Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310131/2/Le/Ha

Linz, 26.01.1998

VwSen-310131/2/Le/Ha Linz, am 26. Jänner 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Dipl. Ing. Thomas T, B Straße, W, vertreten durch Rechtsanwälte Wolf T, S, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 23.9.1997, Wi96-13-1996/Tr/Pö, wegen Übertretung des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 23.9.1997 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 42 Abs.1 Z3 lit.f iVm § 15 Abs.4 des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 (im folgenden kurz: O.ö. AWG) eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwei Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe es als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs.2 VStG der Ö zu vertreten, daß im Zeitraum vom 8.11.1994 bis zumindest 30.1.1996 in völlig ungeordneter Weise wiederholt Lagerungen und Ablagerungen von hausabfallähnlichen betrieblichen Abfällen erfolgten und somit Abfälle gelagert und abgelagert wurden, ohne daß seitens der Ö zumutbare Abwehrmaßnahmen ergriffen worden seien, obwohl gemäß § 15 Abs.4 O.ö. AWG Grundeigentümer dazu verpflichtet wären.

In der Begründung dazu wurde ausgeführt, daß aufgrund des Ergebnisses mehrerer Lokalaugenscheine, zuletzt am 30.1.1996, die spruchmäßig angeführte Verwaltungsübertretung zur Last gelegt werde. Sodann wurde das Ermittlungsverfahren dargestellt und die Rechtfertigung des Beschuldigten wiedergegeben. Dazu hat die Erstbehörde nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage darauf hingewiesen, daß aufgrund der Feststellungen der Amtssachverständigen wiederholt unbefugte Lagerungen und Ablagerungen von hausabfallähnlichen betrieblichen Abfällen festgestellt worden wären. Das Grundstück werde zum Teil von Herrn Josef L gewerblich als Alteisenlagerplatz benutzt, doch würden nach Angabe von Herrn L von Dritten unbefugt hausabfallähnliche betriebliche Abfälle abgelagert. Es stehe fest, daß durch diese Lagerungen das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt wurde und die Möglichkeit einer Verunreinigung des Grundwassers infolge des Auswaschens von Schadstoffen bei Niederschlagsereignissen gegeben war. Durch den vorliegenden Sachverhalt sei der Straftatbestand in objektiver Seite erfüllt. Hinsichtlich des Verschuldens verwies die Erstbehörde auf die Bestimmung des § 5 Abs.1 VStG und zog daraus den Schluß, daß die Tat fahrlässig begangen wurde. Sodann setzte sie sich mit den Rechtfertigungsargumenten im einzelnen auseinander. Schließlich wurden die Gründe der Strafbemessung dargestellt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 17.10.1997, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Der Bw begründete seine Berufung mit behaupteten inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Rechtswidrigkeiten und wies insbesonders darauf hin, daß es sich bei dem in Rede stehenden Areal um eine 34.000 m² große Liegenschaft handelt, weshalb die Einzäunung dieses Grundstückes wirtschaftlich nicht zumutbar sei. Die Behörde habe es unterlassen, die wirtschaftliche Zumutbarkeit dieser Abwehrmaßnahme zu überprüfen, obwohl sie aufgrund der erheblichen Vermögensbelastung dazu verpflichtet gewesen wäre. (Von der Wiedergabe der weiteren Berufungsargumente wird im Hinblick darauf, daß bereits diesem Berufungsargument Berechtigung zukommt, Abstand genommen).

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Da aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ein für die spruchgemäße Entscheidung ausreichend ermittelter Sachverhalt hervorgeht, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

4.2. § 42 Abs.1 Z3 lit.f O.ö. AWG bestimmt, daß eine Verwaltungsübertretung begeht und von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis 50.000 S zu bestrafen ist, wer f) entgegen § 15 Abs.4 zumutbare Abwehrmaßnahmen gegen wiederholte unbefugte Lagerungen oder Ablagerungen auf seinem Grundstück nicht ergreift.

§ 15 Abs.4 O.ö. AWG bestimmt folgendes: "(4) Grundeigentümer haben bei wiederholten unbefugten Lagerungen oder Ablagerungen an der selben Stelle oder in deren unmittelbaren Nachbarschaft zumutbare Abwehrmaßnahmen (Absperrung, Einzäunung und dgl.) gegen diese Lagerungen oder Ablagerungen dann zu ergreifen, wenn die erkennbare Abfolge der Wiederholungen und die örtlichen Gegebenheiten dies geboten und gerechtfertigt erscheinen lassen." Schon die Gesetzesmaterialien zu § 15 Abs.4 O.ö. AWG (Beilage 391/1990 zum kurzschriftlichen Bericht des O.ö. Landtages, XXIII. Gesetzgebungsperiode) zeigen klar auf, daß durch das Kriterium der Zumutbarkeit der Betroffene vor sachlich nicht gerechtfertigten Härten geschützt werden soll. Je nach Örtlichkeit kann beispielsweise das Anbringen eines Schrankens an einer Zufahrt oder einer sonstigen Sperre an einer Stelle, die als Zufahrt faktisch benützt wird, zumutbar sein. Als nicht mehr zumutbar kann sich die Einzäunung eines größeren Grundstückes erweisen.

Das Kriterium der Zumutbarkeit ist in diesem Zusammenhang als "wirtschaftliche Zumutbarkeit" zu sehen. Dies bedeutet, daß bei der Errichtung solcher Abwehrmaßnahmen das Verhältnis zwischen dem Nutzen für die Umwelt einerseits und dem dafür erforderlichen Aufwand für den Betroffenen andererseits berücksichtigt werden muß. Zur Auslegung des Begriffes der "Zumutbarkeit" gibt der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur zum Gleichheitssatz und Eigentumsschutz strenge Richtlinien vor: Im Erkenntnis vom 14.10.1993, B1633/92, behob der Verfassungsgerichtshof einen wasserpolizeilichen Auftrag im wesentlichen mit der Begründung, daß von Verfassungs wegen dem Liegenschaftseigentümer von hoher Hand keine Lasten auferlegt werden dürfen, die ihn mit Rücksicht auf ihre Schwere einerseits und seinem aus dem Eigentum gezogenen Nutzen andererseits unverhältnismäßig treffen und ihm daher wirtschaftlich nicht zumutbar sind. Eine vermögensmäßige Belastung eines Grundeigentümers durch einen wasserpolizeilichen Auftrag nach § 138 WRG 1959 ist verfassungsrechtlich aus Gründen des Gleichheitssatzes und des Eigentumsschutzes schon wegen des diesem immanenten Verhältnismäßig-keitsgrundsatzes nur zulässig, wenn er wirtschaftlich dem Eigentümer zugemutet werden kann: Der Auftrag gegenüber dem Grundeigentümer setzt nicht nur ein entsprechendes öffentliches Interesse an der Beseitigung der eigenmächtig vorgenommenen Neuerungen voraus; er ist gemäß § 138 Abs.4 WRG 1959 zusätzlich zur mangelnden BeLbarkeit des Verursachers des rechtswidrigen Zustandes dem Liegenschafteigentümer nur zumutbar, wenn dieser "die eigenmächtige Neuerung, das Unterlassen der Arbeit oder die Bodenverunreinigung ausdrücklich gestattet hat oder wenn er der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat". (Hervorhebung durch den UVS).

Die Grundaussage dieses Erkenntnisses, wonach die Behörde vor Erlassung eines derartigen Auftrages aus Gründen des Eigentumsschutzes unter anderem auch die wirtschaftliche Zumutbarkeit des Auftrages für den Verpflichteten prüfen muß, trifft auch im Anwendungsbereich des § 15 Abs.4 O.ö. AWG zu:

Wenngleich in dieser Bestimmung kein Auftrag der Bezirksverwaltungsbehörde zur Herstellung von Abwehrmaßnahmen vorgesehen ist (rudimentär ist in § 42 Abs.3 O.ö. AWG allenfalls ein Auftrag der Gemeinde - allerdings ohne Nennung der zuständigen gemeindlichen Behörde - vorgesehen), so ist doch die Bezirksverwaltungsbehörde im Strafverfahren nach § 42 Abs.1 Z3 lit.f O.ö. AWG verpflichtet zu prüfen, welche Abwehrmaßnahmen sinnvoller Weise getroffen werden können und weiters, ob diese dem Grundeigentümer auch wirtschaftlich zugemutet werden können. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit konnte in Anbetracht der Größe des Grundstückes von immerhin 34.000 m² nicht von vornherein als gegeben angenommen werden, sondern mußte vielmehr aus triftigen Gründen sogar bezweifelt werden. Die ÖBB hatten überdies schon in früheren Schreiben (z.B. vom 18.4.1996) an die Erstbehörde auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit einer Umzäunung des Grundstückes hingewiesen. Auch der Bw hatte in seinem Einspruch vom 25.9.1996 nochmals eindringlich die Unzumutbarkeit einer Einzäunung des Grundstückes reklamiert. Die Erstbehörde hat zu diesem Einwand keine aktenkundig erkennbaren Ermittlungen angestellt.

Damit aber wurde der Sachverhalt nicht in allen relevanten Tatbestandsmerkmalen mit der für ein Strafverfahren nötigen Genauigkeit festgestellt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu II.: Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen. Damit war der Verfahrenskostenausspruch der beLten Behörde aufzuheben. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten. Ergeht an: Beilage Dr. L e i t g e b Beschlagwortung: Zumutbarkeit einer Abwehrmaßnahme; größeres Grundstück, Einzäunung

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