Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400158/4/Gf/Hm

Linz, 07.12.1992

VwSen-400158/4/Gf/Hm Linz, am 7. Dezember 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des R, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 23. November 1992 bis zum 26. November 1992 wird gemäß § 5a des Fremdenpolizeigesetzes i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG für rechtswidrig erklärt.

II. Das Begehren der belangten Behörde auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten wird gemäß § 79a AVG abgewiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Am 21. November 1992 wurde von Organen der Bundespolizeidirektion Linz wegen zu befürchtender Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Eröffnung einer Moschee in der Humboldtstraße eine planquadratmäßige Anhaltung von Kraftfahrzeugen mit türkischen Insassen durchgeführt. In deren Zuge wurde auch der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, dabei betreten, daß er eine Faustfeuerwaffe und 50 Schuß dazu passender Munition bei sich trug, ohne hiefür eine behördliche Berechtigung vorweisen zu können. Wegen Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr wurden er und seine drei Beifahrer gemäß § 452 i.V.m. § 175 Abs. 1 Z. 3 StPO bzw. gemäß § 177 Abs. 1 i.V.m. § 175 Abs. 1 Z. 3 und 4 StPO vorläufig in Verwahrung genommen.

1.2. Mit dem dem Beschwerdeführer am 23. November 1992 durch persönliche Aushändigung zugestellten und auf § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 (im folgenden: FrPG), i.V.m. § 57 Abs. 1 AVG gestützten Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom selben Tag, Zl. Fr-81314, wurde über diesen zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Anhaltung im Polizeigefangenenhaus Linz sofort vollzogen. Der Beschwerdeführer hat dagegen rechtzeitig Vorstellung erhoben.

1.3. Am 24. November 1992 erstattete die Bundespolizeidirektion Linz u.a. auch gegen den Beschwerdeführer Anzeige wegen des Verdachtes des versuchten Landfriedensbruches und des Verstoßes gegen § 36 des Waffengesetzes. Danach sei es am 21. November 1992 anläßlich der Eröffnung einer Moschee in Linz zu massiven Auseinandersetzungen unter türkischen Staatsangehörigen und zu tumultartigen Ausschreitungen, an denen bis zu 500 Personen beteiligt gewesen seien, gekommen. Die gewalttätige Demonstration, in deren Zuge es auch zu Sachbeschädigungen gekommen sei, sei daher von der Polizei um 13.40 Uhr aufgelöst worden. Um ein Wiederaufflammen der Gewalttätigkeiten zu verhindern, seien bereits im Vorfeld des Eröffnungsgeländes Kraftfahrzeugkontrollen durchgeführt und dabei insbesondere nach Waffen gesucht worden. In diesem Zusammenhang seien bereits gegen 13.20 Uhr, gegen 14.17 Uhr und gegen 14.50 Uhr andere Fahrzeuge angehalten und bei dessen Insassen Waffen aufgefunden worden; gegen 15.10 Uhr sei auch das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers perlustriert und im Zuge dieser Durchsuchung eine Pistole vorgefunden worden.

1.4. Am 24. November 1992 hat der Beschwerdeführer unmittelbar beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eine auf § 5a Abs. 1 FrPG gestützte Beschwerde eingebracht.

1.5. Mit Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 25. November 1992, Zl. Fr-81314, wurde über den Beschwerdeführer wegen Gefahr in Verzug ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

1.6. Am 26. November 1992 wurde der Beschwerdeführer vom Flughafen Wien-Schwechat aus in die Türkei abgeschoben.

2.1. Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen seine auf den oben unter 1.2. angeführten Bescheid gegründete Anhaltung richtet, bringt der Beschwerdeführer in dieser vor, daß die Schubhaft schon deshalb rechtswidrig sei, weil die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn von vornherein nicht vorgelegen seien, da objektiv nicht nachvollziehbar wäre, inwiefern das Mitführen einer ungeladenen Waffe im Kofferraum eines Kraftfahrzeuges eine "bestimmte Tatsache" darstelle, die gemäß § 3 Abs. 1 FrPG die Annahme rechtfertige, daß sein Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde bzw. anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Interessen zuwiderlaufe. Außerdem sei der Beschwerdeführer schon festgenommen worden, bevor er noch überhaupt das Veranstaltungsgelände erreicht habe, sodaß nicht ersichlich sei, aufgrund welcher Tatsachen die belangte Behörde überhaupt einen Zusammenhang zwischen seiner Person und den stattgefundenen Demonstrationen habe herstellen bzw. das Vorliegen der nach § 274 StGB für die Begehung des Deliktes des Landfriedensbruches geforderten Wissentlichkeit bei ihm habe annehmen können.

Darüber hinaus seien der Beschwerdeführer und seine drei Geschweister bereits seit 1979 in Österreich aufhältig, sei er verheiratet, habe er drei Kinder und sei er mit seiner Familie in St. Johann i.P. wohnhaft; zudem betreibe er als selbständiger Kaufmann zwei Lebensmittelgeschäfte, eines in St Johann i.P. und eines in Bischofshofen. Ein Aufenthaltverbot greife sohin unverhältnismäßig in sein nach Art. 8 MRK garantiertes Recht auf Privat- und Familienleben ein.

Aus allen diesen Gründen wird daher die Feststellung der Rechtswidrigkeit der verhängten Schubhaft beantragt.

2.2. Die belangte Behörde bringt hiezu in ihrer Gegenschrift vor, daß der Umstand, daß der Beschwerdeführer zu einer politischen Demonstration angereist sei, um an dieser bewaffnet teilzunehmen, jedenfalls die Annahme gerechtfertigt hätte, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Weiters stehe fest, daß die Waffe dem Beschwerdeführer gehört habe und für ihn jederzeit griffbereit im Auto gelegen sei, sodaß nicht ausgeschlossen habe werden können, daß er diese auch tatsächlich verwendet hätte.

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Abweisung der vorliegenden Beschwerde beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. Fr81314; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 5a Abs. 6 Z. 1 FrPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Art. 2 Abs. 1 Z. 7 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), legt fest, daß die persönliche Freiheit einem Menschen u.a. dann auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung zu sichern. § 5 Abs. 1 FrPG ist als eine solche unter Heranziehung des eben angeführten Gesetzesvorbehaltes des PersFrSchG ergangene Bestimmung anzusehen. Eine von der Behörde angeordnete und vollzogene Schubhaft erweist sich daher dann als rechtmäßig, wenn diese sowohl den formellen als auch den materiellen Kriterien des § 5 Abs. 1 FrPG entspricht.

Gemäß § 5 Abs. 1 FrPG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung (Schubhaft) genommen werden, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (erste Alternative) oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern (zweite Alternative).

Nach § 5a Abs. 1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.

4.2.1. Die im vorliegenden Fall von der Bundespolizeidirektion Linz verhängte Schubhaft basiert auf einem gemäß § 57 Abs. 1 zweite Alternative erlassenen und damit - weil gemäß einer dagegen erhobenen Vorstellung schon ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt - sofort vollstreckbaren Bescheid, wie dies die §§ 5 und 5a FrPG vorsehen.

4.2.2. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.3. 1992, Zl. G 346/91 u.a., hat der unabhängige Verwaltungssenat "- als Haftprüfungsinstanz - nach § 5a FrPG über die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung (in die jede - tatsächliche - Inhaftnahme für wenn auch noch so kurze Zeit mündet) im Zeitpunkt seiner Entscheidung so aber die Haft schon früher endete: in dem unmittelbar vor der Freilassung liegenden Zeitpunkt - zu befinden" (S. 15). Im vorliegenden Fall ist sonach jener Tag, wo der Beschwerdeführer in die Türkei abgeschoben wurde und damit zu diesem Zeitpunkt dessen Anhaltung in Schubhaft endete, nämlich der 26. November 1992, maßgeblich.

Zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer bereits aus der gerichtlichen Verwahrungshaft entlassen. Von der belangten Behörde blieb im vorliegenden Verfahren auch unbestritten, daß der Beschwerdeführer ein eigenständiger Unternehmer ist, über einen festen Wohnsitz verfügt sowie in Österreich sowohl familiär als auch sozial voll integriert ist. Selbst wenn man davon ausgeht, daß über ihn zu diesem Zeitpunkt bereits ein - wenngleich nicht rechtskräftiges, so doch - vollstreckbares Aufenthaltsverbot verhängt war (dessen Rechtswidrigkeit festzustellen dem unabhängigen Verwaltungssenat aufgrund einer Schubhaftbeschwerde selbst dann verwehrt ist, wenn diese - wie im vorliegenden Fall - offenkundig ist, weil eine derartige Entscheidung gemäß § 11 Abs. 2 und 3 FrPG in die Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion fällt; vgl. VfGH v. 12.3. 1992, G 346/91 u.a., 15), war angesichts dieser Integration des Beschwerdeführers eine Prognose der belangten Behörde dahingehend, daß er sich dem Vollzug der Abschiebung zu entziehen oder diese zumindest zu erschweren versuchen wird (vgl. VwGH v. 29.6. 1992, Zl. 92/18/0054), nicht ohne weiteres vertretbar. Dies belegt auch der Umstand, daß die belangte Behörde spezifische Überlegungen in diese Richtung weder mit dem Schubhaftbescheid noch mit der im gegenständlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift angestellt hat: Es ging ihr vielmehr ganz offenkundig nur darum, den Beschwerdeführer ohne Ansehung seiner konkreten Person wegen der in Verbindung mit dem ihm zur Last gelegten Delikt des versuchten Landfriedensbruches entstandenen politischen Schwierigkeiten möglichst schnell und unproblematisch außer Land schaffen zu können.

Auf der anderen Seite stellt die durch § 5 Abs. 1 FrPG eröffnete Möglichkeit der Verhängung der Schubhaft einen Eingriff in die persönliche Freiheit, also in eines der höchsten verfassungsmäßig geschützten Rechtsgüter, dar, die - wie schon das in Art. 1 Abs. 3 PersFrG ausdrücklich positivierte Prinzip der Verhältnismäßigkeit zeigt weder leichtfertig gehandhabt werden noch generell dazu dienstbar gemacht werden darf, der Behörde die faktische Durchführung der Abschiebung eines Fremden unter möglichst komfortablen Umständen zu ermöglichen. Wenn daher der Beschwerdeführer im konkreten Fall seit über 10 Jahren einen ordentlichen Wohnsitz hat und dort mit seiner Familie auch tatsächlich lebt sowie an diesem - und darüber hinaus noch an einem anderen - Ort zusätzlich ein Unternehmen betreibt, so müßten seitens der belangten Behörde insbesondere im Falle des Vorliegens eines (bloß) vollstreckbaren (aber noch nicht rechtskräftigen und daher möglicherweise auch rechtswidrigen) Aufenthaltsverbotes schon ganz gravierende Gründe (wie etwa die Verhängung der Untersuchungshaft; das Vorliegen einer - wenngleich noch nicht rechtskräftigen - gerichtlichen Verurteilung; etc.) vorgebracht werden können, die die Verhängung der Schubhaft rechtfertigen. Solche wurden aber im gegenständlichen Fall weder von der belangten Behörde dargetan noch haben sich im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Anhaltspunkte für deren Vorliegen ergeben.

4.3. Damit war aber der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 5a Abs. 1 FrPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG im Ergebnis stattzugeben und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 23. Novwember 1992 bis zum 26. November 1992 festzustellen.

5. Der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten war dem Beschwerdeführer als obsiegender Partei gemäß § 79a AVG mangels eines darauf gerichteten Antrages nicht zuzusprechen; das Begehren der im Verfahren unterlegenen belangten Behörde auf Kostenersatz war hingegen gemäß § 79a AVG abzuweisen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 67c Abs. 4 AVG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwSlg 12821 A/1988) oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Grof 6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum