Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310144/2/Le/Fb

Linz, 25.08.1998

VwSen-310144/2/Le/Fb Linz, am 25. August 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des J S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 17. März 1998, UR96-46-1997-RE, und zwar hinsichtlich des Spruchabschnittes II., wegen Übertretung des Oö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird im Spruchabschnitt II. aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 17.3.1998 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 42 Abs.1 Z1 lit.b iVm § 7 Abs.1 des Oö. Abfallwirtschaftsgesetzes "1991" (gemeint wohl: 1990) (im folgenden kurz: Oö. AWG) eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwei Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe zumindest am 10.7.1997 in Marchtrenk auf dem Grundstück Nr. , KG M, eine Reihe von näher bezeichneten Abfällen (zB LKW-Kühler, Material aus Ofenreinigung, Kraftstofftank, PKW-Reifen, Spundfässer, Stahlblechfässer, LKW-Teile, Kalksilos und Zapfsäulen) entgegen den Grundsätzen des § 8 gelagert, obwohl Abfälle nach Maßgabe des jeweiligen Standes der Technik so zu lagern, zu sammeln und abzuführen, zu befördern oder zu behandeln sind, daß insbesonders die Grundsätze des § 8 nicht gestört werden (der Gesetzeswortlaut des § 8 Oö. AWG wurde im wesentlichen wortwörtlich an dieser Stelle angeführt; unter der Z7 wurde jedoch das Oö. Ortsbildgesetz als "Oö. Ortsbild" bezeichnet). In der Begründung wurde im wesentlichen die maßgebliche Rechtslage sowie der Gang des Ermittlungsverfahrens dargestellt, ohne die Feststellungen an Ort und Stelle jedoch im einzelnen zu bezeichnen. Sodann wurden die Gründe der Strafbemessung erläutert, wobei dies gemeinsam mit der im Spruchteil I. nach dem Abfallwirtschaftsgesetz verhängten Bestrafung erfolgte und diesbezüglich undifferenziert die Verhängung der Mindeststrafe erläutert wurde, obwohl eine solche im Oö. AWG nicht vorgesehen ist. (Im I. Spruchabschnitt des gegenständlichen Straferkenntnisses wurde der nunmehrige Berufungswerber wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes bestraft; da hiefür eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist zur Entscheidung über die dagegen eingebrachte Berufung die nach der Geschäftsverteilung des Oö. Verwaltungssenates zuständige Kammer berufen. Diese Entscheidung ergeht daher gesondert.) 2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig bei der Behörde mündlich eingebrachte Berufung vom 20.3.1998, die durch den Schriftsatz seines Rechtsfreundes vom 1.4.1998 ergänzt wurde. Darin wird begründet beantragt, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Da bereits aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ein für die spruchgemäße Entscheidung ausreichend ermittelter Sachverhalt hervorgeht, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung aus verwaltungsökonomischen Gründen unterbleiben. 4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit einer Geldstrafe in Höhe von 10.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Im Spruchabschnitt II. des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, eine Reihe von näher bezeichneten nicht gefährlichen Abfällen auf einer näher bezeichneten Fläche gelagert zu haben, wobei diese Lagerung entgegen den Grundsätzen des § 8 erfolgt sei. Darauf folgte eine nahezu wortwörtliche Wiedergabe aller Grundsätze des § 8 Oö. AWG, wobei anzumerken ist, daß in der Darstellung der Z7 die im Gesetz verwendete Wendung ".... und im Oö. Ortsbildgesetz umschrieben sind ...." verändert und als ".... und im Oö. Ortsbild umschrieben sind ...." dargestellt wurde. Eine weitere Konkretisierung, welcher dieser acht Grundsätze verletzt wurde, fehlt sowohl im Spruch als auch in der Begründung dieses Straferkenntnisses. Lediglich aus dem Gutachten des Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft vom 22.7.1997, welches im angefochtenen Straferkenntnis aber nicht einmal auszugsweise dargestellt wurde, ist ersichtlich, daß dieser Amtssachverständige eine "wesentliche Störung des Ortsbildes" festgestellt hat; eine Verletzung der anderen zitierten Grundsätze des § 8 Oö. AWG ist aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht ersichtlich. 4.3. Das angefochtene Straferkenntnis leidet sohin an zwei wesentlichen Mängeln: Zum einen hat die Erstbehörde den Tatvorwurf nicht ausreichend konkretisiert und sie hat zum anderen ihre Entscheidung, sofern es sich um die Berücksichtigung des Ortsbildes handelt, auf ein mangelhaftes Gutachten gestützt.

4.4. Zur unzureichenden Konkretisierung des Tatvorwurfes:

§ 44a Z1 VStG bestimmt, daß der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten hat: 1. die als erwiesen angenommene Tat.

