Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300342/4/WEI/Bk

Linz, 02.05.2001

VwSen-300342/4/WEI/Bk Linz, am 2. Mai 2001

DVR.0690392
 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des F gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 7. Juni 2000, Zl. III/S - 5.567/00-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz - GSpG (BGBl Nr. 620/1989, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 158/1999) zu Recht erkannt:
 
I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
 
II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.
 
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.
 
 
Entscheidungsgründe:
 
1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:
 
"Wie durch Sicherheitswachebeamte am 16.12.1999, um 07.30 Uhr festgestellt wurde, haben Sie am 16.12.1999 in der Zeit von 04.00 Uhr bis 06.30 Uhr im Lokal 'T' in L, zusammen mit zwei weiteren Personen ein Glückspiel, nämlich Poker-Kartenspiel durchgeführt, obwohl es sich bei diesem Lokal um keine Spielbank handelt und das Kartenspiel nicht in Form einer Ausspielung durchgeführt wurde und haben Sie dadurch einen Eingriff in das Glückspielmonopol des Bundes und dadurch eine Übertretung des Glückspielgesetzes begangen."
 
Dadurch erachtete die belangte Behörde die § 1 Abs 1 und 3 iVm § 51 Abs 1 Z 6 Glücksspielgesetz als übertretene Rechtsvorschriften und § 52 als Strafnorm und verhängte eine Geldstrafe von S 2.000,-- (145, 35 Euro) und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 200,-- ( 14, 53 Euro) vorgeschrieben.
 
1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 8. Juni 2000 zu Handen seines damaligen Rechtsfreundes zugestellt wurde, richtet sich die noch rechtzeitige am 23. Juni 2000 zur Post gegebene Berufung vom 20. Juni 2000, mit der primär die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise eine Ermahnung oder eine Herabsetzung der Strafe angestrebt wird.
 
2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender wesentliche S a c h v e r h a l t :
 
2.1. Laut Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz hat der Bw am 16. Dezember 1999 um 07.12 Uhr über Notruf die Funkleitstelle davon verständigt, dass ihm vom Geschäftsführer des Lokals T, Geld genommen und er bedroht worden wäre. Daraufhin ermittelte eine Funkwagenbesatzung, dass der Bw mit dem Geschäftsführer des T und einem Gast ab 04.00 Uhr Poker spielte, wobei es dann später gegen 7.00 Uhr früh zu einem Streit gekommen war. Der Geschäftsführer B und der Bw stritten um einen Pott.
 
Nach Darstellung des Bw (Niederschrift vom 16.12.1999 um 08.27 Uhr) hätte man Draw Poker (verdecktes Spiel) mit 32 Karten zunächst um einen Mindesteinsatz von S 20,-- und später von S 100,-- und S 200,-- gespielt. Einmal hätte es eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Bw und einem namentlich unbekannten Mitspieler über einen Pott von S 5.000,-- gegeben, weil dieser nicht hätte zahlen wollen. Man einigte sich dann aber auf S 4.000,--. Um 6.30 oder 7.00 Uhr wäre ein großer Pott von S 80.000,-- bis S 85.000,-- zwischen dem Bw und B gestanden, wobei der Bw einen Flash und der Angezeigte ein Full House gehabt hätte. Der Bw hätte diesen Pott gewonnen. B hätte aber um S 30.000,-- erhöht, weil der Bw nicht mehr so viel Bargeld hatte. Dieser wollte mit Master Card oder Bankomatkarte mithalten und sich gegebenenfalls das Geld vorbeibringen lassen, was B aber abgelehnt hätte. Das Geld hätte er an sich gerissen und gesagt: "Wenn Du kein Geld eingesteckt hast, kannst du dich eh gleich hinausschleichen." Der Bw hätte in der Folge die Polizei anrufen wollen, was B aber durch Drohungen und Armverdrehen verhindert hätte. In weiterer Folge wäre er aus dem Lokal geworfen worden. Er wäre dann nach Hause und hätte von dort die Polizei und seinen Bruder Mag K angerufen, um ihn um Unterstützung zu ersuchen. In Begleitung seines Bruder und von Polizeibeamten begab sich der Bw zum T, wohin der angezeigte B dann zurückkam. Sein Bruder hätte vorerst allein mit B gesprochen und ihm danach auf dem Gang ein Geldbündel zugesteckt, welches er mit dem aus seiner Wohnung mitgenommenen Bargeld vermischte, weshalb er bei der Einvernahme einen Gesamtbetrag von S 17.160,-- hatte.
 
