Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400032/1/Gf/Kf

Linz, 24.06.1991

VwSen - 400032/1/Gf/Kf Linz, am 24. Juni 1991 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied LRR. Dr. Alfred Grof über die Beschwerde der A, wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Wels I. beschlossen: Die Beschwerde wird, soweit darin der Antrag gestellt wird, den Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 14. Juni 1991, Zl. FR 21.163, aufzuheben, gemäß § 67c Abs.3 AVG zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt: Im übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und gemäß § 5a des Fremdenpolizeigesetzes i.V.m.§ 67c Abs.3 AVG die am 14. Juni 1991 durch Organe der Bundespolizeidirektion Wels erfolgte Festnahme der Beschwerdeführerin und ihre seitherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt.

Die Bundespolizeidirektion Wels ist demgemäß verpflichtet, die Schubhaft unverzüglich aufzuheben und die Beschwerdeführerin freizulassen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Dominikanischen Republik, ist im März 1991 von der Schweiz aus kommend in Österreich eingereist. Nachdem sie in Lokalen in als Tänzerin gearbeitet hatte, kam sie am 4. Juni 1991 nach W. Sie hat sich dort am 5. Juni 1991 unter der Adresse polizeilich angemeldet und ist im Besitz eines bis 5. September 1991 gültigen, von der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf erteilten Sichtvermerkes. Seit 4. Juni 1991 arbeitet die Beschwerdeführerin in einem W Lokal als Tänzerin, ohne allerdings im Besitz der dafür erforderlichen Arbeitsbewilligung sowie bei einem Sozialversicherungsträger angemeldet zu sein.

Über Aufforderung der kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Wels erschien die Beschwerdeführerin am 14. Juni 1991 zu einer Einvernahme, im Zuge derer auch eine fremdenpolizeiliche Überprüfung angeordnet wurde. Diese endete mit der Erlassung eines auf § 57 AVG gestützten Schubhaftbescheides der Bundespolizeidirektion Wels vom selben Tag, Zl. FR 21.163, der auch sofort vollzogen wurde.

2.1. Der oben angeführte Schubhaftbescheid wird von der belangten Behörde damit begründet, daß die Beschwerdeführerin den Besitz der zu ihrem Aufenthalt erforderlichen Mittel nicht nachzuweisen vermöge sowie einer Arbeit nachgehe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Beschäftigungsbewilligung sowie bei einem Sozialversicherungsträger gemeldet zu sein.

2.2. Gegen die mit dem oben angeführten Bescheid verhängte Schubhaft wendet sich die Beschwerdeführerin mit der Begründung, daß sie aufgrund der Zusage ihrer Arbeitgeberin, um die erforderliche Beschäftigungsbewilligung nachzusuchen und die Anmeldung beim Sozialversicherungsträger vorzunehmen, vertraut und daraufhin ihre Arbeitstätigkeit aufgenommen habe. Außerdem habe sie schon zuvor in Österreich in verschiedenen Lokalen als Tänzerin gearbeitet und dabei nie Prostitution ausgeübt - wie ihr dies jetzt von der belangten Behörde vorgeworfen werde - oder sonstige gesetzliche Vorschriften verletzt. Durch diese Tätigkeit sei auch ihr Unterhalt sowie ihre Unterkunft gesichert, sodaß die Verhängung der Schubhaft letztlich völlig grundlos erfolgt sei und dementsprechend ihre sofortige Aufhebung begehrt werde.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Akten der Bundespolizeidirektion Wels zu Zl. II-Prost 60/91-Reis und Zl. FR 21.163; daraus ging hervor, daß der von der Beschwerdeführerin ihren Anträgen zugrundegelegte Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Punkten mit dem Akteninhalt übereinstimmt, sodaß von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 5a Abs.6 des Fremdenpolizeigesetztes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 21/1991 (im folgenden:FrPG) abgesehen werden konnte.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargelegte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat vor dem Hintergrund dieser Sachverhaltsfeststellungen über die vorliegende Beschwerde erwogen:

4.1. Gemäß § 5a Abs.1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung durch Beschwerde anzurufen.

Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen und anzuhalten, darf nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur erfolgen, wenn diese zuvor durch Bescheid verfügt worden ist (vgl. z.B. VfSlg 8038/1977 und VfGH vom 11. Juni 1990, B 947 u. 1006/89). Die Beschwerde gegen eine derart verfügte Festnahme und Anhaltung begründet sohin die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates nach Art. 129a Abs.1 Z. 3 B-VG i.V.m. § 67a Abs.1 Z. 1 AVG und § 5a FrPG (und nicht nach Art. 129a Abs.1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67 Abs.1 Z. 2 AVG). Festzuhalten ist jedoch, daß durch die FrPG-Novelle 1991 die Anordnung des § 11 Abs.2 (und 3) FrPG jedenfalls formell unangetastet geblieben ist. Es hat daher nach wie vor die Sicherheitsdirektion - und nicht der unabhängige Verwaltungssenat - über Berufungen gegen Bescheide, mit denen eine Schubhaft verhängt wird, zu entscheiden. Andererseits ist den unabhängigen Verwaltungssenaten von Verfassungs wegen gemäß Art. 129 B-VG - und zwar in erster Linie - die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen. Soll diese Funktion des unabhängigen Verwaltungssenates einerseits auch effektiv zum Tragen kommen, andererseits aber auch - dem Willen des Gesetzgebers entsprechend - den Sicherheitsdirektionen die Berufungsentscheidung über Schubhaftbeschwerden vorbehalten bleiben, so kann eine sinnvolle, der Intention des § 5a FrPG im Zusammenhalt mit Art. 6 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), Rechnung tragende und im Hinblick auf die Wahrung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gleichzeitig notwendige Kompetenzabgrenzung zwischen diesen beiden Organen nur folgendermaßen gefunden werden:

Dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art. 6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z. 2 FrPG binnen einer Woche - also sehr kurzfristig - über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung zu entscheiden hat, kommt im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine inhaltliche Kontrolle des Schubhaftbescheides und diese auch nur dahingehend zu, ob dadurch die durch das PersFrSchG verfassungsmäßig (und darauf basierend durch das FrPG einfachgesetzlich) geschützte Rechtssphäre des Beschwerdeführers verletzt worden ist. Trifft dies zu, so erstreckt sich die Befugnis des unabhängigen Verwaltungssenates von Gesetzes wegen aber auch dann lediglich darauf, die Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung, also gleichsam jene des Vollzuges des Bescheides, festzustellen. Die Wahrnehmung sonstiger, materiell nicht mit dem PersFrSchG im Zusammenhang stehender Rechtswidrigkeiten des Schubhaftbescheides sowie jedenfalls dessen formelle Elimination aus dem Bestand der Rechtsordnung obliegt demgegenüber nach wie vor der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde, soweit nicht etwa bei einer Rechtswidrigerklärung der Festnahme und Anhaltung durch den unabhängigen Verwaltungssenat - schon die bescheiderlassende Behörde selbst Anlaß zu einem Vorgehen gemäß § 68 Abs.2 AVG findet.

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des Schubhaftbescheides vom 14. Juni 1991, Zl. Fr 21.183, war sohin als unzulässig zurückzuweisen, weil dem Verwaltungssenat demnach von vornherein die Zuständigkeit für die Behandlung eines solchen Begehrens fehlt.

Im übrigen ist die Beschwerde jedoch zulässig; sie richtet sich nach den unter 1. getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sowie nach dem Beschwerdevorbringen gegen eine Festnahme und Anhaltung, die ihrerseits auf einem gemäß § 57 AVG erlassenen und damit sofort vollstreckbaren (wenngleich deshalb noch nicht rechtskräftigen) Schubhaftbescheid basiert. Sie gründet sich demnach tatsächlich auf § 5a FrPG; auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen des § 67c AVG sind im vorliegenden Fall erfüllt.

