Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400081/3/Gf/Rd

Linz, 27.04.1992

VwSen - 400081/3/Gf/Rd Linz, am 27. April 1992 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des P, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck und die Bundespolizeidirektion Wels zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Die vom 18. März 1992 bis 6. April 1992 und vom 13. April 1992 bis dato vorgenommene Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft wird gemäß § 5a Abs.6 des Fremdenpolizeigesetzes i.V.m. § 67c Abs.3 AVG für rechtswidrig erklärt.

II. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck und die Bundespolizeidirektion Wels als belangte und hinsichtlich der festgestellten Rechtswidrigkeit für den Bund tätig gewordenen Behörden sind gemäß § 79a AVG zur ungeteilten Hand verpflichtet, dem Beschwerdeführer die mit 7.533 S zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig bestimmten Kosten zu Handen seines Vertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, ist Anfang November 1991 von Ungarn aus kommend ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes zu sein und unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist. Mit dem dem Beschwerdeführer am 15. November 1992 zugestelllten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 4. November 1991, Zl. 11/A-O-63/1-1991, wurde über den Beschwerdeführer ein in der Folge unbekämpft gebliebenes und daher in Rechtskraft erwachsenes, bis 15. November 1996 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der Beschwerdeführer hat am 18. November 1991 unter Verschweigung dieser Tatsache bei der Bezirkshauptmannschaft Baden (Außenstelle Flüchtlingslager Traiskirchen) um die Gewährung politischen Asyls angesucht; am selben Tag wurde er in die Bundesbetreuung übernommen. In der Folge hat sich der Beschwerdeführer nach Oberösterreich begeben und am 13. Jänner 1992 in Z, polizeilich angemeldet; im Anschluß daran ist er nach M, verzogen.

1.2. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. Jänner 1992, Zl. FrA-304/92, wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes anzusehen ist. Dagegen hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung erhoben.

1.3. Mit dem dem Beschwerdeführer am selben Tag zugestellten Mandatsbescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 18. März 1992 (ohne Aktenzahl) wurde über den an diesem Tag in seiner Wohngemeinde von Gendarmerieorganen bei der Bushaltestelle betretenen Beschwerdeführer zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt. Begründend wird darin ausgeführt, daß diese Maßnahme deshalb im Interesse der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit notwendig sei, weil sich der Beschwerdeführer unter Vorspiegelung falscher Tatsachen seinen bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet erschlichen hätte und überdies zu befürchten sei, daß er sich der beabsichtigten Abschiebung zu entziehen versuchen wird. Die Schubhaft wurde am selben Tag durch Überstellung in das Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Wels vollzogen. Am 6. April 1992 wurde der Beschwerdeführer wegen Haftunfähigkeit (Verdacht auf Blinddarmentzündung) aus der Schubhaft entlassen und in das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wels überstellt. Dort war er bis 13. April 1992 zwecks eines chirurgischen Eingriffes in stationärer Behandlung.

1.4. Mit dem dem Beschwerdeführer am selben Tag zugestellten Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 13. April 1992, Zl. FR-23.227, wurde über diesen zur Vorbereitung der Ausweisung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Wels vollzogen. Begründend wird in diesem Bescheid ausgeführt, daß der Beschwerdeführer durch sein bisheriges Verhalten dokumentiert hätte, daß er nicht gewillt sei, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen. Daher sei die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit als gefährdet anzusehen. Da überdies nicht ausgeschlossen werden könne, daß sich der Beschwerdeführer auch in Zukunft strafbar verhält und die beabsichtigte fremdenpolizeiliche Maßnahme zu vereiteln versucht, sei daher wegen Gefahr in Verzug die Schubhaft zu verhängen gewesen.

1.5. Gegen die aufgrund der oben unter 1.3. und 1.4. angeführten Bescheide verhängte Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 16. April 1992 - und damit rechtzeitig zur Post gegebene Beschwerde, in der die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft beantragt wird.

