Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310060/3/Le/La

Linz, 10.04.1996

VwSen-310060/3/Le/La Linz, am 10. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des A... G... S..., geb. ..., A..., ... S..., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H... C... K..., Dr. E...

H... und Mag. J... Z..., M..., ... L..., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 2.1.1996, Zl. Ge-2202/1993-Re/Dw, wegen Übertretung des O.ö.

Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 2.1.1996 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 42 Abs.1 Z1 lit.c des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 (im folgenden kurz: O.ö. AWG) eine Geldstrafe in Höhe von 60.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10% der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, am 11.11.1993 in der Ortschaft Reuharting an der nordwestlichen Ecke des Grundstückes Nr. ..., KG. A..., Gemeinde S..., eine Grube mit den Ausmaßen 12 x 65 x 1,5 m und an der südöstlichen Grundstücksgrenze, Grundstück Nr. ..., KG. A..., Gemeinde S... ebenfalls eine Grube mit den Ausmaßen 10 x 10 x 4 m ausgehoben und mit Ziegelteilen und Betonbrocken (Bauschutt) ausgefüllt und somit eine Abfallbehandlungsanlage errichtet und betrieben zu haben, ohne im Besitz einer abfallrechtlichen Bewilligung zu sein.

In der Begründung dazu wurde nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage der Gang des Ermittlungsverfahrens, insbesonders das Vorbringen des Beschuldigten sowie das Gutachten des agrartechnischen Sachverständigen vom 20.3.1995 wiedergegeben; im Anschluß daran wurde ausgeführt, aus welchen Gründen die Behörde zur Ansicht gelangte, daß vom Beschuldigten eine Abfallbehandlungsanlage zur Ablagerung von Bauschutt errichtet worden sei.

Sodann wurden die Gründe der Strafbemessung näher dargelegt.

Dieses Straferkenntnis wurde laut Rückschein am 9.1.1996 persönlich zugestellt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 23.1.1996, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

In der Begründung wird ausführlich dargestellt, warum das angefochtene Straferkenntnis nach Ansicht des Bw gegen § 44a Z1 und 2 VStG verstoße. Insbesonders wird in diesem Zusammenhang geltend gemacht, daß eine Abfallbehandlungsanlage dann nicht bewilligungspflichtig sei, wenn die vorübergehende Lagerung nicht länger als sechs Monate dauere; die belangte Behörde hätte dem Bw jedoch nur einen einzigen Tag, nämlich den 11.11.1993, vorgeworfen.

Überdies sei von der belangten Behörde nicht konkretisiert, welcher der in § 22 angeführten Tatbestände erfüllt sein solle. Es sei aus dem Straferkenntnis auch nicht nachvollziehbar, ob ihm die Behörde vorwerfe, daß er beide im Straferkenntnis angeführten Gruben ausgehoben und mit Ziegelteilen und Betonbrocken ausgefüllt hätte oder nur eine davon.

Der Tatvorwurf widerspreche auch den Erhebungen des Amtes der o.ö. Landesregierung vom 11.11.1993 und sei daher (in näher bezeichneten Teilen) aktenwidrig.

Der Bw verwies auf seine bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachte Verantwortung, daß er nur Lehm bzw.

Humus auf den Bereich der südöstlichen Grundstücksgrenze des Grundstückes ... KG. A... gebracht hätte und darauf, daß in diesem Bereich ehemals ein Bauernhaus gestanden sei. Dieses Bauernhaus sei bereits vom Voreigentümer abgetragen worden, woraus sich das allfällige Vorhandensein von Ziegelteilen erkläre, für welches er jedoch nicht einzustehen habe. Er verwies nochmals ausdrücklich auf den bereits aufgezeigten Irrtum in der Grundstücksbezeichnung, den er bereits in der Einvernahme vom 13.5.1994 aufgezeigt hatte. Weiters betonte er nochmals, daß sämtliche Maßnahmen ausschließlich dem Zwecke der Bodenverbesserung dienten und das Grundstück ...

der KG. A... daher keinesfalls einen Ablagerungsplatz im Sinne des § 20 Abs.1 Z4 des O.ö. AWG darstelle.

Abschließend wurde auch noch die Strafbemessung bekämpft.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich zusammen mit der rechtzeitig eingebrachten Berufung folgender Sachverhalt:

3.1. Der Bw ist unter anderem Pächter des Grundstückes ...

der KG. A...; Eigentümer ist laut Angabe des Bw Herr K...

S... (auch: S...).

