Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310274/2/Ga/An

Linz, 25.03.2005

 

 

 VwSen-310274/2/Ga/An Linz, am 25. März 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung der Frau G B in S gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7. Februar 2005, Ge96-118-2003/Ew, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), zu Recht erkannt:
Die Berufung zu Faktum 1. wird abgewiesen und das Straferkenntnis insoweit bestätigt; dies mit der Maßgabe, dass in der fünftletzten Zeile es zu lauten hat:
"..., indem die gefährlichen Abfälle von dieser Gesellschaft im Freien gelagert wurden und ...".
Die Berufungswerberin hat zu 1. als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 146 Euro zu leisten.
Der Berufung zu Faktum 2. wird hingegen stattgegeben, das Straferkenntnis insoweit aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 64 ff Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

 

Entscheidungsgründe:
Mit bezeichneten Straferkenntnis vom 7. Februar 2005 wurde die Berufungswerberin für schuldig befunden, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin der K GmbH., Sitz in K, P, dafür einzustehen, dass, wie durch behördliche Überprüfungen am 1. August und am 21. Oktober 2003 festgestellt worden sei, am Betriebsgelände dieser Gesellschaft, Adresse ebenda, "zumindest am 1. August und am 21. Oktober 2003" 1. gegen § 79 Abs.1 Z1 iVm § 15 Abs.1, § 1 Abs.3 Z2 und 4 AWG 2002 iVm § 3 Abs.1 der Festsetzungsverordnung, und 2. gegen § 79 Abs.1 Z2 iVm § 15 Abs.5, § 1 Abs.3 Z2 und 4 AWG 2002 iVm § 3 Abs.1 der Festsetzungsverordnung verstoßen worden sei.
Als erwiesen wurde vorgeworfen (§ 44a Z1 VStG), dass an den beiden genannten Tagen
"1. die folgend angeführten Gegenstände, deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen nicht zu beeinträchtigen und bei denen es sich um gefährliche Abfälle im Sinne des § 3 Abs.1 Festsetzungsverordnung 1997, wonach als gefährliche Abfälle jene Abfälle Abfälle der ÖNORM S 2100 ‚Abfallkatalog', ausgegeben am 1. September 1997 gelten, welche in dem Verzeichnis gefährlicher Abfälle gemäß Anlage 1 enthalten sind, handelt und zwar einen Motor, aus dem bereits ölige Flüssigkeit getreten ist (Schlüsselnummer 35203), ein Motor, bei dem Ölverluste nicht augenscheinlich waren (SN 35203), ein Autowrack, dessen Motor zwar entfernt wurde, welches aber noch über solche Teile verfügt, dass von gefährlichem Abfall gesprochen werden kann (SN 35203) sowie mehrere Bleiakkumulatoren (SN 35322) entgegen § 15 Abs.1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach dem bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs.1 und 2 zu beachten und Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs.3) zu vermeiden sind, gelagert und gesammelt wurden, indem die gefährlichen Abfälle im Freien gelagert wurden und Öle, Batterieflüssigkeiten und andere gewässergefährdende Stoffe ausfließen und in den Untergrund gelangen konnten, wodurch Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen oder für den Boden verursacht und die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden konnten.
 
2. die unter 1. angeführten Abfälle entgegen § 15 Abs.5 1. Halbsatz, wonach ein Abfallbesitzer, der zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande ist, die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten so rechtzeitig zu übergeben hat, dass Beeinträchtigungen der öffentliche Interessen (§ 1 Abs.3) vermieden werden, nicht rechtzeitig einem entsprechend Berechtigten übergeben wurden, obwohl die oa. Gesellschaft zur Sammlung oder Behandlung nicht berechtigt oder imstande war, wodurch infolge der unter Punkt 1 beschriebenen unsachgemäßen Lagerung der gefährlichen Abfälle Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen oder für den Boden verursacht und die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt konnten."


Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über die Berufungswerberin gemäß § 79 Abs.1 AWG 2002 zu 1. und 2. Geldstrafen von je 730 Euro kostenpflichtig verhängt und Ersatzfreiheitsstrafen von je 48 Stunden festgesetzt.
Über die gegen dieses Straferkenntnis erhobene, Aufhebung und Einstellung beantragende Berufung hat der UVS nach Einsicht in den zugleich vorgelegten Strafverfahrensakt der belangten Behörde erwogen:
Die Berufungswerberin bestreitet weder Tatzeit noch Tatort noch ihre Verantwortlichkeit als Vertretungsorgan der involvierten Gesellschaft. Sie bringt zur Sache nur vor, dass sich diese Liegenschaft in Privatbesitz befinde und es sich bei den genannten Waren und Gegenständen um Sammler- und Liebhaberwaren des Herrn W B handle, welche im trockenen und leeren Zustand auf privaten, mit dichtem Asphaltbelag versehenen Flächen vorübergehend abgestellt worden seien, weshalb es zu keiner Verunreinigung gekommen sei.

