Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300375/2/WEI/Bk

Linz, 11.10.2001

VwSen-300375/2/WEI/Bk Linz, am 11. Oktober 2001

DVR.0690392
 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die niederschriftlich erhobene Berufung des J, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 12. Dezember 2000, Zl. Pol 96-43-2000/HM, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 19 Abs 1 Z 2 Oö. Tierschutzgesetz 1995 (LGBl Nr. 118/1995) zu Recht erkannt:
 
 
I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.
 
II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.
 
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.
 
 
Entscheidungsgründe:
 
1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt und bestraft, weil er es am 15. März 2000 in A, als Tierbesitzer unterlassen habe, dafür zu sorgen,
 
"dass eines Ihrer Schafe nicht mehr ordentlich gehen konnte. Das Schaf hatte aufgewölbte Stallklauen von ca. 8 cm Länge. Durch die langen Klauen werden die Sprunggelenke des Schafes stark belastet und führen zu Schmerzen. Ein zweites Schaf hatte ebenfalls starke Stallklauen. Durch diese Vernachlässigung Ihrer Tiere haben Sie Tierquälerei begangen."
 
Dadurch erachtete die belangte Behörde § 5 Abs 1 Z 18 iVm § 19 Abs 1 Z 2 Oö. Tierschutzgesetz (gemeint: Oö. Tierschutzgesetz 1995) als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte "gemäß § 19 Abs 1 Z 2 Tierschutzgesetz" eine Geldstrafe von S 1.000,-- (72,67 Euro) und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 100,-- vorgeschrieben.
 
1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bw am 18. Dezember 2000 übernommen hat, richtet sich die rechtzeitige mündliche Berufung, die am 19. Dezember 2000 von der belangten Behörde niederschriftlich festgehalten wurde. Die Berufung strebt erschließbar die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens an.
 
2. Aus der Aktenlage ergibt sich im Wesentlichen der folgende S a c h v e r h a l t :
 
2.1. Im Aktenvermerk vom 16. März 2000, Zl. Vet 30-1-5-2000, betreffend eine Untersuchung der Schafe anlässlich einer Begehung des Anwesens des Bw in A, am 15. März 2000, schildert der Amtsarzt eine tierquälerische Situation bei 2 Schafen. Die Stallklauen eines lahmenden Schafes waren aufgewölbt und ca. 8 cm lang. Durch eine so vernachlässigte Klauenpflege werden die Sprunggelenke des Schafes stark belastet und erleidet das Schaf Schmerzen. Auch bei einem zweiten Schaf fand der Amtstierarzt starke Stallklauen, die dem Tier Schmerzen und Leiden zufügen. Im Jahr 1999 sei der Bw schon mündlich auf die Leiden durch mangelnde Klauenpflege hingewiesen und eine umgehende Klauenpflege angeordnet worden. Auf Grund der Tatsache, dass der Bw informiert war und als Tierhalter den Zustand der Schafe gesehen haben musste, werde der Sachverhalt an die zuständige Abteilung weiter geleitet.
 
Die belangte Strafbehörde erließ daraufhin zunächst die Strafverfügung vom 21. März 2000, die erst am 22. Mai 2000 zugestellt werden konnte und mit der sie die Tat wie im angefochtenen Straferkenntnis anlastete. Dagegen erhob der Bw rechtzeitig den Einspruch vom 29. Mai 2000, in dem er die Anschuldigung bestritt. Das hinkende Schaf hätte sich als Jungtier den Vorderfuss gebrochen und habe deshalb eine Fehlstellung der Knochen, wodurch es beim Gehen etwas eingeschränkt wäre. Die Behauptung der aufgewölbten Stallklauen von ca. 8 cm Länge entspräche nicht der Wahrheit. Die Länge hätte ca. 3 cm gemessen und der Bw hätte daraufhin eine Klauenpflege veranlasst.
 
