Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102398/8/Br/Bk

Linz, 31.01.1995

VwSen-102398/8/Br/Bk Linz, am 31. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, AZ. Sich96-188-1994, vom 19. Dezember 1994, wegen Übertretungen des Grenzkontrollgesetzes, nach der am 31. Jänner 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, hat mit dem Straferkenntnis vom 19. Dezember 1994 über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 800 S verhängt, weil er bei der Ausreise nach Tschechien als Lenker des Omnibusses mit dem behördlichen Kennzeichen innerhalb des Grenzkontrollbereiches der Grenzkontrolle, obwohl eine solche stattgfunden habe, sich nicht unterzogen habe, indem er auf der vierten Spur, nachdem er vor der Haltelinie kurz angehalten hatte, ohne die Ausreiseabfertigung abzuwarten, nach Tschechien ausgereist sei.

1.1. Hiezu führte die Erstbehörde in der Sache begründend aus wie folgt:

"Laut Anzeige des GrInsp. G des Zollamtes Weigetschlag sind Sie als Lenker des Reisebusses bei geöffnetem Schranken nach kurzem Warten vor der Haltelinie auf der für Lkw und Busse vorgesehenen vierten Spur beim Zollamt Weigetschlag, Bezirk Urfahr-Umgebung, ohne die Ausreiseabfertigung abzuwarten, in die Tschechische Republik ausgereist.

Im Bus hätten sich 41 Fahrgäste befunden. Von Ihnen wurde die Anzahl mit 58 Fahrgästen angegeben. Nach Ihrer Darstellung hätten Sie mit dem Zollwachebeamten, der sich im Abfertigungsgebäude befand, durch das Bürofenster Blickkontakt gehabt und von ihm ein Zeichen mit der Hand, das Sie als "Durchwinken" verstanden hätten, erhalten.

Der Zollwachebeamte, der Ihnen mit seinem Pkw bis zum tschechischen Zollamt Studanky nachfuhr, hat, als Zeuge vernommen, ausgesagt, daß Sie kein Zeichen zur Weiterfahrt erhalten haben. Selbst wenn man Ihnen zubilligt, eine Handbewegung des Zollwachebeamten irrig als Aufforderung zur Weiterfahrt gedeutet zu haben, war für Sie ein Verzicht auf die Durchführung der Grenzkontrolle keinesfalls zweifelsfrei erkennbar.

Sie hätten durch Kontaktaufnahme mit dem Grenzkontrollorgan klären müssen, ob das von Ihnen wahrgenommene Handzeichen sich tatsächlich auf Sie bezogen hat.

Als Kraftfahrer im internationalen Reiseverkehr müßten Ihnen die Gepflogenheiten an den Grenzübergängen bekannt sein, weshalb Ihre Rechtfertigung als Schutzbehauptung zu qualifizieren ist.

Offensichtlich wollten Sie sich zeitverzögernde Zollformalitäten durch eine rasche Ausreise ersparen.

Bei der Strafbemessung, die entsprechend dem Unrechtsgehalt der Tat im Sinne des § 19 VStG unter Berücksichtigung Ihrer Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse erfolgte, war der Umstand, daß eine einschlägige Strafvormerkung über Sie bisher nicht aufscheint, mildernd. Erschwerend war, daß durch Ihre Tat alle Businsassen der Grenzkontrolle bei der Ausreise entzogen wurden.

Der Kostenausspruch ist gesetzlich begründet." 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung bestreitet der Berufungswerber das ihm zur Last gelegte Verhalten aus der Sicht des objektiven Geschehensablaufes nicht. Er verantwortet sich jedoch dahingehend, daß er auf der vierten Spur vor dem geöffneten Grenzbalken angehalten und zumindest eine Minute lang gewartet habe. Den Zollbeamten habe er im Gebäude gesehen, wobei dieser mit jemanden beschäftigt war. Er habe dabei den Beamten aus einer Entfernung von etwa 15 Metern sehen können. Dieser habe schließlich eine Handbewegung gemacht, welche er als "Durchwinken" verstanden habe. Aus diesem Grunde sei er in Richtung Tschechien weitergefahren. Bei der tschechischen Grenzkontrollstelle sei er schließlich vom österreichischen Beamten beanstandet worden, daß er sich der Grenzkontrolle nicht unterzogen habe. Im wesentlichen bringt der Berufungswerber zum Ausdruck, daß er keinesfalls die Absicht gehegt habe sich nicht der Grenzkontrolle unterziehen zu wollen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, AZ. Sich-96-188-1994 und Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Ferner durch die Vernehmung des Zeugen GrInsp. G als Zeugen und des Berufungswerbers als Beschuldigten.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Tatsache ist, daß auch beim Grenzübergang Weigertschlag Reisebusse gelegentlich "durchgewunken" werden. Dies ist grundsätzlich auch eine jedermann bekannte Praxis an Grenzübergängen. Zumal das Tatbild in seiner äußeren Erscheinungsform nicht bestritten ist, beschränken sich die im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Annahmen lediglich auf die Frage der vorsätzlichen Begehung.

5. Der Berufungswerber ist mit seinem Vorbringen grundsätzlich glaubwürdig gewesen. Er legte in überzeugender Weise dar, daß er die wahrgenommene Handbewegung als Zeichen für die Weiterfahrt gedeutet habe. Immerhin hat der Berufungswerber mit seinem, mit 58 Personen besetzten, Reisebus zumindest eine Minute auf die Grenzabfertigung auf der österreichischen Seite gewartet bis er schließlich die von ihm offenbar fehlgedeutete Handbewegung zu erkennen geglaubt hat.

