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des Landes Oberösterreich
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VwSen-400234/3/Gf/La

Linz, 06.12.1993

VwSen-400234/3/Gf/La Linz, am 6. Dezember 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Oö. Verwaltungssenat hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des H C, vertreten durch RA vom 2. Dezember 1993 wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und die über den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft als rechtswidrig festgestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 52 Abs. 2 FrG; § 67c Abs. 3 AVG. Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 29. Juni 1992 von Ungarn aus kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich ein. Am 1. Juli 1992 stellte er einen Asylantrag, der vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 16. Juli 1992, Zl. 92-13261-BAL/92, und in der Folge auch mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Oktober 1993, Zl. 4338960/1-III/13/92, abgewiesen wurde.

Am 16. Dezember 1992 hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gestellt; dieser wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. Februar 1993, Zl. Fr-81010, abgewiesen. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. März 1993, Zl. Fr-81010, wurde über den Beschwerdeführer die Ausweisung verfügt; die dagegen erhobene Berufung wurde mit - in der Folge unbekämpft gebliebenem - Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. April 1993, Zl. St-51/93, dem Beschwerdeführer zugestellt am 16. April 1993, abgewiesen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. Juni 1993, Zl. Fr-81010, wurde auf einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers hin rechtskräftig (da eine zunächst gegen diesen Bescheid erhobene Berufung am 15. Juli 1993 wieder zurückgezogen wurde) festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, daß er in seinem Heimatstaat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr.

838/1992 (im folgenden: FrG), bedroht und die Abschiebung dorthin daher zulässig ist.

1.2. Am 27. November 1993 hat der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und war mit ihr bis zu seiner Abschiebung unter der gemeinsamen Anschrift U in L polizeilich gemeldet und dort auch tatsächlich wohnhaft.

1.3. Am 1. Dezember 1993 wurde der Beschwerdeführer, der aufgrund einer bescheidmäßigen Vorladung (vgl. den Ladungsbescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 3. November 1993, Zl. Fr-81010) im Beisein seines Rechtsvertreters bei der Behörde erschienen war, mit Bescheid der Bundespolizeidirektion L vom selben Tag, Zl. Fr-81010, in Schubhaft genommen und diese durch Überstellung in das Polizeigefangenenhaus Linz sofort vollzogen.

1.4. Am 3. Dezember 1993 wurde der Beschwerdeführer vom Flughafen Wien-Schwechat aus nach Istanbul abgeschoben.

2.1. Im oben unter 1.3. angeführten Schubhaftbescheid führt die belangte Behörde begründend aus, daß die gegen den Beschwerdeführer verfügte Ausweisung seit dem 16. April 1993 rechtskräftig sei. Der Umstand, daß er seiner Ausreiseverpflichtung vornehmlich deshalb nicht nachgekommen sei, weil er davon ausgehe, daß der Verwaltungsgerichtshof seiner gegen den negativen Asylbescheid des Bundesministers für Inneres (s.o., 1.1.) erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen werde und ihm daher eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme, stelle hingegen nicht bloß nur eine irrige Rechtsmeinung dar, sondern sei vielmehr als offensichtliche Weigerung, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen, zu qualifizieren.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof vornehmlich deshalb zu rechnen sei, weil dies dessen ständiger Judikatur entspreche und er außerdem über einen aufrechten Wohnsitz und geordnete Wohnverhältnisse sowie über eine aufrechte Beschäftigung verfüge und zudem eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Aufenthaltsgesetz beantragt habe.

Schließlich sei der Beschwerdeführer, der sich faktisch eineinhalb Jahre in Österreich aufgehalten habe, während dieser Zeit weder gerichtlich noch behördlich straffällig geworden, sondern er habe gerade im Gegenteil alle behördlichen Vorladungen stets befolgt, die geforderten Auskünfte erteilt und habe auch die Behörde seit April 1993 nichts dazu unternommen, ihn tatsächlich abzuschieben.

Worin jene öffentlichen Interessen, die die sofortige Abschiebung des Beschwerdeführers zur Sicherung der Ausweisung rechtfertigen könnten, gelegen sein sollen, sei angesichts seiner sozialen Integration und familiären Bindungen nicht erkennbar.

Aus diesen Gründen wird die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft beantragt.

