Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-102739/3/Br/Bk

Linz, 10.05.1995

VwSen-102739/3/Br/Bk Linz, am 10. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer unter dem Vorsitz von Dr.

Langeder sowie den Berichter Dr. Bleier und den Beisitzer Dr. Guschlbauer über die Berufung des Herrn Rudolf R, U, vertreten durch Dr. W D und Dr. H M, Rechtsanwälte, K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr Umgebung vom 21. März 1995, Zl. VerkR96-970-1995-OJ/HA, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe F o l g e gegeben, als a) in beiden Fällen die Bestrafung nicht nach "§ 99 Abs.2 lit.c iVm § 20 Abs.2 StVO 1960" sondern nach "§ 99 Abs.3 lit.a iVm § 20 Abs.2 StVO 1960" zu erfolgen hat, b) die Geldstrafe in den Punkten 1.) und 2.) mit je 7.500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe mit je einer Woche bestimmt wird und c) der Spruch in Abänderung zu lauten hat:

"1.) Sie haben am 08.02.1995 gegen 15.02 Uhr den Pkw, Mercedes 300 E, Kennzeichen , auf der LBundesstraße B von Z.

in Richtung B gelenkt und dabei bei Str.km 25,600 die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 70 km/h überschritten (Fahrgeschwindigkeit 170 km/h). 2.) Sie haben im Anschluß daran mit dem Pkw, auf der L-Bundesstraße B von Z. kommend am Ortsanfang von B, bei Str.km 26,150, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 90 km/h (Fahrgeschwindigkeit 140 km/h)" überschritten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr.

51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG; II. Für das Berufungsverfahren entfallen die Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr - Umgebung vom 21. März 1995, Zl. VerkR96-970-1995-OJ/GA, wegen Übertretungen der StVO 1960 eine Geldstrafe von 15.000 S und im Nichteinbringungsfall 360 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 08.02.1995 gegen 15.02 Uhr den Pkw, Mercedes 300 E, Kennzeichen auf der LBundesstraße B von Z in Richtung B gelenkt und dabei unter besonders gefährlichen Verhältnissen gegen die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 verstoßen habe, da er bei Str.km 25,600 eine Geschwindigkeit von 170 km/h fuhr und dadurch trotz Gegenverkehrs die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km-h um 70 km-h überschritten sowie bei Str.km 26,150 die im Ortsgebiet B zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km-h um 90 km-h überschritten habe, indem er 140 km/h gefahren sei, wodurch die Gefahr, daß ein besonders umfangreicher und schwerer, zunächst gar nicht überblickbarer Schaden an Leib und Leben zu erwarten sowie die Wahrscheinlichkeit, daß ein Schaden eintritt, eine besonders große gewesen wäre.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde inhaltlich zu diesen Punkten folgendes aus:

"Die im Spruch angeführte Übertretung ist durch die eigene dienstliche Wahrnehmung zweier Gendarmeriebeamter, die Messung mittels Provida Anlage sowie durch Ihr eigenes Geständnis hinlänglich erwiesen.

Sie lenkten am 08.02.1995 gegen 15.02 Uhr den PKW, Mercedes Kennzeichen auf der L-Bundesstraße B von Z in Richtung B L.

Nachdem Sie auf der Freilandstraße mit einer höchstzulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h bereits über eine Strecke von 1 km eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 154,04 km/h fuhren erhöhten Sie Ihre Fahrgeschwindigkeit und fuhren bei Str.km 25,6 eine Geschwindigkeit von 170 km/h.

Bei Straßenkilometer 26,150 fuhren Sie mit 140 km/h in das Ortsgebiet B ein und überschritten dadurch die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 90 km/h. Diese Fahrgeschwindigkeit verminderten Sie auf einer Wegstrecke von etwa 200 Metern auf 100 km/h und passierten den Schutzweg im Ortsgebiet B, bei Str.km 26,490 mit einer Geschwindigkeit von 73 km/h.

Gemäß § 99 Abs.2 lit.c StV0.1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 500,-bis S 30.000,-- zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges z.B. beim Überholen als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt. Besonders gefährliche Verhältnisse liegen dann vor, wenn die Tat unter Umständen begangen wird, unter denen nach allgemeiner Erfahrung der Eintritt eines besonders umfangreichen und schweren zunächst gar nicht überblickbaren Schadens an Leib und Leben zu erwarten ist oder wenn die Wahrscheinlichkeit, daß ein Schaden eintritt eine besonders große ist.