Der Berufungswerber hat noch nie gegen eine derartige Rechtsmaterie verstoßen, wobei aufgrund seines Berufes feststeht, daß er überaus häufig Staatsgrenzen in dieser Art und Weise passiert. Es wäre ferner durchaus nicht unbedingt als lebensnah zu betrachten, daß ein Buslenker an seinem Heimatgrenzübergang, um sich allenfalls einige Minuten zu ersparen, sich "vorsätzlich" der Grenzkontrolle entziehen hätte wollen. Von einem Busunternehmer, welcher berufsbedingt insbesondere an seinem Standort nächstgelegenen Grenzübergang, mehr oder weniger alltäglich mit Grenzkontrollen zu tun hat, kann ein derartiges Ausmaß an mangelnden Fingerspitzengefühl in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht angenommen werden. Er würde wohl nicht so leichtfertig sich bei den Grenzkontrollbeamten einen "schlechten Ruf" einhandeln wollen. Selbst der Zeuge räumt ein, daß der Berufungswerber angehalten hatte, plötzlich seine Fahrt aber fortsetzte. Wollte er sich tatsächlich die Grenzkontrolle ersparen, so hätte er sich bei logischer Betrachtung auch die eine Minute Wartezeit ersparen können. Nicht zuletzt dürfte auch die Erstbehörde ähnliche Überlegungen angestellt haben, wenn sie in der Begründung zum Ausdruck brachte:

"selbst wenn man dem Berufungswerber zubilligte, eine Handbewegung des Zollwachebeamten irrig als Aufforderung zur Weiterfahrt gedeutet zu haben, hätte dies für ihn als ein Verzicht auf die Durchführung der Grenzkontrolle keinesfalls zweifelsfrei gelten dürfen und er dies daher durch Kontaktaufnahme mit dem Grenzkontrollorgan klären hätte müssen, ob das von ihm wahrgenommene Handzeichen sich tatsächlich auf ihn bezogen gehabt hat." Handzeichen werden in diesem Zusammenhang auf ihren objektiven Erklärungsinhalt hin wohl kaum hinterfragt. Damit wird selbst von der Erstbehörde die Frage einer fahrlässigen Begehungsweise angesprochen.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat blieb kein Zweifel daran, daß hier keine Vorsatzhandlung vorgelegen hat. Wohl kann die Erwartungs- und selektive Wahrnehmungshaltung im Hinblick auf die Weiterfahrt an der Grenze dazu geführt haben, daß das gesehene Handzeichen falsch verstanden wurde.

6.1. Rechtlich hat er unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet (§ 5 Abs.1 StGB) bzw. der Täter bezweckt wohl den tatbildmäßigen Erfolg nicht, er sieht seinen Eintritt auch nicht als gewiß voraus, er hält ihn aber für möglich und findet sich damit ab (Hauer-Leukauf, 4. Auflage 1990, Seite 705).

Daß der Berufungswerber sich mit diesem Erfolg gerade nicht abfinden wollte liegt in der Tatsache, daß er einerseits zumindest eine Minute gewartet hat ehe ihn das - wahrscheinlich falsch gedeutete - Handzeichen zur Weiterfahrt bewegte. Wenn nun die Erstbehörde meinte, daß er sich über den objektiven Erklärungswert dieses Handzeichens zu erkundigen gehabt hätte, so ist dies einerseits aus der Sicht der Praxis völlig unlogisch - für derartige Zeichen ist es wesenstypisch, daß diese nicht mehr hinterfragt werden - andererseits wird damit typisch der Bereich der Fahrlässigkeit dahingehend angesprochen inwieweit Sorgfaltspflichten nicht ausreichend eingehalten worden sind.

Gemäß § 15 Abs.1 lit.b Grenzkontrollgesetz 1969 ist u.a. zu bestrafen, wer vorsätzlich sich oder eine der Grenzkontrolle unterliegende Sache entgegen der Vorschrift des 10 Abs.1 oder 2 entzieht.

Gemäß § 10 Abs.1 Grenzkontrollgesetz 1969 haben sich Personen, die den Grenzübertritt vornehmen wollen, innerhalb des Grenzkontrollbereiches der Grenzkontrolle nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften ohne unnötigen Aufschub zu unterziehen, soweit eine solche Kontrolle stattfindet.

Nach § 10 Abs.3 leg.cit. können Grenzkontrollorgane im Einzelfall zur erforderlichen Beschleunigung des Grenzverkehrs von der Durchführung der Grenzkontrolle ganz oder teilweise absehen, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß öffentliche Interessen, insbesondere die durch die Grenzkontrolle verfolgten Interessen des Paßwesens, der Fremdenpolizei und der Strafrechtspflege, dem nicht entgegenstehen. Darunter ist insbsondere auch das sogenannte Durchwinken zu verstehen.

6.2. Die Erstbehörde hat im Spruch des Straferkenntnisses das hier vorausgesetzte Tatbestandsmerkmal der vorsätzlichen Begehungsform nicht aufgenommen gehabt. Dieser Umstand wäre wohl um den zwingenden Erfordernissen nach § 44a Z1 gerecht zu werden, nicht aufgenommen. Dieser Mangel wäre hier wohl noch innerhalb sechs Monate nach der zu Last gelegten Tathandlung noch sanierbar gewesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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