Nach der umfangreichen Lehre und Judikatur zu dieser Bestimmung kommt dem damit normierten Konkretisierungsgebot besondere Bedeutung zu: Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw. Der Vorschrift des § 44a Z1 VStG ist dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen ... (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 968f). Diese Konkretisierung ist im vorliegenden Fall nicht geschehen: Der einzige Grundsatz des § 8 Oö. AWG, der durch die Tat des Berufungswerbers möglicherweise verletzt wurde, ist der Grundsatz der Z7, und zwar die Nichtberücksichtigung der Interessen des Ortsbildschutzes, wie sie im Oö. Ortsbildgesetz umschrieben sind. Dieser Grundsatz findet sich zwar auch (wenn auch unrichtig zitiert, weil die Wendung "Oö. Ortsbild" keinen hinreichenden Sinn ergibt) in der Aufzählung im Spruch des Straferkenntnisses, doch wurden dort auch alle anderen Grundsätze des § 8 als verletzte Vorschriften angeführt, obwohl dazu keinerlei behördliche Ermittlungen angestellt worden waren und sich auch keinerlei Anhaltspunkte für deren Verletzung ergaben. Eine solche Ausdehnung des Tatvorwurfes auf alle Eventualitäten widerspricht jedoch dem Konkretisierungsgebot, weil der Beschuldigte somit in einen Beweisnotstand kommen würde: er müßte auch zu einem solchen überschießenden Tatvorwurf Beweise anbieten (zB daß durch die Lagerungen das Leben und die Gesundheit von Menschen durch diese Lagerungen nicht gefährdet werden), obwohl die Behörde keinerlei Hinweise darauf gegeben hat, aus welchen Gründen sie eine solche Beeinträchtigung für gegeben erachtet. Eine solche behördliche Vorgangsweise widerspricht auch dem Gebot des § 44a Z2 VStG, wonach der Beschuldigte ein Recht darauf hat, daß im Spruch die richtige Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt ist, genannt wird (siehe hiezu Hauer-Leukauf, aaO, Seite 971).

4.5. Es ist dem unabhängigen Verwaltungssenat verwehrt, den Tatvorwurf auf die Verletzung des Ortsbildes einzuschränken, zumal dieser Tatvorwurf nicht ausreichend begründet ist: Wie aus dem Gutachten vom 22. 7.1997 betreffend den Lokalaugenschein vom 10.7.1997 hervorgeht, wurde dieses Gutachten vom "Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft beim Amt der oö. Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, UA Abfallwirtschaft, Peter Stadler" erstattet. Dieser Amtssachverständige hat sohin eine Ausbildung in Chemie, nicht jedoch in Architektur oder Bauwesen, sodaß er sich zur Frage einer "Berücksichtigung der Interessen des Ortsbildes iSd Oö. Ortsbildschutzgesetzes" nicht als "Sachverständiger" äußern kann, sondern nur seine persönliche Meinung zum festgestellten Sachverhalt abgeben kann. Um die Beeinträchtigung von Interessen des Ortsbildes durch die Lagerung von Abfällen verläßlich beurteilen zu können, ist es erforderlich, daß ein (einschlägig ausgebildeter) Bautechniker oder Architekt in seinem Befund (möglicherweise im Zusammenhang mit einem Sachverständigen für Abfallwirtschaft) die vorgefundenen Abfälle und die Art ihrer Lagerung einerseits sowie das in der Umgebung vorhandene Ortsbild andererseits in den wesentlichen Gegebenheiten beschreibt und sodann im Gutachten (im engeren Sinn) daraus (aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse) seine fachlichen Schlüsse zieht. Der Behörde obliegt es sodann, diese fachlichen Schlüsse unter die entsprechenden Rechtsvorschriften zu subsumieren. (In diesem Zusammenhang siehe etwa VwGH vom 7.11.1995, 95/05/0227; VwGH vom 18.5.1993, 92/05/0315 und VwGH vom 24.9.1992, 89/06/0086 ua). Die gutachtliche Feststellung auf Seite 5 dieses Gutachtens: "Die ordnungslose Lagerung ist vielmehr auch aus fachlicher Sicht als unzulässig anzusehen, da dadurch das Grundstück einen verwahrlosten Eindruck hinterläßt. Angesichts der Tatsache, daß sich das gegenständliche Grundstück im Ortsgebiet von Marchtrenk (d.h. im verbauten Gebiet) befindet, bedingt dies eine wesentliche Störung des Ortsbildes." ist somit fachlich nicht ausreichend begründet und daher keine geeignete Basis für die von der Erstbehörde getroffene Feststellung, daß Interessen des Oö. Ortsbildschutzgesetzes beeinträchtigt werden. Dieser Ermittlungsmangel konnte in Ansehung der Tatzeit im Berufungsverfahren nicht mehr saniert werden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu II.: Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen. Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. L e i t g e b Beschlagwortung: Ortsbild; Beeinträchtigung des Ortsbildes kann nur Architekt oder Bautechniker feststellen.

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