Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102545/13/Br/Bk

Linz, 28.02.1995

VwSen-102545/13/Br/Bk Linz, am 28. Februar 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn A.

vertreten durch RA, gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, vom 16. und 19. Jänner 1995, AZ.: VerkR96/848/1992-Ja, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 28. Februar 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. a) Der Berufung wird im Hinblick auf das Straferkenntnis vom 16. Jänner 1995 (§ 4 Abs.1 lit.b iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO) keine F o l g e gegeben.

b) Das Straferkenntnis vom 19.1.1995 (§ 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 und §§ 4 Abs.1 lit.c und 99 Abs.2 lit.a StVO 1960) wird jedoch aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG.

II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden betreffend das Straferkenntnis vom 16. Jänner 1995, 600 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Hinsichtlich des Straferkenntnisses vom 19.1.1995 entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2 und § 65 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt, hat mit den Straferkenntnissen vom 16. und 19. Jänner 1995 über den Berufungswerber 3 x 3.000 S Geldstrafen und im Nichteinbringungsfalle jeweils drei Tage Ersatzfreiheitsstrafen verhängt, und im Spruch (Erk.v.16.1.1995) ausgeführt:

"Sie haben es nach dem Verkehrsunfall vom 14.3.1992 um 20.05 Uhr auf der B 125 - Prager Straße auf Höhe des km 20,96 in der Gemeinde Unterweitersdorf, mit dem Ihr Verhalten als Lenker des PKW, Kennz., am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand und als dessen Folge Schäden für Personen oder Sachen dadurch zu erwarten waren, daß das von Ihnen gelenkte Fahrzeug in der Mitte des rechten Fahrstreifens der B 125 (in Richtung Freistadt gesehen) auf dem Dach zu liegen kam, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen, weil Sie die Unfallstelle nicht durch Aufstellung einer Warneinrichtung (Pannendreieck) abgesichert haben" und im zweiten Spruch ausgeführt (Erk. v. 19.1.1995):

"Sie haben am 14.3.1992 um 20.05 Uhr als Lenker des PKW, Kennz. auf der B 125 - Prager Straße auf Höhe des km 20,96 in der Gemeinde Unterweitersdorf, Fahrtrichtung Freistadt, dadurch, daß Sie mit dem von Ihnen gelenkten Fahrzeug rechts von der Fahrbahn abgekommen sind, wobei das sich überschlagende Fahrzeug auf der Fahrbahn mit dem Dach nach unten zu liegen kam und ein Leitpflock beschädigt wurde, 1) eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs bei einem Verkehrsunfall beschädigt, ohne, daß die nächste Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter von der Beschädigung unter Bekanntgabe Ihrer Identität ohne unnötigen Aufschub verständigt worden ist und 2) es unterlassen, nach dem Verkehrsunfall, mit dem Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil Sie die Unfallstelle verlassen und dadurch Feststellungen dahingehend, ob Sie sich in einem zum Lenken eines Kraftfahrzeuges geeigneten Zustand befunden haben, verhindert haben." 1.1. Hiezu führte die Erstbehörde begründend im wesentlichen aus, daß die Behörde an der Begehung sämtlicher Übertretungen keinen Zweifel hege. Der Berufungswerber sei beim Eintreffen der Gendarmerie nicht mehr anwesend gewesen.

Die Unfallstelle sei von Dritten abgesichert worden. Im Hinblick des überfahrenen Leitpflocks ging die Erstbehörde davon aus, daß dieser durch den Unfall des Berufungswerber zerdrückt und aufgerissen worden sei. Darauf stützte sich die Erstbehörde auf die Mitteilungen der Straßenmeisterei Pregarten, welche im Unfallsbereich am 18. März 1992 einen Leitpflock ausgetauscht habe. Dieser Leitpflock wurde mit dem vom Berufungswerber überrollten ident gehalten.

