Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400304/4/Le/La

Linz, 28.10.1994

VwSen-400304/4/Le/La Linz, am 28. Oktober 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Manfred Leitgeb über die Beschwerde des M M (alias B M), Staatsbürger von Bangladesh, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Schärding im Polizeigefangenenhaus Klagenfurt, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, daß zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Rechtsgrundlage:

§§ 51 Abs.1, 52 Abs.1, 2 und 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idF BGBl.Nr. 110/1994, iVm § 67c Abs.1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 16.10.1994, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 24.10.1994, erhob Herr M M (alias B M), Staatsangehöriger von Bangladesh, Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft und beantragte die unverzügliche Entlassung aus der Schubhaft.

In der Begründung dazu führte er aus, daß der Schubhaftbescheid insoweit rechtswidrig sei, als eine Abschiebung nicht erreicht werden könnte, weil die Botschaft seines Heimatlandes keine Heimreisezertifikate ausstelle und er keinen Reisepaß besitze. Als Beweis könne er den Schriftverkehr eines Rechtsbeistandes vorlegen, dem im Jahre 1992 eine Reisegruppe aus Bangladesh mit neun Personen überantwortet werden sollte, die jedoch trotz eifrigen Bemühens der Fremdenpolizei Klagenfurt keine Heimreisezertifikate bekommen hätten und daher nach Ablauf der Schubhaftfrist freigelassen wurden (es wird angemerkt, daß dieser Schriftverkehr nicht vorgelegt wurde!).

Auch vier Landsleute, die im vergangenen Jahr in Klagenfurt sechs Monate in Schubhaft gehalten wurden, hätten keine Heimreisezertifikate bekommen und wären daher nach sechs Monaten freigelassen worden.

Ein weiterer Beweis dafür sei darin zu sehen, daß in der Woche vom 4. bis 7.10. der Botschafter trotz seines angekündigten Besuches nicht gekommen wäre und auch nicht in der folgenden Woche. Es sei daher anzunehmen, daß auch in seinem Fall kein Heimreisezertifikat ausgestellt würde.

Weiters führte er aus, daß er sich am 6.10.1993 an einer politischen Demonstration beteiligt hätte und daraufhin von der Polizei gesucht worden wäre, da ein Demonstrationsteilnehmer dabei getötet worden wäre. Er sei geflüchtet, da er für diesen Tod verantwortlich gemacht worden wäre.

Er beantragte daher, den Schubhaftbescheid vom 26.7.1994 für rechtswidrig zu erklären, da das Ziel, nämlich die Abschiebung, nicht erreicht werden könne und ein Aufenthaltsverbot bereits ausgesprochen worden sei und weiters, die derzeitige Anhaltung für rechtswidrig zu erklären.

Auf Grund seiner beschränkten Mittel bat er höflichst, von der Einforderung von Bundesstempelmarken, Schriftsatzaufwand, Vorlageaufwand usw. Abstand zu nehmen.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat mitgeteilt, daß sich der Beschwerdeführer in Schubhaft im Polizeigefangenenhaus Klagenfurt befindet. Sie hat weiters mitgeteilt, daß sich der Verwaltungsakt derzeit bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zur Berufungsentscheidung betreffend das verhängte Aufenthaltsverbot befindet.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich hat daraufhin kurzfristig den Akt vorgelegt.

Da keine Gegenschrift erstattet wurde und kein Kostenaufwandersatz beantragt wurde, konnte die diesbezügliche Entscheidung entfallen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in die vorgelegten Akten Einsicht genommen und festgestellt, daß der Sachverhalt in den entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit den Ausführungen in der Beschwerde ausreichend geklärt ist.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gem. § 52 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben.

4. Es ergibt sich daraus im wesentlichen folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

4.1. Der Beschwerdeführer wurde am 7.8.1974 in Bangladesh geboren und besitzt auch die dortige Staatsbürgerschaft. Er nahm am 6.10.1993 an einer politischen Demonstration teil, bei der eine Person erschossen wurde. Am 7.10.1993 wurde er deshalb von der Polizei zu Hause gesucht. Zu diesem Zeitpunkt hielt er sich jedoch bei Freunden versteckt und entschloß sich in der Folge zur Flucht aus Bangladesh. Er flüchtete am 17.11.1993 mit dem Autobus von seiner Heimatstadt Dhaka nach Calkutta, von wo aus er am 19.1.1994 per Flugzeug nach Moskau gelangte. In Moskau hielt er sich fünfeinhalb Monate auf und fuhr dann nach Kisinov, von wo aus er mit einem Schlepper nach Rumänien gelangte. Nach einem ca. fünfwöchigen Aufenthalt in Bukarest kam er durch einen anderen Schlepper, versteckt in einem griechischen LKW mit 36 anderen Personen, nach Österreich, wo er am 24.7.1994 illegal einreiste. Bei der Ausreise am 25.7.1994 wurde er durch Organe des Zollamtes Suben aufgegriffen und festgenommen. Bei der Festnahme verfügte er an Barmittel über 80 US $, jedoch über kein gültiges Reisedokument (kein Reisepaß und kein Sichtvermerk). Er gab an, in Österreich keine Unterkunft und keine Familienangehörigen zu haben und bisher in Österreich keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein. Seinen Reisepaß hätte er dem rumänischen Schlepper gegeben.

4.2. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding verhängte mit Bescheid vom 26.7.1994, Sich41-470-1994, die Schubhaft, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie die Abschiebung zu sichern.

