Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400285/4/Ki/Shn

Linz, 23.08.1994

VwSen-400285/4/Ki/Shn Linz, am 23. August 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Beschwerde des R S J, indischer Staatsangehöriger, vertreten durch Rechtsanwalt vom 17. August 1994, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Schärding, zu Recht erkannt:

I: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird gleichzeitig festgestellt, daß die zum Zeitpunkt der Entscheidung für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Anhaltung rechtmäßig ist.

II: Der Kostenersatzantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde (Bund) die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in Höhe von S 376,66 binnen 14 Tagen ab der Zustellung des Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 51 Abs.1 und § 52 Abs.1, 2 und 4 Fremdengesetz - FrG, BGBl.Nr.838/1992, iVm § 67c Abs.1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG zu II: §§ 74 und 79a AVG Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Schriftsatz vom 17. August 1994, beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangt am 18. August 1994, wurde Beschwerde gegen die Inschubhaftnahme und die Anhaltung in Schubhaft erhoben und beantragt festzustellen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Inschubhaftnahme und weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen, sohin diese Rechtsvorgänge rechtswidrig sind bzw waren, sowie zu erkennen, der Bund (Bundesminister für Inneres) sei schuldig, dem Beschwerdeführer (im folgenden Bf) die Kosten des Beschwerdeverfahrens im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu Handen des Beschwerdeführervertreters zu bezahlen.

I.2. In der Beschwerdebegründung wird ausgeführt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft nach den §§ 41 ff FrG nicht vorliegen. Dies schon deshalb, da keine Fluchtgefahr besteht. Der Bf stehe in einem laufenden Asylverfahren und habe nicht die Absicht, durch ein Untertauchen den positiven Ausgang seines Asylverfahrens zu gefährden. Im übrigen hätte er anstatt in Schubhaft vielmehr in die Bundesbetreuung übernommen werden müssen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt wären. Mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erweise sich die über ihn aufrechterhaltene Schubhaft als gesetzwidrig.

Dazu komme die in seinem Fall gegebene Anwendbarkeit des Rückschiebungsverbotes infolge der ihm drohenden Nachteile in Indien. Sei das Rückschiebungsverbot anwendbar, erweise sich nach ständiger Rechtsprechung der Asylbehörden die Anhaltung in Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung ebenfalls als rechtswidrig.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und beantragt, die Beschwerde abzuweisen sowie den pauschalierten Aufwandersatz zuzusprechen. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, daß der Bf am 17. August 1994 wegen seines Gesundheitszustandes (Hungerstreik) von der Justizanstalt Ried/I in das Krankenhaus Ried/I stationär überstellt wurde.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den vorliegenden Verwaltungsakt Einsicht genommen und festgestellt, daß der Sachverhalt in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 52 Abs.1 Z1 FrG unterbleiben.

I.5. Es ergibt sich nachstehender im wesentlichen für die Entscheidung relevanter Sachverhalt:

Der Bf ist indischer Staatsangehöriger und gehört laut seinen Angaben der Volksgruppe der Sikh an. Er reiste mit Hilfe eines - offensichtlich gefälschten - indischen Reisepasses am 10. Februar 1994 von New Dehli nach Rom. Dort besorgte er sich sodann gefälschte portugisische Papiere, nämlich einen Paß, eine ID-Karte und ein Familienstammbuch und versuchte dann nach etwa dreimonatigem Aufenthalt in Italien am 12. Juli 1994 illegal nach Frankreich zu gelangen. Nachdem er an der (französischen) Grenze festgenommen und nach Italien zurückgeschoben wurde, versuchte er bereits am 13. Juli 1994 in die Schweiz einzureisen, was aber ebenfalls nicht gelungen ist. In der Folge reiste er am 13. Juli 1994 per Bahn von Venedig kommend nach Österreich ein und weiter bis Wien. Bei der Einreise wies er sich mit seinem gefälschten Reisepaß aus und wurde bei der Grenzkontrolle nicht beanstandet. Am 14. Juli 1994 wollte der Bf im Schnellzug "Donaukurier" gegen 02.00 Uhr bei der Grenzkontrolle Passau-Bahnhof unerlaubt in die BRD ausreisen. Bei der deutschen Einreisekontrolle wurde der Ausweismißbrauch festgestellt und er wurde um ca 16.05 Uhr des 14. Juli 1994 von Organen der Zollwache Passau-Bahnhof Beamten des Gendarmeriepostens Schärding übergeben.

Der Bf besitzt nach seinen Angaben derzeit keinerlei Dokumente, einen indischen Paß hat er an seinem Arbeitsplatz in Indien verwahrt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 14. Juli 1994, Sich 41-412-1994, wurde gegen den Bf die Schubhaft angeordnet, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw die Abschiebung zu sichern.

Begründet wurde diese Maßnahme damit, daß ernsthaft die Gefahr bestehe, daß er sich bei einer Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft dem Zugriff der Behörden entziehen und dadurch die beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen verhindern würde. Die gegenständliche fremdengesetzliche Maßnahme sei notwendig, um die wahre Identität feststellen zu können, von der Vertretungsbehörde ein Heimreisezertifikat anzufordern, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und letztlich in der Folge eine Abschiebung in das Heimatland vorzunehmen. Zum Vollzug der Schubhaft wurde der Rechtsmittelwerber in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Ried/I eingeliefert.

Am 20. Juli 1994 wurde der Bf im Rechtshilfeweg durch die Bezirkshauptmannschaft Ried/I zur Wahrung des Parteiengehörs hinsichtlich Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und Abschiebung einvernommen. Er hat anläßlich dieser Einvernahme ausdrücklich einen Asylantrag gestellt und weiters die Feststellung, daß die Abschiebung nach Indien unzulässig ist, beantragt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Juli 1994, Zl.9402.540-Bal, wurde der Antrag auf Gewährung von Asyl abgewiesen und gleichzeitig die aufschiebende Wirkung der Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug ausgeschlossen.

Weiters hat die Bezirkshauptmannschaft Schärding mit Bescheid vom 5. August 1994, Sich 41-412-1994, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen. Auch hier wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung spruchgemäß ausgeschlossen.

Bereits mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 2. August 1994 wurde die Konsularabteilung der Botschaft von Indien dahingehend informiert, daß beabsichtigt sei, den Bf nach Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in sein Heimatland abzuschieben. Gleichzeitig wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt.

I.6. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs.1 FrG hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 leg.cit.).

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 52 Abs.4 leg.cit.).

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde die Rechtswidrigkeit der Inschubhaftnahme sowie der Anhaltung in Schubhaft behauptet. Die Beschwerdevoraussetzungen sind erfüllt. Die Beschwerde ist daher zulässig, aber nicht begründet.

Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

Der der Schubhaft zugrundeliegende Schubhaftbescheid wurde gemäß § 41 Abs.1 und 2 FrG iVm § 57 Abs.1 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw zur Sicherung der Abschiebung erlassen und stützt sich ua darauf, daß der Bf mit einem total gefälschten portugisischen Reisepaß in das Bundesgebiet eingereist ist.

Er habe keinen eigenen, gültigen Nationalpaß mit erforderlichem österreichischem Sichtvermerk bzw österreichischer Aufenthaltsgenehmigung vorweisen können und halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Auch habe er keinen Wohnsitz und keine sonstigen wie immer gearteten Bindungen im Bundesgebiet. Das Vorweisen des gefälschten portugisischen Reisepasses zwecks Einreise in das Bundesgebiet stellt - zumindest - schlüssig eine unrichtige Angabe über die Person des Bf gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen dar, weshalb das von der belangten Behörde in Aussicht genommene Aufenthaltsverbot nicht von vornherein unzulässig erscheint (§ 18 Abs.2 Z6 FrG).

Was nun die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung des beabsichtigten Aufenthaltsverbotes anbelangt, so ist festzuhalten, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die illegale Einreise bzw der unrechtmäßige Aufenthalt für die Annahme, der Fremde werde sich dem fremdenpolizeilichen Zugriff entziehen bzw diesen zumindest erschweren, ausreicht (vgl VwGH 17.6.1993, 93/18/0078).