4.2. Die Beschwerde ist insoweit auch begründet.

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall den Schubhaftbescheid damit begründet, daß die Beschwerdeführerin die zu ihrem Aufenthalt erforderlichen Mittel nicht nachzuweisen vermöge sowie einer Arbeit nachgehe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Beschäftigungsbewilligung sowie bei einem Sozialversicherungsträger gemeldet zu sein.

Wie schon oben unter 4.1. dargetan wurde, kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat, der in Fremdenpolizeisachen gemäß Art. 6 Abs.1 zweiter Satz PersFrSchG i.V.m. § 5a Abs.6 Z.2 FrPG "binnen einer Woche" über die "Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges" bzw. die "Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung" zu entscheiden hat, im Hinblick auf § 11 Abs.2 FrPG nur eine durch diese Intention des PersFrSchG i.V.m. dem FrPG beschränkte materielle Kontrollmöglichkeit des Schubhaftbescheides zu. Diese Prüfung führt im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:

Wenngleich der belangten Behörde einerseits zugute zu halten ist, daß im abgekürzten Verfahren nach § 57 Abs.1 AVG (insbesondere im Falle der zweiten Alternative) bloß vergleichsweise geringere Anforderungen an die Begründungspflicht des Bescheides i.S.d. § 58 Abs.2 i.V.m. § 60 AVG gestellt werden können, so ist auf der anderen Seite nach allgemeiner Auffassung dennoch unbestritten, daß auch Mandatsbescheide prinzipiell (vgl. z.B. K. Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, Wien 1987, 500 und 509), insbesondere aber auch hinsichtlich des Umstandes, warum die Behörde im konkreten Fall diese besondere Art des Verfahrens angewendet hat (ebd., 500), zu begründen sind.

Letzteres fehlt allerdings im vorliegenden Bescheid.

Angesichts des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin nach ihren eigenen - und von der belangten Behörde unbestrittenen - Angaben über ein Tageseinkommen von 350,-- Schilling (d.s. ca. 9.000,-- Schilling monatlich abzüglich 2.500,-- Schilling für Mietkosten) verfügen wird und die Beschwerdeführerin auch ganz offensichtlich an dieser Erwerbsmöglichkeit weiterhin interessiert ist, erscheint es demgemäß keineswegs offensichtlich, daß sie sich einer bevorstehenden Abschiebung zu entziehen versuchen wird. Es wäre daher der Behörde obgelegen, zu begründen, inwiefern öffentliche Sicherheitsinteressen in einem Maß als gefährdet erscheinen, das die Verwahrung der Beschwerdeführerin in Schubhaft erforderlich macht, sowie zu belegen, inwiefern eine Gefahr im Verzug die unmittelbare Verwahrung der Beschwerdeführerin in Schubhaft bedingte. Beides fehlt allerdings im vorliegenden Bescheid.

Der Schubhaftbescheid erweist sich mithin mangels echter inhaltlicher Begründung als gesetzlos; fehlt es ihm damit aber an der von Art. 6 Abs.1 PersFrSchG i.V.m. § 5 Abs.1 FrPG geforderten materiellrechtlichen Deckung, so vermag dieser keine taugliche Rechtsgrundlage für den angeordneten Freiheitsentzug zu bilden.

Unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen (4.1.) ergibt sich daraus in der Folge, daß die Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft durch die belangte Behörde rechtswidrig ist und die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt. Dies hatte der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 5a Abs.6 FrPG festzustellen.

Die belangte Behörde war daher gemäß Art. 6 Abs.1 letzter Satz PersFrSchG Art. 5 Abs.4 MRK i.V.m. § 5a Abs.6 letzter Satz FrPG und § 67c Abs.3 AVG zur Aufhebung der Schubhaft und zur Freilassung der Beschwerdeführerin zu verpflichten.

5. Eine Kostenentscheidung war - weil weder die Beschwerdeführerin Kosten der Rechtsverfolgung geltend gemacht hat noch dem unabhängigen Verwaltungssenat Barauslagen erwachsen sind - nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f 6

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