Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400305/4/Gf/Km

Linz, 08.11.1994

VwSen-400305/4/Gf/Km Linz, am 8. November 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des M vertreten durch RA, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als festgestellt wird, daß der Beschwerdeführer durch die verfahrensgegenständliche Festnahme und Anhaltung vom 19. Oktober 1994 bis zum 24. Oktober 1994 in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurde; im übrigen wird diese hingegen abgewiesen und festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Der Bund (der Bezirkshauptmann von Schärding) hat dem Beschwerdeführer Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung in Höhe von 7.533,30 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 52 Abs. 4 FrG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt zugrunde:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, hat am 15. Oktober 1994 ohne im Besitz gültiger Reisedokumente oder eines sonstigen Identitätsnachweises zu sein das Bundesgebiet betreten. Am 19. Oktober 1994 wurde er bei dem Versuch, mit seinem Bruder das Bundesgebiet über die Grenze nach Deutschland zu verlassen, betreten, von Grenzkontrollorganen festgenommen und dem Bezirkshauptmann von Schärding zur fremdenpolizeilichen Behandlung vorgeführt.

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 19. Oktober 1994, Zl. Sich41-712-1994-Hol, wurde über den Beschwerdeführer zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in die Justizanstalt Ried sofort vollzogen.

1.3. Am 24. Oktober 1994 hat der Beschwerdeführer einen Asylantrag sowie gemäß § 54 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr.

838/1992 (im folgenden: FrG), einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung in den Iran gestellt.

2.1. Die belangte Behörde führt im oben unter 1.2. angeführten Schubhaftbescheid begründend aus, daß die Schubhaft vornehmlich deshalb zu verhängen gewesen sei, weil sich der Beschwerdeführer seit seiner Einreise am 15. Oktober 1994 illegal im Bundesgebiet aufhalte, seine wahre Identität nicht feststellbar sei, er nicht über die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel bzw. über eine Unterkunft verfüge sowie das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und seine Abschiebung in den Iran auf eine andere wirksame Weise nicht gesichert werden könne.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß der Umstand, daß seine beabsichtigte Abschiebung in den Iran gegen das "refoulement"-Verbot des § 37 Abs. 1 und 2 FrG verstoßen würde, eine Schubhaftverhängung von vornherein ausschließe. Außerdem sei er nicht bereits bei seiner Festnahme, sondern erst im Zuge der 5 Tage später erfolgten behördlichen Einvernahme über die Gründe seiner Anhaltung in einer ihm verständlichen Sprache informiert worden.

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung bzw. deren Aufhebung beantragt.

2.3. Die belangte Behörde hat die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Schärding zu Zl.

Sich-41-712-1994; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 52 Abs. 2 Z. 1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1.

dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 51 FrG hat ua. derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung anzurufen.

Nach § 41 Abs. 1 FrG können Fremde in Schubhaft angehalten werden, wenn dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Gemäß § 48 Abs. 2 FrG darf die Schubhaft nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

4.2. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer im Zuge seiner Einvernahme durch die belangte Behörde (vgl. die Niederschrift der BH Schärding vom 24. Oktober 1994, Zl.

Sich41-234-1994, S. 2 und 3) keinen Zweifel daran offen gelassen, daß er nicht gewillt ist, in seinen Heimatstaat Iran zurückzukehren. Es ist daher auch nicht zu erwarten, daß er im Falle seiner Enthaftung das Bundesgebiet freiwillig verlassen wird bzw. wäre er dazu in Ermangelung entsprechender Reisedokumente auch gar nicht berechtigt.

Da auch seine Identität bislang nicht durch amtliche Dokumente erwiesen ist, liegt es auf der Hand, daß es für den Beschwerdeführer ein Leichtes wäre, im Falle seiner Ent lassung aus der Schubhaft in der Anonymität unterzutauchen und dadurch die gegen ihn beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu vereiteln bzw. zumindest zu erschweren. Da er überdies über keine Unterkunftsmöglichkeit und kaum über finanzielle Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfügt (Barmittel in Höhe von lediglich 20 S und 104 DM), liegt auch die Vermutung nahe, daß er sich diese durch rechtswidrige Verhaltensweisen (Diebstahl, Schwarzarbeit, etc.) anzueignen versuchen müßte.