Auf Grund des Umstandes, daß Sie trotz Gegenverkehrs eine Geschwindigkeit von 170 km/h fuhren und auch ins Ortsgebiet mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h einfuhren, obwohl dort Ausfahrten sind und auf Grund der Tageszeit auch mit Kindern gerechnet werden mußte, steht zweifelsfrei fest, daß Sie unter besonders gefährlichen Verhältnissen gegen die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung verstoßen haben.

Bei erwiesenem Tatbestand war spruchgemäß zu entscheiden.

Da diese Übertretung unter Strafsanktion gestellt ist, war mit Bestrafung vorzugehen. Die Strafbemessung erfolgte entsprechend den Bestimmungen des § 19 VSTG. 1991 unter Berücksichtigung Ihrer aktenkundigen Einkommens-, Vermögensund Familienverhältnisse. Der Unrechtsgehalt der Übertretung sowie das Ausmaß Ihres Verschuldens mußten der Strafbemessung zu Grunde gelegt werden. Mildernde Umstände traten im Verfahren nicht zu Tage. Erschwerend war das gravierende Ausmaß der Überschreitungen zu werten. Durch derartige Übertretungen wird die Verkehrssicherheit enorm gefährdet. Zur Hintanhaltung bleibt der Behörde im Interesse der Sicherheit im Straßenverkehr gar keine andere Wahl als Sie durch angemessene Bestrafung zu einem ordnungsgemäßen Verhalten zu bewegen. Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

2. In der dagegen fristgerecht durch den Rechtsvertreter erhobenen Berufung führt der Berufungswerber zu den hier verfahrensgegenständlichen Punkten folgendes aus:

"In außen bezeichneter Verwaltungsstrafsache teilt Rudolf R mit, daß er mit seiner Vertretung die Herren Dr. W D und Dr.

H M, Rechtsanwälte in K, beauftragt hat.

In einem erhebt Rudolf R gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21.3.1995, GZ:

VerkR96-970-1995-0J/GA, zugestellt am 24.3.1995, binnen offener Frist durch seine ausgewiesenen Vertreter das Rechtsmittel der B E R U F U N G an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, Fabrikstraße 32, 4020 Linz, und führt dieses wie folgt aus:

Das oben bezeichnete Straferkenntnis wird in seinem gesamten Inhalt angefochten. Als Berufungsgründe werden geltend gemacht:

1. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschrifen:

Unter diesem Berufungsgrund wird gerügt, daß die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können:

a) Gemäß § 56 AVG hat die Behörde vor Erlassung eines Bescheides den maßgebenden Sachverhalt festzustellen.

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren bezog sich durchwegs auf die dem Beschuldigten vorgeworfene Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit. Dem Beschuldigten wird in dem angefochtenen Straferkenntnis allerdings auch vorgeworfen, die Geschwindigkeitsüberschreitung unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen zu haben. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergab allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Geschwindigkeitsüberschreitung unter besonders gefährlichen Verhältnissen stattgefunden hätte. In der Anzeige des LGK für Oberösterreich sind im Hinblick auf die Frage, ob besonders gefährliche Verhältnisse vorgelegen sind, lediglich angeführt, daß im Tatzeitpunkt im unmittelbaren Bereich des Schutzweges keine weiteren Straßenbenützer vorhanden waren, die Fahrbahn trocken war.

Diese Ermittlungsergebnisse deuten eher darauf hin, daß besonders gefährliche Verhältnisse nicht vorgelegen sind. In diesem Zusammenhang wäre in rechtlicher Hinsicht darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung des VWGH auch eine extreme Geschwindigkeitsüberschreitung nicht ausreicht, um "besonders gefährliche Verhältnisse" annehmen zu können (vergl. ZVR 6/1991, ZVR 41/1992). Es muß daher zum Verstoß gegen eine Geschwindigkeitsbeschränkung noch ein weiteres, die besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse begründendes Sachverhaltselement hinzutreten.

Die von der Behörde durchgeführten Ermittlungen reichen jedoch nicht aus, um ein derartiges zusätzliches Sachverhaltselement annehmen zu können, sondern deuten eher darauf hin, daß besonders gefährliche Verhältnisse im Tatzeitpunkt nicht vorgelegen sind.

Aufgrund des von der Behörde erster Instanz durchgeführten Ermittlungsverfahrens und dessen Ergebnisse hätte allenfalls - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - eine Bestrafung des Beschuldigten nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO erfolgen dürfen. Für eine Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. c wurde aber der maßgebende Sachverhalt nicht genügend ermittelt, um zu einem Schuldspruch nach dieser Bestimmung gelangen zu können.

