Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400006/3/Gu/ka

Linz, 09.04.1991

VwSen - 400006/3/Gu/ka Linz, am 9. April 1991 DVR.0690392 - & -

B e s c h e i d

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Einzelmitglied W.Hofrat Dr. Hans Guschlbauer über die Beschwerde der G, geb. 4.7.1972, wegen der behaupteten Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft im Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Linz nach der am 27.3.1991 in Linz in Gegenwart der Beschwerdeführerin G, der Frau E vom Amt für Jugend und Familie des Magistrates der Landeshauptstadt Linz, im Beisein der Amtsdolmetscherin M der Bundespolizeidirektion Linz als Vertreter der belangten Behörde und der Schriftführerin C durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die auf dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 8.3.1991, Fr-75387, gegründete Anhaltung der Beschwerdeführerin durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz in deren Polizeigefangenenhaus in Linz erfolgt seit 8.3.1991, 9.15 Uhr, rechtswidrig. Rechtsgrundlage:

Art.1 Abs.2 Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit BGBl.Nr. 684/1988, § 5 a Abs. 6 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl.Nr. 21/1991 in Zusammenhalt mit § 67 c Abs. 3 AVG.

Entscheidungsgründe:

Die mj. Einschreiterin macht in ihrem mit 16.3.1991 datierten, als Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid bezeichneten Schriftsatz, welcher am 20.3.1991 beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes OÖ. eingelangt ist, die Rechtswidrigkeit ihrer Anhaltung im Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Linz geltend und stützt sich im wesentlichen darauf, daß sie mit Hilfe ihres Freundes in Österreich um politisches Asyl ansuchen habe wollen. Sie beantragt die Entlassung aus der Schubhaft und ersucht um Überstellung nach Traiskirchen.

In der über die Beschwerde anberaumten mündlichen Verhandlung am 27.3.1991 wurde folgender, unbestritten gebliebener Sachverhalt festgestellt:

Die aus Bukarest stammende Beschwerdeführerin hat nach illegalem Übertritt der ungarischen Grenze, in der Nacht vom 5. auf den 6.3.1991 in der Nähe von Sopron die Grenze nach Österreich zu Fuß überschritten. Nach anschließender Reise per Anhalter über Wien nach Linz zu ihrem in der Bundesbetreuung befindlichen Freund und Vater ihres am 4.10.1990 geborenen Kindes wurde sie am 8.3.1991 um 0.45 Uhr in der Lunzerstraße Nr.50 in Linz von Organen der Bundespolizeidirektion Linz mittellos, ohne gültiges Reisedokument und ohne im Besitz eines Sichtvermerkes zu sein, aufgegriffen und in Anwendung der Sicherungsbestimmungen zur Verfolgung der Verwaltungsübertretungen sowie auf der Grundlage des § 10 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl.Nr. 21/1991, im folgenden kurz FrPG genannt, festgenommen. Anschließend wurde sie in das Polizeigefangenenhaus Linz überstellt. Am selben Tage, nämlich am 8.3.1991 um 9.15 Uhr wurde der Beschwerdeführerin vor dem Beginn einer Amtshandlung der Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 8.3.1991 Fr-75387 zugestellt. Dieser Bescheid ordnete die vorläufige Verwahrung der Beschwerdeführerin zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung an und beinhaltete als Wirksamkeitsbeginn die Haftentlassung der Beschwerdeführerin aus dem landesgerichtlichen Gefangenenhaus.

Eine Haftentlassung aus dem landesgerichtlichen Gefangenenhaus fand nie statt. Die Beschwerdeführerin wurde weiter angehalten.

Als Gründe für die vorläufige Verwahrung führt der zitierte Bescheid aus, daß die Beschwerdeführerin ohne gültiges Reisedokument und ohne Sichtvermerk und unangemeldet aufhältig gewesen sei. Ihr Aufenthalt laufe öffentlichen Interessen zuwider und gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und es sei zu befürchten, daß sie sich weiterhin strafbar verhalten werde. Die Bundespolizeidirektion Linz hat gegen die Beschwerdeführerin eine Strafverfügung wegen Übertretung des § 14 d Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 2 FrPG und wegen einer weiteren Übertretung des § 2 Abs.1 des Grenzkontrollgesetzes sowie des § 22 Abs.1 des Paßgesetzes erlassen.

