Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102160/5/Br

Linz, 15.09.1994

VwSen-102160/5/Br Linz, am 15. September 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung von Frau R R, G, L gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion L vom 1. Juli 1994, Zl. VU/S/5396/93, nach der am 15. September 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, als zu Punkt 1. die Geldstrafe auf 500 S und zu Punkt 2. auf 1.000 S, sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 und 24 Stunden ermäßigt wird. Im Schuldspruch wird das angefochtene Straferkenntnis jedoch bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866/1992 iVm §§ 19, 24, 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 666/1993.

II.Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demzufolge auf 1. 50 S und 2. auf 100 S. Für das Berufungsverfahren entfällt der Verfahrenskostenbeitrag. Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion L hat mit dem Straferkenntnis vom 1. Juli 1994, Zl. VU/S/5396/93, über die Berufungswerberin wegen der Übertretungen nach § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.1 lit.b der Straßenverkehrsordnung Geldstrafen von je 1.500 S und für den Nichteinbringungsfall je 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie am 7. Oktober 1993 gegen 19.45 Uhr in A auf der L Bundesstraße von H kommend in Fahrtrichtung L, nächst Straßenkilometer im Ortschaftsbereich S als Lenkerin des Pkw L es unterlassen habe 1) nach einem Verkehrsunfall mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang gestanden habe, ihr Fahrzeug sofort anzuhalten, und es 2) unterlassen habe die anläßlich als Folge des Verkehrsunfalls zu erwartenden Schäden, welche für Personen oder Sachen zu erwarten gewesen sind, die zur Vermeidung von (weiteren) Unfällen erforderlichen Maßnahmen zu treffen, indem sie weder von der Straße die durch den Unfall herumliegenden Fahrzeugteilen entfernt, noch diese entsprechend abgesichert gehabt habe.

2. Begründend führte die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß die Berufungswerberin am 7. Oktober 1993 gegen 19.45 Uhr mit ihrem Fahrzeug ins Schleudern gekommen sei und sie in der Folge mit ihrem Fahrzeug gegen die rechts der Fahrbahn verlaufenden Leitschiene gestoßen sei, wobei ein erheblicher Schaden entstanden ist. Erst gegen 20.10 Uhr des Unfalltages sei durch den Ehegatten der Berufungswerberin telefonsich die Gendarmerie von diesem Unfall verständigt worden. Von einem von der Berufungswerberin als Rechtfertigung geltend gemachten Unfallschock könne nicht ausgegangen werden, sodaß dieses Vorbringen als Schutzbehauptung zu werten gewesen sei. Ein sogenannter Unfallschock sei nur in besonders gelagerten Fällen und bei gravierenden Ausnahmesituationen für die Unterlassung eines pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigend. Einem dispositionsfähig gebliebenen Unfallsbeteiligten wäre ein pflichtgemäßes Verhalten zumutbar gewesen.

3. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt die Berufungswerberin lediglich aus, daß sie "ihre Begründung bereits mündlich bekanntgegeben und abgesprochen habe. Weitere Formulierungen und Anschuldigungen nehme sie nicht zur Kenntnis". Im Einspruch gegen eine in dieser Sache am 16. Dezember 1993 erlassenen Strafverfügung hatte die Berufungswerberin ausgeführt, sie habe ohne unnötigen Aufschub bei der nächsten Lichtung und Möglichkeit den Unfall telefonsich gemeldet. 4. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 10.000 S übersteigenden Strafen verhängt worden sind, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidund berufen. Da die Berufung sich gegen Schuld und Strafe richtet, war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen und durchzuführen (§ 51e Z1 VStG).

4.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bundespolizeidirektion Linz, Zl. VU/S/5396/93-H und durch Beweisaufnahme in der öffentlichen mündlichen Verhandlung durch Vernehmung des Ehegatten der Berufungswerberin als Zeugen und deren Vernehmung als Beschuldigte.

5. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens gilt folgender Sachverhalt als erwiesen:

5.1. Die Berufungswerberin hat zur fraglichen Zeit ihren Pkw auf der L Bundesstraße in Richtung L gelenkt. Durch tatsächlich nicht zu klärenden Umständen touchierte sie rechtsseitig die Leitlinie. Es wurden dadurch Teile des Fahrzeuges, welches erheblich beschädigt wurde, auf die Fahrbahn geschleudert. Die Berufungswerberin setzte unter diesbezüglicher Anleitung ihres Ehegatten die Fahrt ohne anzuhalten fort. Erst bei einem, einige Kilometer entfernt gelegenen, Platz einer Autofirma wurde das Fahrzeug angehalten und folglich auch via mitgeführten Mobiltelefons durch den Ehegatten der Berufungswerberin die Polizei und Gendarmerie verständigt. Die Berufungswerberin war unfallsbedingt "geschreckt", jedoch in keinem die Dispositionsfähigkeit ausschließenden Zustand. 5.1.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich einerseits auf die Angaben der Berufungswerberin in der öffentlichen mündlichen Verhandlung, sowie teilweise auch auf die zeugenschaftlichen Angaben des im Fahrzeug mitfahrenden Ehegatten. Nicht geklärt vermochte die tatsächliche Ursache für das Touchieren der Leitlinie werden. Während die Berufungswerberin die Unfallsursache in einem an der unübersichtlichen Straßenstelle sie überholenden Fahrzeuges zu erblicken glaubt, spricht ihr Ehegatte vorerst von einer Blendung eines entgegenkommenden Fahrzeuges. 5.2. Rechtlich ergibt sich folgendes zu beurteilen:

5.2.1. Nach § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung einenbegründeten Berufungsantrag zu enthalten. Dieses gesetzliche Erfordernis ist großzügig auszulegen, sodaß unter Einbeziehung der Einspruchsangaben - wenngleich auch diese gerade noch erkennen lassen, daß die Berufungswerberin mit der Entscheidung der Behörde nicht einverstanden ist - und den Hinweis auf eine Vorsprache bei der Behörde, welcher von dieser jedoch mittels Aktenvermerk vom 15. Juli 1994 in Abrede gestellt wird, vom Vorliegen der Minimalerfordernisse eines begründeten Berufungsantrages gerade noch ausgegangen werden kann (VwGH 9.1.1987, 86/18/0212).

5.2.2. Im Sinne des § 4 Abs.1 lit.b StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zususammenhang steht, wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahme zu treffen und lit.a (leg.cit.), nach einem Verkehrsunfall mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang steht ferner sofort anzuhalten. Dies bedeutet, daß eine durch einen Verkehrsunfall herbeigeführte Gefahrenquelle zu beseitigen ist. Die durch den Verkehrsunfall auf der Fahrbahn herumliegenden Fahrzeugteile stellen typischerweise eine Gefahrenquelle für andere Verkehrsteilnehmer dar. 5.2.3. Anläßlich eines Unfallschrecks iVm einer begreiflich affektiven Erschütterung ist ein pflichtgemäßes Verhalten zumutbar, weil von einem Kraftfahrer, der die Risken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter- und Willensstärke zu verlangen ist, daß er den Schreck über den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag (VwGH 11.12.1978, Slg NF9719/A = ZfVB 1979/4/1398). Dafür, daß der geistig seelische Zustand der Berufungswerberin zur Tatzeit über den üblichen "Unfallschreck" hinausgegangen sein könnte, ergaben sich keine Anhaltspunkte (ebenso VwGH v.22.3.1991, Zl. 86/18/0210).

5.2.4. Grundsätzlich ist gemäß § 5 Abs.1 VStG hinsichtlich des Verschuldens anzumerken, daß wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der "Täter" nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Ein derart schuldausschließender Umstand lag nicht vor. 5.2.5. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht ist es ständige Judikatur des VwGH (s. E Slg. 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig wurde folglich dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der (die) Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Dies muß im gegenständlichen Fall bejaht werden. Die objektiven Sorgfaltspflichten legen immer nur das Mindestmaß der anzuwendenden Sorgfalt fest. In atypischen Situationen wird von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des "Täters" sogar ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangt. Einen Fahrzeuglenker treffen im Zusammenhang mit Gefahrenvermeidung besondere Ingerenzpflichten, welche in der StVO positiv formuliert und jedenfalls streng auszulegen sind. 6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 Abs. 1 u. 2 VStG Grundlage stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde zu 1) und 2) verhängten Strafen an sich durchaus nicht überhöht sind. Durch die auf die Fahrbahn geschleuderten Fahrzeugteile wurde insbesonders für einen allfälligen Lenker eines einspurigen Fahrzeuges eine akute Gefahrenquelle geschaffen. Die nicht ehestmögliche Beseitigung dieser Gefahr stellt einen nicht bloß geringen Unwertgehalt dar, weil hiedurch die Verkehrssicherheit nachhaltig negativ beeinflußt worden ist. Andererseits ist aber der Unwertgehalt zu Punkt 1. mit jenem des Punkt 2. untrennbar verbunden. Ferner wird der objektive Unwertgehalt betreffend die Weiterfahrt dadurch gemindert, daß offenbar nie eine Absicht bestand den Unfall verschleiern zu wollen. Auf der subjektiven Ebene war zu bedenken, daß einerseits angesichts der Dunkelheit, der Unübersichtlichkeit des Straßenzuges, des momentanen Erschreckens und zuletzt der offenbar aktiven Motivierung zur Weiterfahrt durch den Ehegatten, ein rechtmäßiges Verhalten aktuell erheblich erschwert wurde. Somit ist dieses Fehlverhalten der Berufungswerberin doch von einer erheblich reduzierten Schuldkomponente getragen gewesen. Weil die Berufungswerberin sich zuletzt auch einsichtig gezeigt hat, konnte angesichts ausschließlich mildernder Umstände und der Tatsache, daß die Berufungswerberin auch über kein eigenes Einkommen verfügt und für ein Kind sorgepflichtig ist jedenfalls in Punkt 1. mit der Mindeststrafe und zu Punkt 2. mit 1.000 S das Auslangen gefunden werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.Ö. Verwaltungssenat: Dr. B l e i e r

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