Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102603/2/Br/Bk

Linz, 01.03.1995

VwSen-102603/2/Br/Bk Linz, am 1. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn F R, R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 13. Dezember 1994, Zl.

VerkR96-2034-1994, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 - KFG zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG iVm. § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretungen nach § 10 Abs.1, § 4 Abs.2 und § 14 jeweils iVm § 102 Abs.1 erster Satz KFG 1967 Geldstrafen von 500, 1.000 und 300 S und für den Nichteinbringungsfall 12, 24 und 8 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 28.2.1994 gegen 10.00 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen auf verschiedenen öffentlichen Verkehrsflächen von Radlern, Gemeinde nach S gelenkt und diesen Pkw in S auf der A K auf Höhe des L abgestellt habe und er es vor Antritt der Fahrt, obwohl es zumutbar war, unterlassen habe sich davon zu überzeugen, daß das Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entsprach, weil 1) die gesamte Windschutzscheibe zersprungen gewesen und dadurch eine Sichtbehinderung vorgelegen habe; 2) sei die Motorhaube mittels einer etwa 4 cm herausragenden Schraube befestigt und der rechte und linke Türeinstieg durchgerostet gewesen; 3) sei die linke hintere Beleuchtungseinrichtung zersprungen gewesen.

2. Begründend führte die Erstbehörde in der Sache aus wie folgt:

"Der strafbare Tatbestand ist durch die dienstliche Wahrnehmung von Organen des Gendarmeriepostens S als erwiesen anzunehmen.

Um 10.45 Uhr des 28.2.1994 nahmen die Beamten einer Gendarmeriestreife Ihr abgestelltes Fahrzeug wahr und hinterließ dieses einen sehr schlechten Gesamteindruck. Bei der genauen Kontrolle wurden die angeführten Mängel festgestellt. An Ort und Stelle gaben Sie an, "zu wissen, daß dieser PKW sehr schlecht beisammen sei. Sie hätten ihn lediglich fur diese Fahrt ins Krankenhaus benützt, da Sie sonst keine Möglichkeit gehabt hätten, ins Krankenhaus zu kommen. Sie würden den PKW sofort am nächsten Tag abmelden".

In Ihrem Einspruch vom 19.4.1993 (wohl richtig 1994) gaben Sie an, an diesem Tag eine Vorladung zur Kontrolle im Landeskrankenhaus S gehabt zu haben. Da der Firmenbus einen Totalschaden gehabt hätte, hätten Sie Ihren alten Golf benützen müssen.

Dieser PKW sei den ganzen Winter am Bauernhof in A gestanden und hätten Sie vor der Abfahrt lediglich Öl und Wasser kontrolliert. Auf der B 137 in Richtung S sei Ihnen ein LKW entgegengekommen und durch den momentanen Luftdruck hätte es die Motorhaube des PKWs aufgerissen. Dabei habe die Motorhaube die Windschutzscheibe zertrümmert. Da sich die Motorhaube nicht mehr habe schließen lassen und Sie die Gefahr eines nochmaligen Aufreisens vermeiden wollten, inprovisierten Sie eine Schraube am Deckel. Da eine neue Haube sinnlos wäre und die Reparatur nicht mehr in Frage kommen würde, wollten Sie den Golf nur mehr heimbringen, aber die Polizei hatte Ihnen einen Zettel auf die Scheibe getan, daß Sie auf den Posten kommen sollten wegen eines Parkvergehens.

Sie hätten jetzt die Anzeige wegen des Unfalls bekommen. Da dies ja ein Unfall gewesen sei, hätten Sie ja das Fahrzeug nicht einfach stehen lassen können, sondern zur nächsten Werkstätte bzw. nach Hause bringen müssen.

Die Angaben in Ihrem Einspruch sind nicht glaubhaft. Den Zustand des Fahrzeuges haben Sie nie bestritten. Sie wollten lediglich manche Mängel auf einen Vorfall während der Fahrt zurückführen. Eigenartigerweise war Ihnen dieser Vorfall bei der Kontrolle am 28.2.1994 nicht erinnerlich, obwohl sich dieser nur wenige Stunden vorher ereignet habe. Erst ca. 2 Monate später, nachdem Sie die Strafverfügung erhalten haben, fiel Ihnen ein, daß die Motorhaube durch den momentanen Luftdruck eines entgegenkommenden LKWs aufgerissen worden sei. Die sofortige provisorische Behebung dieses Schadens wäre nicht erforderlich gewesen, da die B stark befahren ist und nach einem derartigen Zwischenfall Sie von einem anderen Lenker sicherlich nach S mitgenommen worden wären. Abgesehen davon gehen wir aber davon aus, daß Ihr PKW schon längere Zeit in diesem Zustand war.