2. Begründend führt der Beschwerdeführer aus, daß er im Zeitpunkt seiner Festnahme einen ordentlichen Wohnsitz gehabt hätte und außerdem sein Asylverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Es seien daher keine Anzeichen dafür erkennbar gewesen, daß er sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde zu entziehen versuchen würde. Die entsprechenden Behauptungen der belangten Behörden seien völlig aus der Luft gegriffen und im übrigen in den Schubhaftbescheiden auch nicht begründet. Insbesondere könne auch ein bestehendes Aufenhaltsverbot die verhängte Schubhaft nicht tragen, weil dessen Vollstreckung jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens von Gesetzes wegen gehindert sei.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Wels zu Zl. FR-23.227; da aus diesem der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien und sich überdies ergab, daß der vom Beschwerdeführer seinen Anträgen zugrundegelegte Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Punkten mit dem Akteninhalt übereinstimmt, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 5a Abs. 6 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 (im folgenden: FrPG), abgesehen werden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat vor dem Hintergrund dieser Sachverhaltsfeststellungen über die vorliegende Beschwerde erwogen:

4.1. Gemäß § 5 FrPG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung (Schubhaft) genommen werden, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit (erste Alternative) oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern (zweite Alternative). Nach § 5a Abs.1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung durch Beschwerde anzurufen.

4.2. Die auf den o.a. Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck (1.3.) gegründete Schubhaft wurde von der belangten Behörde zum Zweck der Sicherung der Abschiebung verhängt und dabei auf § 5 Abs.1 erste Alternative FrPG gestützt.

Wie aus den im Verwaltungsakt erliegenden Unterlagen hervorgeht, war der Beschwerdeführer bei seiner Festnahme ordnungsgemäß polizeilich gemeldet; darüber, daß zu diesem Zeitpunkt die Bundesbetreuung nicht mehr aufrecht war, findet sich kein Hinweis. Die belangte Behörde hat denn auch ihren Schubhaftbescheid tatsächlich ausschließlich auf das Vorliegen eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes gestützt und die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 5 Abs.1 erste Alternative i.V.m. § 13 FrPG verhängt.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers erweist sich eine aus diesem Grunde verhängte Schubhaft nicht allein schon wegen eines laufenden Asylverfahrens als rechtswidrig:

Wie der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich schon wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. VwSen-400015 vom 3.5.1991, VwSen-400017 vom 17.5.1991 und VwSen-400020 vom 27.5.1991), ist gemäß § 5 Abs.2 AsylG nicht die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides, sondern nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, also die Abschiebung selbst solange gehindert, bis entweder rechtskräftig festgestellt ist, daß der Asylwerber nicht als Flüchtling im Sinne des AsylG anzusehen ist, oder der Asylwerber bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Flüchtlingskonvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl. § 5 Abs.3 AsylG). Allein der Umstand der Stellung eines Asylantrages bewirkt daher noch nicht die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Fremden, sondern hindert bloß die Vollstreckung der Abschiebung. Abgesehen vom Verbot der Durchführung der Abschiebung unterliegt daher auch ein Asylwerber in vollem Umfang den Bestimmungen des FrPG (vgl. in diesem Sinne auch VfGH vom 11.6.1990, B 947 und 1006/89). Daher erweist sich auch eine während des Asylverfahrens über den Asylwerber zum Zweck der Sicherung der Abschiebung verhängte und aufrecht erhaltene Schubhaft schon dem Grunde nach als nicht mit den gesetzlichen Vorschriften im Widerspruch stehend, es sei denn, es würden die Fristen des § 5 Abs.2 FrPG verletzt. Davon kann aber im vorliegen Fall, wo die Schubhaft erst drei Wochen angedauert hat, keine Rede sein.

Inwieweit im vorliegenden Fall allerdings darüber hinaus auch ein spezifisches Sicherungsbedürfnis, wie es von § 5 Abs.1 FrPG gefordert wird, vorlag, läßt sich nicht ersehen. Da der Beschwerdeführer einen ordentlichen Wohnsitz hatte, bei der Festnahme in seiner Wohngemeinde auch tatsächlich angetroffen wurde und überdies in der Bundesbetreuung stand und dadurch die erforderlichen finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nachzuweisen vermochte, erweist sich die Annahme der belangten Behörde, daß er sich der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme zu entziehen versuchen wird und nicht Willens ist, sich den österreichischen Rechtsvorschriften zu unterwerfen, vor diesem Hintergrund nicht als stichhältig. Wenn dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde zur Last gelegt wird, bei seiner ersten Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich den Umstand des Vorliegens eines - damals noch nicht rechtskräftigen - Aufenthaltsverbotes gegen ihn verschwiegen zu haben, so hat diese zu prüfen, ob sich daran allenfalls strafrechtliche oder sonstige Sanktionen knüpfen und die entsprechenden Schritte in die Wege zu leiten; die Verhängung der Schubhaft als eine freiheitsentziehende Maßnahme war aber allein deshalb jedenfalls nicht gerechtfertigt.

Die auf dem o.a. Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck basierende und vom 18. März 1992 bis zum 6. April 1992 andauernde Schubhaft war daher durch § 5 Abs.1 erste Alternative FrPG nicht gedeckt; dies hatte der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß § 67c Abs.3 AVG festzustellen.

4.3. Die auf den o.a. Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels gegründete und vom 13. April 1992 bis dato andauernde Schubhaft wurde von der belangten Behörde zum Zweck der Vorbereitung der Ausweisung verhängt und auf beide in § 5 Abs.1 FrPG angeführte Alternativen gestützt.

Dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zunächst nicht erkennbar, inwieweit im Zeitpunkt der Erlassung dieses Schubhaftbescheides, wo der Beschwerdeführer bereits zuvor drei Wochen in Schubhaft gehalten worden und eine weitere Woche in stationärer Krankenhausbehandlung war, noch immer "Gefahr im Verzug" i.S.d. § 57 Abs.1 AVG vorgelegen haben soll. Der Umstand, daß die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen der zuletzt genannten Bestimmung offensichtlich unrichtig beurteilt und demgemäß die gesetzlich gebotene Durchführung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens unterlassen hat, ist vom unabhängigen Verwaltungssenat im Hinblick auf die Anordnung des § 11 Abs.2 FrPG zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu jüngst VfGH vom 12.3.1992, G346/91 u.a.). Dies gilt jedoch nicht, wenn eine inhaltliche Betrachtung ergibt, daß die belangte Behörde aufgrund dieses Verfahrensfehlers auch zu einer rechtswidrigen Einschätzung der Voraussetzungen der Verhängung der Schubhaft gelangte. Gerade dies trifft aber im vorliegenden Fall zu, wo die Bundespolizeidirektion Wels meint, die Schubhaft auch deshalb verhängen zu können, damit seitens des Beschwerdeführers nicht die Vorbereitung der Ausweisung vereitelt wird. Soweit die belangte Behörde darüber hinaus die Verhängung der Schubhaft mit einem nicht näher prognostizierten strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers begründet, gilt hingegen das oben unter 4.2. Ausgeführte analog: Da sich der Beschwerdeführer ordnungsgemäß polizeilich gemeldet hatte und im Wege seiner Übernahme in die Bundesbetreuung auch über die notwendigen finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfügte, erweist sich die entsprechende Einschätzung der belangten Behörde nicht als stichhältig.

Aus diesen Gründen stellt sich daher auch die mit dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels verhängte und vom 13. April bis dato vollzogene Schubhaft nicht als durch § 5 Abs.1 FrPG gedeckt dar; dies hatte der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß § 67c Abs.3 AVG festzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79a AVG antragsgemäß die mit 7.533 S (Schriftsatzaufwand: 7.413 S; Barauslagen: 120 S; vgl. VwGH v. 23.9.1992, 91/19/0162) zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig bestimmten Kosten zu ersetzen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 67c Abs.4 AVG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwSlg 12821 A/1988) oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Linz, am 27. April 1992 Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f 6

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