Am 11.11.1993 führten Beamte der Umweltrechtsabteilung des Amtes der o.ö. Landesregierung gemeinsam mit einer Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft einen Lokalaugenschein auf diesem Grundstück durch, bei dem sie feststellten, daß in der nordwestlichen Grundstücksecke des Grundstückes Nr. ... KG. A... eine Ausgrabungsstelle vorgefunden wurde, die ein Ausmaß von 12 x 65 m und eine Tiefe von bis zu 1,5 m aufwies. Teilweise wäre diese Grube wieder mit Erdmaterial und Schotter aufgefüllt worden; oberflächlich konnten optisch keine Kontaminationen des Erdreiches mit Schadstoffen festgestellt werden.

Die zweite Ausgrabungsstelle befand sich nach diesen Feststellungen an der südöstlichen Grundstücksgrenze dieses Grundstückes; diese hätte Abmessungen von etwa 10 x 10 m und eine Tiefe von bis zu 4 m aufgewiesen. In unmittelbarer Nähe dieser Grabung wären Ziegelteile, Betonbrocken und Steine gelagert gewesen. Während dieses Lokalaugenscheines wäre diese Vertiefung bereits wieder mit Bauschutt und Erdmaterial mittels Bagger aufgefüllt worden. Gleichzeitig wäre auch Schotter mittels Bagger entnommen worden und mit LKW weggebracht worden. Es wären Bodenproben gezogen worden.

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land wurde ersucht, die Angelegenheit zu überprüfen und gegebenenfalls ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten.

Die Analyse der gezogenen Proben wurde nachgereicht; sie ergab laut Mitteilung der Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft vom 21.12.1993, daß beide gezogenen Proben der Eluatklasse Ia der ÖNORM S 2072 zuzuordnen sind.

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter vom 30.12.1993 wurde der Beschuldigte mit dem Tatvorwurf konfrontiert und zur Abgabe einer Stellungnahme eingeladen.

Am 25.1.1994 erschien der Beschuldigte bei der belangten Behörde und erklärte die Grabungsarbeiten damit, daß er das Grundstück ... der KG. A... im Rahmen seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit gepachtet hätte. Beim Eggen sei er mit dem Pflug auf die Grundfesten eines damaligen Bauernhauses gestoßen, welches bereits vom Voreigentümer des jetzigen Eigentümers K... S... (S...) abgerissen worden wäre. Er selbst habe daraufhin nach Rücksprache mit der Gemeinde vom Grundstück Schotter weggebracht und die Reste des Bauernhauses in diese Grube abgetragen. Anschließend hätte er Humus darübergezogen. Diese Angaben hätten sich auf die an der südöstlichen Grundstücksgrenze gemachten Wahrnehmungen bezogen.

Zu den Aushubtätigkeiten an der nordwestlichen Grundstücksecke gab er an, daß diese Grube zu Versuchszwecken ausgehoben worden sei, da er hier den Boden zum Zwecke der Bodenverbesserung abtragen wolle. Diesbezüglich hätte er von der Landwirtschaftskammer bereits eine Genehmigung bekommen.

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land führte in der Folge das Ermittlungsverfahren dergestalt durch, daß sie keine eigenen Behördenorgane an Ort und Stelle entsandte, sondern den Amtssachverständigendienst des Amtes der o.ö.

Landesregierung mit Schreiben vom 17.2.1994 beauftragte, die Abfalleigenschaft der auf Grundstück ... KG. A... gelagerten bzw. bereits eingebauten Stoffe zu prüfen und zu beurteilen.

In der dazu ergangenen "gutachtlichen Stellungnahme" vom 8.4.1994 teilte die Amtssachverständige für Abfallwirtschaft mit, daß nach Angaben eines (namentlich bezeichneten) Mitarbeiters der Umweltrechtsabteilung die Grube (12 m x 65 m x 1,5 m) bereits wieder verfüllt worden sei. Es werde daher "vorgeschlagen", daß die Firma S... aufzufordern wäre, nachzuweisen, daß dieses Material nicht kontaminiertes Material der Eluatklasse Ia gemäß ÖNORM S 2072 darstelle.

Falls dieser Nachweis nicht erbracht werde, wurde die Vornahme von Schürfungen und die Entnahme von Proben vorgeschlagen.

Konfrontiert mit dieser Stellungnahme gab der Beschuldigte dazu in seiner mündlichen Stellungnahme vom 13.5.1994 an, daß er auf dem genannten Grundstück einen sogen.

"Bodenaustausch" durchgeführt habe. Dies deshalb, weil dort viele Steine im Boden vorhanden wären und eine sinnvolle (landwirtschaftliche) Bewirtschaftung nicht möglich gewesen wäre. Er habe dazu Schotter entnommen in einem Ausmaß, wie es im Schreiben der Umweltrechtsabteilung vom 18.11.1993 festgestellt worden sei. Diesen Schotter habe er nach Hause gebracht, um den Platz bzw. seine neue Halle zu beschottern.

Die durch den Abbau entstandene Vertiefung habe er mit reinem Aushubmaterial, welches bei Kanalbauten und Kelleraushüben anfalle, aufgefüllt; er habe dazu keinesfalls Bauschutt verwendet. Der Bodenaustausch sei noch nicht zur Gänze abgeschlossen, sondern müsse noch eine Humusüberdeckung aufgebracht werden.

Hinsichtlich der festgestellten weiteren Ausgrabungsstelle an der südöstlichen Grundstücksecke des Grundstückes ...

könne er nur angeben, daß es sich hiebei um einen Irrtum in der Grundstücksbezeichnung handeln müsse. Er führe nämlich den Bodenaustausch im Bereich der Grundstücke ..., ..., ...

sowie ... durch. Für diesen Bodenaustausch legte er am selben Tage ein Projekt vor. Im Bereich dieser Grundstücke hätte sich ein altes Bauernhaus befunden, welches bereits vom Vorbesitzer des nunmehrigen Eigentümers K... S..., nämlich der Firma A..., einplaniert worden sei. Es wäre damals keine Humusüberdeckung aufgebracht worden. Auf Anraten und im Einvernehmen mit Herrn S... hätte er den Bodenaustausch derart durchgeführt, daß er rund um das ehemalige Bauernhaus einen Graben ausgekoffert und in diesen den Bauschutt des Bauernhauses verteilt hätte. Durch den Grabenaushub hätte er wiederum Schotter erhalten, welchen er nach Hause brachte, um ihn dort für den Hallenneubau zu verwenden. Die so gewonnene Vertiefung von ca. 1 m habe er nach und nach mit reinem Aushubmaterial aufgefüllt. Den aus dem Bodenaustausch gewonnenen Schotter hätte er nicht weiterverkauft, sondern für eigene Zwecke verwendet.

Diese Stellungnahme wurde von der belangten Behörde dem Amtssachverständigendienst (mit Schreiben vom 21.6.1994) übermittelt mit dem Ersuchen um stichprobenartige Überprüfung des abgelagerten Materials.

Daraufhin führte (eine andere) Amtssachverständige für Abfallwirtschaft am 11.8.1994 (selbständig) einen Lokalaugenschein durch, bei dem sie "ca. 3 m hohe Schotterhaufen in einer Gesamtmenge von ca. 1.500 m3" vorfand. Da an den Schotterablagerungen "schwarz verfärbte Ablagerungen" feststellbar waren, nahm sie davon einige Proben und ließ sie auf die Parameter PAK (polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) und AOX (adsorbierbare organisch gebundene Halogene) analysieren, wobei festgestellt wurde, daß keine nennenswerten Konzentrationen dieser Parameter vorhanden waren.

Sie wies in ihrer als "Befund und Gutachten" bezeichneten Stellungnahme vom 22.11.1994 darauf hin, daß durch die Probennahme an ausgewählten Stellen nicht ableitbar sei, daß sämtliche auf den Grundstücken Nr. ..., ..., ... und ... KG.

A... abgelagerten bzw. eingebauten Füllmaterialien reines Aushubmaterial bzw. Bauschutt darstellen. Sie wies weiters darauf hin, daß "laut Lokalaugenscheinbericht ... des Amtssachverständigen für Hydrogeologie ... auf den gegenständlichen Grundstücken die Ablagerung von sonstigen Abfällen nach dem O.ö. AWG, wie Asphaltbrocken, Beton- und Ziegelbruchstücke, Drahtseilteile, PVC-Teile und Glasscherben festgestellt" worden wäre.

Abschließend schlug sie vor, die Firma S... aufzufordern, "nachvollziehbar nachzuweisen, in welchem Ausmaß nicht kontaminiertes Aushubmaterial bzw. Bauschutt iSd § 1 Abs.3 AWG (BGBl. 325/1990) auf o.a. Grundstücken abgelagert wurden".

Mit Schreiben vom 7.12.1994 erteilte die belangte Behörde nochmals den Auftrag an den Sachverständigendienst um abschließende Begutachtung des abgelagerten Materials hinsichtlich seiner Abfalleigenschaft.

