Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400262/5/Wei/Shn

Linz, 01.04.1994

VwSen-400262/5/Wei/Shn Linz, am 1. April 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde der M A (auch A oder A), dzt. PGH Linz, Nietzschestraße 33, 4010 Linz, vertreten durch Rechtsanwalt vom 28. März 1994 wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird gleichzeitig festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde (dem Bund) die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten in Höhe von S 2.023,33 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§ 52 Abs 2 und 4 Fremdengesetz - FrG (BGBl Nr. 838/1992) iVm § 67c Abs 3 und § 79a AVG 1991
Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der vorliegenden Beschwerde vom folgenden Sachverhalt aus:

1.1. Die Beschwerdeführerin (im folgenden Bf), eine Staatsangehörige der Republik Ghana, ist am 2. Dezember 1993 unter Verwendung eines gefälschten niederländischen Reisepasses per Bahn nach Österreich gekommen. Sie flog dann am 3. Dezember 1993 von Wien nach München, wo man sie aber nach Wien zurückwies. Bei ihrer ersten Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Schwechat gab sie sich als die nigerianische Staatsangehörige A H, aus. Anläßlich der Einvernahme vom 7. Dezember 1993 erklärte sie, daß sie nach ihrem Vater somalische Staatsangehörige, aber in Ghana geboren worden sei. Sie hatte nie ein Identitätsdokument. Sie sei Witwe und habe 4 Kinder, deren Aufenthalt ihr unbekannt sei. Sie sei in Accra/Ghana geboren und habe einige Zeit in Somalia, danach im Sudan und zuletzt in Nigeria gelebt, von wo sie ca. Ende November 1993 mit der Identitätskarte der Schwester eines nigerianischen Freundes per Schiff nach Amsterdam gelangte und illegal in Holland einreiste. Dort kaufte sie einen gefälschten Reisepaß für 1500 Gulden, den sie durch Prostitution finanzierte. Sie hätte die Absicht gehabt, nach Kanada zu reisen, wo viele ihrer Landsleute aufhältig seien. Die Bf bestätigte, in keinem der genannten Länder vorbestraft zu sein oder strafrechtlich oder politisch verfolgt zu werden.

1.2. Mit Bescheid vom 10. Jänner 1994, Zl. FrF-269/93, erließ die Bundespolizeidirektion Schwechat gemäß § 18 Abs 1 und Abs 2 Z 6 FrG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot wegen des Vorweisens des gefälschten Reisedokumentes. Über Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates hat die somalische Botschaft in Bonn mit Schreiben vom 7. Jänner 1994 ablehnend reagiert und unter Hinweis auf einige Indizien die Ansicht vertreten, daß die Bf keine somalische Staatsangehörige sei. Die Bf wurde dann am 10. Jänner 1994 von der Bundespolizeidirektion Schwechat aus der Schubhaft mit der Auflage entlassen, daß sie das österreichische Bundesgebiet bis zur Rechtskraft des Aufenthaltsverbotes selbständig zu verlassen habe. Sie wurde aufgefordert, sich selbst ein Ausreisedokument zu beschaffen.

1.3. Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 11. März 1994, Zl. Fr-85.652, wurde gemäß § 41 Abs 1 und 2 FrG iVm § 57 AVG zur Sicherung der fremdenpolizeilichen Maßnahmen die Schubhaft angeordnet. Den Bescheid hat die Bf eigenhändig übernommen. Sie hielt sich zuvor unstet in Linz auf und wurde am 11. März 1994 per Adresse B ohne Reisedokument von einem Sicherheitswacheorgan angetroffen, um 11.40 Uhr gemäß § 85 Abs 2 FrG festgenommen und der belangten Behörde vorgeführt.

Bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme vom gleichen Tag schilderte die Bf ihren bisherigen illegalen Aufenthalt und berichtete, daß sie mit Schreiben vom 24. Jänner 1994 Berufung und einen Antrag auf Abschiebungsaufschub eingebracht habe. In der Folge versuchte sie zweimal per Bahn über Deutschland nach Amsterdam zu reisen, wobei sie aber jeweils zurückgewiesen wurde. Bei der fortgesetzten Einvernahme vom 14. März 1994 wurde sie darauf hingewiesen, daß sie sich ungeachtet des noch nicht durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes unrechtmäßig in Österreich aufhält, weshalb ein Ausweisungsbescheid erlassen werde. Einen Antrag gemäß §§ 54 Abs 1, 37 Abs 1 und 2 FrG stellte die Bf nicht.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen gab sie ergänzend an, daß ihr Vater Prediger war und sie in Ghana lebten. 1969 reisten die Eltern mit ihr nach Nigeria, wo sie bei einem Koranlehrer blieb. 1977 heiratete sie und lebte danach mit ihrem im Jahr 1990 verstorbenen Mann in Lagos. Ihre Kinder wurden zur Familie des Mannes gebracht.

1.4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. März 1994, Zl. Fr -85.652, wurde die Bf unter Bezugnahme auf die §§ 17 Abs 1, 15 Abs 1 Z 1, 19 FrG wegen des unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet ausgewiesen, wobei gleichzeitig gemäß § 64 Abs 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung mit der Begründung aberkannt wurde, daß die Bf nicht in der Lage sei, ihren Aufenthalt zu legalisieren und Grund zur Annahme bestünde, daß sie sich im Wissen um die fremdenpolizeilichen Maßnahmen dem behördlichen Zugriff entziehen werde.

Über Antrag der belangten Behörde hat die Botschaft der Republik Ghana in Bern bereits das Heimreisezertifikat vom 23. März 1994 übermittelt.

1.5. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Niederösterreich vom 21. März 1994, Zl. Fr 411/94, wurde der Berufung gegen das von der Bundespolizeidirektion Schwechat erlassene Aufenthaltsverbot keine Folge gegeben und dieser Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß er sich auch auf den § 18 Abs 1 Z 7 FrG stützte (kein Nachweis des Besitzes der Mittel zum Unterhalt). Der Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 36 Abs 2 FrG wurde wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

1.6. Mit Schriftsatz vom 28. März 1994, eingelangt am 29.

März 1994, hat die Bf durch ihren Rechtsvertreter Schubhaftbeschwerde erhoben und die kostenpflichtige Feststellung beantragt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen.

Der Schubhaftbeschwerde angeschlossen ist die Kopie einer "Wohnungsbestätigung" vom 24. März 1994 mit unleserlicher und nicht beglaubigter Unterschrift in einem Stempel von Y O samt der vermutlichen - schwer lesbaren Beifügung "islam. Moslembruderschaft" für eine Unterkunft in der B, wo angeblich ein genügend großer Wohnraum zur Verfügung steht.

Ferner sind Kopien von Lohnabrechnungen der Firma J S & Co betreffend einen S A, für die Monate Dezember 1993 mit einem Auszahlungsbetrag von S 12.475,-- und Jänner 1994 mit einem Auszahlungsbetrag von S 12.332,-- angeschlossen. In der Beschwerde wird dazu vorgebracht, daß dieser Herr sich für den Lebensunterhalt der Bf aufzukommen bereiterklärt habe.

Mit dem Schreiben vom 30. März 1994 wurde per Telefax eine notariell beglaubigte Verpflichtungserklärung des A S, Hilfsarbeiter, vorgelegt, wonach dieser sich für den Fall der Enthaftung verpflichtet, für den Unterhalt und die Unterkunft der Bf aufzukommen und öffentlichen Rechtsträgern die Kosten zu bezahlen, die im Zusammenhang mit dem Aufenthalt sowie allfälligen fremdenpolizeilichen Maßnahmen entstehen.

2.1. Im Schubhaftbescheid führt die belangte Behörde begründend aus, daß sich die Bf offensichtlich illegal in Österreich aufhält. Weiters habe festgestellt werden können, daß sie mittellos und nicht in der Lage ist, den Besitz der Mittel für ihren Unterhalt nachzuweisen. Außerdem verfüge sie über keinen Wohnsitz und sei nirgends gemeldet.

2.2. Dagegen bringt die Schubhaftbeschwerde vor, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des § 41 FrG nicht vorliegen.

Es fehle das für die Aufrechterhaltung der Schubhaft erforderliche Sicherungsinteresse. Die Bf verweist auf die vorgelegten Unterlagen, wonach sie über eine Wohnung verfüge und ihr Lebensunterhalt gesichert erscheine. Es sei davon auszugehen, daß sie sich nicht dem Zugriff der Fremdenbehörde entziehen werde. Die Anhaltung in Schubhaft erweise sich zur Erreichung des Schubhaftzweckes als nicht notwendig. Dazu komme noch, daß der beabsichtigte Schubhaftzweck der Sicherung der Abschiebung in ihr Heimatland Somalia nicht realisiert werden könne. Tatsache sei ihre somalische Staatsangehörigkeit, auch wenn die belangte Behörde dies bestreite. Die Abschiebung in ein anderes Land als Somalia werde daher schon an ihrer Staatsangehörigkeit scheitern. Da keine Personaldokumente existieren und sohin eine andere als die somalische Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden könne, sei es faktisch und rechtlich unmöglich, ihre Abschiebung in ein anderes Land zu bewerkstelligen. Durch die faktisch unmögliche Abschiebung erweise sich auch ihre weitere Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig. Sie sei daher unverzüglich zu enthaften.

2.3. Die belangte Behörde hat die bezughabenden Akten mit Schreiben vom 30. März 1994, eingelangt am 31. März 1994, vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde beantragte.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb gemäß § 52 Abs 2 Z 1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann gemäß § 51 Abs.1 FrG der unabhängige Verwaltungssenat von dem in Schubhaft Angehaltenen angerufen werden. Solange die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 52 Abs.4 FrG).

Die formellen Beschwerdevoraussetzungen sind erfüllt. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

4.2. Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder Durchbeförderung zu sichern.

Die vorliegende Beschwerde bekämpft lediglich die weitere Anhaltung in Schubhaft unter Hinweis auf das fehlende Sicherungsinteresse durch die angeblich gesicherte Unterkunft und den Unterhalt und im Hinblick auf die angebliche faktische Unmöglichkeit der Abschiebung. Die illegale Einreise und der illegale Aufenthalt sowie die Notwendigkeit der Inschubhaftnahme an sich werden nicht bestritten.

Der Schubhaftzweck der Sicherung der Abschiebung zur Durchsetzung des vollstreckbaren Ausweisungsbescheides und des mittlerweile rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Die Einwendungen der Beschwerde gehen schon aufgrund der Aktenlage ins Leere.

Die Bf ist in Ghana geboren und wird von der Botschaft der Republik Ghana in Bern als ghanesische Staatsangehörige angesehen. Deshalb wurde auch bereits ein Heimreisezertifikat ausgestellt, das eine Abschiebung nach Ghana innerhalb kurzer Zeit ermöglicht. Die Beschwerdebehauptung, wonach eine Abschiebung der Bf weder tatsächlich noch rechtlich bewerkstelligt werden könne, ist daher in tatsächlicher Hinsicht widerlegt.

Im gegenwärtigen Verfahrensstadium ist es auch offenkundig, daß es der Schubhaft bedarf, weil die Bf nicht bereit ist, freiwillig nach Ghana auszureisen. Sie hat mangels gültiger Reisedokumente vergeblich versucht über Deutschland nach Amsterdam zu gelangen. Es besteht auch keine realistische Aussicht, daß sie ihr ursprüngliches Reiseziel Kananda erreichen wird. Sie ist nicht imstande sich selbst Reisedokumente zu verschaffen, die ihr die Ausreise in ein Land ihrer Wahl ermöglichen könnten. Deshalb bedarf es der zwangsweisen Abschiebung, um den unrechtmäßigen Aufenthalt der Bf, den sie nach der Sachlage auch nicht legalisieren kann, zu beenden. Daß die Bf in Ghana allenfalls keine guten Lebensbedingungen vorfinden wird, ist kein stichhaltiger Grund iSd § 37 FrG, der eine Abschiebung verhindern könnte.

Vielmehr spricht die ungünstige Situation, in der sich die Bf befindet, eindeutig für die Annahme, daß sie auf freiem Fuße die geplante Abschiebung verhindern und in die Anonymität untertauchen wird.

4.3. Die vorgelegten Urkunden können an diesem Befund, selbst wenn man den Unterhalt und die Unterkunft der Bf für ausreichend bescheinigt erachtet, nichts ändern. Sie begründen in keiner Weise die positive Prognose, daß die Bf sich dem fremdenpolizeilichen Zugriff unterwerfen und freiwillig nach Ghana zum festgelegten Abschiebetermin ausreisen wird. Vielmehr erscheint es praktisch ausgeschlossen, daß die Bf freiwillig das österreichische Bundesgebiet verlassen wird.

5. Der belangten Behörde war als obsiegender Partei antragsgemäß der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten iSd § 52 Abs 2 FrG iVm § 79a AVG für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand zuzusprechen. Dabei ist nach ständiger Jukikatur des Verwaltungsgerichtshofes von einem Ansatz in Höhe von zwei Drittel des Pauschalkostenersatzes vor dem Verwaltungsgerichtshof auszugehen (vgl ua VwGH 23.9.1991, 91/19/0162). Dem unterlegenen Beschwerdeführer waren selbstverständlich keine Kosten zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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