2. In den dagegen fristgerecht erhobenen Berufungen bestreitet der Berufungswerber im Ergebnis sämtliche ihm zur Last gelegten Übertretungen. Er wendet Verfahrensfehler und unrichtige rechtliche Beurteilungen ein und beantragt hinsichtlich beider Straferkenntnisse die Verfahrenseinstellung gemäß § 45 Abs.1 VStG.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in die Verwaltungsakte der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, AZ. VerkR96/848/1992-Ja und Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Ferner wurde Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen J, J, M, RevInsp. G und RevInsp. J im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Am 14. März 1992 um 20.05 Uhr hatte sich der Pkw des Berufungswerber aus ungeklärten Umständen auf der Prager Straße auf der Höhe des Strkm 20,96 überschlagen. Dabei wurde auch ein Leitpflock aus dem Boden gerissen. Das Fahrzeug des Berufungswerber, ein roter Audi, blieb auf dem Dach und unmittelbar auf der Fahrbahn liegen. Nachdem sich der Berufungswerber aus seinem Fahrzeug aus eigener Kraft zu befreien vermochte, ersuchte er vorerst den Zeugen M daß dieser ihn von der Unfallstelle wegbringen wolle. Als dieser dies wegen der bereits verständigten Gendarmerie verneinte, entfernte sich der Berufungswerber schließlich selbst, ohne die Unfallstelle abzusichern oder dafür Sorge getragen zu haben, daß diese abgesichert werde, von der Unfallstelle. Der anläßlich des Unfalles ausgerissene Leitpflock wurde vom Zeugen S in der Folge wieder in das Erdloch gesetzt. Am 14. März 1992 wurde schließlich anläßlich einer im Auftrag des Berufungswerbers vom Zeugen L vorgenommenen Besichtigung der Unfallstelle dieser Leitpflock fotographiert und mittels Nitroverdünnung von Lackresten befreit. Von einer Beschädigung im Sinne einer Funktionsuntüchtigkeit bzw.

einer mangelnden bestimmungsgemäßen Verwendbarkeit dieses Leitpflockes kann daher nicht gesprochen werden.

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den schlüssigen und den Denkgesetzen entsprechenden Angaben des Zeugen L und S. Auch aus den bereits zwei Tage nach dem Unfall angefertigten Fotos (diesen wurden als Beilagen .\1 und .\2 zum Akt genommen), auf welchen der Leitpflock unbeschädigt scheint. In dessen unmittelbaren Bereich sind jedoch eindeutige, von diesem Unfall herrührende Spuren (Glassplitter und Reste roten Lacks auf der weißen Randlinie), erkennbar. Es läßt sich folglich schlüssig ableiten, daß es sich dabei um den "umgefahrenen Leitpflock" handeln muß. Der erst am 18. März 1992 in diesem Bereich erfolgte Austausch eines Leitpflocks kann daher nicht diesem Unfallgeschehen zugeordnet werden. Der Zeuge S glaube sich noch daran zu erinnern, daß der Leitpflock nicht abgebrochen gewesen ist. Er habe diesen wieder in das Erdloch gesteckt. Nicht in Einklang zu diesen Angaben stehen die diesbezüglichen Feststellungen in den am 16. März 1992 gelegten Meldungen des GP P, wonach der Leitpflock abgebrochen und aufgerissen gewesen sein soll. Nicht auszuschließen ist, daß dieser Schaden an einem in diesem Bereich gelegenen Leitpflock durch einen anderen Verkehrsteilnehmer herbeigeführt wurde. Von der Straßenmeisterei erfolgte der Austausch immerhin erst vier Tage später, nämlich am 18. März 1992.

Von einer diesen Unfall betreffenden Schadenskausalität konnte daher nicht ausgegangen werden. Ein sonstiger Fremdschaden ist bei diesem Unfall nicht entstanden.

5. Rechtlich ergibt sich sohin folgendes:

5.1. Gemäß § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen, a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten, b) wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen.....