B gab als Verdächtiger einvernommen (vgl Niederschrift vom 16.12.1999 um 8.28 Uhr) zu, dass er, ein Gast und der Bw ab 04.00 Uhr Poker spielten, wobei man einen Anfangseinsatz von S 100,-- spielte. Er berichtete auch von einer Auseinandersetzung zwischen dem Bw und dem Gast betreffend einen Einsatz von S 5.000,--. Um ca. 07.15 Uhr wären nur mehr der Bw und B im Spiel gewesen, wobei S 15.000,-- im Topf gelegen wären. B hätte noch S 3.000,-- gesetzt und der Bw hätte S 30.000,-- setzen wollen. Da er jedoch kein Geld mehr zum Setzen gehabt hätte und sich auch keines besorgen hätte können, weigerte sich B S 30.000,-- zu setzen. Dieser hätte den Topf nur teilen wollen. Der Bw hätte ihm dann mit der Polizei und einer Anzeige wegen Raubes gedroht, woraufhin B gesagt hätte, dass sie sofort zur Polizei ins Landhaus fahren könnten. Dies hätte der Bw nicht gewollt und wäre davongelaufen. Die am Tisch verbliebenen S 15.000,-- hätte B danach eingesteckt. Er bestritt ferner, den Bw bedroht und ihn mit Gewalt aus dem Lokal geworfen zu haben. Später hatte der Bruder des Bw, der Rechtsanwalt wäre, die Sache im T mit B unter vier Augen regeln wollen. Bei der Aussprache hätte er ihm S 15.000,-- bis S 20.000,-- gezeigt und der Rechtsanwalt hätte das Geld eingesteckt und erklärt, er werde das mit der Polizei regeln. Er hätte weiter gesagt, dass B den Rest später bezahlen und zur Polizei kein Wort sagen sollte, sonst sei er wegen Raubes dran.
 
2.2. Der Zeuge S, Kellner im T (vgl Niederschrift vom 16.12.1999 um 12.20 Uhr), sah ab 04.00 Uhr den Bw mit B und einem weiteren Mann Karten spielen und bemerkte größere Geldbeträge, vermutlich S 10.000,-- bis S 15.000,--, am Tisch. Um ungefähr 07.00 Uhr wäre ihm ein Streit über einen Geldbetrag von S 30.000,-- aufgefallen, als er hinter der Bar Getränke richtete. Er hätte gehört, wie B sagte: "Wir können gern zur Polizei fahren. Es bringt nichts, teilen wird den Betrag." Zu Handgreiflichkeiten wäre es nicht gekommen. In der Mitte des Tisches wäre Geld von schätzungsweise nicht mehr als S 15.000,--gelegen. Der Bw hätte hingreifen wollen, als ihm B die Hand wegdrückte. Der Bw hätte dann abermals nach der Polizei gerufen, worauf B die Fahrt dorthin angeboten hätte. Der Bw hätte dann aber das Lokal verlassen und der Zeuge wäre anschließend mit dem Taxi nach Hause gefahren, wo er um 07.20 Uhr eingetroffen wäre.
 
2.3. Der im Besitz des Bw gewesene Betrag von S 17.160,-- wurde von der Polizei sichergestellt. Laut Aktenvermerk der kriminalpolizeilichen Abteilung vom 22. Dezember 1999, Zl. II-7750/99, wurde Staatsanwalt Dr. G per Telefon ausführlich informiert, worauf er erklärt hätte, dass er einen Antrag auf gerichtliche Beschlagnahme des sichergestellten Bargeldbetrages zum Zwecke der Beweisführung (verbotenes Glücksspiel) stellen werde. Weiters wurde der Akt an die Strafabteilung des Bezirksgerichts L per Telefax übermittelt.
 
Am 18. Jänner 2000 langte bei der belangten Behörde das Einstellungsschreiben der Staatsanwaltschaft Linz (Sachbearbeiter Dr. G), vom 17. Jänner 2000, Zl. 10 St 439/99 f, mit folgendem Inhalt ein:
 
"Unter Bezugnahme auf das Telefonat mit Rat Mag. M vom 14.1.2000 wird mitgeteilt, dass das Verfahren gegen R und F zu ha. 10 St 439/99 f am 30.12.1999 gemäß § 90 StPO eingestellt, beim Bezirksgericht L jedoch gemäß § 367 Abs. 3 StPO die Hinterlegung des sichergestellten Geldbetrages von S 17.160,-- gemäß § 1425 ABGB beantragt wurde.
Es wird damit im Zusammenhang ersucht, den angeführten sichergestellten Geldbetrag der Verwahrabteilung des OLG L G, zu übermitteln."
 