Die belangte Behörde hat weiters mit Bescheid vom 11.3.1991 Fr-75387 ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot über die Beschwerdeführerin verhängt und einer möglichen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Beschwerdeführerin hat am 11.3.1991 ein Asylansuchen eingebracht. Zwischenzeitig hat das BG Linz zur Verfolgung des Asylansuchens der Minderjährigen einen besonderen Sachwalter bestellt. Aufgrund der Beschwerde, die von einer nicht rechtskundigen Person verfaßt wurde und aus der im Tenor das sumarische Begehren der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu erblicken war, hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Die unabhängigen Verwaltungssenate erkennen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt, unter anderem über Beschwerden von Personen, die behaupten, in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Sie erkennen ferner in sonstigen Angelegenheiten, die ihnen durch Bundes- oder Landesgesetze zugewiesen werden. Eine solche Zuweisung erfolgte durch § 4 a FrPG, eingeführt durch die Novelle BGBl.Nr. 21/1991, welche in ihrem Absatz 6, unter der Einführung von Sonderbestimmungen, die §§ 67 c bis 67 g AVG in Geltung gesetzt hat.

Demnach haben Personen, die in Schubhaft genommen oder angehalten werden, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber das Verfahren über die Anfechtung des Bescheides selbst, dem bisherigen administrativen Instanzenzug belassen (§ 11 Abs. 2 FrPG).

Gemäß Art. 1 Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit BGBl.Nr. 684/1988 darf niemand aus anderen als den im gleichen Bundesverfassungsgesetz angeführten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z. 7 leg. cit. darf die persönliche Freiheit einem Menschen dann entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern. Dies erfordert einen unter § 5 FrPG subsumierbaren Sachverhalt und die Konkretisierung durch einen individuellen vollzieh- und vollstreckbaren Verwaltungsakt.

Da die Beschwerdeführerin während der Anhaltung auch einen Asylantrag eingebracht hat und die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Anhaltung nicht auf einen punktuellen Bezug beschränkt bleibt, sondern durch das Gebot des Art. 6 Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit 1988 auch die Dauer der Anhaltung begleitend miterfaßt, war die Zulässigkeit der Anhaltung eines Asylwerbers zu erörtern. Ein Asylwerber ist Fremder. Das Fremdenpolizeirecht dient dazu, Fremde in Österreich sicherheitspolizeilich zu überwachen. Verstößt ein Asylwerber gegen die Grundsätze des Fremdenpolizeigesetzes, indem er eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstellt oder von ihm ein weiteres strafbares Verhalten zu befürchten ist, dann unterliegt er den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes. Nur die sofortige Vollstreckung eines Aufenthaltsverbotes in ein Land der Gefahr darf aufgrund der Sonderbestimmungen des Asylgesetzes nicht erfolgen. § 5 Abs. 2 des Asylgesetzes enthält die Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes bezüglich eines Asylwerbers als Denkvoraussetzung. Eine Sonderbestimmung, daß ein Asylwerber zur Vorbereitung eines solchen Aufenthaltsverbotes bei Zutreffen der Voraussetzungen nicht in vorläufige Verwahrung genommen werden dürfte, kennt das Asylgesetz nicht. Im übrigen wird auch nicht in jedem Fall mit der Stellung eines Asylantrages eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung erworben (vgl. § 5 Abs.3 des Asylgesetzes).

Bei Betrachtung des vorliegenden Sachverhaltes ergibt sich, daß der der Anhaltung zugrunde liegende Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz nicht offensichtlich gesetzlos denkunmöglich oder willkürlich war. Er war allerdings durch die Beisetzung einer Bedingung für die Wirksamkeit der verfügten vorläufigen Verwahrung mangels Eintrittes dieser Bedingung bzw. der tatsächlichen Undurchführbarkeit nicht vollstreckbar.

Eine Anhaltung, die sich auf einen tatsächlich undurchführbaren oder auf einen unter Bedingung erlassenen Bescheid stützt, ist mangels Eintritts dieser Bedingung rechtswidrig. Der unabhängige Verwaltungssenat durfte weder eine Korrektur des Schubhaftbescheides selbst vornehmen, noch die Rechtswidrigkeit der Anhaltung auslösende Bedingung des Schubhaftbescheides als nicht beigesetzt betrachten.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von 6 Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Guschlbauer 6

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