Wenn in der Begründung des Straferkenntnisses angeführt ist, daß "im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten und Verhältnisse das Fahren mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h im Ortsgebiet eine wesentlich Erhöhung der Unfallgefahr" darstellt, so ist diese Feststellung durch das durchgeführte Beweisverfahren nicht gedeckt, da eine Ermittlung über die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten nicht durchgeführt wurde.

Im tatgegenständlichen Bereich der B 126 ist die Fahrbahn sehr gut ausgebaut und weist auch eine entsprechende Breite auf. Sämtliche Zufahrten in die B 126 sind übersichtlich und kann eine Annäherung von Fahrzeugen an die B 126 selbst bei Einhalten von einer Geschwindigkeit von 170 km/h bzw. 140 km/h bei Beginn des Ortsgebietes auf herannahende Fahrzeuge ohne weiteres rechtzeitig reagiert und die Fahrgeschwindigkeit entsprechend vermindert werden.

Gegenverkehr hat im Vorfallszeitpunkt abgesehen von einem einzelnen Fahrzeug, welches bereits weit vor dem Beschuldigten nach links abgebogen ist, nicht geherrscht.

Auch befanden sich in dem an die B 126 angrenzenden Bereich keinerlei Personen, welche die Fahrbahn überraschend betreten hätten können. Hätten sich in diesem Bereich tatsächlich Personen befunden, so wären diese für den Beschuldigten jederzeit rechtzeitig wahrzunehmen gewesen.

Hätte die Behörde auch zur Frage, ob besonders gefährliche Verhältnisse vorgelegen sind, die entsprechenden Ermittlungsschritte gesetzt, so wäre jedenfalls hervorgekommen, daß eine besonders gefährliche Tathandlung vom Beschuldigten nicht gesetzt wurde, weshalb eine Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO nicht hätte erfolgen dürfen.

Da eine Sachverhaltsermittlung im Hinblick auf allenfalls vorgelegene besonders gefährliche Verhältnisse nicht durchgeführt wurden, liegt eine Verletzung der grundlegenden Verfahrensvorschrift des § 56 AVG vor.

b) Dem Beschuldigten wird im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, er hätte trotz Gegenverkehrs eine Geschwindigkeit von 170 km/h eingehalten. Diese Feststellung ist aktenwidrig. In der Anzeige des LGK für Oberösterreich ist angeführt, daß der Beschuldigte die von ihm eingehaltene Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h verringerte, nachdem er seinen PKW wegen eines entgegenkommenden nach links abbiegenden PKW abbremsen mußte. Daraus ergibt sich aber zwangsläufig, daß im Zeitpunkt des Gegenverkehrs die Geschwindigkeit des Beschuldigten geringer sein muß als 170 km/h, da ja ein Abbremsen erfolgt ist. Gegenteilige Ermittlungsergebnisse liegen nicht vor, weshalb die Feststellung, der Beschuldigte habe trotz Gegenverkehrs eine Geschwindigkeit von 170 km/h eingehalten, aktenwidrig ist.

c) Gemäß § 99 Abs. 6 lit. c StVO liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbare Handlung bildet. Gemäß § 89 StGB verwirklicht den Tatbestand der Gefährdung der körperlichen Sicherheit, wer unter besonders gefährlichen Verhältnissen eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeiführt und ist dieser Tatbestand mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.

Sollte der Beschuldigte daher tatsächlich die ihm vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen haben, so wäre jedenfalls zu prüfen gewesen, ob überhaupt eine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde gegeben ist. Wenn im Straferkenntnis angeführt ist, der Beschuldigte hätte trotz Gegenverkehr seine Geschwindigkeit von 170 km/h eingehalten und sei eben im Hinblick auf den herrschenden Gegenverkehr vom Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse auszugehen, so liegt jedenfalls nahe anzunehmen, daß zumindest der im - angeblichen - Gegenverkehr befindliche Lenker tatsächlich gefährdet wurde und wäre in diesem Fall eine Bestrafung des Beschuldigten durch die Verwaltungsbehörde unzulässig.

Um die Frage der Zuständigkeit zu prüfen, wären jedenfalls Ermittlungen dahingehend zu treffen gewesen, ob durch das Einhalten einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit tatsächlich eine Gefährdung des Gegenverkehrs eingetreten ist. Dazu wäre es aber erforderlich gewesen, Ermittlungen dahingehend anzustellen, in welcher Form Gegenverkehr geherrscht hat.

Tatsächlich befand sich auf der gesamten Fahrtstrecke lediglich ein Fahrzeug im Gegenverkehr, wobei dieses Fahrzeug jedoch bereits weit vor dem Beschuldigten nach links in eine Zufahrt abgebogen ist, sodaß es zu einer Begegnung der beiden Fahrzeuge nicht gekommen ist, sondern das betreffende Fahrzeug die B 126 bereits lange verlassen hatte, bevor der Beschuldigte die betreffende Zufahrt erreichte. Es hat daher einerseits eine konkrete Gefährdung des betreffenden Lenkers nicht stattgefunden, doch kann andererseits aufgrund des gegebenen Sachverhaltes die besondere Gefährlichkeit des Verhaltens des Beschuldigten auch nicht auf vorhandenen Gegenverkehr gestützt werden.

Schon im Hinblick auf die Frage der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde hätten jedenfalls Ermittlungen über das Fahrverhalten und die Zeit-Weg-Relationen zu dem im Straferkenntnis genannten anderen Fahrzeug angestellt werden müssen. Wenn die Behörde eine derartige Prüfung, insbesondere durch Befragung der beiden Meldungsleger, sowie Verwertung des Videobandes und Durchführung eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung eines Kfz-Sachverständigen unterlassen hat, so stellt dies jedenfalls einen Verfahrensmangel dar.

Aus dem oben Angeführten ergibt sich, daß zur Frage, ob der Beschuldigte die Geschwindigkeitsüberschreitungen tatsächlich unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen hat, noch nachstehende ergänzende Ermittlungen bzw.

Beweisaufnahmen durchzuführen sein werden und wird deren Durchführung hiermit beantragt:

Einvernahme der Meldungsleger zur Frage des Verkehrsaufkommens, der genauen Sicht- und Fahrbahnverhältnisse im Tatzeitpunkt; Lokalaugenschein unter Beiziehung eines Kfz-SV zur Feststellung der Sichtverhältnisse im Bereich der B 126 zwischen Straßenkilometer 24,600 und 26,490, insbesondere, welche Zufahrten oder Einbindungen in die B 126 auf dieser Strecke gegeben sind und inwieweit die Annäherung von auf diesen Zufahrten in Richtung B 126 fahrende Fahrzeuge oder im Nahbereich der B 126 befindliche Personen für den Beschuldigten erkennbar waren, sowie Einvernahme des Beschuldigten.

2. Inhaltliche Rechtswidrigkeit:

Das angefochtene Straferkenntnis ist im Hinblick auf das Vorliegen von besonders gefährlichen Verhältnissen im Tatzeitpunkt mangelhaft begründet.

Wie bereits oben ausgeführt, ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung des VWGH auch bei einer extremen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nur dann vom Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse auszugehen, wenn zusätzlich zur Geschwindigkeitsüberschreitung noch zusätzliche Sachverhaltselemente hinzutreten, aus denen sich die besondere Gefährlichkeit der Tat ergibt (vergl.

Rauch ZVR 1981/34).

Wenn in dem angefochtenen Straferkenntnis das Vorliegen der besonderen Gefährlichkeit mit dem Einhalten einer Geschwindigkeit von 170 km/h trotz Gegenverkehrs - ein solcher ist tatsächlich allerdings nicht vorgelegen begründet wird, so ist dies keinesfalls ausreichend, sondern hätten jedenfalls konkrete Umstände festgestellt werden müssen, aus welchen sich eine Vergrößerung der Unfallgefahr infolge des Gegenverkehrs ergeben hat. In der Begründung für die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse hätten daher jedenfalls Ausführungen zum konkreten Fahrverhalten des Gegenverkehrs gemacht werden müssen, da ansonsten nicht beurteilt werden kann, ob die Unfallswahrscheinlichkeit durch den Gegenverkehr tatsächlich erhöht worden ist.

Das angefochtene Straferkenntnis begründet das Vorliegen der besonders gefährlichen Verhältnisse weiters damit, daß der Beschuldigte im Ortsgebiet eine Geschwindigkeit von 140 km/h eingehalten hätte, obwohl dort Ausfahrten sind und aufgrund der Tageszeit auch mit Kindern gerechnet werden mußte. Auch diesbezüglich ist die Begründung mangelhaft, da das Vorliegen von Ausfahrten alleine eine besondere Gefährlichkeit an sich nicht begründen kann, sondern wären Ausführungen über die genauen Sichtverhältnisse, insbesondere dahingehend, inwieweit die allenfalls bestehenden Ausfahrten für den Beschuldigten einsichtig waren erforderlich gewesen, da bei ausreichenden Einsichtsmöglichkeiten der Beschuldigte die Annäherung von allenfalls anderen Fahrzeugen rechtzeitig erkennen hätte können, wodurch eine Erhöhung der Unfallswahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre.

