Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310090/10/Le/Ha

Linz, 02.07.1997

VwSen-310090/10/Le/Ha Linz, am 2. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des K S, Z, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H K, L, Linz, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 13.11.1996, UR96-21-1996-Fr/Gut, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 13.11.1996 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 39 Abs.1 lit.a Z2 Abfallwirtschaftsgesetz (im folgenden kurz: AWG) eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe in einem Holzschuppen, welcher an das Wohnhaus M angebaut ist, seit der Jahreswende 1984/1985 bis 11.4.1996 bestimmte näher bezeichnete gefährliche Abfälle nicht so abgelagert, daß die öffentlichen Interessen nicht beeinträchtigt werden und er habe diese gefährlichen Abfälle außerhalb einer genehmigten Abfallbehandlungsanlage abgelagert.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der im Spruch bezeichnete Sachverhalt am 11.4.1996 durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Perg, des Amtes der O.ö. Landesregierung sowie des Gendarmeriepostenkommandos Baumgartenberg festgestellt worden sei.

Laut Prüfbericht des chemischen Labors der Unterabteilung Gewässerschutz beim Amt der O.ö. Landesregierung gehören die verfahrensgegenständlichen Chemikalien zu den halogenhaltigen Lösemittelgemischen, welche unter der Schlüsselnummer 55220 in der ÖNORM S 2100 (gemeint wohl: S 2101) als gefährliche Abfälle klassifiziert sind. Nach einer Darlegung der Rechtslage kam die Erstbehörde zum Ergebnis, daß die Lagerung der verfahrensgegenständlichen gefährlichen Abfälle über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren an diesem Tatort sowohl den Tatbestand der Ablagerung im Sinne einer Entledigungsabsicht als auch den Tatbestand der Erfassung und Behandlung als Abfälle im öffentlichen Interesse erfülle. Somit sei eindeutig der Tatbestand einer Zuwiderhandlung gegen das Verbot des § 17 Abs.1 AWG gegeben und die gegenständliche Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen. Zur subjektiven Tatseite wurde festgestellt, daß das vollkommene Verschweigen des Beschuldigten gegen den Tatvorwurf als Geständnis zu werten sei (der Beschuldigte hatte sich trotz Aufforderung zur Rechtfertigung nicht geäußert).

Bei der Strafbemessung wurde eine vorsätzliche, zumindest grob fahrlässige Handlungsweise unterstellt und daher das Verschulden nicht als geringfügig bewertet. Bei der Strafbemessung wurde überdies von einem monatlichen Einkommen in Höhe von 30.000 S ausgegangen. Besonders zu berücksichtigende Erschwerungs- bzw. Milderungsgründe lagen nicht vor und wurde im übrigen ohnedies nur die gesetzliche Mindeststrafe verhängt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 3.12.1996, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte der Bw aus, daß die Ablagerung nicht durch ihn erfolgt sei, sondern durch Mitarbeiter des Schrotthändlers Fr. Er habe nach Erfüllung des Auftrages durch den Schrotthändler F im Holzschuppen wohl diverses Gerümpel festgestellt, doch waren die Kanister nicht ohne weiteres sichtbar, sodaß er sie nicht wahrgenommen und daher auch keinen Entsorgungsauftrag erteilt hätte. Weiters wies er daraufhin, daß zum Zeitpunkt der Ablagerung um die Jahreswende 1984/1985 das AWG noch nicht in Geltung stand, sodaß er damals eine Gesetzesverletzung nach diesem Gesetz schon nach der Natur der Sache nicht begehen konnte. Überdies wandte er ausdrücklich Verjährung ein. Dazu komme, daß die vorgefundenen Kanister Rückstände aus der Kleiderreinigung enthalten, die sich überwiegend aus Flusen- und Schmutzrückständen sowie Seifenablagerungen zusammensetzten. Die im Bescheid angeführten Bestandteile seien nach dem Prüfbericht zwar in Spuren vorhanden, doch hätte das geprüfte Gemisch insgesamt nicht identifiziert werden können, sodaß die Inhalte der Kanister nicht als gefährliche Abfälle zu qualifizieren seien. Zum Verschulden brachte der Bw vor, daß ein solches als überaus geringfügig qualifiziert werden müsse, weil er selbst mit der Ablagerung nichts zu tun hätte.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der unabhängige Verwaltungssenat am 2.7.1997 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Bw mit seinem Rechtsvertreter teilnahm; Herr H G wurde als Zeuge vernommen. Die belangte Behörde ist zur Verhandlung ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

3.2. Bei der mündlichen Verhandlung wurde folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Im Jahre 1981 kaufte der Bw von der Firma S die beiden Reinigungsbetriebe in der R und in der F in Linz. Die vorhandenen Maschinen wurden, nachdem festgestellt worden war, daß sie trotz Garantie des Verkäufers nicht funktionsfähig waren, ausgebaut und mittlerweile - es war noch ein Zivilprozeß im Gange - am Grundstück des Onkels des Bw, des Herrn E, in M Nr. zwischengelagert. Auch alle weiteren in den beiden Betriebsstätten genannten Sachen wurden - einschließlich der verfahrensgegenständlichen Kanister - zum Anwesen des Herrn E nach M gebracht.