Der Bf. wurde sodann dem Polizeigefangenenhaus Klagenfurt zum Vollzug der Schubhaft vorgeführt, wo er sich derzeit noch befindet.

4.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes Graz vom 18.8.1994, Zl.

94 02.870-BAG, wurde der Asylantrag des nunmehrigen Bf. vom 10.8.1994 abgewiesen; einer allfälligen Berufung wurde im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Ob dieser Bescheid rechtskräftig ist, kann dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht entnommen werden.

4.4. Mit Bescheid vom 22.9.1994, Zl. Sich41-470-1994-Hol, verhängte die Bezirkshauptmannschaft Schärding ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich; einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. In der Begründung dazu wurde nach einer Wiedergabe des wesentlichen Sachverhaltes darauf hingewiesen, daß der nunmehrige Bf. gegen Bestimmungen des Fremdengesetzes verstoßen habe, keine familiären Bindungen und keine Unterkunft in Österreich habe und den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermöge, sodaß die Annahme nahe liege, daß er sich auch in Zukunft strafbarer Handlungen bedienen werde, um für seinen Unterhalt zu sorgen.

Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Berufung erhoben, über die jedoch noch nicht entschieden ist.

4.5. Am 22.9.1994 wurde dem nunmehrigen Bf. niederschriftlich mitgeteilt, daß bis dato von seiner Botschaft kein Rückreisezertifikat ausgestellt wurde, weshalb die Schubhaft über zwei Monate hinaus ausgedehnt werden muß.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 51 Abs.1 Fremdengesetz (FrG), BGBl.Nr. 838/1992 idF 110/1994, hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 leg.cit.).

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich.

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde im wesentlichen die Rechtswidrigkeit der Inschubhaftnahme und der Anhaltung behauptet und die Feststellung begehrt, daß die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht vorliegen.

Die Beschwerdevoraussetzungen sind erfüllt, die Beschwerde ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

5.2. Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gem. § 57 AVG anzuordnen.

5.3. Auf Grund des unter Punkt 4. dargestellten Sachverhaltes steht fest, daß - der Beschwerdeführer am 24.7.1994 unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne Reisedokument in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, - die Bezirkshauptmannschaft Schärding ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zwei Jahren erlassen hat, einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde und der Beschwerdeführer beauftragt wurde, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen, und - der Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers abgewiesen und einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

Es obliegt dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht, die Erfolgsaussichten der Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot zu beurteilen. Er ist vielmehr gehalten zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nach wie vor aufrecht sind. Da dies hier zutrifft, ist der erkennende Verwaltungssenat daran gebunden (siehe hiezu auch VwGH vom 28.10.1993, 93/18/0372).

Wenn der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen würde, wäre es ihm in Ermangelung eines gültigen Reisedokumentes nicht möglich, legal das österreichische Bundesgebiet zu verlassen, zumal gemäß § 2 Abs.1 FrG Fremde auch für die Ausreise einen gültigen Reisepaß bzw. ein anderes gültiges Reisedokument haben müssen. Über ein solches verfügt der Beschwerdeführer nicht, zumal er angeblich seinen Reisepaß einem rumänischen Schlepper gegeben hat.

5.4. Zu den Ausführungen in der Beschwerde ist folgendes festzustellen:

Dem Vorbringen, daß die Botschaft seines Heimatlandes keine Heimreisezertifikate ausstelle, sodaß das Ziel gem. § 48 Abs.2 FrG nicht erreicht werden könnte, ist entgegenzuhalten, daß in dieser Gesetzesbestimmung lediglich geregelt ist, daß die Schubhaft nur so lange aufrechterhalten werden darf, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Weiters, daß sie außer den Fällen des Abs.4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern darf.

Ziel der verhängten Schubhaft ist im vorliegenden Fall die Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes, das bereits verhängt ist und bei dessen Verhängung die aufschiebende Wirkung der Berufung ausgeschlossen wurde. Dadurch wurde dieser Bescheid sofort vollstreckbar. Ein weiteres Ziel war die beabsichtigte Abschiebung in das Heimatland des Beschwerdeführers. Diese Gründe liegen nach wie vor vor, sodaß sie nicht "weggefallen" sind iSd § 48 Abs.2 FrG. Der Umstand, daß in einer Reihe von anderen Fällen seitens des Staates Bangladesh keine Heimreisezertifikate ausgestellt worden sind, berechtigt die Behörde nicht, auch im vorliegenden Einzelfall davon auszugehen, daß kein Heimreisezertifikat ausgestellt werde. Vielmehr ist die Behörde verpflichtet, ein derartiges Zertifikat zu beantragen.

Auch der weiters vorgebrachte Grund, daß der Beschwerdeführer wegen der Teilnahme an einer Demonstration von der Polizei gesucht werde, berechtigt die Behörde noch nicht zur Entlassung aus der Schubhaft. Es handelt sich hier vielmehr um einen Antrag gem. § 54 Fremdengesetz, der jedoch gem. § 54 Abs.2 FrG während des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur bei der Behörde eingebracht werden kann, nicht jedoch beim unabhängigen Verwaltungssenat. Der erkennenden Behörde ist daher eine Entscheidung darüber versagt.

5.5. Da weder vom Bf. noch von der belangten Behörde Kosten beansprucht wurden, entfällt eine gesonderte Kostenentscheidung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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