2.4. Die belangte Behörde hat zunächst die Strafverfügung vom 1. März 2000 erlassen, gegen die der rechtsfreundlich verfasste Einspruch vom 8. März 2000 mit der Begründung eingebracht wurde, dass das Kartenspiel Poker kein Glücksspiel wäre, weshalb auch die Staatsanwaltschaft L die Anzeige zu 10 St 439/99 gemäß § 90 StPO zurückgelegt hätte. Dieser Standpunkt wurde im Verwaltungsstrafverfahren auch weiterhin vertreten.
 
Die belangte Strafbehörde hat daraufhin das angefochtene Straferkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. III/S - 5.567/00-2, gegen den Bw erlassen und sich zur Beurteilung des Pokerns als Glücksspiel auf eine aktenkundige Mitteilung des BMF berufen. In dieser wurde unter Bezugnahme auf strafrechtliche Kommentarliteratur ausgeführt, dass die heute nicht mehr geltende, seinerzeitige Glücksspielverordnung (BGBl Nr. 253/1923 idF Nr. 6/1933) als Anhaltspunkt für die Einordnung eines Spiels als Glücksspiel herangezogen werden kann. Nach dieser Verordnung war u.a. auch das Pokern verboten. Dementsprechend ging die belangte Behörde davon aus, dass beim Pokern Gewinn und Verlust ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängen. Die Geschicklichkeitskomponente sei beim Pokern allein auf das Setzen verlagert. Durch Bluffen könne der Spieler die Mitspieler zum Setzen oder vorzeitigen Aussteigen veranlassen. Letzteres könne er auch selbst tun, um seinen Verlust einzugrenzen. All diese Möglichkeiten seien jedoch nur geeignet, die Höhe des Gewinnes oder Verlustes, niemals jedoch den Spielausgang selbst zu beeinflussen.
 
2.5. Die Berufung rügt Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil die belangte Behörde zur tatbestandsrelevanten Sachfrage, welche Rolle der Zufall in Relation zu anderen Faktoren beim ausgeübten Spiel ausmache, kein Sachverständigengutachten eingeholt und die konkrete Situation nicht näher hinterfragt hatte. Bei den Spielteilnehmern hätte es sich um Profis gehandelt, weshalb das Glückselement noch viel weiter in den Hintergrund getreten wäre.
 
Unter dem Aspekt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird zunächst gerügt, dass der Verweis auf eine Stellungnahme des BMF keine rechtliche Grundlage für eine rechtlich richtige Entscheidung schaffen könne. Die Definition des Glücksspiels im § 1 Abs 1 GSpG sei mit jener im § 168 StGB ident. Da die Glücksspielverordnung seit 1961 nicht mehr gelte, sei es verfehlt, diese auch nur als Anhaltspunkt heranzuziehen.
 
Mit der nach weiterem Anwaltswechsel eingebrachten Eingabe vom 2. Jänner 2001 wird abermals betont, dass beim Pokerspiel kein Glücksspiel vorliege, weil der Faktor Zufall im Verhältnis zu anderen spielbestimmenden Faktoren nur eine untergeordnete Rolle spiele. Unabhängig davon habe die belangte Behörde die wesentliche Frage des Vorsatzes nicht geklärt. Auf Grund der jahrelangen Erfahrung des Bw als Groupier in einem Kartenspielcasino, das völlig legal und offiziell Pokerspiele leite, wäre für ihn sonnenklar gewesen, dass er nichts Verbotenes tue, wenn er selbst an einem Pokerspiel teilnimmt. Ohne Vorsatz gebe es keine Bestrafung. Er beantrage, zur Frage des Vorsatzes und zu seiner langjährigen Berufserfahrung einvernommen zu werden.
 
3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.
 
4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
 
4.1. Gemäß § 52 Abs 1 Z 6 GSpG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz bis zu S 300.000,-- zu bestrafen,
 
wer Glücksspiele, die nicht in Form einer Ausspielung durchgeführt werden und dem Glücksspielmonopol unterliegen, außerhalb einer Spielbank durchführt.

Nach der Legaldefinition des § 1 Abs 1 GSpG sind Glücksspiele iSd GSpG Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen.