2.2. Im ordentlichen Ermittlungsverfahren holte die belangte Behörde die weitere Stellungnahme des Amtstierarztes vom 19. Juni 2000, Zl. Vet 30-1-2000, zu den Einspruchsangaben des Bw ein. Dieser blieb bei seiner Darstellung und bekräftigte, dass 2 Tiere bei der Besichtigung am 15. März 2000 starke Stallklauen (auch Rollklauen) hatten. Die üblicherweise vom Ballen bis zur Klauenspitze gemessene Länge betrug ca. 8 cm. Ob das hinkende Altschaf eine Fraktur in der Jugend hatte, konnte nicht mehr beurteilt werden. Durch die Rollklauen komme es zu einer abnormen Belastung im Gelenk und an den Sehnen.
 
Zu den Angaben des Bw erklärte der Amtstierarzt, dass in der Fachliteratur die Sohlenlänge (Klauenlänge) bei Mutterschafen mit 5,4 bis 5,9 cm angegeben wird. Der Amtstierarzt habe auch einjährige Mutterschafe, Fleischschafe wie beim Bw, in einem Betrieb mit ganzjähriger Weidehaltung vermessen, wobei die durchschnittliche Klauenlänge vorne außen 5,6 cm, vorne innen 5,2 cm, hinten außen 4,8 cm und hinten innen 4,5 cm betragen hätte. Im Frühjahr geborene Lämmer hatten eine Klauenlänge von 3 bis 3,7 cm. Es stelle sich daher die Frage, bei welchen Tieren und vor allem wie der Bw gemessen hat. Bei bloß 3 cm Klauenlänge hätte es zu keiner Rollklaue kommen können und bei der angeblich veranlassten Klauenpflege wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen und zu Blutungen gekommen. Abschließend bemerkte der Amtstierarzt, dass er den Betrieb des Bw seit 1999 mehrfach kontrolliert und den Bw auch auf die Vernachlässigung seiner Tiere hingewiesen hätte.
Der Bw wurde am 10. Juli 2000 niederschriftlich einvernommen und behauptete im Wesentlichen, vom Amtstierarzt nie darauf hingewiesen worden zu sein, dass er seine Tiere durch mangelnde Pflege der Klauen vernachlässige. Der am 11. September 2000 als Zeuge einvernommene Amtstierarzt blieb bei seiner Darstellung und verwies auf sein Gutachten. In weiterer Folge erging das angefochtene Straferkenntnis vom 12. Dezember 2000.
 
2.3. In der Berufung vom 19. Dezember 2000 berichtet der Bw davon, dass ihm der Amtstierarzt angeblich im August 2000 gesagt hätte, von der Beanstandung vom 15. März 2000 Abstand zu nehmen. Er hätte sich auch bei ihm entschuldigt und wiederholt gesagt, dass die Schafhaltung völlig in Ordnung sei. Die Angabe im Einspruch betreffend Klauen von nur 3 cm beruhten vermutlich auf einem Tippfehler. Tatsächlich hätte die Länge 5 bis 6 cm betragen. Das eine Schaf habe wegen einer Verletzung des Vorderfußes in der Jugend eine Fehlstellung und könne nicht ordentlich auftreten, weshalb die Stallklauen nicht richtig abgenützt werden. Die Klauen wüchsen schneller und müssten öfter gepflegt werden. Der Bw sei aber der Meinung, dass die Klauenpflege erst im Frühjahr gemacht werde, wenn die Tiere geschoren werden. Dass ein zweites Tier zu starke Stallklauen aufwies, hätte er nie bemerkt. Er wäre schon seit 30 Jahren Halter von Schafen und der Meinung, nur sekkiert zu werden.
 
3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon auf Grund der Aktenlage aus rechtlichen Überlegungen aufzuheben ist.
 
4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
 
4.1. Gemäß § 19 Abs 1 Z 2 Oö. Tierschutzgesetz 1995 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit Geldstrafe bis zu S 50.000,--, im Wiederholungsfall bis zu S 200.000,--, zu bestrafen,
 
wer ungerechtfertigt und vorsätzlich einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt.
 