Darüber hinaus läßt die Verwendung von gefälschten Ausweispapieren schlechthin auf eine nicht mit den rechtlichen Werten verbundene Gesinnung schließen. Aus den dargelegten Gründen war sohin nicht auszuschließen, daß sich der Bf dem fremdenpolizeilichen Zugriff entzogen bzw diesen zumindest erschwert hätte und es hatte die belangte Behörde die Schubhaft zu Recht angeordnet.

Mittlerweile hat die belangte Behörde auch ein, im Hinblick auf den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, grundsätzlich durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen, diese Maßnahme steht jedoch der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegen.

Gemäß § 48 Abs.3 FrG gilt, wenn ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar wird und die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig erscheint, die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Da aus den bereits oben dargelegten Gründen auch zu befürchten ist, daß sich der Bf der Abschiebung entziehen könnte, ist zu deren Sicherung die weitere Anhaltung in Schubhaft notwendig.

Mit der Argumentation, der Bf hätte anstelle in Schubhaft in die Bundesbetreuung übernommen werden müssen, ist nichts im Sinne der Beschwerde zu gewinnen, zumal der unabhängige Verwaltungssenat für diese Angelegenheit nicht zuständig ist. Darüber hinaus wurde der Asylantrag des Rechtsmittelwerbers bereits unter Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung abgewiesen und besteht überdies kein Rechtsanspruch auf die Bundesbetreuung (§ 1 Abs.3 Bundesbetreuungsgesetz).

Was die Anwendbarkeit des Refoulement-Verbotes (§ 37 FrG) betrifft, so kommt diesbezüglich dem unabhängigen Verwaltungssenat nach der geltenden Rechtslage keine Sachentscheidungsbefugnis zu. Der Bf hat im Zuge des Verfahrens zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes einen Antrag auf Feststellung gestellt, daß seine Abschiebung nach Indien unzulässig sei (§ 54 Abs.1 FrG). Gemäß den §§ 65 Abs.1 und 70 Abs.1 FrG sind für die Sachentscheidung in diesen Angelegenheiten die Fremdenpolizeibehörden (bzw Sicherheitsdirektionen als Berufungsbehörden) vorgesehen.

Die gesetzwidrige Inanspruchnahme einer solchen Entscheidungskompetenz würde eine Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter gemäß Art.83 Abs.2 B-VG darstellen.

Da es dem unabhängigen Verwaltungssenat im Bereich des Sonderverfahrens nach § 54 FrG bereits an der abstrakten Kompetenz zur Entscheidung fehlt, hat der VfGH in seinem Erkenntnis vom 4.10.1993, B 364/93-7, ausgesprochen, daß nach der Rechtslage des Fremdengesetzes nur für jene Fälle, in denen die Möglichkeit der Antragstellung iSd § 54 Abs.1 FrG nicht bestand, hinsichtlich der Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates zur Prüfung des Refoulement-Verbotes sinngemäß die Erwägungen des Erkenntnisses vom 19.6.1993, B 1084/92-6, auf der Grundlage des Fremdenpolizeigesetzes gelten.

Damit war auf dieses Beschwerdevorbringen nicht näher einzugehen.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß der Bf durch die Verhängung der Schubhaft nicht in seinen Rechten verletzt wurde und derzeit auch aus der Aktenlage keine Umstände ersichtlich sind, wonach die Schubhaft bisher unangemessen lange dauern würde oder der belangten Behörde unangemessene Verzögerungen anzulasten wären. Unabhängig vom Interesse an einer Sicherung der Abschiebung ist die weitere Anhaltung in Schubhaft auch notwendig, weil über den Antrag des Bf gemäß § 54 FrG noch nicht rechtskräftig entschieden wurde bzw weil er auch die für die Einreise in seinen Heimatstaat erforderliche Bewilligung noch nicht besitzt. Es liegen demnach auch die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II:

Der belangten Behörde war als obsiegender Partei antragsgemäß der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten iSd § 52 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG für den Aktenvorlageaufwand zuzusprechen. Dabei ist nach ständiger Judikatur des VwGH von einem Ansatz in Höhe von zwei Drittel des Pauschalkostenersatzes vor dem VwGH (BGBl.Nr.416/1994, Art.IB Z4 und 5) auszugehen. Dem unterlegenen Bf waren keine Kosten zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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