Entgegen der Ansicht des Bw kann die seinerzeitige Glücksspielverordnung aus 1923 durchaus als ein erster Anhaltspunkt für die Frage dienen, ob ein Spiel als Glücksspiel einzustufen ist oder nicht (vgl mwN Leukauf/Steininger, StGB3, Rz 5 zu § 168; Liebscher, Wiener Kommentar, Rz 5 zu § 168; Kienapfel, BT II3 Rz 7 zu § 168 StGB). Der erkennende Verwaltungssenat teilt grundsätzlich auch die weiteren Ausführungen der belangten Behörde, wonach im Ergebnis der Spieler beim Pokern den Spielausgang nur wenig beeinflussen kann. Es kommt wohl auch nicht auf das konkrete Spiel von Pokerprofis - wenn alle Mitspieler Profis sind, relativiert sich dieser Vorteil ohnehin von selbst - , sondern auf eine durchschnittliche Betrachtungsweise an. Deshalb ist nur fraglich, ob ein Spieler für gewöhnlich durch seine Geschicklichkeit, Routine oder Auffassungsgabe den Spielausgang eines Pokerspieles beeinflussen kann. Nach den allgemein bekannten Spielregeln des Draw-Pokers, also des geschlossenen Pokerspiels mit fünf Karten, überwiegt das Kartenglück. Die zufällige Verteilung der Karten, auf die der Spieler keinen Einfluss nehmen kann, ist letztlich für den Spielausgang entscheidend. Deshalb ist beim Pokern auch nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats Gewinn und Verlust vorwiegend vom Zufall abhängig.
 
4.2. Entgegen der Ansicht der belangten Strafbehörde konnte aber nicht schon deshalb ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Glücksspielgesetzes durchgeführt werden, weil die Staatsanwaltschaft L die Anzeige gemäß § 90 StPO zurückgelegt hatte. Die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft konnte nämlich zum Unterschied von einem Strafurteil keine Bindungswirkung entfalten. Die Strafbehörde war vielmehr verpflichtet, die Frage der gerichtlichen Strafbarkeit gemäß § 168 StGB selbst zu untersuchen.
 
Beim gegebenen Sachverhalt war jedenfalls an den Deliktsfall des § 168 Abs 2 StGB zu denken, nach dem die gewerbsmäßige Beteiligung an einem Glücksspiel iSd § 168 Abs 1 StGB strafbar ist. Die drei Spieler des gegenständlichen Pokerspiels handelten gewerbsmäßig, d.h. in der Absicht sich durch wiederkehrendes Pokern eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Für diese Deutung des Sachverhalts spricht nicht nur die Schilderung der äußeren Umstände in der Anzeige, sondern auch das eigene Vorbringen des Bw, wonach am gegenständlichen Pokerspiel nur Profis teilnahmen. Dass nicht bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wurde (vgl dazu mwN Kienapfel, BT II3 Rz 14 ff zu § 168 StGB und Leukauf/Steininger, StGB3, Rz 19 f zu § 168), bedarf angesichts der niederschriftlich festgehaltenen Aussagen der beteiligten Personen keiner weiteren Erörterung.
 
4.3. In seinem Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 98/17/0134-5, schloss sich der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1998, G 275/96, zum Verhältnis von § 52 Abs 1 Z 5 GSpG und § 168 Abs 1 StGB an. In dieser Entscheidung führte der Verfassungsgerichtshof mit näherer Begründung aus, dass durchaus Fallkonstellationen denkbar seien, die nur unter die Strafdrohung der erstgenannten, nicht aber auch unter die der zweitgenannten Bestimmung fallen. Dies folge schon aus der Ausnahme von der Strafbarkeit nach § 168 Abs 1 StGB, wenn bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.
 
Im Fall der Tateinheit einer unter beide Strafdrohungen fallenden Handlung werde in der Regel davon auszugehen sein, dass das Delikt des Glücksspieles gemäß § 168 Abs 1 StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 52 Abs 1 Z 5 GSpG vollständig erschöpfe. Eine das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art 4 Abs 1 7. ZP zur EMRK berücksichtigende, verfassungskonforme Interpretation sei möglich und ergebe, dass die Bestrafung eines Verhaltens nach § 168 Abs 1 StGB eine solche nach § 52 Abs 1 Z 5 GSpG wegen desselben Verhaltens ausschließe.
 