Im Prinzip haben Sie die Übertretungen selbst zugegeben, indem Sie behaupten, nach dem angeblichen Unfall die Motorhaube provisorisch mit einer Schraube am Deckel befestigt zu haben. Dazu ist es erforderlich, daß Sie Ihren PKW anhalten und danach wieder neuerlich in Betrieb nehmen.

Trotz der bekannten Mängel haben Sie den VW Golf in Betrieb genommen und nach S gelenkt.

Ihre Ausführungen sind daher nicht geeignet, die strafbaren Tatbestände zu widerlegen.

Bei der Bemessung des Strafausmaßes konnte als mildernd nichts, als erschwerend hingegen mußten die zahlreichen Verwaltungsvorstrafen darunter auch einschlägige gewertet werden.

Der verhängte Strafsatz ist dem Verschulden angemessen und erscheint geeignet, Sie in Hinkunft von der Begehung weiterer gleicher Delikte abzuhalten.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden dabei berücksichtigt (geschätztes monatliches Einkommen ca.

S 20.000,--, wobei Sie diese Schätzung lt. unserem Schreiben vom 9.6.1994 nicht widerlegt haben, keine Sorgepflicht, kein Vermögen).

Die vorgeschriebenen Kosten sind in der zitierten Gesetzesstelle begründet." 2.1. Dagegen bringt der Berufungswerber in seiner fristgerecht bei der Erstbehörde eingebrachten Berufung inhaltlich vor, daß er den Gendarmeriebeamten gesagt hätte, daß sein Fahrzeug lange nicht in Betrieb gewesen wäre, weil er sonst immer den Firmenbus zur Verfügung habe. Im übrigen vermeint der Berufungswerber noch, daß er nicht verstehe mit einer zersprungenen Windschutzscheibe nicht einmal nach Hause fahren zu dürfen. Die Motorhaube habe er improvisiert für die Heimfahrt niedergeschraubt gehabt.

3. Die Erstbehörde hat ein Aktenkonvolut (ungebunden und unnummeriert) zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 10.000 S übersteigenden Strafen verhängt worden sind, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war mangels eines entsprechenden gesonderten Antrages und weil ferner im Ergebnis lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung eingewendet wurde nicht durchzuführen gewesen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in das von der Erstbehörde als Verwaltungsstrafakt vorgelegte Aktenkonvolut der Bezirkshauptmannschaft Schärding, VerkR96/2034-1994. Daraus konnte der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt ausreichend entnommen werden.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Nach § 102 Abs.1 KFG 1967 darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen.

Gemäß § 10 Abs.1 KFG 1967 müssen Windschutzscheiben und Klarsichtscheiben von Kraftfahrzeugen aus einem unveränderlichen, vollkommen durchsichtigen Stoff bestehen.

Sie dürfen Gegenstände nicht verzerrt erscheinen lassen und müssen auch bei Bruch so weit Sicht lassen, daß das Fahrzeug bis zum Anhalten sicher gelenkt werden kann.

Der § 4 Abs.2 KFG 1967 besagt, daß Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, daß durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Sie müssen so gebaut und ausgerüstet sein, daß der Lenker, beförderte Personen und andere Straßenbenützer bei Verkehrsunfällen möglichst geschützt sind. Sie dürfen innen und außen keine vermeidbaren vorspringenden Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen aufweisen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen. Unvermeidbare vorspringende Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen, müssen durch geeignete Schutzvorrichtungen entsprechend abgedeckt oder, wenn dies nicht ohne schwere Beeinträchtigung der Verwendbarkeit des Fahrzeuges im Rahmen seiner Zweckbestimmung durchführbar ist, entsprechend gekennzeichnet sein.

Der § 14 Abs.1 KFG 1967 normiert schließlich, daß Kraftwagen vorne mit Scheinwerfern ausgerüstet sein müssen, mit denen paarweise weißes oder gelbes Fernlicht und weißes oder gelbes Abblendlicht ausgestrahlt werden kann. Abblendlicht darf nur mit einem Scheinwerferpaar ausgestrahlt werden können. Für Fern- und Abblendlicht sind getrennte Scheinwerfer zulässig. Bei Kraftwagen mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 40 km/h ist jedoch kein Fernlicht erforderlich. Die Scheinwerfer eines jeden Paares müssen in gleicher Höhe und symmetrisch zur Längsmittelebene des Fahrzeuges angebracht sein. Das Fernlicht muß eine gerade in der Richtung parallel zur Längsmittelebene des Fahrzeuges verlaufende Straße bei Dunkelheit und klarem Wetter auf mindestens 100 m, das Abblendlicht ohne andere Straßenbenützer zu blenden auf mindestens 40 m ausreichend beleuchten können. Der Lenker muß von seinem Platz aus erkennen können, daß die Scheinwerfer für Fernlicht eingeschaltet sind. Die Scheinwerfer dürfen nur gleichzeitig und mit der gleichen Wirkung abblendbar sein.

Ferner haben gemäß § 14 Abs.4 KFG 1967 Kraftwagen hinten mit einer geraden Anzahl von Schlußleuchten ausgerüstet zu sein, mit denen nach hinten rotes Licht ausgestrahlt und anderen Straßenbenützern das Fahrzeug erkennbar gemacht und das richtige Abschätzen seiner Breite ermöglicht werden kann (Schlußlicht). Die Schlußleuchten müssen symmetrisch zur Längsmittelebene des Fahrzeuges angebracht sein. Sie müssen Licht ausstrahlen, wenn die im Abs. 1 angeführten Scheinwerfer oder Nebelscheinwerfer oder Begrenzungsleuchten Licht ausstrahlen; dies gilt jedoch nicht, wenn mit den Scheinwerfern optische Warnzeichen abgegeben werden.

5.1.1. Die mit dem angefochtenen Straferkenntnis unter 1) bis 3) vorgenommenen Tatbildumschreibungen finden in zitierten Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes keine Deckung.

So ist etwa auch nicht nachvollziebar dargelegt, warum die zersprungene Windschutzscheibe eine Sichtbehinderung zur Folge gehabt haben sollte. Ebenso kann nicht die Auffassung geteilt werden, daß der durchrostete Türeinstieg der Bestimmung des § 4 Abs.2 KFG subsumierbar sein sollte.

Zuletzt läßt auch der nicht weiter umschriebene Vorwurf 3) (eine zersprungene Beleuchtungseinrichtung) nicht erkennen, daß dies dem § 14 KFG 1967 subsumiert werden könnte.

Dazu sei bemerkt, daß die Auslegung sehr präzise formulierter Tatbestände in Verbindung mit der Bestimmung des § 102 Abs.1 KFG 1967 im Verwaltungsstrafverfahren nicht soweit gehen kann, daß es gleichsam genügte mit einer bloß peripheren Umschreibungen eines technischen Mangels eine dem § 44a Z1 VStG gerecht werdende Subsumtion vornehmen zu können.

5.2. Dem Spruch des Straferkenntnisses kommt im Hinblick auf die in § 44a Z1 bis 5 VStG festgelegten Erfordernissen besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde, usw.

Die zentrale Frage, wie ein Spruch abgefaßt sein muß, um der Bestimmung des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, hat sowohl in der Praxis der Behörde als auch in der Judikatur des VwGH manchmal zu Unsicherheiten geführt. Ein bedeutender Schritt zur Lösung der Problematik kann in dem Erk. des VwGH v 13.6.1984 Slg 11466 A gesehen werden, in dem dargelegt wurde, daß die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zu Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. des näheren Hauer-Leukauf, zu § 44a, E 4 zu lit.a (nunmehr Z1).

Der § 44a Z1 VStG stellt demnach das Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auf. Demnach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltunsvorschrift, die durch die Tat verlezt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird. Wie sich aus den oben im Volltext wiedergegebenen Gesetzesbestimmungen nur unschwer erkennen läßt, wird das von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Verhalten diesem Erfordernis nicht gerecht.

Das Straferkenntnis war daher infolge Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Es kann daher dahingestellt bleiben, daß bei der Strafzumessung das Geständnis, wie es hier offenkundig auch der Erstbehörde bereits vorgelegen hat, jedenfalls einen zuzuerkennenden Milderungsgrund dargestellt hätte. Ferner wäre wohl auch abzuwägen gewesen, ob der Berufungswerber diese Fahrt tatsächlich bloß um zum Krankenhaus zu gelangen vorgenommen hat.

Administrativrechtliche Möglichkeiten und Konsequenzen - wie zB Anordnung einer besonderen Überprüfung oder Aufhebung der Zulassung - bleiben hiedurch jedoch unberührt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r