Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310103/11/Le/Ha

Linz, 10.10.1997

VwSen-310103/11/Le/Ha Linz, am 10. Oktober 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des Alois S, A, S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Edgar H, G, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 27.3.1997, UR96-71-1996-RE/BMC, wegen Übertretungen des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 27.3.1997 wurden über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretungen der §§ 20, 22 Abs.1 und 42 Abs.1 Z1 lit.c des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 (im folgenden kurz: O.ö. AWG) zwei Geldstrafen in Höhe von je 60.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von jeweils acht Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrens-kosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 27.8.1996 a) auf dem auf Grundstück Nr. , KG A, Gemeinde S, befindlichen Graben im Ostteil auf einer Fläche von 14 x 10 m ca. 100 m³ unsortierten Bauschutt wie Ziegelbruch, Steine, Metall- und Plastikteile, Eternitbruch, Fliesenbruch, Kanalrohre aus Eternit sowie Reste von PU-Schaum und Heraklithplatten sowie b) auf den Grundstücken Nr., je KG A, Gemeinde S, auf einer Fläche von ca. 20 x 10 m ca. 300 m³ augenscheinlich nicht verunreinigtes und nicht kontaminiertes Material gelagert, sohin eine Abfallbehandlungsanlage errichtet und betrieben, obwohl die Errichtung, der Betrieb und die Änderung einer Abfallbehandlungsanlage im Sinne des § 22 Abs.1 O.ö. AWG bewilligungspflichtig ist.

In der Begründung dazu wurde der Gang des Ermittlungsverfahrens dargelegt und auch die Gutachten der beigezogenen Amtssachverständigen im wesentlichen wiedergegeben. Demnach hätten die Amtssachverständigen für Abfallchemie sowie für Hydrogeologie ein Belassen des vorgefundenen Materials an Ort und Stelle für unbedenklich erklärt. Auch der beigezogene Bezirksbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz hatte naturschutzfachlich keinen Bewilligungstatbestand gesehen. In Anwendung des § 22 Abs. 1 O.ö. AWG sei die Errichtung einer solchen Anlage bewilligungspflichtig. Sodann wurden die Gründe der Strafbemessung dargelegt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig bei der Behörde niederschriftlich eingebrachte Berufung vom 4.4.1997, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Begründend führte der Bw aus, die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen zu haben. Er habe schon mit mehreren Bauern gesprochen, die auch Material ablagern, aber nichts davon wüßten, daß dafür eine abfallrechtliche Bewilligung erforderlich wäre. In seiner Angelegenheit handle es sich lediglich um eine Flurbereinigung, die mit dem Grundbesitzer abgesprochen wäre. 3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Zur vollständigen Klärung der Sach- und Rechtslage hat der unabhängige Verwaltungssenat für 9. Oktober 1997 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und an diesem Tage auch durchgeführt. Dabei ergab sich aus den Ausführungen des Berufungswerbers sowie dem Akteninhalt folgender entscheidungsmaßgeblicher Sachverhalt:

Bei den beiden im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angegebenen Tatorten handelt es sich in Wahrheit um eine zusammenhängende Fläche, die sich in der Natur als Graben dargestellt hat. Der Bw bewirtschaftet unter anderem diese Flächen als Landwirt in Pacht. Er gab an, von der EU dafür Förderungen zu erhalten, die er jedoch möglicherweise verloren hätte, wenn er nicht auch den gegenständlichen Graben aufgefüllt und zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung hergerichtet hätte. Zur Auffüllung hätte er ausschließlich inertes Material verwendet, zum Teil auch Material, das von einem Bergweg aufgrund eines Unwetters abgeschwemmt worden war. In diesem Material waren Ziegelbrocken, die Landwirte zur Oberflächenbefestigung des Weges aufgebracht hatten. Die Bauschuttanteile erklärte der Bw damit, daß diese von einem jugoslawischen Arbeiter seines Betriebes irrtümlich dort abgelagert worden waren; er hätte diese Abfälle jedoch sofort wieder entfernen lassen.

Tatsache ist, daß aus der im Akt erliegenden Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3.2.1997 hervorgeht, daß im gegenständlichen Bereich drei Schürfschlitze angelegt wurden und damit die Ablagerungen untersucht worden sind. Dabei wurden ausschließlich inerte Materialien sowie ein sehr geringer Anteil (kleiner als 1% der Gesamtablagerung) von Holz vorgefunden. Aus abfallchemischer Sicht wurde festgestellt, daß ein Belassen des vorgefundenen Materials an Ort und Stelle unbedenklich erschien.

