Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400031/1/Kl/Bf

Linz, 26.06.1991

VwSen - 400031/1/Kl/Bf Linz, am 26. Juni 1991 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Einzelmitglied LRR. Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde der P, dominikanische Staatsangehörige, vertreten durch, wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Wels zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und die Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft vom 14. Juni 1991 bis 22. Juni 1991 durch die Bundespolizeidirektion Wels für rechtswidrig erklärt.

Rechtsgrundlage:

§ 5a Abs.1 und Abs.6 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl.Nr. 21/1991, (kurz: FrPG) i.V.m. § 67c Abs.3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt erhebt in ihrer Eingabe vom 19.6.1991, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 20. Juni 1991, Vorstellung an die Bundespolizeidirektion Wels gegen den Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion Wels mit dem Begehren nach Bescheidaufhebung und gleichzeitig Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat wegen Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung in Schubhaft bei der Bundespolizeidirektion Wels. Zum Sachverhalt wird angeführt bzw. als richtig bestätigt, daß die Beschwerdeführerin seit 5. Juni 1991 im Lokal als Tänzerin ohne Beschäftigungsbewilligung gegen ein Entgelt von S 350,-pro Tag arbeitet, wobei eine Zusage der Dienstgeberin M zur Einholung einer Beschäftigungsbewilligung und Anmeldung zur Krankenversicherung vorliege bzw. ein diesbezüglicher Antrag bereits erfolgt sei.

2. Die belangte Behörde hat den Akt vorgelegt und keine Gegenschrift erstattet.

3. Da der Sachverhalt schon nach der Aktenlage geklärt erscheint und im übrigen von der Beschwerdeführerin auch in keinem Punkt bestritten wurde, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (§ 67d AVG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.1 FrPG).

4. Folgender Sachverhalt wird daher der Entscheidung zugrundegelegt:

4.1. Nach den eigenen Angaben ist die Beschwerdeführerin P, dominikanische Staatsangehörigkeit, seit 5. Juni 1991 bei der Bundespolizeidirektion Wels fremdenpolizeilich gemeldet, in Wels, wohnhaft, als Tänzerin in ebendiesem Hause beschäftigt (sie verdient S 350,-- pro Tag), besitzt wenig Bargeld, (lediglich ca. S 1.500,--) und hat einen Reisepaß mit gültigem Sichtvermerk der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf bis 10. Juni 1991. Die Beschwerdeführerin reiste am 22. Februar 1990 in Österreich ein, war in Nachtlokalen in S, J und S beschäftigt, verbrachte von März bis Mai 1991 ihren Urlaub in Santo Domingo, arbeitete anschließend in einem Lokal in W und kam am 5. Juni 1991 nach Wels. Ein gültiger Sichtvermerk wurde von der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 3.9.1990 bis 30.10.1990 erteilt, am 30. Jänner 1991 wurde der oben genannte Sichtvermerk (abgelaufen am 10. Juni 1991) von der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf erteilt. Die übrige Zeit hielt sich die Beschwerdeführerin ohne Sichtvermerk im Bundesgebiet auf.

4.2. Aufgrund des unbestrittenen Sachverhaltes hat die Bundespolizeidirektion Wels mit Mandatsbescheid vom 14. Juni 1991 zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und Sicherung der Abschiebung die vorläufige Verwahrung in Schubhaft angeordnet und in der Bescheidbegründung den nicht nachgewiesenen Besitz der Mittel für den Aufenthalt, die Arbeit ohne Beschäftigungsbewilligung, die fehlende Krankenversicherung und den Aufenthalt ohne Sichtvermerk angeführt. Eine Begründung für die Notwendigkeit der Schubhaft sowie betreffend das Vorliegen einer Gefahr im Verzug wurde nicht gegeben.

4.3. Gemäß § 57 Abs.2 AVG kommt einer Vorstellung gegen den Schubhaftbescheid keine aufschiebende Wirkung zu und ist daher der Bescheid sofort vollstreckbar. Zufolge der schriftlichen Mitteilung der Bundespolizeidirektion Wels vom 20. Juni 1991 wurde gegen die Beschwerdeführerin am 14. Juni 1991 ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und es wurde die Beschwerdeführerin laut telefonischer Auskunft am 22. Juni 1991 in die dominikanische Republik abgeschoben.

Die Entscheidungsfrist von einer Woche kommt daher gemäß § 5a Abs.6 Z.2 FrPG nicht mehr zum Tragen.

5. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß Art.1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, darf niemand aus anderen als den im zitierten Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Gemäß Art.2 Abs.1 Z.7 leg.cit. darf die persönliche Freiheit einem Menschen dann entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern. Dies erfordert gemäß § 5 FrPG einen vollstreckbaren individuellen Verwaltungsakt.