2.3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. Fr-81010; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 52 Abs. 2 Z. 1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 51 Abs. 1 FrG hat ua. derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Dauert - wie im vorliegenden Fall - die Anhaltung zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr an, so hat der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 52 Abs. 4 FrG lediglich im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

4.2.1. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, daß seine Abschiebung - und damit auch die darauf gestützte Schubhaftverhängung - deshalb unzulässig sei, weil der Verwaltungsgerichtshof seiner gegen den letztinstanzlich negativen Asylbescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen wird.

Hiezu ist zunächst festzustellen, daß eine derartige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bislang jedenfalls nicht vorliegt (die Beschwerde wurde allerdings auch erst am 22. November 1993 zur Post gegeben).

Aber selbst in dem Fall, daß der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gegen einen negativen Asylbescheid die aufschiebende Wirkung bereits zuerkannt hätte, würde dies nicht bedeuten, daß dem Beschwerdeführer damit gleichsam automatisch eine Aufenthaltsberechtigung zukäme: Wie nämlich der Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellt hat (vgl.

VwGH v. 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0099; die vom Beschwerdeführer bezogene Entscheidung des VwGH v. 17. Juni 1993, Zlen.

93/18/0084,0085, betrifft hingegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für eine Beschwerde gegen einen Aufenhaltsverbotsbescheid und ist somit - entsprechend der vom Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung selbst vorgenommenen Differenzierung - für den vorliegenden Fall nicht heranziehen), tritt diese Rechtsfolge nur dann ein, wenn dem Beschwerdeführer bereits zuvor eine (vorläufige oder befristete) Aufenthaltsberechtigung zukam, der angefochtene Bescheid also in eine bereits bestehende Rechtsposition eingreift. Da der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren über eine solche Aufenthaltsberechtigung noch nicht verfügt, sondern deren Erteilung erst anstrebt, käme sohin auch einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht die Bedeutung einer Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet zu.

Im übrigen ist schließlich auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach allein durch das Vorliegen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung die Verhängung der Schubhaft nicht gehindert ist (vgl. zB VwGH v. 14. April 1993, Zl. 93/18/0071).

4.2.2. Allein darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer auf einem unzutreffenden Rechtsstandpunkt beharrte und sich offenbar deshalb weigerte, das Bundesgebiet zu verlassen, durfte die belangte Behörde im vorliegenden Fall jedoch nicht die Schubhaft verhängen.

Denn gemäß § 41 Abs. 1 FrG können - auf den gegenständlichen Fall bezogen - Fremde nur dann in Schubhaft genommen werden, wenn dies notwendig ist, um die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes im Wege der Abschiebung zu sichern.

Ein derartiges Sicherungsbedürfnis war aber hier jedenfalls im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung noch nicht erkennbar, denn für die belangte Behörde ergab sich kein Grund zu der Annahme, daß der Beschwerdeführer zu jenem - ihm nicht bekannten (in der niederschriftlichen Einvernahme vom 1.

Dezember 1993 war überhaupt keine Rede davon, daß dessen Abschiebung unmittelbar bevorsteht) - Zeitpunkt , an dem die Abschiebung tatsächlich vollzogen werden sollte, nicht greifbar gewesen wäre, denn er war dem behördlichen Ladungsbescheid ordnungsgemäß nachgekommen, verfügte über einen ordentlichen Wohnsitz und eine aufrechte Beschäftigung. Eine Schubhaft hätte daher unter diesen Umständen allenfalls erst in einem unmittelbar vor der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung gelegenen Zeitpunkt verhängt werden dürfen, zB wenn ihm von behördlicher Seite eine Frist zum freiwilligen Verlassen des Bundesgebietes gesetzt worden und bereits anläßlich dieser Fristsetzung oder nach deren Ablauf offenkundig gewesen wäre, daß er dieser Aufforderung nicht nachkommt und sich der behördlichen Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes durch Abschiebung im Wege des Untertauchens in der Anonymität zu entziehen versuchen wird. So betrachtet entspringt aber die Schubhaftverhängung im gegenständlichen Fall nicht einem echten Sicherungsbedürfnisses, sondern diese steht vielmehr unter dem Anschein, daß die Behörde jegliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem bereits für den übernächsten Tag geplanten Abflugtermin vermeiden wollte.

4.3. Aus diesen Gründen war daher gemäß § 52 Abs. 2 FrG iVm § 67c Abs. 3 AVG festzustellen, daß die über den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft rechtswidrig war.

5. Eine Kostenentscheidung war gemäß § 79a AVG mangels eines darauf gerichteten Antrages des Beschwerdeführers nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den Oö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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