspolitisch durchaus wünschenswert wäre, ist diese Einstufung dennoch nicht zulässig:

Bereits in den Erläuterungen zum Abfallwirtschaftsgesetz hat der Gesetzgeber selbst im "Besonderen Teil" zu § 2 ausdrücklich folgendes bestimmt:

"In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß Autowracks, die noch gefährliche Substanzen enthalten, als gefährliche Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes anzusehen sind." Auch die Legaldefinition des § 2 Abs.6 AWG bestimmt, daß Problemstoffe im Sinne dieses Bundesgesetzes gefährliche Abfälle sind, die in privaten Haushalten oder bei Einrichtungen mit einem nach Menge und Zusammensetzung mit privaten Haushalten vergleichbaren Abfallaufkommen üblicherweise anfallen, wie zB Farben, Lacke, Leuchtstoffröhren, Altmedikamente, Pflanzenschutzmittel, Quecksilberthermometer, Batterien.

Altautos bzw. Autowracks, die als Abfälle im Sinne des § 2 Abs.1 AWG anfallen, fallen jedoch nicht üblicherweise in Haushalten an, sondern nach allgemeiner Lebenserfahrung nur in einem geringen Teil von Haushalten. Damit ist aber das Erfordernis des "üblicherweisen" Anfalles nicht gegeben, weshalb Autowracks als "gefährliche Abfälle" im Sinne des § 2 Abs.5 AWG, somit also nicht als "Problemstoffe" anzusehen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, daß der Bw weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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