Das Urteil des EGMR vom 30. Juli 1998 im Fall Oliviera gegen die Schweiz (abgedruckt in JBl 1999, 102 f) scheine - so der Verwaltungsgerichtshof - dem nicht zwingend entgegenzustehen. Auch vor dem Hintergrund dieses Urteiles des EGMR könnte die Vermeidung einer kumulativen Bestrafung und der unterschiedlichen Beurteilung einer einzigen Tat durch verschiedene Behörden für die vom Verfassungsgerichtshof gewählte Interpretation sprechen.
 
Gebietet aber eine den Art 4 Abs 1 7. ZP zur EMRK berücksichtigende, verfassungskonforme Auslegung die Annahme einer unechten Idealkonkurrenz in der Erscheinungsform der stillschweigenden Subsidiarität, so folge daraus, dass eine Bestrafung nach § 52 Abs 1 Z 5 GSpG zu unterbleiben habe, wenn sich der Täter nach § 168 StGB strafbar gemacht hat. Selbst der Wegfall der Strafbarkeit nach dem primären Tatbestand durch den Strafaufhebungsgrund der Verjährung könne die Anwendbarkeit des subsidiären Straftatbestandes nicht neu begründen, handle es sich bei dieser Form der Konkurrenz doch um die Verdrängung des subsidiären Tatbestandes durch den vorrangig anzuwendenden.
 
Der Verwaltungsgerichtshof zitierte ferner die im Urteil vom 28. Juni 1983, Zl. 11 Os 109/83, vertretene Rechtsansicht des OGH, wonach die Beantwortung der Frage, ob um geringe Beträge gespielt wird, grundsätzlich am Einzelspiel bzw am einzelnen, jeweils über Gewinn und Verlust entscheidenden Spielgang zu orientieren sei. Das Korrektiv bilde die negativ umschriebene Voraussetzung, dass bloß zum Zeitvertreib gespielt wird. Der Unterhaltungscharakter eines Spieles gehe erst verloren, wenn das Gewinnstreben so weit in den Vordergrund tritt (zB bei zu Serienspielen verleitender günstiger Relation zwischen Einsatz und Gewinn), dass es dem Spieler darauf ankommt, Geld zu gewinnen, wenn er also in gewinnsüchtiger Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) spielt.
 
Auch nach dem bekannten Kommentar von Leukauf/Steininger, StGB3, § 168 Rz 19, ist die Frage, ob nur um geringe Beträge gespielt wird, grundsätzlich so lange am Einzelspiel orientiert zu beantworten, als nicht der Spielveranstalter vorsätzlich Serienspiele veranlasst oder zu solchen Gelegenheit bietet. Allerdings wird keine einheitliche Grenze angegeben, bis zu der noch von geringen Beträgen gesprochen werden kann (vgl näher mwN Leukauf/Steininger, StGB3, § 168 Rz 20: Neben allgemeinen Formulierungen wie "wenige Schilling" oder "wesentlich unter der Grenze des § 141" wird in der Literatur eine Richtgrenze von S 100,-- genannt).
 
Der Verwaltungsgerichtshof stellte in seinem oben zitierten Erkenntnis unter Hinweis auf das Urteil des OGH vom 14. Dezember 1982, Zl. 9 Os 137/82, darauf ab, ob für einen Spieler die Möglichkeit bestand, in einem einzigen Spielgang mehr als S 200,-- einzusetzen. In so einem Fall wäre die Annahme, dass bloß um geringe Beträge gespielt wurde, ausgeschlossen. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, ist selbst bei Wegfall der Strafbarkeit nach § 168 StGB infolge des Strafaufhebungsgrundes der Verjährung eine Bestrafung nach dem subsidiären Verwaltungsstraftatbestand unzulässig.
 
4.4. Die Aussagen im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sind auch im vorliegenden Fall sinngemäß anzuwenden. Da das Verhalten des Bw nach richtiger Ansicht unter § 168 Abs 2 StGB zu subsumieren ist, kann bei verfassungskonformer Interpretation nicht gleichzeitig auch die Verwaltungsübertretung nach dem § 52 Abs 1 Z 6 GSpG vorliegen, weil dieses Ergebnis mit dem Verbot der Doppelverfolgung des Art 4 Abs 1 7. ZP zur EMRK nicht vereinbar wäre. Deshalb war ungeachtet der nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates zu Unrecht erfolgten Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens wegen des Vergehens nach dem § 168 StGB das angefochtene Straferkenntnis mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung (infolge stillschweigender Subsidiarität) aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.
 
5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.
 
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- (entspricht 181, 68 Euro) zu entrichten.
 
 
Dr. W e i ß
 
 
 
Beschlagwortung:
Doppelverfolgung, Subsidiarität

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