Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310105/3/Le/Ha

Linz, 25.08.1997

VwSen-310105/3/Le/Ha Linz, am 25. August 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des Roman N, F, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 1.4.1997, UR96-27-1996-RE/ZE, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 1.4.1997 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 17 Abs.1 iVm § 39 Abs.1 lit.a Z2 Abfallwirtschaftsgesetz (im folgenden kurz: AWG) eine Geldstrafe in Höhe von 100.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einer Woche) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 21.5.1996 auf der Liegenschaft F 3 in L in näher bezeichneten Bereichen dieser Liegenschaft verschiedene gefährliche Abfälle, nämlich einen LKW-Anhänger, das Führerhaus eines LKW mit Kühler, einen LKW-Motor, einen weißen Kombi der Marke Opel Kadett und schließlich einen schwarzen Plastikkübel mit ca. 5 l Öl-Wasser-Gemisch abgelagert, obwohl das Ablagern von gefährlichen Abfällen oder Altölen außerhalb dafür genehmigter Abfallbehandlungsanlagen unzulässig sei.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der aus dem Spruch ersichtliche Sachverhalt dem Beschuldigten mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14.11.1996 zur Kenntnis gebracht worden sei. Sodann wurde die Verantwortung des Beschuldigten wiedergegeben.

Nach einer Darlegung der Rechtslage kam die Behörde zum Ergebnis, daß es sich bei den abgelagerten Gegenständen um Abfälle im subjektiven und objektiven Sinn handle. Zu den Ausführungen des Beschuldigten, daß er z.B. das Führerhaus des LKW im eigenen Betrieb verwerten wolle, führte die Erstbehörde aus, daß selbst für diesen Fall (z.B. durch Demontage des Führerhauses) möglicherweise Betriebsflüssigkeiten, die dennoch zu entsorgen sind, übrig bleiben würden.

Sodann legte die Erstbehörde die Gründe der Strafbemessung dar.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 16.4.1997, mit der schlüssig beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

In der Begründung brachte der Bw vor, daß es sich bei den Gegenständen um keine Fahrzeuge handle, die repariert werden sollten, sondern um Ersatzteile. Die Behauptung im Straferkenntnis, daß eventuell Betriebsflüssigkeiten vorzufinden wären, sei in keinem einzigen Gutachten enthalten; Tatsache sei, daß keine Betriebsflüssigkeiten vorhanden sind. (Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf einen Restölabscheider, der in den nächsten drei Wochen eingebaut werden sollte). Zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen führte der Bw an, daß seine Bilanz einen Verlust aufweise und gerichtliche Exekutionen gegen ihn geführt würden. Er verfüge daher über kein Einkommen und kein Vermögen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Da aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ein für die spruchgemäße Entscheidung ausreichend ermittelter Sachverhalt hervorgeht und eine mündliche Verhandlung auch nicht beantragt worden war, konnte eine solche entfallen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

Da eine Geldstrafe über 10.000 S verhängt wurde, ist für die Durchführung dieses Verfahrens die Zuständigkeit der Kammer gegeben (§ 51c VStG).

4.2. Gemäß § 39 Abs.1 lit.a AWG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50.000 S bis 500.000 S zu bestrafen, wer 2. gefährliche Abfälle und Altöle entgegen § 17 Abs.1 lagert, behandelt oder ablagert.

§ 17 Abs.1 AWG legt fest, daß gefährliche Abfälle und Altöle unbeschadet weitergehender Verpflichtungen jedenfalls so zu lagern und zu behandeln (verwerten, ablagern oder sonst zu behandeln) sind, daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs.3 AWG vermieden werden. Das Ablagern von gefährlichen Abfällen oder Altölen außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen ist unzulässig.

Die zitierte Bestimmung des § 17 Abs.1 AWG enthält sohin zwei Tatbestände: Einerseits wird vom Gesetzgeber verlangt, daß bei der Lagerung und Behandlung (wozu auch das Ablagern gehört!) die in § 1 Abs.3 AWG genannten öffentlichen Interessen nicht beeinträchtigt werden, und andererseits wird für das Ablagern (nicht also für das Lagern!) normiert, daß dieses nur in genehmigten Abfallbehandlungsanlagen zulässig ist.

