Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102537/3/Br/Bk

Linz, 30.01.1995

VwSen-102537/3/Br/Bk Linz, am 30. Jänner 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn E P, B, A, vertreten durch RA Dr. M H, S, V, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 16.

November 1994, wegen der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht:

S p r u c h:

Der Bescheid vom 16. November 1994 - Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ersatzlos aufgehoben. Das Verfahren tritt in den Stand wie es sich vor Erlassung des hier angefochtenen Bescheides befunden hat.

Die Erstbehörde hat im Sinne des Punktes III. des Antrages des Berufungswerbers über die Rechtzeitigkeit des Einspruches abzusprechen und gegebenenfalls die Strafverfügung neuerlich zuzustellen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4, § 71 Abs.1 Z1 und Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.866/1992 iVm § 24, § 49 Abs.2, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.666/1993.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit der Strafverfügung vom 15. Juli 1994, Zl.: VerkR96-10471-1994 wegen einer Übertretung nach der StVO eine Geldstrafe von 2.000 S und im Nichteinbringungsfall 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

1.1. Diese Strafverfügung wurde für den Berufungswerber mit 1. August 1994 beim Postamt A zur Abholung bereitgehalten.

Dieses Schriftstück wurde schließlich vom Berufungswerber nicht behoben. Es wurde am 23. August 1994 der Behörde zurückgeleitet.

2. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1994 stellt der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Vertreter I.

einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, II.

einen Antrag auf neuerliche Zustellung der Strafverfügung und III. erhebt er gegen die Strafverfügung Einspruch.

2.1. Begründend führt er im wesentlichen aus, daß er nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 7. August 1994 keine Hinterlegungsanzeige bei der Post vorgefunden habe.

2.2. Die Erstbehörde gab ohne die Durchführung von Erhebungen dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Folge. Über die weiteren Anträge, insbesondere den Punkt III. (Einspruch gegen die Strafverfügung) hat sie überhaupt nicht abgesprochen. Rechtlich verwies die Erstbehörde auf § 71 Abs.1 AVG 1991 und in offenkundiger Verkennung der Rechtslage auf den Hinterlegungsvorgang, indem seitens der Erstbehörde offenbar selbst dann die Zustellung als bewirkt erachtet wird, wenn ohne einen in der Sphäre des Berufungswerbers zu vertretenden Umstand er von der Hinterlegung keine Kenntnis erlangen hätte können.

2.3. In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung wird auch in diesem Zusammenhang die Berufung mit dem Vermerk "verspätet eingelangt" (vorerst auch ohne den Berufungsschriftsatz) ohne dem Beischluß des Rückscheines vorgelegt. Der Berufungswerber rügt insbesondere, daß die Erstbehörde über zwei seiner Anträge nicht abgesprochen habe. Ferner verweist er darauf, daß die Behörde keinerlei Überprüfungen dahingehend durchgeführt habe, ob einerseits eine Hinterlegung am 1. August 1994 überhaupt erfolgen hätte dürfen (er sei zu dieser Zeit auf Urlaub gewesen), ferner fehlen Erhebungen auch darüber, ob ihm eine Hinterlegungsanzeige zugekommen ist.

2.4. Eine von h. durchgeführte Nachforschung hat glaubhaft ergeben, daß die gegenständliche Berufung am 12.12.1994 der Post zur Beförderung an die Erstbehörde übergeben wurde (AV v. 30.1.1995).

3. Die Erstbehörde hat den Akt ohne zum Berufungsvorbringen Stellung zu nehmen und ohne die Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vorgelegt. Die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ist somit gegeben. Dieser hat, da jeweils keine 10.000 S übersteigenden Strafen verhängt worden sind, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich, weil sich bereits aus der Aktenlage ergibt, daß der angefochtene Bescheid aus mehreren Gründen mit Rechtswidrigkeit behaftet ist (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat hiezu erwogen:

4.1. Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn (§ 71 Abs.1 AVG):

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder 2. die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei.

Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen (§ 71 Abs.3 AVG).

Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat (§ 71 Abs.4 AVG).

4.1.1. Der unabhängige Verwaltungssenat verkennt nicht, daß hier (noch) nicht von der zuständigen Behörde darüber abgesprochen ist, ob überhaupt eine Frist versäumt wurde.

Zumal im Ergebnis des - wenn auch rechtswidrigen Bescheides der Erstbehörde von der Fristversäumnis offenbar ausgegangen wird, sieht sich der unabhängige Verwaltungssenat in diesem Zusammenhang zu dieser Sachentscheidung legitimiert. Mit dem hier angefochtenen Bescheid wurde durch das Unterlassen sämtlicher Ermittlungspflichten in erster Linie gegen die Pflicht der Erforschung der materiellen Wahrheit verstoßen, sodaß jedenfalls dieser Umstand schon zur Aufhebung des hier angefochtenen Bescheides führen mußte.

Aber auch mit den weiteren Rechtsrügen ist der Berufungswerber im Recht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Erstbehörde sich mit dem Vorbringen und letztlich mit den Anträgen des Berufungswerbers nicht auseinandergesetzt hat. Immerhin geht die Erstbehörde offenbar selbst davon aus, daß der Berufungswerber sich zum Zeiptunkt der Hinterlegung nicht an der Abgabenstelle aufgehalten hat. Nach § 17 Abs.3 ZustellG ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 leg.cit. wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Eine vorübergehende Abwesenheit, welche die Anwendung des letzten Satzes des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz nach sich ziehen würde, liegt wohl 'nur' dann vor, wenn der Empfänger dadurch gehindert ist, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen, wie z.B. im Fall einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes (siehe VwGH v. 16.2.1994, Zl. 93/03/0128 u.v.a). Hier werden jedoch Umstände vorgebracht, daß jedenfalls nicht zwingend keinesfalls ungeprüft - von einer bewirkten Zustellung ausgegangen werden darf.

4.1.2. Der Bescheid war daher ersatzlos mit dem Hinweis aufzuheben, daß seitens der Erstbehörde über die Strafverfügung, die Frage des Zustellvorganges und dessen dagegen erhobenen Einspruches, abzusprechen ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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