Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400028/3/Gf/Bf

Linz, 25.06.1991

VwSen - 400028/3/Gf/Bf Linz, am 25. Juni 1991 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied LRR. Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des, wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und gemäß § 5a des Fremdenpolizeigesetzes i.V.m. § 67c Abs.3 AVG die am 27. April 1991 durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See erfolgte Festnahme des Beschwerdeführers und dessen Anhaltung in Schubhaft bis zum 12. Juni 1991 für rechtswidrig erklärt.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, wurde am 28. April 1991 gegen 5.30 Uhr, als er im Begriff war, von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich einzureisen, von Organen der Militärwache festgenommen und der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See zur fremdenpolizeilichen Behandlung vorgeführt. Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See hat mit dem auf § 57 AVG gestützten Bescheid vom 29. April 1991, Zl. XI-B-90-1991, über den Beschwerdeführer zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und diesen Bescheid nach der persönlichen Aushändigung an den Beschwerdeführer sofort vollzogen. Außerdem wurde über den Beschwerdeführer am 3. Mai 1991 zur selben Zahl ein bescheidmäßiges, bis 3. Mai 1996 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, wobei einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Zum Vollzug der Schubhaft wurde der Beschwerdeführer mit Dienstanweisung vom selben Tag in das Polizeigefangenenhaus Linz überstellt.

Am 22. Mai 1991 hat der Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft erhoben; diese ist am 10. Juni 1991 beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangt.

In der Folge hat die Bundespolizeidirektion Linz einen Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen; mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 12. Juni 1991, Zl. XI-B-90-1991, wurde gemäß § 68 Abs.2 AVG die Schubhaft formell aufgehoben, der Beschwerdeführer jedoch unmittelbar darauf zum Bahnhof Bruckneudorf eskortiert und dort den Organen der Zollwache zur Abschiebung übergeben.

2.1. Der Schubhaftbescheid vom 29. April 1991, Zl. XI-B-90-1991, ist damit begründet, daß die Verhängung der Schubhaft deshalb im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit liege, weil der Beschwerdeführer die österreichische Staatsgrenze unter Umgehung der Grenzkontrolle überschritten habe.

2.2. Gegen diese mit dem oben angeführten Bescheid verhängte Schubhaft wendet sich der Beschwerdeführer zunächst im wesentlichen mit der Begründung, daß über einen von ihm am 27. April 1991 gestellten Asylantrag bisher noch nicht rechtskräftig entschieden worden und er daher einstweilen jedenfalls zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei. Darüber hinaus erscheine die Verhängung der Schubhaft unverhältnismäßig, weil sie nicht im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder deshalb notwendig erscheine, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten zu verhindern, sondern dieser Zweck auch durch gelindere Mittel wie etwa eine Vorladung vor die Behörde im Bedarfsfall erreicht werden könne.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See zu Zl. XI-B-90-1991; daraus ging hervor, daß der vom Beschwerdeführer seinen Anträgen zugrundegelegte Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Punkten mit dem Akteninhalt übereinstimmt, sodaß von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 5a Abs.6 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 21/1991 (im folgenden FrPG), abgesehen werden konnte.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat vor dem Hintergrund dieser Sachverhaltsfeststellungen über die vorliegende Beschwerde erwogen:

4.1. Gemäß § 5a Abs.1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung durch Beschwerde anzurufen.

Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen und anzuhalten, darf nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur erfolgen, wenn diese zuvor durch Bescheid verfügt worden ist (vgl. z.B. VfSlg 8038/1977 und VfGH vom 11.Juni 1990, B 947 und 1006/89). Die Beschwerde gegen eine derart verfügte Festnahme und Anhaltung begründet sohin die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates nach Art. 129a Abs.1 Z.3 B-VG i.V.m. § 67a Abs.1 Z.1 AVG und § 5a FrPG (und nicht nach Art. 129 a Abs.1 Z.2 B-VG i.V.m. § 67a Abs.1 Z.2 AVG). Festzuhalten ist jedoch, daß durch die FrPG-Novelle 1991 die Anordnung des § 11 Abs.2 (und 3) FrPG jedenfalls formell unangetastet geblieben ist. Es hat daher nach wie vor die Sicherheitsdirektion - und nicht der unabhängige Verwaltungssenat - über Berufungen gegen Bescheide, mit denen eine Schubhaft verhängt wird, zu entscheiden. Andererseits ist den unabhängigen Verwaltungssenaten von Verfassungs wegen gemäß Art. 129 B-VG und zwar in erster Linie - die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen. Soll diese Funktion des unabhängigen Verwaltungssenates einerseits auch effektiv zum Tragen kommen, andererseits aber auch - dem Willen des Gesetzgebers entsprechend - den Sicherheitsdirektionen die Berufungsentscheidung über Schubhaftbeschwerden vorbehalten bleiben, so kann eine sinnvolle, der Intention des § 5a FrPG im Zusammenhalt mit Art. 6 des B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden PersFrSchG) Rechnung tragende und im Hinblick auf die Wahrung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gleichzeitig notwendige Kompetenzabgrenzung zwischen diesen beiden Organen nur folgendermaßen gefunden werden:

Dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art. 6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG binnen einer Woche - also sehr kurzfristig - über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung zu entscheiden hat, kommt im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine inhaltliche Kontrolle des Schubhaftbescheides und diese auch nur dahingehend zu, ob dadurch die durch das PersFrSchG verfassungsmäßig (und darauf basierend durch das FrPG einfachgesetzlich) geschützte Rechtssphäre des Beschwerdeführers verletzt worden ist. Trifft dies zu, so erstreckt sich die Befugnis des unabhängigen Verwaltungssenates von Gesetzes wegen aber auch dann lediglich darauf, die Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung, also gleichsam jene des Vollzuges des Bescheides, festzustellen. Die Wahrnehmung sonstiger materiell nicht mit dem PersFrSchG im Zusammenhang stehender Rechtswidrigkeiten des Schubhaftbescheides sowie jedenfalls dessen formelle Elimination aus dem Bestand der Rechtsordnung obliegt demgegenüber nach wie vor der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde, soweit nicht - etwa bei einer Rechtswidrigerklärung der Festnahme und Anhaltung durch den unabhängigen Verwaltungssenat - schon die bescheiderlassende Behörde selbst Anlaß zu einem Vorgehen gemäß § 68 Abs.2 AVG findet.

Die Beschwerde ist daher, weil sie nach den unter 1. getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sowie nach dem Beschwerdevorbringen gegen eine Festnahme und Anhaltung, die ihrerseits auf einem gemäß § 57 AVG erlassenen und damit sofort vollstreckbaren (wenngleich deshalb noch nicht rechtskräftigen) Schubhaftbescheid basiert, zulässig. Sie gründet sich demnach tatsächlich auf § 5a FrPG; auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen des § 67c AVG sind im vorliegenden Fall erfüllt.

4.2. Die Beschwerde ist auch begründet.

4.2.1. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, daß die Verhängung der Schubhaft im Hinblick auf sein laufendes Asylverfahren der Anordnung des § 5 Abs.2 Asylgesetz, BGBl.Nr. 126/1968, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 190/1990 (im folgenden: AsylG) widerspricht, so erweist sich dieser Vorwurf allerdings zunächst als unzutreffend.

Wie der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich schon wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. VwSen-400015/3/Gf/Bf vom 3. Mai 1991, VwSen-400017/5/Gf/Bf vom 17. Mai 1991, VwSen-400020/2/Gf/Rt vom 27. Mai 1991 und VwSen-400026/2/Gf/Kf vom 13. Juni 1991), ist gemäß § 5 Abs.2 AsylG nicht die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides, sondern nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, also die Abschiebung selbst so lange gehindert, bis entweder rechtskräftig festgestellt ist, daß der Asylwerber nicht als Flüchtling im Sinne des AslyG anzusehen ist, oder der Asylwerber bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Flüchtlingskonvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl. § 5 Abs.3 AsylG). Abgesehen vom Verbot der Durchführung der Abschiebung unterliegt daher auch ein Asylwerber in vollem Umfang den Bestimmungen des FrPG (vgl. in diesem Sinne auch VfGH vom 11. Juni 1990, B 947 und 1006/89). Daher erweist sich auch eine während des Asylverfahrens über den Asylwerber zum Zweck der Sicherung der Abschiebung verhängte und aufrecht erhaltene Schubhaft schon dem Grunde nach als nicht mit den gesetzlichen Vorschriften im Widerspruch stehend, es sei denn, es würden die Fristen des § 5 Abs.2 FrPG verletzt. Davon kann aber im vorliegenden Fall, wo die Schubhaft nicht länger als sieben Wochen andauerte, nicht die Rede sein.

4.2.2. Die belangte Behörde hat allerdings im vorliegenden Fall den Schubhaftbescheid lediglich damit begründet, daß die Verhängung der Schubhaft deshalb im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit liege, weil der Beschwerdeführer die Staatsgrenze unter Umgehung der Grenzkontrolle überschritten habe.

Wie schon oben unter 4.1. dargetan wurde, kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art. 6 Abs.1 zweiter Satz PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG "binnen einer Woche" über die "Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges" bzw. die "Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung" zu entscheiden hat, im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine durch diese Intention des PersFrSchG i.V.m. dem FrPG beschränkte materielle Kontrollmöglichkeit des Schubhaftbescheides zu. Diese Prüfung führt im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:

Wie im Fall VwSen-400017/5/Gf/Bf vom 17. Mai 1991 ist der belangten Behörde auch hier zugutezuhalten, daß im abgekürzten Verfahren nach § 57 Abs.1 AVG (insbesondere im Falle der 2.

Alternative) bloß vergleichsweise geringere Anforderungen an die Begründungspflicht des Bescheides i.S.d. § 58 Abs.2 i.V.m. § 60 AVG gestellt werden können; auf der anderen Seite ist aber nach allgemeiner Auffassung unbestritten, daß auch Mandatsbescheide prinzipiell (vgl. z.B. K. Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, Wien 1987, 500 und 509), insbesondere aber auch hinsichtlich des Umstandes, warum die Behörde im konkreten Einzelfall diese besondere Art des Verfahrens angewendet hat (ebd., 500), zu begründen sind.

Beides fehlt allerdings im vorliegenden Bescheid.

Zum einen ist nicht ohne weiteres ersichtlich, warum allein wegen der Umgehung der Grenzkontrolle im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit die Schubhaft zu verhängen war. Unzweifelhaft ist, daß der Beschwerdeführer dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen hat; weder aus der Begründung des Bescheides noch aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich jedoch, daß es offensichtlich wäre, daß sich der Beschwerdeführer i.S.d. Art.2 Abs.1 Z.7 PersFrSchG i.V.m. § 5 Abs.1 FrPG einer bevorstehenden Abschiebung zu entziehen versuchen wird. Diesen Umstand hätte die Behörde im konkreten Fall begründen müssen, um rechtmäßigerweise die Schubhaft gemäß § 5 Abs.1 FrPG verhängen zu können.

In gleicher Weise fehlt auf der anderen Seite auch jegliche Begründung für das Vorliegen des Tatbestandelementes der "Gefahr im Verzug" als Voraussetzung der Anwendung des § 57 Abs.1 AVG.

Der Schubhaftbescheid erweist sich mithin mangels echter inhaltlicher Begründung als gesetzlos; fehlt es ihm damit aber an der von Art. 6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m. § 5 Abs.1 FrPG geforderten materiellrechtlichen Deckung, so vermag dieser keine taugliche Rechtsgrundlage für den angeordneten Freiheitsentzug zu bilden.

Unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen (4.1.) ergibt sich daraus in der Folge, daß die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft durch die belangte Behörde rechtswidrig war und diesen in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt hat. Dies hatte der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 5a Abs.6 FrPG festzustellen.

5. Eine Kostenentscheidung war - weil weder der Beschwerdeführer Kosten der Rechtsverfolgung geltend gemacht hat noch dem unabhängigen Verwaltungssenat Barauslagen erwachsen sind - nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f 6

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