Nach § 99 Abs.2 leg.cit. begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, a) der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt......

5.1.1. Die Verpflichtung zur Absicherung der Unfallstelle trifft einen Unfallbeteiligten auch dann, wenn mangels eines Fremdschadens (siehe unten) eine Mitwirkungspflicht an der Sachverhaltsfeststellung nicht gegeben ist. In diesem Punkt ist ein anderer Schutzzweck umfaßt. Selbst bei einer bloßen Panne ist einem Verkehrsteilnehmer die Verpflichtung etwa zum Aufstellen des sogenannten Pannendreiecks gesetzlich auferlegt.

5.1.2. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Absicherung der Unfallstelle ist zu bemerken, daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig wurde folglich dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders Verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Das auf Seite des Berufungswerbers für seine eheste Entfernung von der Unfallstelle allenfalls vorgelegene Motiv einem Alkotest entgehen zu wollen, rechtfertigt jedoch keinesfalls die Unterlassung der Absicherung der Unfallstelle. Angesichts der hier typischerweise zum Tragen kommenden Ingerenzpflicht ist in erster Linie der Fahrzeuglenker zur Absicherung der Unfallstelle berufen. Er könnte sich hier auch nicht darauf berufen, daß die zwischenzeitig an der Unfallstelle anwesenden Personen diese Pflicht für ihn übernehmen würden und in der Folge auch tatsächlich übernommen haben. Es besteht kein Zweifel darüber, daß vom Berufungswerber diese Pflicht erfüllbar gewesen wäre. Immerhin vermochte er sich auch seine Entfernung vom Unfallsort aktiv und erfolgreich zu organisieren.

5.2. Gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 ist mit 500 S bis zu 30.000 S zu bestrafen, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizeioder Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden.

Im gegenständlichen Fall wurde jedoch kein Schaden im Vermögen einer vom Berufungswerber verschiedenen Person verursacht. Die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung mit allen daraus entspringenden Folgerungen besteht nur dann, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes zu kommen gehabt hat.

Dies trifft immer dann zu, wenn es sich etwa um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs.2 StVO 1960 besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines Organes der öffentlichen Aufsicht verlangt oder wenn ein am Unfallsort etwa zufällig anwesendes Organ aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlaßt. Dies war jedoch während der Anwesenheit des Berufungswerbers an der Unfallstelle nicht der Fall. Aus diesem Grunde war eine Verpflichtung an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, was u.a. auch die Feststellung einer Alkoholisierung einschließt (§ 4 Abs.1 lit.c leg.cit.), nicht gegeben.

Bei einem Verkehrsunfall, bei dem niemand verletzt worden und Sachschaden nur am eigenen Fahrzeug des Beteiligten entstanden ist, besteht selbst eine Verständigungspflicht der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht (VwSlg. 8437/A v. 20.6.1973).

5.3. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 Abs.1 und 2 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungsund Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

5.4. Die Inkaufnahme der Unterlassung der Absicherung einer Unfallstelle stellt eine schwere Beeinträchtigung gesetzlich geschützter Interessen dar. Das unbekümmerte Liegenlassen seines schwer beschädigten Fahrzeuges auf der Fahrbahn läßt zumindest den Schluß eine vorsätzliche Begehungsform und daher auf eine mangelnde Verbundenheit mit elementaren Verhaltensregeln im Straßenverkehr zu. Es scheint daher, sowohl aus general- (den Unrechtsgehalt derartiger Übertretungen generell zu pönalisieren) wie auch spezialpräventiven Gründen (den Berufungswerber künftighin von weiteren derartigen Sorg- und Disziplinlosigkeiten im Hinblick auf die Verkehrssicherheit abzuhalten) die Verhängung einer Strafe von 3.000 S angemessen.

Selbst bei einem bloß durchschnittlichen Einkommen, keine Sorgepflichten und keinem Vermögen ist daher dieser Strafe nicht entgegenzutreten gewesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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