Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400086/3/Gf/Hm

Linz, 04.06.1992

VwSen - 400086/3/Gf/Hm Linz, am 4. Juni 1992 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des V, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Freistadt zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird abgewiesen; die vom 12. Mai 1992 bis dato vorgenommene Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft wird gemäß § 5a Abs. 6 des Fremdenpolizeigesetzes i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG für nicht rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 79a AVG abgewiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, gelangte am 25. Jänner 1991 unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne im Besitz eines gültigen Reisepasses und Sichtvermerkes zu sein in das Bundesgebiet. In der Folge stellte er einen Asylantrag, über den die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich mit Bescheid vom 31. Jänner 1991 negativ abgesprochen hat. In der Folge hielt sich der Beschwerdeführer weiter in Österreich auf und versuchte vergeblich, eine geregelte Arbeit zu finden. Am 31. März 1992 hat sich der Beschwerdeführer unter Aufgabe seines bisherigen Wohnsitzes (M) in A, polizeilich angemeldet.

1.2. Mit dem vom Beschwerdeführer am selben Tag persönlich übernommenen Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 12. Mai 1992, Zl. Sich04/2059/1992/Pil/Mo, wurde über diesen "zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung" die Schubhaft verhängt und die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen. Die Schubhaft wurde durch Überstellung in das Polizeigefangenenhaus Linz vollzogen. Der Beschwerdeführer hat am 21. Mai 1992 gegen den Schubhaftbescheid Berufung erhoben.

1.3. Gegen die mit dem oben unter 1.2. angeführten Bescheid verhängte Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 1. Juni 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Beschwerde.

2.1. In dem der Schubhaft zugrundeliegenden Bescheid führt die belangte Behörde begründend aus, daß diese Maßnahme deshalb erforderlich gewesen sei, weil der Beschwerdeführer einerseits widerrechtlich in das Bundesgebiet eingereist ist und sich ohne die erforderlichen Dokumente in diesem aufhält und andererseits die zur Sicherung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel nicht nachzuweisen vermag.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß entgegen der Annahme der belangten Behörde sein Lebensunterhalt dadurch gesichert sei, daß sich befreundete Personen dazu verpflichtet hätten, seine Aufwendungen zu tragen. Außerdem sei der Begründung des Schubhaftbescheides nicht zu entnehmen, zu welchem konreten Zweck die Schubhaft nun tatsächlich verhängt wurde, weil dort alle drei gesetzlich vorgesehenen Alternativen unreflektiert übernommen worden seien. Ein Sicherungsbedürfnis bestehe schon deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer ohnedies polizeilich gemeldet ist und bei seiner Festnahme auch tatsächlich dort angetroffen worden sei. Schließlich sei auch bereits ein Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gestellt worden und würden die Bemühungen um die Erlangung eines rumänischen Reisepasses unverzüglich nach der Enthaftung in Angriff genommen werden.

Aus allen diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft begehrt.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten übermittelt und keine Gegenschrift erstattet. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Freistadt zu Zl. Sich04/2059/1992; da aus diesem der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte gemäß § 5a Abs. 6 Z.1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 (im folgenden: FrPG) von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor dem Hintergrund dieser Sachverhaltsfeststellungen erwogen:

4.1. Gemäß § 5 Abs. 1 FrPG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung (Schubhaft) genommen werden, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit (erste Alternative) oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern (zweite Alternative).

Nach § 5a Abs. 1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme (erste Alternative; sog. Schubhaftbeschwerde dem Grunde nach) oder Anhaltung (zweite Alternative; Beschwerde gegen die Art und Weise der Vollziehung der Schubhaft bzw. gegen die weitere Anhaltung in Schubhaft bei geänderten tatsächlichen Voraussetzungen) anzurufen.

4.2. Die auf den o.a. Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt (vgl. 1.2.) gegründete Schubhaft wurde von der belangten Behörde "zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung" verhängt und dabei auf sowohl auf die erste als auch auf die zweite Alternative des § 5 Abs. 1 FrPG gestützt. Wenngleich es nach § 58 Abs. 2 i.V.m. § 60 AVG prinzipiell nicht angehen kann, daß die belangte Behörde nach Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens - der Schubhaftbescheid wurde nicht auf § 57 AVG gestützt - noch immer nicht zu beurteilen vermag, aus welchem Grund die Schubhaft nun tatsächlich zu verhängen war, nämlich ob diese entweder zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder zur Vorbereitung einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung oder gar aus mehreren oder allen dieser Gründe (diesfalls wäre jedoch zumindest die Konjunktion "und" anstelle jener von "oder" zu verwenden und der Bescheid auch dementsprechend zu begründen gewesen), so kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat jedoch keine Kompetenz zu, den Schubhaftbescheid als solchen wegen der dargestellten Rechtswidrigkeit zu beheben. Diese Zuständigkeit obliegt vielmehr ausschließlich der Sicherheitsdirektion als zweitinstanzlicher Behörde (vgl. § 11 Abs. 2 und 3 FrPG).

Der unabhängige Verwaltungssenat hat demgegenüber vielmehr ausschließlich zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen der Verhängung und Anhaltung in Schubhaft tatsächlich vorliegen (vgl. VfGH v. 12.3.1992, G 346/91 u.a.; v. 12.3.1992, B 1334/91) und in diesem Zusammenhang daher auf den Schubhaftbescheid - der hier bloß als ein notwendiges Faktum für das Vorliegen einer als "Schubhaft(beschwerde)" zu qualifizierenden Rechtsfrage tatsächlich existieren muß - bezügliche Verfahrensfehler (wie auch dessen inhaltliche Rechtswidrigkeiten) nur insoweit wahrzunehmen, als die belangte Behörde dadurch auch zu einer rechtswidrigen Beurteilung der materiellen Voraussetzungen der Verhängung der Schubhaft gelangte. Dies trifft jedoch im vorliegenden Fall allein deshalb, weil die belangte Behörde in ihrer Bescheid"begründung" offensichtlich lediglich den Text des § 5 Abs. 1 FrPG wiedergibt, noch nicht zu.

4.3. Auf der anderen Seite verhalten und ermächtigen derartige (materiell betrachtet:) begründungslose "Formelbescheide" den unabhängigen Verwaltungssenat dazu, tatsächlich aus eigenem - und ohne Bedachtnahme oder gar Bindung an die sonst in der Begründung des Schubhaftbescheides zum Ausdruck kommende Rechtsmeinung der belangten Behörde, die im vorliegenden Fall übrigens auch keine Gegenschrift erstattet hat - zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FrPG während der Verhängung und anschließenden Anhaltung in Schubhaft vorgelegen haben bzw. noch vorliegen.

Davon ausgehend ist zunächst zu untersuchen, inwieweit im vorliegenden Fall jenes konkrete spezifische Sicherungsbedürfnis, wie es von § 5 Abs. 1 FrPG gesetzlich gefordert wird, bestanden hat bzw. derzeit noch besteht.

Der Beschwerdeführer verfügt über einen festen Wohnsitz, der sich - wie insbesondere dessen problemlose Auffindung und Festnahme durch die Sicherheitsorgane an diesem Ort zeigt - nicht nur als eine bloße "Scheinanmeldung" erweist. Mit Eingabe vom 21. Mai 1992 hat der Beschwerdeführer die Verpflichtungserklärung einer österreichischen Staatsbürgerin, wonach sich diese vorbehaltslos dazu bereiterklärt, für seinen Lebensunterhalt und insbesondere auch für die im Zuge von fremdenpolizeilichen Maßnahmen entstehenden Kosten aufzukommen, vorgelegt. Wenngleich die bloße Vorlage einer derartigen Erklärung für sich noch nicht geeignet ist, darzutun, daß damit der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers fortan als gesichert erscheint, verpflichtet dieser Umstand die belangte Behörde aber dennoch dazu, umgehend Erkundigungen darüber einzuziehen, ob dieser Zusage auch eine rechtliche Verbindlichkeit zukommt (z.B. aufgrund eines Schenkungs-, Darlehens- oder Kreditvertrages etc.), weil sich bejahendenfalls die Prognose der belangten Behörde, der Beschwerdeführer werde sich die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel durch ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten zu verschaffen suchen, nicht weiter aufrechterhalten läßt (vgl. dazu schon VwSen-400063 v. 13.1.1992). In diesem Zusammenhang ist der belangten Behörde zugutezuhalten, daß ihr die in Rede stehende Verpflichtungserklärung erst eineinhalb Wochen nach Erlassung des Schubhaftbescheides bzw. erst eineinhalb Wochen vor Erhebung der vorliegenden Schubhaftbeschwerde zugekommen ist und daher nicht erwartet werden kann, daß sie bereits in diesem kurzen, auch durch Feiertage unterbrochenen Zeitraum ihrer Verpflichtung nachkommen konnte; auch den Beschwerdeführer hätte nämlich auf der anderen Seite nichts daran gehindert, eine solche Verpflichtungserklärung schon früher einzuholen und vorzulegen. Sollten hingegen von der belangten Behörde auch noch nach vierzehn Tagen - vom Einlangen der Verpflichtungserklärung gerechnet - keine Schritte zur Ermittlung der rechtlichen Verbindlichkeit dieser Erklärung gesetzt worden sein, so würde sich allerdings ab diesem Zeitpunkt die verhängte Schubhaft wegen Unhaltbarkeit der behördlichen Prognose, daß sich der Beschwerdeführer die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel auf illegale Weise verschaffen wird - als rechtswidrig erweisen.

Dies insbesondere auch aus folgenden Gründen:

Wenn die belangte Behörde die Verhängung der Schubhaft im übrigen nämlich nur mehr damit zu begründen vermag, daß der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist ist und sich ohne die erforderlichen Dokumente und damit widerrechtlich in Österreich aufhält, so ist ihr entgegenzuhalten, daß sich der Beschwerdeführer nunmehr schon seit fast eineinhalb Jahren illegal in Österreich aufhält, jedoch seither wegen diesen Verwaltungsübertretungen bisher noch in keiner Weise belangt wurde. Hat damit aber die öffentliche Gewalt über diesen langen Zeitraum hinweg das Verhalten des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden gefunden, so kann ihm dies auch nicht im Zusammenhang mit der beabsichtigten Erlassung fremdenpolizeilicher Maßnahmen als ein Sicherungsbedürfnis im Hinblick auf ein Verharren in einem strafbaren Verhalten zum Vorwurf gemacht werden. Es käme nämlich Willkür gleich, könnte es sich die Behörde vorbehalten, ein strafbares Verhalten eines Fremden - noch dazu nicht in dem hiefür gesetzlich vorgesehenen Verfahren, sondern gleichsam bloß mittelbar - dadurch zu ahnden, daß ihm dieses (nur) im Zusammenhang mit der Verhängung der Schubhaft als gefahrenbegründendes Tatbestandsmerkmal zum Vorwurf gemacht wird.

4.4. Aus den dargelegten Gründen, nämlich im Hinblick darauf, daß die Prognose der belangten Behörde dahingehend, daß sich der Beschwerdeführer die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel illegal zu verschaffen suchen wird, sodaß ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis besteht durch die Vorlage einer Verpflichtungserklärung, deren rechtliche Verbindlichkeit noch ungeklärt ist, auch nicht obsolet wurde und damit nach wie vor als vertretbar erscheint, erweist sich sohin die verhängte Schubhaft zumindest bis dato nicht als rechtswidrig. Dies hatte der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich festzustellen; die vorliegende Schubhaftbeschwerde war daher gemäß § 5a Abs. 6 FrPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG abzuweisen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz gemäß § 79a AVG abzuweisen. Auch der im Verfahren obsiegenden belangten Behörde waren mangels eines darauf gerichteten Antrages keine Kosten zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 67c Abs.4 AVG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwSlg 12821 A/1988) oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Linz, am 4. Juni 1992 Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Grof 6

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