In Übereinstimmung mit diesem Sachverständigengutachten gab der Bw an, daß insgesamt in diesem Graben 400 bis 500 m³ Material abgelagert wurden. Damit war die Auffüllung des Grabens beendet und weitere Ablagerungen nicht mehr möglich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

Da eine Geldstrafe über 10.000 S verhängt wurde, ist für die Durchführung dieses Verfahrens die Zuständigkeit der Kammer gegeben (§ 51c VStG).

4.2. § 42 Abs.1 Z1 lit.c O.ö. AWG bestimmt, daß eine Verwaltungsübertretung begeht, die von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen ist 1. mit Geldstrafe bis 500.000 S, wer c) entgegen § 22 Abs.1 bewilligungspflichtige Abfallbehandlungsanlagen ohne abfallrechtliche Bewilligung errichtet, betreibt oder wesentlich ändert.

Was unter einer "Abfallbehandlungsanlage" zu verstehen ist, ist in § 20 Abs.1 O.ö.AWG definiert: Demnach gehören dazu (auch) Ablagerungsplätze, insbesondere Reststoffdeponien.

Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von Abfallbehandlungsanlagen bedarf gemäß § 22 Abs.1 O.ö. AWG unabhängig von Bewilligungen und Genehmigungen, die nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich sind, einer abfallrechtlichen Bewilligung.

Dieser Bewilligungstatbestand trifft auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt jedoch nicht zu: Die Begriffsbestimmung der "Abfallbehandlungsanlage" in § 20 Abs.1 O.ö. AWG erläutert in beispielhafter Aufzählung die nach dem O.ö. AWG möglichen Arten der Abfallbehandlungsanlagen. Was unter einer "Anlage" zu verstehen ist bzw. welche Mindestanforderungen daran zu stellen sind, ist nicht näher dargelegt. Eine Zusammenschau der Bestimmungen der §§ 20 Abs.1, 22 Abs.1 und 23 zeigt jedoch auf, daß ein gewisses Mindestmaß an technischer Ausstattung erforderlich ist, um von einer "Anlage" sprechen zu können. Eine solche technische Ausstattung war bei dem vom Bw zugeschütteten Graben jedoch nicht einmal ansatzweise feststellbar.

Vom Zweck her betrachtet (§ 3 Z.3 O.ö. AWG) soll ein Ablagerungsplatz der schadlosen Beseitigung von Abfällen in Form einer Deponierung auf Dauer (§ 2 Abs.3 Z2 lit.b O.ö. AWG) dienen. Wesentliches Merkmal einer Deponie ist sohin, daß darin Abfälle, die an anderen Orten angefallen sind, auf unschädliche Art und Weise abgelagert werden sollen; der Aspekt der Abfallentsorgung (§ 1 Abs.2 Z3 Abfallwirtschaftsgesetz) steht somit im Vordergrund.

Im verfahrensgegenständlichen Sachverhalt hat der Bw jedoch nicht eine Anlage errichten wollen, um künftig anfallende Abfälle dort ablagern zu können, sondern er hat vielmehr mit vorhandenen Abfällen einen bestehenden Graben auffüllen wollen, um diesen sodann landwirtschaftlich nutzen zu können. Er hat damit offensichtlich einen anderen Zweck verfolgt als dies bei einer Deponierung der Fall ist.

Es ist unbestritten, daß der Bw in diesem Graben Abfälle abgelagert hat. Die Abfalleigenschaft der verwendeten Materialien ergab sich zumindest aus der subjektiven Entledigungsabsicht. Allerdings wurden diese Abfälle (die von den Amtssachverständigen als inert bezeichnet wurden) dazu verwendet, einen bestimmten Zweck zu erreichen, nämlich das Ausgleichen einer Geländeunebenheit. Damit wurden jedoch diese Abfälle zu Altstoffen, da sie einer zulässigen Verwendung zugeführt wurden.

Gemäß § 2 Abs.9 letzter Satz O.ö. AWG ist auf Altstoffe der Bewilligungstatbestand des § 22 O.ö. AWG nicht anzuwenden.

Damit konnte der Tatvorwurf nicht erwiesen werden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, daß der Bw weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Ergeht an: Beilage Dr. B l e i e r

Beschlagwortung: Deponie; Auffüllung eines Grabens ist keine Abfallbehandlungsanlage

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