5.2. Gemäß § 5a Abs.1 FrPG hat, wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.

5.3. Unbeschadet der Möglichkeit der Erhebung der Vorstellung gegen die Erlassung eines auf § 57 AVG gestützten Bescheides und des von der Erstbehörde sohin einzuleitenden ordentlichen Verfahrens, ist dem unabhängigen Verwaltungssenat gemäß Art. 129 B-VG von Verfassungs wegen die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen. Um der Intention des § 5a FrPG und dem Auftrag des Art.6 B-VG zum Schutz der persönlichen Freiheit 1988 Rechnung zu tragen, hat der unabhängige Verwaltungssenat die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung einer Person, nämlich insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Inhaftierung, zu überprüfen. Eine Überprüfung des Bescheides kommt dem Senat dabei nur dann und insoweit zu, als dieser an einem schweren und offenkundigen inhaltlichen Mangel leidet (Willkür, Denkunmöglichkeit, Gesetzlosigkeit im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes), und daher aus diesem Grund die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt ist.

5.4. Gemäß § 5 Abs.1 FrPG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden, wenn diese im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.

5.4.1. Dem Schubhaftbescheid lag der unter Punkt 4.1. bis 4.3. festgestellte Sachverhalt zugrunde. Der Umstand, daß die für die Bestreitung des Lebensunterhaltes erforderlichen Mittel nicht nachgewiesen werden können, kann zwar einen Grund für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen, beweist aber für sich allein noch nicht die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit und insbesondere die Notwendigkeit der Inhaftierung. Ebenfalls fehlt im Bescheid eine Begründung dafür, daß die seit 5. Juni 1991 aufgenommene Tätigkeit ohne Beschäftigungsbewilligung und die fehlende Krankenversicherung eine Inhaftnahme rechtfertigen, zumal doch die Beschwerdeführerin selbst angibt, an der angegebenen Adresse wohnhaft bleiben zu wollen und daß eine Beschäftigungsbewilligung angestrebt wird bzw. beantragt ist. Worin das öffentliche Ordnungsinteresse oder Sicherungsinteresse, das durch die Haft gewahrt werden soll, gelegen ist, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen.

5.4.2. Sowohl aus der Aktenlage als auch insbesondere aus der Bescheidbegründung ist eine Gefahr im Verzug als Voraussetzung der Anwendung des § 57 AVG nicht zu erkennen. Wenngleich an die belangte Behörde im abgekürzten Verfahren nach § 57 Abs.1 AVG im Hinblick auf die allgemeine Begründungspflicht von Bescheiden vergleichsweise geringere Anforderungen gestellt werden können, so ist nach der allgemeinen Auffassung dennoch unbestritten, daß auch Mandatsbescheide prinzipiell, insbesondere aber auch hinsichtlich des Umstandes, warum die Behörde im konkreten Einzelfall diese besondere Art des Verfahrens angewendet hat, zu begründen sind.

Dies fehlt allerdings im vorliegenden Bescheid.

5.4.3. Gerade die konkreten Umstände, daß die Beschwerdeführerin seit der Niederlassung in Wels fremdenpolizeilich gemeldet ist, weiters zur fremdenpolizeilichen Behandlung freiwillig einer Ladung zur Behörde Folge leistet, diesbezügliche Angaben zu einer amtlichen Niederschrift macht und schließlich nach Kenntnis der fremdenpolizeilichen Maßnahmen (befristetes Aufenthaltsverbot und Abschiebung) den Wunsch zur baldmöglichen Rückkehr in die Heimat äußert, sprechen gegen eine Entziehung ihrer Abschiebung bzw. eine Gefahr im Verzug. Durch die in der Bescheidbegründung vorgenommene Zitierung bloß des Gesetzestextes stützt sich die belangte Behörde hingegen nur zum Schein auf das Gesetz, in Wahrheit erweist sich der Schubhaftbescheid mangels inhaltlicher Begründung als gesetzlos. Der Schubhaftbescheid leidet daher an einem in die Verfassungssphäre reichenden Fehler, sodaß er keine taugliche Grundlage für den angeordneten Freiheitsentzug bildet.

5.5. Unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen war daher die Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde rechtswidrig und ist die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

6. Nachdem weder von der Beschwerdeführerin noch von der belangten Behörde Kosten der Rechtsverfolgung geltend gemacht wurden und dem unabhängigen Verwaltungssenat auch keine Barauslagen erwachsen sind, war eine Kostenentscheidung nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K l e m p t 6

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