§ 5 Abs 1 Oö. Tierschutzgesetz 1995 zählt in 18 Ziffern beispielsweise (arg.: insbesondere) Formen der Tierquälerei iSd § 4 leg.cit. auf. Die von der belangten Behörde zitierte Ziffer 18 erklärt u.a. ein Vernachlässigen eines Tieres zur Tierquälerei, das ihm Schmerzen oder Leiden bereitet.
 
Gemäß § 19 Abs 1 Z 6 Oö. Tierschutzgesetz 1995 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit Geldstrafe bis zu S 50.000,--, im Wiederholungsfall bis zu S 200.000,--, zu bestrafen,
 
wer ein Tier entgegen den Bestimmungen des § 8 hält oder in Obhut nimmt.
 
Nach dem § 8 Abs 1 Oö. Tierschutzgesetz 1995 muss derjenige, der ein Tier hält oder in Obhut nimmt, es angemessen und art- oder verhaltensgerecht ernähren, pflegen und ihm, soweit es nötig ist, Unterkunft gewähren; erforderlichenfalls ist auch für tierärztliche Betreuung zu sorgen. § 8 Abs 2 Oö. Tierschutzgesetz 1995 ergänzt im Sinne einer Klarstellung, dass die für ein Tier art- oder verhaltensgerechte Bewegungsfreiheit nicht dauernd oder unnötig eingeschränkt werden darf.
Halter ist nämlich, wer über Verwahrung und Beaufsichtigung der Tiere zu entscheiden hat (vgl auch AB Blg 670/1995 zum kurzschriftlichen Bericht Oö. LT, 24 GP, 15).
 
4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 971).
 
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).
 
4.3. Der von der belangten Behörde formulierte Spruch ist so mangelhaft, dass er einer zulässigen Korrektur durch den Oö. Verwaltungssenat nicht mehr zugänglich ist. Der Tatvorwurf müsste nämlich im Wesentlichen ausgetauscht werden, was aber § 66 Abs 4 AVG nach ständiger Judikatur nicht zulässt. Die belangte Behörde stellte zwar auf die Strafbestimmung des § 19 Abs 1 Z 2 Oö. Tierschutzgesetz 1995 ab, ignorierte aber deren Wortlaut und nahm keine entsprechende Konkretisierung der Tat vor. Im Tatvorwurf hätte nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht werden müssen, wodurch der Bw ungerechtfertigt und vorsätzlich einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt hat. Dies ist mit der von der Strafbehörde gewählten Formulierung nicht gelungen. Abgesehen davon, dass das wesentliche Tatbestandsmerkmal der Vorsätzlichkeit nicht erwähnt wurde, erscheint schon der erste Satz widersinnig. Der Vorwurf es als Tierbesitzer unterlassen zu haben, dafür zu sorgen, dass eines der Schafe nicht mehr ordentlich gehen konnte, ist offenkundig völlig verfehlt.
 
Soweit Vorsätzlichkeit nicht nachweisbar war, hätte die belangte Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung an einen Tatvorwurf entsprechend dem § 19 Abs 1 Z 6 Oö. Tierschutzgesetz 1995 denken müssen. Denn diese Vorschrift sieht die Strafbarkeit des Tierhalters vor, der ein Tier entgegen den Bestimmungen des § 8 Oö. Tierschutzgesetz 1995 hält. Der Halter muss sein Tier nämlich auch art- und verhaltensgerecht pflegen (Abs 1) und hat für art- und verhaltensgerechte Bewegungsfreiheit zu sorgen, die nicht dauernd oder unnötig eingeschränkt werden darf (Abs 2). Einen tauglichen Tatvorwurf in diese Richtung hat die belangte Behörde aber ebenfalls nicht formuliert. Mittlerweile ist im Hinblick auf § 31 Abs 1 und 2 VStG längst Verfolgungsverjährung eingetreten.
 
5. Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis aus Anlass der Berufung aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.
 
 
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- (entspricht 181, 68 Euro) zu entrichten.
 
Dr. W e i ß
 

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