Aus allen diesen Gründen ist daher evident, daß es im gegenständlichen Fall geboten war, über den Beschwerdeführer zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens die Schubhaft zu verhängen und diese bis zu dessen Abschluß weiterhin aufrechtzuerhalten.

4.3. Die vom Beschwerdeführer hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung ins Treffen geführten Einwände vermögen demgegenüber nur teilweise zu überzeugen.

4.3.1. Was zunächst die Behauptung des Beschwerdeführers, daß die beabsichtigte Abschiebung in seinen Heimatstaat gegen das "refoulement"-Verbot des § 37 Abs. 1 und 2 FrG verstoße, betrifft, so ist er darauf zu verweisen, daß die Prüfung dieser Frage nicht dem Oö. Verwaltungssenat im Rahmen einer Schubhaftbeschwerde, sondern - im Hinblick auf dessen am 24. Oktober 1994 anläßlich seiner behördlichen Einvernahme erfolgte Antragstellung - gemäß § 54 FrG der belangten Behörde im Rahmen des fremdenpolizeilichen Verfahrens obliegt.

4.3.2. Der Beschwerdeführer ist jedoch insofern im Recht, als er vorbringt, daß er nicht dem Erfordernis des Art. 4 Abs. 6 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), entsprechend "ehestens, womöglich schon bei seiner Festnahme" in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Inhaftierung unterrichtet worden ist. Wie nämlich bereits der im Akt erliegenden Meldung des die Festnahme vornehmenden Grenzkontrollorganes vom 19. Oktober 1994 zu entnehmen ist, war eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer "nur bedingt möglich und beschränkte sich diese auf die angeführten Personaldaten". Auch aus dem dem Beschwerdeführer persönlich ausgehändigten Schubhaftbescheid bzw. aus dessen Beilagen geht nicht hervor, daß er aus diesem Anlaß über die Gründe seiner Inhaftierung informiert worden wäre. Wenn eine entsprechende Unterrichtung tatsächlich vielmehr erstmals fünf Tage später bei der behördlichen Einvernahme am 24. Oktober 1994 erfolgte, so kann nicht gefunden werden, daß damit dem Verfassungsauftrag des Art. 4 Abs. 6 PersFrSchG entsprochen wurde, weil nach der Aktenlage keine Gründe dafür ersichtlich sind, daß diese behördliche Einvernahme bzw. zumindest die Beiziehung eines Dolmetschers nicht auch schon am Tag der Festnahme (einem Donnerstag) oder wenigstens noch vor dem Wochenende hätte erfolgen können, sondern erst am folgenden Montag vorgenommen werden mußte. Wie nämlich der Verfassungsgerichtshof jüngst ausgesprochen hat (vgl. B 46/94 u.a.

vom 10.10.1994), stellt die Information über die Festnahmegründe nicht nur eine konstitutive Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Festnahme und/oder Anhaltung dar, sondern hat die Behörde auch entsprechende Vorkehrungen zu treffen, damit dieser Grundrechtsverbürgung eine entsprechende Effektivität zuteil werden kann (vgl. in diesem Sinne VfGH v.

4.10.1994, B 1847/93).

4.4. Bei dieser Sachlage daher der vorliegende Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG insofern stattzugeben, als festzustellen war, daß der Beschwerdeführer durch die verfahrensgegenständliche Festnahme und Anhaltung vom 19. Oktober 1994 bis zum 24. Oktober 1994 in seinem durch Art. 4 Abs. 6 PersFrSchG (bzw. Art. 5 Abs. 2 MRK) verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurde; im übrigen war diese hingegen abzuweisen und unter einem gemäß § 52 Abs. 4 FrG festzustellen, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79a AVG antragsgemäß Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung in Höhe von 7.533,30 S (beantragte Höhe des Schriftsatzaufwandersatzes: 7.413,30 S; Stempelgebührenersatz: 120 S) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. G r o f

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