In dem dazu von der Amtssachverständigen erstatteten "Befund" vom 1.2.1995 wurde festgestellt, daß "den Bestimmungen des O.ö. AWG zu entnehmen sei, daß größere Mengen von natürlichem Bodenmaterial, wie Erde, Sand, Schotter, Steine, Schlamm gemäß § 2 Abs.7 sonstige Abfälle iSd Landesgesetzes" wären.

Weiters wurde auf den Lokalaugenschein der Amtssachverständigen auf den Grundstücken Nr. ..., ..., ...

und ... je KG. A... verwiesen, bei welchem Schottermaterial im Ausmaß von etwa 1.500 m3, welches bis zu einer Höhe von ca. 3 m gelagert sei, vorgefunden worden wäre.

Im dazu erstatteten "Gutachten" wurde zunächst der belangten Behörde die weitere Vorgangsweise "vorgeschlagen" und abschließend festgestellt, daß "das anläßlich des Außendienstes am 11.8.1994 vorgefundene Schottermaterial ...

bei einer Überprüfung nach optischen Merkmalen überwiegend den sonstigen Abfällen iSd § 2 Abs.7 O.ö. AWG zuzuordnen" gewesen wäre. (Eine Aussage darüber, welches Material nun auf diesen Grundstücken vorgefunden wurde, woher dieses augenscheinlich stammte und aus welchen Umständen eine Abfalleigenschaft zu vermuten sei, fehlte jedoch.) In einem beigelegten Plan wurde die Lage der Ablagerungen eingetragen. Demnach finden sich zwei Ablagerungen auf Grundstück ... sowie eine Ablagerung im Bereich der Grundstücke ..., ... und .... Infolge Fehlens der Eintragung der Himmelsrichtungen ist eine lagemäßige Zuordnung der eingezeichneten Ablagerungen nicht möglich. Wenn man aber davon ausgeht, daß die Eintragung der Grundstücksnummern die West-Ost-Richtung angibt, so wäre die eine Ablagerung auf Grundstück ... in der nordwestlichen Ecke; die zweite Ablagerung auf diesem - nahe zu rechteckigen - Grundstück wäre an der östlichen Seite und würde sich von der nordöstlichen Ecke bis nahe zur südöstlichen Ecke erstrecken. Die dritte Ablagerung wäre im südlichen Bereich des Grundstückes ... sowie der Grundstücke Nr. ..., ...

sowie ... eingezeichnet.

Die beiden zuletzt eingeholten "Gutachten" wurden dem Beschuldigten nicht mehr zur Kenntnis gebracht, dafür aber mit "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 1.8.1995 die beiden mit dem Beschuldigten aufgenommenen Niederschriften vom 25.1.1994 und vom 31.5.1994.

3.2. In Hinblick auf den vorgeworfenen Tatzeitpunkt war der Sachverhalt für die spruchgemäße Entscheidung ausreichend erhoben. Weitere Erhebungen, die möglicherweise zu einer Verifizierung des Tatvorwurfes hätten führen können, waren zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich, weshalb aus verwaltungsökonomischen Gründen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen wurde.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates.

Da eine Geldstrafe über 10.000 S verhängt wurde, ist für die Durchführung dieses Verfahrens die Zuständigkeit der Kammer gegeben (§ 51c VStG).

4.2. § 42 Abs.1 Z1 lit.c O.ö. AWG normiert folgendes:

"(1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen 1. mit Geldstrafe bis 500.000 S, wer c) entgegen § 22 Abs.1 bewilligungspflichtige Abfallbehandlungsanlagen ohne abfallrechtliche Bewilligung errichtet, betreibt oder wesentlich ändert, ..." Der Begriff der "Abfallbehandlungsanlage" ist in § 20 Abs.1 definiert, wobei in Z4 Ablagerungsplätze, insbesondere Reststoffdeponien, genannt sind.

Derartige Abfallbehandlungsanlagen unterliegen der Bewilligungspflicht gemäß § 22 Abs.1 O.ö. AWG, u.zw. deren Errichtung, Betrieb und deren wesentliche Änderung.

4.3. Die Erlassung eines Straferkenntnisses setzt eine einwandfreie Ermittlung des Sachverhaltes voraus, um feststellen zu können, ob tatsächlich alle Elemente der gesetzlichen Tatbestandsumschreibung verwirklicht worden sind.

