Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400124/2/Kl/Rd

Linz, 17.11.1992

VwSen - 400124/2/Kl/Rd Linz, am 17. November 1992 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des M, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J, W, wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft ab 13.8.1992 durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage: § 5a Abs.1 und 6 des Fremdenpolizeigesetzes (FrPG), BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 i.V.m. § 67c Abs.3 AVG.

II. Der Kostenersatzantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde (dem Bund) die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Höhe von 2.024 S binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage: §§ 74 und 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 14.8.1992, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 18.8.1992, wurde Beschwerde gemäß § 5a FrPG erhoben und beantragt, die Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung in Schubhaft seit dem 13.8.1992 abends festzustellen und die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zuzusprechen. Die Schubhaftbeschwerde wurde damit begründet, daß das verhängte Aufenthaltsverbot zwar mit 13.7.1992 rechtskräftig wurde, aber bereits am 15.7.1992 bei der Bundespolizeidirektion ein Antrag auf Vollstreckungsaufschub gestellt wurde. Auch sei die Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft gemäß § 5 FrPG nicht erfüllt, da kein strafbares Verhalten zu befürchten sei, zumal die Existenz gesichert sei. Auch besitze er einen ordentlichen Wohnsitz und sei er sozial und arbeitsmäßig integriert.

2. Die Bundespolizeidirektion Linz als belangte Behörde hat neben der Beschwerde den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und gleichzeitig eine Stellungnahme dahingehend abgegeben, daß sich der Beschwerdeführer unter falschen Voraussetzungen einen Sichtvermerk erschlichen und seit Ablauf dieses Sichtvermerkes illegal im Bundesgebiet aufhält. Es sei daher ein bis zum 10.6.1997 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, welches am 13.7.1992 rechtskräftig wurde. Da der Beschwerdeführer der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes nicht nachgekommen ist, war die Inschubhaftnahme erforderlich. Auch waren keine triftigen Gründe für die Erlassung eines Vollstreckungsaufschubes vorhanden. Der Beschwerdeführer wurde am 15.8.1992 in sein Heimatland abgeschoben. Es wurde daher kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt Einsicht genommen. Es wird festgestellt, daß der Sachverhalt in den wesentlichen, entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erscheint. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 5a Abs.6 Z.1 FrPG unterbleiben.

4. Es ergibt sich daher im wesentlichen folgender, der Entscheidung zugrundegelegter erwiesener Sachverhalt:

4.1. Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste nachweislich am 28.10.1991 in das Bundesgebiet ein. Er verfügt über einen gültigen Reisepaß vom 15.1.1991 mit Gültigkeit bis zum 14.1.1993. Der Beschwerdeführer ist schon seit 15.10.1991 in P polizeilich gemeldet, von wo er am 11.11.1991 nach A abgemeldet wurde. Eine Meldung in A erfolgte vom 26.11.1991 bis 11.3.1992. Seit 17.4.1992 ist er in T gemeldet.

Aufgrund der polizeilichen Meldung in P wurde einem Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes vom 18.10.1991 Folge gegeben und ein Sichtvermerk gültig bis 31.1.1992 erteilt.

4.2. Mit Bescheid des Arbeitsamtes vom 7.7.1992 wurde dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 6.7.1992 bis 31.12.1992 für den örtlichen Geltungsbereich Arbeitsamt eine Beschäftigungsbewilligung erteilt.

4.3. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 10.6.1992 wurde ein bis zum 10.6.1997 befristetes Aufenthaltsverbot verhängt, welches durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich in zweiter Instanz bestätigt wurde, und seit 13.7.1992 in Rechtskraft erwachsen ist. Ein Antrag auf Vollstreckungsaufschub vom 15.7.1992 wurde noch nicht entschieden.

4.4. Im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle am 13.8.1992 wurde der Beschwerdeführer in seinem Wohnsitz T und eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes und des nicht Vorliegens eines gültigen Sichtvermerkes gemäß § 14e FrPG zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde festgenommen und der Bundespolizeidirektion vorgeführt. Die Festnahme erfolgte um 20.15 Uhr.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz wurde in Anwendung des § 57 Abs.2 AVG die Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Gefahr im Verzug wurde angenommen, weil der Beschwerdeführer das Bundesgebiet trotz eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes nicht verlassen hat, einen Geldbetrag von nur 60 S besitzt, arbeitslos ist und daher die Gefahr besteht, daß er seinen Lebensunterhalt auf unredliche Weise bestreiten werde. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer noch am selben Tag persönlich um 20.55 Uhr übernommen. Eine Zustellung des Schubhaftbescheides an den vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Rechtsanwalt konnte am selben Abend nicht erfolgen; die Bescheidzustellung an den rechtsfreundlichen Vertreter erfolgte erst am 14.8.1992 nachweislich. Der Beschwerdeführer wurde sodann am 14.8.1992 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die türkische Sprache zur Sache vernommen und gab dann auch bekannt, daß er gemäß der erteilten Beschäftigungsbewilligung am 27.8.1992 zu arbeiten beginnen sollte, vorher habe er nie gearbeitet. Auch bestehe kein Kontakt zu seinem Sohn M. Weiters gab der Beschwerdeführer an, daß er kein Geld besitze.

4.5. Der Beschwerdeführer wurde am 15.8.1992 von W nach I abgeschoben.

5. Es hat daher der unabhängige Verwaltungssenat hierüber erwogen:

5.1. Gemäß Art.1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG), BGBl.Nr. 684/1988, darf niemand aus anderen als den im zitierten Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Gemäß Art.2 Abs.1 Z.7 leg.cit. darf die persönliche Freiheit einem Menschen dann entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern. Der Sicherung einer beabsichtigten Ausweisung im Sinn des Art.2 Abs.1 Z.7 PersFrG dient die im § 5 FrPG geregelte Schubhaft dann, wenn sie zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung verhängt wird. Die Schubhaft setzt die Erlassung eines entsprechenden Schubhaftbescheides zwingend voraus. (vgl. VfGH vom 12.3.1992, G346/91-18, G5/92-15 und G6/92-14).

Ein solcher Schubhaftbescheid wurde nachweislich am 13.8.1992 erlassen und noch am selben Tag vom Beschwerdeführer persönlich übernommen. Eine Zustellung an den ausgewiesenen Vertreter erfolgte am 14.8.1992 und war somit jedenfalls mit diesem Tage rechtswirksam. Die Inschubhaftnahme wurde durch Anhaltung im bundespolizeilichen Gefangenenhaus in Vollzug gesetzt.

5.2. Nach Art.6 des PersFrG hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Fall der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Es hat daher gemäß § 5a Abs.1 FrPG, wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung anzurufen. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde oder angehalten wird, wobei die §§ 67c bis 67g AVG gelten. Der unabhängige Verwaltungssenat hat sohin aufgrund einer Schubhaftbeschwerde die Rechtmäßigkeit der mit dem Schubhaftbescheid verhängten Haft nach jeder Richtung hin selbständig zu überprüfen, um jedwede unterlaufene Gesetzwidrigkeit festzustellen und aufzugreifen. Es hat der unabhängige Verwaltungssenat als Haftprüfungsinstanz - nach § 5a FrPG über die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung (in die jede tatsächliche - Inhaftnahme für wenn auch noch so kurze Zeit mündet) im Zeitpunkt seiner Entscheidung - so aber die Haft schon früher endete: in dem unmittelbar vor der Freilassung liegenden Zeitpunkt- zu befinden.

5.3. Gemäß § 5 Abs.1 FrPG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden, wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.

Im Lichte dieser Ausführungen ist die behauptete Rechtswidrigkeit aber nicht zutreffend.

5.3.1. Wie im Sachverhalt erwiesen festgestellt wurde, ist der Beschwerdeführer trotz einer gültigen Beschäftigungsbewilligung niemals einer Arbeit nachgegangen und daher völlig mittellos. Trotz eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes hat er das Bundesgebiet von Österreich nicht verlassen, sondern hält sich weiterhin hier illegal auf. Weiters ist zutagegetreten, daß der Beschwerdeführer sich einen bis zum 31.1.1992 gültigen Sichtvermerk erschlichen hat. Die Aufdeckung dieses Umstandes sowie auch eine gegen ihn rechtskräftig verhängte Geldstrafe wegen Aufenthalts ohne Sichtvermerk konnten ihn aber nicht von dem Verbleib im Bundesgebiet abhalten. Vielmehr wurde ein rechtskräftiges und vollstreckbares Aufenthaltsverbot vom Beschwerdeführer mißachtet. Es kommt daher aus dem gesamten Verhalten des Beschwerdeführers zum Ausdruck, daß er nicht gewillt ist, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen und ein Verhalten zu setzen, das die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gewährleistet. Mangels der erforderlichen Mittel - der Beschwerdeführer hatte nur 60 S Barmittel bei sich und hat tatsächlich noch nie in Österreich gearbeitet - ist daher auch zu befürchten, daß sich der Beschwerdeführer seinen notwendigen Unterhalt auf rechtswidrige Weise beschaffen wird. Diese Befürchtung kann auch nicht durch eine Verpflichtungserklärung des Sohnes des Beschwerdeführers entkräftet werden, zumal aus dieser Erklärung kein Anspruch des Beschwerdeführers abzulesen ist. Wenn auch der Beschwerdeführer über einen ordentlichen Wohnsitz und eine ordnungsgemäße Meldung verfügt, ist aber nunmehr trotzdem zu befürchten, daß er angesichts weiterer fremdenpolizeilicher Maßnahmen, wie z.B. die bevorstehende Abschiebung, diese verhindern werde bzw. sich diesen Maßnahmen durch Untertauchen entziehen werde. Es hat nämlich der Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht, daß er trotz einer gesetzlichen Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes nicht gewillt ist, dieser Pflicht freiwillig nachzukommen. Es war daher die Anhaltung in Schubhaft jedenfalls zur Sicherung der Abschiebung gerechtfertigt und auch erforderlich. Auch stellt die Anhaltung in Schubhaft das einzige Mittel dar, das geeignet ist, die Abschiebung zu sichern. Solcherart erscheint auch dem Verwaltungsgerichtshof nach der jüngsten Judikatur die Festnahme und Anhaltung jedenfalls zur Sicherung der Abschiebung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung notwendig.

5.3.2. Wenn sich der Beschwerdeführer auf den Antrag auf Aufschub der Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes stützt, so ist dem entgegenzuhalten, daß ein solcher Antrag den sofortigen Vollzug nicht hindert. Gemäß § 6 Abs.1 FrPG hat nämlich der Fremde, gegen den ein Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, das Gebiet innerhalb einer Woche nach Rechtskraft des Bescheides zu verlassen. Nur aus triftigen Gründen kann die Behörde die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes aufschieben. An der Rechtskraft bzw. Vollstreckbarkeit des Aufenthaltsverbotes wird aber bis zur Entscheidung über den Vollstreckungsaufschub nichts geändert. Es kommt daher dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung zu.

5.4. Es ist daher die Anhaltung des Beschwerdeführers zur Sicherung seiner Abschiebung bis zum Zeitpunkt der Abschiebung selbst (Ende der Anhaltung) gerechtfertigt und geboten und als einzig mögliches Mittel anzusehen, weshalb der Beschwerdeführer in seinem geltend gemachten Recht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde.

Weitere Gründe einer Rechtswidrigkeit wurden weder in der Beschwerdeschrift geltend gemacht, noch sind solche aus der Aktenlage zu erkennen.

6. Gemäß § 79a AVG steht nur der obsiegenden Partei der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu. Da die Beschwerde erfolglos geblieben ist, war der Kostenantrag des Beschwerdeführers abzuweisen.

Da die belangte Behörde ebenfalls Kostenersatz begehrt hat, sind gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 1991, Zl. 91/90/0162/7, die Bestimmungen der §§ 47ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze vor dem Verwaltungsgerichtshof analog heranzuziehen, wobei unter Bedachtnahme auf den Grundsatz einer Abstufung des Kostenersatzes im Verfahren entsprechend der Unter- bzw. Überordnung der angerufenen Behörden und der damit verbundenen verschiedenartigen Mühewaltung die angeführten Pauschalsätze um ein Drittel zu kürzen sind. Es ergibt sich daher ein Vorlageaufwand von 337 S und ein Schriftsatzaufwand von 1.687 S (jeweils gerundet), also insgesamt ein Betrag von 2.024 S. Das Mehrbegehren war entsprechend abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t 6

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