Zur Abgrenzung der Begriffe "lagern" und "ablagern" stellte der Verwaltungsge-richtshof in seinem Erkenntnis vom 14.12.1995, 95/07/0112, fest, daß "eine Ablagerung dann vorliegt, wenn sie nach den erkennbaren Umständen langfristig oder auf Dauer erfolgt. Die Auffassung ... der Begriff der Ablagerung ... sei nicht im engen, technischen Sinn zu verstehen, sondern erfasse auch jede Verwendung der Liegenschaft zur bloß vorübergehenden Aufbewahrung, kann nicht geteilt werden." Einer Lagerung ist immanent, daß die betreffenden Stoffe projektsgemäß wieder entfernt werden. Eine genaue zeitliche Grenze, die das Lagern vom Ablagern trennt, läßt sich dem AWG nicht entnehmen (VwGH vom 24.10.1995, 95/07/0113).

Wenngleich das AWG eine Legaldefinition zu den Begriffen "lagern" und "ablagern" nicht enthält, stellen die Erläuterungen zum AWG klar, daß das Gesetz unter dem Begriff "lagern" einen Vorgang von vorübergehender Dauer versteht, während der Begriff "ablagern" einen auf Dauer ausgerichteten Zustand bezeichnet.

Davon ausgehend liegt eine Ablagerung vor: a) unter subjektiven Gesichtspunkten jedenfalls dann, wenn bewegliche Sachen als Abfälle im Bewußtsein der Endgültigkeit weggegeben werden; bei Offensichtlichkeit der Ablagerung gilt das Moment der Entledigungsabsicht als immanent. Dabei ist eine "Entledigung" auf eigenem Grund und Boden nicht von vornherein ausgeschlossen - es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an; b) ausnahmsweise unter objektiven Gesichtspunkten jedoch dann, wenn eine gegebene Lagerung beweglicher Sachen als Abfälle bereits so lange gedauert hat, daß eben deswegen Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs.3 AWG nicht mehr vermieden werden konnten, d.h. tatsächlich eingetreten sind (sh. VwSen-210162/3/Ga/La vom 6.7.1995; VwSen-310073/4/Le/Fb vom 21.8.1996; VwSen-310069/3/Le/La vom 19.12.1996 ua.).

4.3. Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, daß dem Bw zu Unrecht die Ablagerung von gefährlichen Abfällen vorgeworfen wurde:

Wenngleich feststeht, daß es sich bei den vorgefundenen Gegenständen um Abfälle, und zwar um gefährliche Abfälle handelt (sh. hiezu die Gutachten der Amtssachverständigen vom 21.5.1996 und 23.7.1996), so ist jedoch der zeitliche Aspekt einer langfristigen Ablagerung bzw. eine Entledigungsabsicht nicht bewiesen. Gegen die Annahme einer Entledigungsabsicht spricht insbesonders die vom Bw in seinen Schriftsätzen immer wieder vorgebrachte Darstellung, daß diese Gegenstände für ihn Ersatzteile wären und er diese verwerten wolle. Die Verwertungsabsicht ist diametral zur Entledigungsabsicht und schließt daher die Annahme einer "Ablagerung" aus subjektiver Sicht im Sinne der conclusio in 4.2. letzter Absatz aus. Für die Annahme der zweiten Alternative der Ablagerung (siehe 4.2. letzter Absatz) fehlen hinreichende Beweise für die Langfristigkeit der Lagerung am selben Ort sowie für das Vorhandensein aktueller Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs.3 AWG.

4.4. Diesen Mangel des Ermittlungsverfahrens konnte die Berufungsbehörde nicht sanieren. Auch eine Richtigstellung des Tatvorwurfes auf unbefugtes Lagern von gefährlichen Abfällen in einer Weise, daß eines (oder mehrere) der in § 1 Abs.3 AWG aufgezählten öffentlichen Interessen beeinträchtigt werden, war dem O.ö. Verwaltungssenat nicht möglich, weil es sich dabei um eine unzulässige Auswechslung des Tatvorwurfes handeln würde. Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, daß der Bw weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an: Beilage Dr. B l e i e r

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