Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-310234/6/Le/Be

Linz, 23.12.2002

VwSen-310234/6/Le/Be Linz, am 23. Dezember 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 23.10.2002, Zl. UR96-22-6-2002, wegen Übertretung des Oö. Abfallwirtschaftsgesetzes 1997 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 19.12.2002 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr- Umgebung vom 23.10.2002 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 43 Abs.1 Z.2 lit.d in Verbindung mit § 8 Abs.6 Oö. Abfallwirtschaftsgesetz 1997 (im Folgenden kurz: Oö. AWG 1997) eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe es als Grundstückseigentümer des, zu verantworten, dass in der Zeit vom 3.7.2002 bis zum 19.7.2002 hinter dem Haus, welches sich auf dem oben angeführten Grundstück befindet, mindestens 20 Altreifen entgegen den Vorschriften des Oö. Abfallwirtschaftsgesetzes gelagert wurden. Er habe Altreifen, welche sonstige Abfälle gemäß § 2 Abs.4 Z.5 lit.g darstellen, nicht nach den Bestimmungen des Oö. Abfallwirtschaftsgesetzes entsorgt. Er habe somit sonstige Abfälle nicht zu in Betracht kommenden Sammeleinrichtungen oder Abfallbehandlungsanlagen abgeführt oder direkt einer Verwertung zugeführt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 8.11.2002, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass es sich um einen verhängnisvollen Irrtum seinerseits handle, wenn die Reifen tatsächlich wirkungslos sein sollten, dies wäre aber dann nicht fahrlässig oder ungehorsam. Er wolle noch die Meinung eines gerichtlich beeideten Bausachverständigen einholen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der Unabhängige Verwaltungssenat für 19.12.2002 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und an diesem Tage auch durchgeführt. An dieser Verhandlung nahm der Berufungswerber teil; die Erstbehörde war ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

3.2. Bei dieser Verhandlung führte der Berufungswerber aus, dass hinter seinem Haus der Hang in der Kriegszeit abgegraben und als Deckung für Flak-Geschütze verwendet worden sei. Von dort würden immer wieder Steine herabfallen, die direkt auf sein Haus prallen würden. Es habe daher schon mehrere Beschädigungen durch herabfallende Steine und Felsbrocken gegeben. Vor fünf oder sechs Jahren hätte es einmal eine Beschädigung gegeben, für die von der Versicherung auch bezahlt worden sei. Gemeinsam mit dem Versicherungsvertreter habe er damals die Idee gehabt, dort Reifen aufzuschlichten, um die Beschädigungen an seinem Haus zu verhindern.

Der Berufungswerber legte auch noch ein Foto von der aktuellen Situation vor. Daraus ist ersichtlich, dass die Reifen zum Teil stehend, zum Teil liegend aufgeschichtet sind. Nach Angabe des Berufungswerbers liegen diese Reifen hinter dem Haus. Dies ist auch auf den im Akt erliegenden Fotos sowie auf dem vom Berufungswerber beigebrachten Foto ersichtlich.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Nach § 43 Abs.1 Z.2 lit.b Oö.AWG 1997 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

2. mit Geldstrafe bis 7.200 Euro, wer

d) entgegen § 8 Abs. 6 biogene Abfälle und sonstige Abfälle nicht lagert und zu in Betracht kommenden Sammeleinrichtungen oder Abfallbehandlungsanlagen abführt oder direkt einer Verwertung zuführt, ...

Nach § 8 Abs.6 Oö. AWG 1997 sind biogene Abfälle und sonstige Abfälle von demjenigen, bei dem sie anfallen, gemäß § 6 und 7 zu lagern und zu in Betracht kommenden Sammeleinrichtungen oder Abfallbehandlungsanlagen (§2 Abs.4 Z.7 und 8) abzuführen oder direkt einer Verwertung zuzuführen; dies gilt nicht für solche Abfälle, für deren Sammlung (Erfassung) gemäß Abs.5 die Gemeinde sorgt.

4.3. Die Erstbehörde hat die gegenständlichen Altreifen als "sonstige Abfälle" eingestuft. Sie hat jedoch nicht näher dargelegt, warum sie zu dieser Auffassung gelangt ist.

Es war daher zunächst zu prüfen, ob diese Altreifen Abfälle im Sinne des Oö. AWG 1997 sind:

Nach § 2 Abs.1 sind Abfälle im Sinne dieses Landesgesetzes bewegliche Sachen

  1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder
  2. deren geordnete Sammlung (Erfassung) sowie Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§§ 3 und 4) geboten ist.

Nach § 2 Abs.2 leg.cit. ist eine geordnete Sammlung (Erfassung) sowie Behandlung im Sinne dieses Landesgesetzes jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§§ 3 und 4) geboten, ...

3. solange die Sache nach dem Ende ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im unmittelbaren Bereich des Haushaltes bzw. der Anstalt, des Betriebes oder der sonstigen Arbeitsstelle auf eine zulässige Weise verwendet oder verwertet wird.

Der Berufungswerber hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren angegeben, diese Reifen mit der Absicht hinter dem Haus aufgestellt zu haben, dass dadurch vom Hang herabstürzende Steine und Felsbrocken nicht zum Haus gelangen und dieses nicht beschädigen können.

Daraus ist zu ersehen, dass sich der Berufungswerber dieser Altreifen nicht entledigt hat, sodass die subjektive Abfalleigenschaft (§ 2 Abs.1 Z.1 Oö.AWG 1997) nicht gegeben ist.

Ob die objektive Abfalleigenschaft (§ 2 Abs.1 Z.2 leg.cit.) vorliegt, ist unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des § 4 Oö. AWG 1997 einer Überprüfung zu unterziehen:

Dabei ist festzustellen, dass keiner der in § 4 OÖ. AWG 1997 genannten Aspekte offensichtlich gefährdet ist, zumal die Reifen hinter dem Haus lagern, sodass sie nicht unbedingt leicht ersichtlich sind. Von Reifen gehen auch nicht generell Gefahren für die Umwelt aus.

Auch die Ausnahme von der Abfalleigenschaft im Sinne des § 2 Abs.2 Z.3 Oö. AWG 1997, die vom Berufungswerber behauptet wird, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

Es wäre daher Sache der Erstbehörde gewesen, diese Fragen, allenfalls durch Beiziehung eines geeigneten Amtsachverständigen, an Ort und Stelle zu klären.

Beim vorliegenden Ermittlungsstand lässt sich der Tatvorwurf nicht erweisen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen.

Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

Beschlagwortung:

Lagerung von Altreifen hinter dem Haus, Abfalleigenschaft; Ermittlungsdefizit der Erstbehörde

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum