Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400272/2/Schi/Shn

Linz, 21.06.1994

VwSen-400272/2/Schi/Shn Linz, am 21. Juni 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Beschwerde des S T, jugoslawischer bzw mazedonischer Staatsangehöriger, vertreten durch Rechtsanwalt wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, daß die zum Zeitpunkt der Entscheidung für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Anhaltung rechtmäßig ist.

Rechtsgrundlage:

§ 51 Abs.1 und § 52 Abs.1, 2 und 4 des Fremdengesetzes FrG, BGBl.Nr.838/1992, iVm § 67c Abs.1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51/1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Schriftsatz vom 15.6.1991, beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangt am 20. Juni 1994, wurde Schubhaftbeschwerde erhoben und beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 9.6.1994 ersatzlos aufzuheben. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß es grundsätzlich richtig sei, daß der Beschwerdeführer (im folgenden: Bf) wegen einer angeblichen gefährlichen Drohung gegen Gerhard Hinterecker vom 11.3.1994 von diesem angezeigt wurde. Der Bf habe sich jedoch niemals als schuldig bekannt; das Landesgericht Steyr habe seine Darstellung nicht entkräften können, weshalb diesbezüglich auch kein Schuldspruch erfolgt sei. Es entspreche auch nicht den Tatsachen, daß der Bf am 12.3.1994 mit einer Pistole auf zwei Gendarmeriebeamte geschossen habe. Ein derartiger Sachverhalt sei vom Landesgericht Steyr keinesfalls dem Urteil zugrundegelegt worden. Der Bf habe vielmehr einen Schuß in die Luft abgegeben, um die Gendarmeriebeamten an einer Amtshandlung zu hindern. Deshalb sei er tatsächlich am 9.6.1994 zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt, verurteilt worden.

1.2. Auch der tatsächlich gegebene Sachverhalt rechtfertige keinesfalls die Verhängung der Schubhaft. Im gegenständlichen Fall sei kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß eine allfällige Abschiebung nach einem allfälligen rechtskräftigen Aufenthaltsverbot ohne Schubhaft nicht möglich wäre. Auch die belangte Behörde sei in keiner Weise in der Lage gewesen, die Notwendigkeit der Schubhaft in diesem Zusammenhang darzulegen. Richtigerweise sei zu berücksichtigen, daß sich der Bf bereits seit März 1973 in Österreich aufhalte und bis zu seiner Verhaftung im Zusammenhang mit dem Strafverfahren vor dem Landesgericht Steyr einer geregelten Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Firma T nachgegangen sei. Wie aus der beiliegenden Bestätigung zu entnehmen sei, könne der Bf auch nach seiner Entlassung jederzeit wieder bei dieser Firma oder der Firma D als Kraftfahrer beschäftigt werden. Es könne daher davon ausgegangen werden, daß er soweit sozial integriert sei, daß er sich einer allfällig drohenden Abschiebung keinesfalls durch Untertauchen entziehen würde.

Die Verhängung der Schubhaft erscheine daher schon aus diesem Grund nicht gerechtfertigt. Darüberhinaus sei darauf hinzuweisen, daß trotz des gegen den Bf ergangenen Urteils die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht gerechtfertigt erscheine. Im Hinblick auf § 20 FrG sei auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden Bedacht zu nehmen. Da der Bf bereits seit mehr als elf Jahren in Österreich aufhältig ist, ständig einer geregelten Beschäftigung nachgeht und außerdem Kinder hat, die ebenfalls in Österreich leben, sei er daher soweit integriert, daß eine Abschiebung seine Lebenssituation in einem Ausmaß beeinträchtigen würde, daß sie trotz des nunmehrigen Vorfalles nach Abwägung sämtlicher Umstände nicht tunlich erscheint. Daß vom Bf trotz seines Fehlverhaltens keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit ausgehe, ist auch aus der Tatsache ersichtlich, daß die über ihn verhängte Freiheitsstrafe im größten Teil bedingt nachgesehen wurde. Im Sinne des § 43a StGB ist eine teilbedingte Strafnachsicht nur möglich, wenn davon ausgegangen werden kann, daß die Androhung der Strafe allein ausreicht, um den Verurteilten in Zukunft von strafbaren Handlungen abzuhalten. Dies habe das Landesgericht Steyr somit bejaht, andernfalls hätte das Gericht die gesamte Strafe unbedingt aussprechen müssen.

Eine allenfalls geringe Gefahr könne auch im Hinblick auf die oben geschilderten Umstände bei der vorzunehmenden Abwägung im Sinne des § 20 FrG keinesfalls zur Abschiebung führen. Auch dürfe nicht übersehen werden, daß dem Bf hätte er nicht die nunmehrige Straftat gesetzt - iSd § 10 StGB bereits die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen hätte werden können, zumal er bereits seit mehr als zehn Jahren seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte. Es erscheint daher die Abschiebung und die Verhängung der Schubhaft als nicht gerechtfertigt.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat mit Schreiben vom 16.6.1994 den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und keine weitere Stellungnahme abgegeben.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu GZ Sich-04/18626/1993; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 51 Abs.1 des FrG, BGBl.Nr.838/1992, hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 leg.cit.). Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 52 Abs.4 FrG).

Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Rückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

4.2. Der Schubhaftbescheid der belangten Behörde vom 9. Juni 1994, Sich-04/18626/1993-Lk, wurde zur Vorbereitung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung erlassen. Begründend wurde ausgeführt, daß der Bf - der sich seit März 1973 in Österreich aufhält - am 11. März 1994 wegen Vergehens der gefährlichen Drohung angezeigt wurde, da er Gerhard Hinterecker mit einem Messer in der Hand mit dem Umbringen drohte sowie am 12. März 1994 mit einer Pistole auf zwei Gendarmeriebeamte geschossen habe. Aufgrund dieser Anzeige sei er in der Folge am 9. Juni 1994 vom Landesgericht Steyr, Zl.22EvR 90/94, zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate auf drei Jahre bedingt, gemäß den §§ 15 und 269 Abs.1 StGB sowie § 36 Abs.1 Z1 Waffengesetz verurteilt worden. Aus diesem Grund hat die belangte Behörde angenommen, daß der Bf die öffentliche Ordnung gefährdet, weil er nicht gewillt ist, sich der österreichischen Rechtsordnung anzupassen. Es sei daher die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und die anschließende Abschiebung beabsichtigt.

4.3. Die gerichtliche Verurteilung gesteht auch der Bf zu; dennoch folgert er aufgrund der langen Aufenthaltsdauer des Bf sowie seiner Integration, daß die Verhängung der Schubhaft nicht gerechtfertigt gewesen sei und auch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes insbesondere im Hinblick auf die Lebenssituation des Bf (Familie bzw Kinder, die ebenfalls in Österreich leben) nicht zulässig erscheine.

4.4. Diesen Beschwerdeausführungen kommt aber keine Berechtigung zu, weil gemäß § 18 Abs.1 FrG gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder 2. anderen im Art.8 Abs.2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwidert läuft.

Zufolge § 18 Abs.2 FrG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 insbesonders zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Diese Voraussetzungen treffen im gegenständlichen Fall zu, weil der Bf vom Landesgericht Steyr mit Urteil vom 9. Juni 1994, Zl.22EvR 90/94 wegen § 15 StGB (Versuch) iVm § 269 Abs.1 StGB (Widerstand gegen die Staatsgewalt) sowie § 36 Abs.1 Z1 Waffengesetz (unbefugter Besitz bzw unbefugtes Führen einer Faustfeuerwaffe) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate auf drei Jahre bedingt, verurteilt wurde.

4.5. Wenn nun der Bf im Hinblick auf seine geschilderte Lebenssituation eine Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes geltend macht, so ist diesbezüglich festzustellen:

Gemäß § 20 Abs.1 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen; 2. die Intensität der Familien oder sonstigen Bindungen.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt (Niederschrift vom 10.6.1994) geht hervor, daß der Bf seit 1992 geschieden und drei Kinder hat; allerdings sind zwei dieser Kinder bereits volljährig und eines noch minderjährig. Für den Lebensunterhalt der Kinder sorgt die geschiedene Ehegattin.

Sonst hat der Bf keinerlei Verwandte in Österreich.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat nun in Wahrnehmung seiner umfassenden Haftprüfungskompetenz darüber zu befinden, ob alle formellen und inhaltlichen Voraussetzungen einer Anhaltung des Bf vorerst zutreffen (VfGH vom 4.10.1993, B364/93-7).

Aufgrund der gerichtlichen Verurteilungen des Bf hat daher die Behörde zu Recht die Annahme als gerechtfertigt angesehen, daß der weitere Aufenthalt des Bf die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, weshalb ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist. Selbst im Hinblick auf die Lebenssituation des Bf scheint unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 20 Abs.1 FrG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht unzulässig, insbesondere da der Bf geschieden ist und seine Kinder großjährig bzw von seiner geschiedenen Ehegattin versorgt werden. War aber die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtlich möglich, so ist gemäß § 41 Abs.1 FrG die Anhaltung in Schubhaft aus diesem Grunde zulässig. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß die Inschubhaftnahme auch deshalb gerechtfertigt ist, weil die Prognose, daß sich der Bf angesichts der zu erwartenden fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen gegen ihn durch ein Untertauchen in der Anonymität dem Zugriff der Behörde zu entziehen versuchen wird, naheliegend ist.

Die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung bzw zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erweist sich daher als rechtmäßig. In diesem Zusammenhang schadet es auch nicht, daß diese Begründung im Schubhaftbescheid der belangten Behörde keinen Niederschlag findet, weil die Beschwerde gemäß § 51 FrG systematisch besehen ein Haftprüfungsverfahren darstellt, in dem der unabhängige Verwaltungssenat in erster Linie die materielle Rechtmäßigkeit der Anhaltung zu beurteilen hat.

5. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus dem übersetzten Auszug aus dem Geburtenmatrikel, ist ersichtlich, daß der Bf Staatsbürger der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFR Jugoslawien) und der Sozialistischen Republik Mazedonien (SR Mazedonien) war, wobei seine Heimatgemeinde Makedonski Brod in Mazedonien ist. Er hat auch dort am 30. Mai 1975 die (nunmehr geschiedene) Ehe mit C N geschlossen. Auf einem Meldezettel des Stadtamtes Ansfelden vom 6. Oktober 1993 befindet sich ein Vermerk, wonach der Bf einen Reisepaß vom (jugoslawischen?) Konsulat in Salzburg am 19. März 1993 ausgestellt erhielt. Es liegt daher im Bereich des möglichen, daß der Bf (auch) noch Staatsangehöriger von (Rest)Jugoslawien ist. Weder aus dem Akteninhalt noch aus der Beschwerde ist aber erkennbar, daß irgendein Abschiebungshindernis bzw Refoulement-Verbot einer Abschiebung nach Rest-Jugoslawien bzw Mazedonien im Wege steht. Es war daher auch aus diesen Gründen die Anhaltung in Schubhaft rechtmäßig.

Insgesamt erweist sich somit die Schubhaftverhängung gegen den Bf im gegenständlichen Fall als rechtmäßig; die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 52 FrG iVm § 67c Abs.3 AVG abzuweisen.

6. Da weder die belangte Behörde noch der Bf einen Kostenersatzanspruch geltend gemacht haben, war über einen solchen nicht abzusprechen (VwGH vom 14.1.1993, Zl.92/18/0488).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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