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VwSen-330001/6/Gu/Atz

Linz, 19.05.1995

VwSen-330001/6/Gu/Atz Linz, am 19. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung des A. N. gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 14.3.1995, Zl. Ge96-44-1995/Tr, wegen Übertretung des Bundesgesetzes zur Durchführung des Artenschutzgesetzes, BGBl.Nr. 189/1992 idgF, nach der am 18. Mai 1995 in Gegenwart des Beschuldigten durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Straferkenntnis wird hinsichtlich des Schuldspruches bestätigt und zwar mit der Maßgabe, daß im Spruch nach der Wortfolge ... des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1981 ... die Buchstaben bzw. Zahlen "BGBl.Nr.

189/1982, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 366/1989", eingefügt werden.

Die verhängte Geldstrafe wird auf 2.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden und der Verfahrenskostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren auf 200 S herabgesetzt.

Der Ausspruch des Verfalls der drei Gürtelechsen wird aufgehoben und unter einem der bescheidmäßige Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13.3.1995, Ge96-44-1995/Tr, über den Erlag eines Geldbetrages von 3.000 S zur Sicherung der Verfallsstrafe aufgehoben.

Der Rechtsmittelwerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 19 VStG, § 65 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 9. September 1993 drei lebende Gürtelechsen "Warrens Gürtelschweif (Cordylus warreni depressus)", welche im Anhang II des Artenschutzgesetzes angeführt sind, im Postwege von Deutschland nach Österreich eingeführt zu haben, ohne bei der zollamtlichen Abfertigung beim Zollamt Linz auch eine österreichische Einfuhrbewilligung gemäß § 5 Abs.1 lit.a des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1981 zur Durchführung des Übereinkommens vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen vorgelegt zu haben.

Wegen Verletzung des § 12 Abs.1 Z1 iVm § 5 Abs.1 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1981 zur Durchführung des Übereinkommens vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, BGBl.Nr. 189/1992 idF BGBl.Nr. 97/1988, BGBl.Nr.

743/1988 und BGBl.Nr. 366/1989 iVm Anhang II des o.a.

Übereinkommens wurde ihm deswegen eine Geldstrafe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden) und ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag von 300 S auferlegt.

Gleichzeitig wurden gemäß § 12 Abs.2 leg.cit die drei den Gegenstand der Verwaltungsübertretung bildenden Warrens Gürtelschweifechsen (Cordylus warreni depressus) für verfallen erklärt.

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Berufung macht der Rechtsmittelwerber wie im erstinstanzlichen Verfahren geltend, daß er, als er im Jahre 1993 die gegenständlichen Tiere in Deutschland bestellte, vom Verkäufer zugesagt bekommen habe, daß sich dieser um die erforderliche behördliche Bewilligung kümmern würde. Die erforderliche Ausfuhrgenehmigung von Deutschland sei auch der Sendung beigelegen. Als er die Tiere beim Postamt in Linz abholte, hatte er nur noch die Zollgebühren zu bezahlen. Vom zuständigen Beamten des Zollamtes Linz seien ihm die Tiere anstandslos ausgehändigt worden, ohne darauf hinzuweisen, daß noch eine Einfuhrbewilligung erforderlich gewesen wäre.

Seiner Meinung nach wäre der Zollbeamte verpflichtet gewesen, ihn auf die fehlende Einfuhrbewilligung hinzuweisen und hätte ihm die Tiere nicht aushändigen dürfen. Er fühle sich deshalb keiner Schuld bewußt.

Zwischenzeitig sei von Herrn Dr. Sch., dem Amtssachverständigen des Amtes der o.ö. Landesregierung, eine Besichtigung des Terrariums (Größe 80 x 60 x 50 cm) in seinem Wohnhaus durchgeführt worden und die Haltung der Tiere für in Ordnung befunden worden. Er beantragt die Einstellung des Verfahrens, allenfalls die Erteilung einer Ermahnung, jedenfalls aber die Behebung der Verfallserklärung.

Aufgrund der Berufung wurde am 18. Mai 1995 in Gegenwart des Beschuldigten die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. In deren Rahmen wurde der Beschuldigte vernommen, der Amtssachverständige WissOR Dr. SCH. zu Fragen der Herkunft, der Haltung der ansonsten unter Artenschutz stehenden Tiere befragt und hat dieser hiezu fachkundige Äußerungen abgegeben. Außerdem wurde in die deutsche Ausfuhrgenehmigung des Bundesamtes für Ernährung und Forstwirtschaft, Artenschutz, Bonn, Zl. A 276/93, vom 10.8.1993 und in den beigesetzten zollamtlichen Vermerk des Zollamtes Linz vom 9. September 1993 Einsicht genommen und diese öffentliche Urkunde zur Erörterung gestellt.

Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

Der Rechtsmittelwerber ist hobbymäßig an der Haltung von Reptilien interessiert und ist Mitglied des Aquarium- und Terrariumvereines Linz. In diesem Zusammenhang pflegt er Kontakte mit einigen Gleichgesinnten in Deutschland, nicht aber in außereuropäischen Ländern.

Dabei hatte er auch Kontakt zu Herrn E. P., G. 81, 63477 M.

2, Deutschland, der ihm die drei verfahrensgegenständlichen Warrens Gürtelschweifechsen zum Verkauf anbot. Der Beschuldigte besitzt in seinem Wohnbereich mehrere Terrarien. Vor der Abwicklung des Kaufes bereitete er ein gesondertes Terrarium für die Aufnahme der Tiere vor und informierte sich über die artgerechte Haltungsweise der Tiere. Die Tiere wurden vom Verkäufer in Deutschland (in Gefangenschaft) gezüchtet und gelangten über den Bahnversand mit den deutschen Begleitpapieren (der Ausfuhrgenehmigung) zum Zollamt Linz. Von dort holte sie der Beschuldigte nach Berichtigung der Zollgebühren ab (ein Tier war nach dem Transport verendet). Er verbrachte die Lebenden in sein vorbereitetes Terrarium, wo er sie laut fachkundiger Äußerung des zugezogenen Amtssachverständigen artgerecht hält.

Hätte er sich vorher noch eingehender informiert, wäre einerseits der Tiertransport freundlicher zu gestalten gewesen, andererseits aber aufgrund der Nachzüchtung und der im übrigen sorgfältig getroffenen Vorbereitungsmaßnahmen für die artgerechte Haltung die Einfuhrbewilligung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erteilt worden.

Der Sachverhalt ist unbestritten.

Hinsichtlich der Schuldfrage ist festzustellen, daß bei der artgeschützten Species, wenngleich sie nicht aus ihrem ureigenen Vorkommensgebiet stammte, eine besondere Sorgfalt bei der Einfuhr geboten war. Daß er es daran fehlen hat lassen und dies nicht ungewichtig war, machte den Ausspruch einer Strafe im Gegensatz zu § 21 Abs.1 VStG erforderlich.

Hingegen kann er als mildernd für sich buchen, daß der Beschuldigte selbst zu seiner Entdeckung beigetragen hat und reumütig war, ferner daß er unbescholten ist und einen untadeligen Lebenswandel führt. Besondere Erschwerungsgründe traten nicht hervor. Der Unrechtsgehalt war vom geringen Gewicht, da es sich um keine Echsen, die aus ihrer natürlichen Heimat entfernt wurden, handelte und er sie unter den für sie günstigen Lebensbedingungen hält. Ferner war zu berücksichtigen, daß der Beschuldigte ein relativ geringes Einkommen bezieht und Alleinverdiener ist, kein Vermögen besitzt und Sorgepflichten für die Ehegattin und ein Kind hat.

Aus diesem Grunde erschien eine Herabsetzung der Geldstrafe auf 2.000 S und die maßgerechte Anpassung der Ersatzfreiheitsstrafe und der erstinstanzlichen Verfahrenskosten gerechtfertigt.

Hinsichtlich der als Strafsanktion von der ersten Instanz ausgesprochenen Verfallserklärung galt es folgendes zu bedenken:

Die Erstfassung des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1981 zur Durchführung des Übereinkommens vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, BGBl.Nr. 189 sah in seinem § 5 Abs.6 vor, daß die Einfuhrbewilligung bei einem in Gefangenschaft gezüchteten Exemplar entfallen konnte, wenn die Bescheinigung des Ausfuhrlandes vorlag. Erst durch die textliche Neufassung der Novelle BGBl.Nr. 97/1988 ergibt aus § 5 Abs.6 leg.cit., daß die in den Absatz 1 und 3 - 5 vorgesehenen Bewilligungen und Bescheinigungen des Ausfuhrlandes oder Wiederausfuhrlandes ersetzt werden kann, ...

wenn es sich um ein in Gefangenschaft gezüchtetes oder aus künstlicher Vermehrung hervorgegangenes Exemplar ...

handelt. Somit wurde implizit die Einfuhr solcher Exemplare einer Einfuhrbewilligung unterstellt und entfiel die seinerzeitig getroffene Ausnahmeregelung. Mit derselben Novelle wurde bei der Strafbestimmung des § 12 die seinerzeitige Kannbestimmung des Verfalls in eine "Ist"bestimmung umgewandelt.