Zu diesem Zweck normiert die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 37 AVG, daß das Ermittlungsverfahren den Zweck hat, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Für dieses Ermittlungsverfahren gelten nach Lehre und Judikatur die Grundsätze der Amtswegigkeit, der Erforschung der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung, des Parteiengehörs und der Verwaltungsökonomie.

Diese Grundsätze wurden im vorliegenden Verfahren nicht eingehalten, sodaß der maßgebliche Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt wurde. Auf folgende Mängel ist besonders hinzuweisen:

Vorweg ist festzustellen, daß im gesamten Verfahren kein einziges Mal ein Organ der belangten Behörde an Ort und Stelle war, um den Sachverhalt aufzunehmen. Das angefochtene Straferkenntnis beruht vielmehr auf einer Anzeige der funktionell für den Landeshauptmann tätigen Umweltrechtsabteilung beim Amt der o.ö. Landesregierung. Ein Vertreter dieser Abteilung hatte gemeinsam mit einer Amtssachverständigen am 11.11.1993 anläßlich eines Lokalaugenscheines verschiedene Grabungsarbeiten auf Grundstück ... der KG. A... beobachtet; weiters hatte dieser eine zweite Ausgrabungsstelle an der südöstlichen Grundstücksgrenze desselben Grundstückes festgestellt sowie in unmittelbarer Nähe dieser Grabung lagernde Ziegelteile, Betonbrocken und Steine.

Dieser Sachverhalt wurde der belangten Behörde gemeinsam mit Plänen, Skizzen und Fotos übermittelt und wurde die belangte Behörde ersucht, die Angelegenheit zu überprüfen und gegebenenfalls ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten.

Sohin geht schon aus dem Wortlaut dieses Schreibens eindeutig hervor, daß nicht ein vollständig ermittelter Sachverhalt mitgeteilt wurde, sondern lediglich Indizien für eine möglicherweise in Gang befindliche Verwaltungsübertretung.

Dessen ungeachtet wurde - ohne weitere Überprüfung - der Beschuldigte von der belangten Behörde mit Schreiben vom 30.12.1993 zur Rechtfertigung aufgefordert, wobei ihm vorgeworfen wurde, am 11.11.1993 eine Abfallbehandlungsanlage betrieben zu haben, ohne eine abfallrechtliche Bewilligung dafür zu haben.

Im gegenständlichen Straferkenntnis wurde dem nunmehrigen Bw erstmals vorgeworfen, eine Abfallbehandlungsanlage errichtet und betrieben zu haben.

Damit ist bereits - da außerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG liegend - der Tatvorwurf des konsenslosen "Errichtens" einer Abfallbehandlungsanlage aufzuheben.

Zum Tatvorwurf des "Betreibens" einer Abfallbehandlungsanlage hat der Bw in seiner Rechtfertigung vom 25.1.1994 der Behörde eine plausible Erklärung dargestellt. Er hatte angegeben, daß es sich bei den beiden Gruben um keine Abfallablagerungen bzw.

Abfallbehandlungsanlagen handelt, sondern einerseits um die Beseitigung von Grundfesten eines bereits abgebrochenen Bauernhauses, welches sich schon auf dieser Grundfläche befunden hatte, und andererseits um Maßnahmen des Bodenaustausches auf der anderen Ecke des Grundstückes.

Diese Rechtfertigung wurde von der belangten Behörde in der Folge nicht geprüft, sondern wurde lediglich der Auftrag an den Sachverständigendienst beim Amt der Landesregierung erteilt, die Abfalleigenschaft der auf Grundstück Nr. ...

KG. A... gelagerten bzw. eventuell bereits eingebauten Stoffe zu prüfen und zu beurteilen, vor allen Dingen an der Ausgrabungsstelle in der nordwestlichen Grundstücksecke.

Die Rechtfertigung des Beschuldigten vom 25.1.1994, insbesonders der Hinweis auf die vorgenommene Abtragung der Grundfesten des dort befindlichen ehemaligen Bauernhauses, wurde dem Sachverständigendienst aktenkundig nicht mitgeteilt. (Wenn in der Beilage angeführt ist: "AV. in Kopie", so kann damit nicht die Rechtfertigung des Beschuldigten vom 25.1.1994 gemeint sein, weil diese in Form einer Niederschrift festgehalten wurde. Im Akt findet sich dagegen ein Aktenvermerk vom 14.12.1993 betreffend die amtsinterne Erhebung des Zulassungsbesitzers des LKW mit dem Kennzeichen W....) Auch in den folgenden, unter 3.1. dargestellten weiteren Erhebungen durch den Sachverständigendienst, wurde die angebliche Ablagerung von Bauschutt nicht verifiziert bzw.

wurde die Rechtfertigung des Beschuldigten, wonach es sich um Reste des ehemaligen Bauernhauses handelt, nicht widerlegt.

Desweiteren wurde der Analysenbericht des Sachverständigendienstes vom 21.12.1993 betreffend die Probenziehung vom 11.11.1993, wonach beide Proben der Eluatklasse Ia zuzuordnen sind, nicht berücksichtigt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um die Abfalleigenschaft der auf Grundstück ... KG. A... liegenden Materialien festzustellen. Ausgehend von der Reinheit dieser Materialien hätte daher die Behörde - da es sich diesbezüglich um eine Rechtsfrage handelt! - beurteilen müssen, ob diese Materialien dort als "Abfälle" oder "Altstoffe" oder als "keine Abfälle" (iSd § 2 Abs.2 Z3 AWG) einzustufen sind.

Auch diese Überprüfung wurde von der belangten Behörde unterlassen. Dies wäre aber umso mehr erforderlich gewesen, als gerade die Rechtfertigung des Beschuldigten in diese Richtung ging.

Schließlich ist auch die im Straferkenntnis vorgeworfene Aufbringung von Bauschutt nicht erwiesen: Durch die Rechtfertigung des Beschuldigten vom 25.1.1994 wurde die Anzeige der Umweltrechtsabteilung des Amtes der o.ö.

Landesregierung vom 18.11.1993, wonach die Vertiefung mit Bauschutt und Erdmaterial aufgefüllt wurde, erklärt.

Weitergehende Ermittlungen über folgende Bauschuttablagerungen wurden von der belangten Behörde jedoch nicht gepflogen. Die vom Sachverständigendienst beigebrachten "gutachtlichen Stellungnahmen" bzw.

"Gutachten" entsprechen nicht den Anforderungen, deren Befund und Gutachten nach herrschender Lehre und Judikatur zu stellen sind, zumal sie sich zumeist in "Vorschlägen" an die Behörde bzw. im Zitieren von Gesetzesstellen erschöpfen, jedoch die fachkundige Beschreibung der an Ort und Stelle vorgefundenen Zustände sowie die aus dem speziellen Fachwissen darauf gezogenen Schlüsse vermissen lassen.

So wäre es wohl zweckmäßig gewesen, am 13.5.1994, an welchem Tag der Bw angegeben hatte, daß die Humusüberdeckung noch nicht abgeschlossen sei, unverzüglich ein Organ der belangten Behörde an Ort und Stelle zu entsenden, um festzustellen, ob tatsächlich kein Bauschutt abgelagert wurde. Durch Fotografieren der Örtlichkeit hätte der Zustand dokumentiert werden können.

Auch die Umstände, die der Entlastung des Beschuldigten dienen, sind gemäß § 37 AVG von der Behörde in gleicher Weise zu erheben wie die belastenden. Dazu ist anzumerken, daß von der belangten Behörde tatsächlich nicht festgestellt wurde, wo sich das alte Bauernhaus befunden hatte: Laut Rechtfertigung des Beschuldigten vom 25.1.1994 befand es sich im südöstlichen Teil des Grundstückes ..., laut Rechtfertigung vom 13.5.1994 jedoch auf den anderen Grundstücken (Nr. ..., ..., ... und ...).

Da diese Materialien möglicherweise als "Bauschutt" angesehen worden waren, hätte die Behörde das diesbezüglich zur Rechtfertigung vorgebrachte Vorbringen des Beschuldigten entsprechend Sachverhaltsfeststellungen an Ort und Stelle überprüfen müssen.

Bereits aus diesen Gründen erweist sich der Tatvorwurf durch die vorgenommenen Ermittlungen nicht als begründet, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war. Es war dem unabhängigen Verwaltungssenat zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich, den Zustand auf Grundstück Nr. ... der KG. A... zum Zeitpunkt "11.11.1993" festzustellen, weshalb ein ergänzendes Ermittlungsverfahren von vornherein aussichtslos erschien.

Insbesonders wird angemerkt, daß bereits aus dem Tatvorwurf im angefochtenen Straferkenntnis die Unmöglichkeit seiner Verwirklichung deutlich hervorgeht, weil wohl niemand mit den Möglichkeiten des Bw imstande ist, an einem einzigen Tag zwei derart große Gruben auszuheben und gleichzeitig auch wieder mit Bauschutt auszufüllen.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, daß der Bw weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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