Zu Faktum 1.

Mit ihrem Vorbringen wendet die Berufungswerberin nur solche Sachumstände ein, die für die Entscheidung ohne Bedeutung sind (vgl. VwGH 21.2.2002, 2001/07/0116). Die nicht beantragt gewesene mündliche Verhandlung konnte daher unterbleiben. Im übrigen zielt das Berufungsvorbringen auf die Rechtsbeurteilung. Ob nämlich aus den sprucherfassten Abfällen Öle, Batterieflüssigkeiten und andere wassergefährdende Stoffe tatsächlich ausgetreten sind, war nach den Umständen dieses Falles schon nach der bisherigen Rechtslage (vor dem AWG 2002) für die Einordnung dieser Gegenstände als Abfall nach dem objektiven Abfallbegriff nicht entscheidend. Vielmehr kam es darauf an, ob eine konkrete Möglichkeit des Ausrinnens - und dadurch die Beeinträchtigung bestimmter, von § 1 Abs.3 AWG 2002 geschützter Interessen - nicht ausgeschlossen werden konnte. Hinsichtlich des sprucherfassten Sachverhaltes war für die rechtliche Einordnung der aufgezählten Gegenstände als Abfälle ohne Bedeutung, dass es sich (ohnedies nur) behauptungsgemäß um "Sammler- und Liebhaberwaren" des Ehegatten der Berufungswerberin gehandelt habe. Ebenso ohne Belang ist der Umstand, dass sich die sprucherfasste Liegenschaft im Privatbesitz befinde (wovon das angefochtene Straferkenntnis ohnehin ausgeht).
Was die Beeinträchtigungsmöglichkeit von durch § 1 Abs.3 AWG 2002 geschützten öffentlichen Interessen durch bestimmte, Wasser und Boden gefährdende Stoffe anbelangt, bedürfen darauf abzielende Feststellungen im Regelfall des Sachverständigenbeweises.
Eine hinreichend aussagekräftige Sachverständigenbefundung mit Bezug auf die sprucherfassten Abfälle ist aus dem vorgelegten Strafverfahrensakt ebenso ersichtlich wie das mit deutlichen Fotos belegte Ergebnis der behördlichen Augenscheine am 1. August 2003 und am 21. Oktober 2003. Ausgehend davon aber musste die Berufungswerberin auch die Möglichkeit des Ausrinnens der Flüssigkeiten - und damit eine mögliche Beeinträchtigung von Wasser und Boden im Einflussbereich der Betriebsanlage - in Betracht ziehen.
Insgesamt war der belangten Behörde hinsichtlich der Tatbestandsannahme zu 1. nicht entgegenzutreten bzw. war das lediglich schlicht abstreitende bzw. nur behauptende, unspezifizierte Berufungsvorbringen nicht geeignet, die Rechtsrichtigkeit des Tatvorwurfs in Zweifel zu ziehen.
Aus der Aktenlage ist ersichtlich, dass die gleichfalls unbestritten gebliebene Tatzeit - es wurden zwei getrennte Tattage vorgeworfen - eigentlich als Tatzeitraum (mit Beginndatum und Enddatum) zu verstehen ist. Eine Richtigstellung in diesem Verständnis konnte, weil für die Wahrung der Rechtspositionen der Berufungswerberin vorliegend nicht geboten, unterbleiben.
Subjektiv tatseitig hat die Berufungswerberin nichts vorgebracht. Die belangte Behörde hat Fahrlässigkeitsschuld im Grunde des § 5 Abs.1 VStG zwar nur konkludent, aber im Ergebnis zu Recht angenommen.
Aus allen diesen Gründen war der Schuldspruch zu 1. zu bestätigen. Die gleichzeitig angeordnete Einfügung der Wortfolge "von dieser Gesellschaft" dient der Präzisierung des Schuldspruches und überschreitet nicht die Sachbindung des Tribunals.
Zur Strafbemessung:
Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die belangte Behörde bei der Straffestsetzung; es wurde mit näherer, zutreffender Begründung die gesetzliche Mindeststrafe verhängt, ermessensmissbräuchlich vorgegangen wäre - einen derartigen Vorwurf erhebt die Berufung auch gar nicht - , war auch der Strafausspruch zu bestätigen.
Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin zu 1. der Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der gesetzlichen Höhe (20 % der verhängten und bestätigten Geldstrafe) aufzuerlegen.
Zu Faktum 2.:

Mit diesem Spruchpunkt wurde der Berufungswerberin (erkennbar als: Abfallbesitzerin) hinsichtlich der im Faktum 1. aufgezählten Abfälle (erkennbar als: Abfälle zur Beseitigung) ein Verstoß gegen die Übergabepflicht im Sinne des § 15 Abs.5 AWG 2002 vorgeworfen. Gemäß dieser Gebotsvorschrift hätte die Berufungswerberin (für die von ihr vertretene Gesellschaft) als Abfallbesitzerin die Abfälle rechtzeitig im Sinne der zit. Vorschrift übergeben müssen. Nicht rechtzeitig im Sinne dieses hier wesentlichen Tatbestandsmerkmales ist eine Übergabe erfolgt (erste Alternative), wenn noch vor der Übergabe bereits bestimmte, im Schuldspruch dann jedoch im Einzelnen anzuführende öffentliche Interessen des § 1 Abs.3 leg.cit. beeinträchtigt wurden (hier: Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen oder für den Boden, Gefährdung des Grundwassers sowie Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus).
Die Erfüllung dieses zu 2. wesentlichen Tatbestandsmerkmales hat der angefochtene Schuldspruch unter Verweisung auf Faktum 1. angelastet, wonach durch die dort beschriebene unsachgemäße Lagerung der gefährlichen Abfälle Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen oder für den Boden haben verursacht und die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus habe verunreinigt werden können.
In Wahrheit wurde mit dieser Vorgangsweise derselbe Lebenssachverhalt zum Vorwurf einer weiteren Verwaltungsübertretung gemacht. Das Kernanliegen der zu 2. herangezogenen Gebotsvorschrift resp. Übergabepflicht, nämlich die Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs.3 AWG 2002 ist mit dem Kernanliegen der von Faktum 1. als verletzt vorgeworfenen Gebotsvorschrift des § 15 Abs.1 AWG 2002 deckungsgleich.
Damit ist das Doppelbestrafungsverbot ("ne-bis-in-idem-Verbot") des Artikel 4 7. ZP MRK angesprochen. Ziel des genannten Prinzips ist es, zu verbieten, dass gegen eine Person zweimal wegen des gleichen Gesichtspunktes eines strafbaren Verhaltens ein Verfahren durchgeführt oder eine Strafe verhängt wird.
Wo verschiedene strafbare Handlungen, die auf einer Tathandlung beruhen, nacheinander oder auch nebeneinander verfolgt werden, muss daher auch der UVS prüfen, ob solche strafbare Handlungen die gleichen wesentlichen Tatbestandsmerkmale haben oder nicht.
Vorliegend war nach Auffassung des UVS davon auszugehen, dass das unter Faktum 1. bestrafte Delikt, nämlich Verstoß gegen das Beeinträchtigungsvermeidungsgebot durch Lagerung gefährlicher Abfälle gemäß § 15 Abs.1 Z2 AWG 2002 den Unrechts- und Schuldgehalt des unter Faktum 2. vorgeworfenen Deliktes, nämlich Verstoß gegen die besondere Übergabepflicht durch nicht rechtzeitige, weil Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen des § 1 Abs.3 leg.cit. nicht vermeidende Übergabe von gefährlichen Abfällen zur Beseitigung gemäß § 15 Abs.5 erste Alternative AWG 2002 vollständig erschöpft.
Unter dieser Voraussetzung verstieß der Schuldspruch zu 2. gegen das Doppelbestrafungsverbot des Artikel 4 des 7. ZP MRK, welches sich als ein auf Verfassungsebene eingerichtetes Verfolgungshindernis auswirkt (vgl. OGH EvBl 2002/230, 15 Os 18/02, zit. in OGH 5.8.2003, 11 Os 167/02), weshalb wie im Spruch zu erkennen und die Einstellung zu verfügen war.
Dieses Verfahrensergebnis entläst die Berufungswerberin zu 2. auch aus der Kostenpflicht.
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 
 

Mag. Gallnbrunner
 
 

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