Gemäß § 2 Abs.1, BGBl.Nr. 189/1982 findet das Bundesgesetz Anwendung auf die Ausfuhr, Wiederausfuhr und Einfuhr von Exemplaren, Teilen und Erzeugnissen, wenn es sich um Arten handelt, die a) von der Ausrottung bedroht sind (Anhang I des Übereinkommens) oder b) zu überwachen sind um ihre künftige Bedrohung zu verhindern (Anhang II des Übereinkommens) oder c) auf Antrag eines Vertragsstaates geschützt sind (Anhang III des Übereinkommens).

Grundgedanke und Zweck des in Ausführung des Artenschutzübereinkommens ergangenen Gesetzes ist der Schutz der seltenen Tierarten vor Ausrottung unter Bedachtnahme auf ihre künftige Bedrohung, sohin der Schutz dieser Tiere schlechthin, vorgelagert und als Denkvoraussetzung die Einhaltung der natürlichen Lebensbedingungen in ihren Heimat- und Vorkommensländer und folglich der Schutz vor Entnahme und Verbringung in andere Gegenden der für sie ungünstigen Lebensbedingungen.

Zum gesetzlich angeordneten Verfall der Tiere ist der Zweck der Norm zu erforschen.

Hinsichtlich der Auslegung von Gesetzen besteht der Grundsatz, daß die im Einzelfall gebotene objektiv teleologische Auslegung durch den äußersten möglichen Wortsinn der gesetzlichen Regelung gedeckt sein muß (SZ 64/26 mwN; SZ 61/129; SZ 59/12; SZ 54/120 uva; Posch in Schwimann Rz 22 zu § 6 ABGB). Damit ist die Grenze zwischen Wortinterpretation und ergänzender Rechtsfortbildung gezogen (F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 441; vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 343, 366).

Teleologische Reduktion soll dem Gesetzeszweck unter Berücksichtigung der umfassenden Wertprinzipien nicht gegen einen zu engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Raum verschaffen (Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff 480, 570; derselbe in Rummel Rz 7 zu § 7 ABGB). Die Rechtfertigung der teleologischen Reduktion liegt in dem Gebot der Gerechtigkeit Ungleiches ungleich zu behandeln, das heißt, die von der Wertung her erforderlichen Differenzierungen vorzunehmen (Larenz aaO 392). Die Wertentscheidung des Gesetzgebers kann zu einer teleologischen Reduktion zwingen, wenn die Regelung geradezu willkürlich erschien, ein schwerwiegender Wertungswiderspruch oder eine offenbare Ungerechtigkeit sonst nicht vermieden werden könnte, die Gesetzesanwendung somit unerträglich, das ist ungerecht, sinnwidrig, nicht konfliktbewältigend und funktionsgerecht wäre (Gschnitzer/Faistenberger/Barta, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 67).

Aufgrund der voranstehenden Sachverhaltsfeststellungen in Verbindung mit dem Fachgutachten des zugezogenen Amtssachverständigen ergibt sich, daß die Tiere, welche ohnedies in Unfreiheit gezüchtet und nicht aus dem natürlichen Lebensraum in Afrika entnommen wurden, bei Entfernung aus ihrem jetzigen artgerechten Lebensraum unnötigen Belastungen ausgesetzt würden, welche dem Zweck des auch vom Gesetz formulierten Tierschutzes diametral entgegenstehen. Dies konnte der Gesetzgeber, der nach der Natur der Sache Lebenssachverhalte nur in abstrahierender Form beschreibt, im Einzelfall nicht bezweckt haben, wodurch die gesetzliche Bestimmung, die für den Regelfall der Entfernung geschützter oder bedrohter Arten aus ihrem Lebensraum tierschutzgerechte und nachvollziehbare Bestimmungen wie z.B. die Rückführung oder Verbringung an einen geschützt(er)en Ort enthält, nur für den vorliegenden Fall teleologisch zu reduzieren war, ohne daß der Bestand der im übrigen sinnhaften Norm einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof unterzogen werden mußte. Eine Verschlechterung der Situation der Tiere hat der Gesetzgeber keinesfalls gewollt.

Aus all diesen Gründen war die Verfallserklärung zu beheben, wodurch auch der Bescheid über den Erlag eines Geldbetrages zur Sicherung der Verfallsstrafe inhaltsleer und überholt wurde.

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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