Um die Jahreswende 1984/85 verlangte Herr E die Räumung seines Grundstückes von diesem Gerümpel, worauf der Vater des Bw diese Dinge auf sein Grundstück beim Anwesen M schaffte. Wahrscheinlich wurden zu diesem Zeitpunkt die gegenständlichen Kanister in den Holzschuppen gebracht, wo sie am 11. April 1996 gefunden worden waren.

Der Bw gab an, daß im Jahre 1981 die Entsorgung dieser Rückstände aus der Chemischreinigung über die normale Müllabfuhr möglich gewesen wäre. Die Rückstände stammten noch vom Vorbesitzer, der Firma S. Der Bw gab an, deshalb diesen Kanistern damals keine Aufmerksamkeit geschenkt und sie in der weiteren Folge vergessen zu haben.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da im vorliegenden Verfahren der Bw mit einer Geldstrafe in Höhe von 50.000,--S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer berufen.

4.2. Der Bw hat glaubwürdig angegeben, daß ihm beim Kauf der beiden Geschäftslokale in L, R und F, die 12 Kanister mit den Reinigungsflüssigkeiten nicht aufgefallen waren, weil es damals noch keine Vorschriften über eine spezielle Entsorgung derartiger Abfälle gegeben hätte. Sie wären dann ohne sein Wissen und Zutun zum Hause seines Onkels, des Herrn E, nach gebracht und von dort - wiederum ohne sein Wissen und sein Zutun - in etwa um die Jahreswende 1984/85 von seinem Vater in das Anwesen M transportiert worden. Er selbst habe zu dieser Zeit nicht in diesem Hause gewohnt. So habe er, als er im März 1996 das Haus verkaufte, auch nicht gewußt, daß im Holzschuppen diese 12 Kanister standen.

Zum Verschulden bestimmt § 5 Abs.1 VStG folgendes:

Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Dem Bw ist es im Ergebnis gelungen glaubhaft zu machen, daß ihn an der angelasteten Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Dafür war im wesentlichen maßgeblich, daß die strengen Vorschriften des Abfallwirtschaftsgesetzes, welches am 1.7.1990 in Kraft getreten ist, zum Zeitpunkt der Verbringung der Kanister nach M in das Haus des Onkels, welche im Jahre 1981 stattfand, noch lange nicht in Geltung stand. Auch das dem Abfallwirtschaftsgesetz vorangegangene Sonderabfallgesetz war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gültig, weil dieses erst mit 1.1.1984 in Kraft trat. Vorher gab es noch keine bundesgesetzliche Regelung betreffend Abfälle.

Lediglich das O.ö. Abfallgesetz 1975 stand in Geltung. Dieses Gesetz enthielt zwar Regelungen über flüssige Abfälle und Abfälle aus Gewerbebetrieben, die als "Sondermüll" bezeichnet wurden, doch trifft die Verantwortung des Bw, daß solche Abfälle über die kommunale Müllabfuhr entsorgt wurden, grundsätzlich zu. Wie die große Anzahl von Altlasten im Bereich von chemischen Reinigungsbetrieben beweist, war das Bewußtsein um die Gefährlichkeit der dort verwendeten Materialien damals noch nicht tief genug in das Bewußtsein der Anlagenbetreiber und der Behörden gelangt.

Ausgehend von diesen Überlegungen ist festzustellen, daß es dem Bw damals sicherlich keine Schwierigkeit bereitet hätte, die verfahrensgegenständlichen Kanister zu entsorgen. Daher ist seine Verantwortung, daß ihm diese bei der Geschäftsübernahme nicht aufgefallen sind und diese in der Folge ohne sein Zutun und ohne sein Wissen nach M bzw. später nach M gebracht wurden, durchaus glaubwürdig, insbesonders unter Beachtung der Streßsituation, in der sich der Bw bei der Übernahme der Geschäftslokale im Jahr 1981 sowie der Feststellung, daß die gekauften Maschinen nicht funktionierten, befunden hat.

4.3. Dazu kommt, daß dem Begriff des "Ablagerns", wie er im angefochtenen Straferkenntnis verwendet wurde, immanent ist, daß sich der Inhaber des Abfalls entledigen will. Eine Entledigung ist jedoch eine einmalige Handlung, die sich keinesfalls über Jahre erstrecken kann, wie dies im Tatvorwurf zum Ausdruck gebracht worden war. Eine Ablagerung, die sich über mehrere Jahre hinzieht, wäre nur denkbar, wenn es sich immer wieder um neue Abfälle handeln würde, die abgelagert werden. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine einzige Abfallcharge. Wenn die dem Bw angelastete Tat als "Ablagerung" qualifiziert wird, dann wäre diese schon im Jahre 1981 durchgeführt und somit das Delikt verwirklicht worden. Da es sich beim "Ablagern" von Abfällen um ein Zustandsdelikt handelt, wäre daher längst Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs.1 und Abs.2 VStG eingetreten. Es ist aber unwahrscheinlich, daß sich der Bw dieser Abfälle auf dem Grundstück seines Onkels entledigen wollte, von dem er die Erlaubnis hatte, Maschinen und Gerätschaften im Anwesen zwischenzulagern. Auch aus diesem Grunde ist die Verantwortung des Bw glaubwürdig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, daß der Bw weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

Beilage Dr. B l e i e r

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