Auch ist die besondere Gefährlichkeit nicht damit zu begründen, daß aufgrund der Tageszeit auch mit Kindern gerechnet werden mußte, sondern wäre auch dazu näher zu beschreiben gewesen, ob bei der vom Beschuldigten eingehaltenen Geschwindigkeit sich der Fahrbahn nähernde Kinder rechtzeitig vom Beschuldigten hätten wahrgenommen werden können oder nicht.

Da grundsätzlich zu jeder Tages- oder Nachtzeit mit dem Auftauchen von Kindern oder sonstigen nicht unter den Vertrauensgrundsatz fallenden Personen zu rechnen ist, müßte bei der im angefochtenen Straferkenntnis vertretenen Rechtsansicht bereits jede geringfügige Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zur Annahme von besonders gefährlichen Verhältnissen führen und käme daher grundsätzlich eine Geschwindigkeitsüberschreitung ohne Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse nicht in Betracht.

In diesem Zusammenhang sei noch angeführt, daß in der Anzeige des LGK für Oberösterreich ausdrücklich angeführt ist, daß eine Sichtbehinderung nicht bestanden hat, dieses Ergebnis der Sachverhaltsermittlung hat in das angefochtene Straferkenntis allerdings keinerlei Eingang gefunden. Soweit im angefochtenen Straferkenntnis auf das Geständnis des Beschuldigten verwiesen wird, ist dazu anzuführen, daß das Geständnis des Beschuldigten lediglich die ihm vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitungen betrifft, nicht jedoch das Vorliegen von besonders gefährlichen Verhältnissen.

Wären tatsächlich besonders gefährliche Verhältnisse vorgelegen, so wären jedenfalls die Meldungsleger bei erster Wahrnehmung der Geschwindigkeitsüberschreitung unter besonders gefährlichen Verhältnissen zum sofortigen Einschreiten verpflichtet gewesen, um eine allfällige Gefährdung von Personen hintan zu halten. Daß die Meldungsleger dem Beschuldigten auf einer Strecke von nahezu 2 km nachgefahren sind, dabei selbst die selbe Geschwindigkeit wie der Beschuldigte eingehalten haben, und über die gesamte Strecke keine Veranlassung zum sofortigen Einschreiten sahen, zeigt, daß auch die Meldungsleger selbst in der gegebenen Situation eine besondere Gefährlichkeit nicht erkennen konnten und wäre auch dieser Umstand der Beweiswürdigung und der Begründung zu unterziehen gewesen.

Zusammenfassend muß daher ausgeführt werden, daß die von der Behörde vor Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses durchgeführten Ermittlungen so mangelhaft sind, daß einerseits nicht einmal die Frage geprüft werden kann, ob die gegenständliche Tathandlung überhaupt einen verwaltungsstrafrechtlich - und nicht gerichtlich - zu verfolgenden Tatbestand verwirklicht und andererseits die Frage, ob tatsächlich besonders gefährliche Verhältnisse vorgelegen sind, nicht beurteilt werden kann.

Aus den oben angeführten Gründen stellt daher der Berufungswerber den A N T R A G, die Berufungsbehörde möge in Stattgebung der Berufung 1. das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abändern, daß dieses behoben werde und bezüglich des gegen den Beschuldigten eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens die Einstellung zu verfügen, in eventu 2. das angefochtene Straferkenntnis beheben und die Angelegenheit nur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Straferkenntnisses an die Behörde erster Instanz zurückverweisen, in eventu 3. die verhängte Strafe gemäß § 51 Abs. 4 VSTG in eine mildere umwandeln, oder ganz nachsehen.

L, am 3.4.1995/SCH/Mag.KO R R" 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Besichtigung des bezughabenden Straßenstückes, die Einsichtnahme in die im Zuge der Nachfahrt durch die Gendarmerie mittels Pro-Vida-Anlage erstellte Videodokumentation und durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt.

4. Da mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 10.000,- S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zu erkennen. Da sich die Berufung inhaltlich nur gegen eine unrichtige rechtliche Beurteilung einerseits und das Ausmaß der verhängten Strafe andererseits richtet, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen.

5. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

5.1. Der Berufungswerber lenkte einen Pkw an der oben angeführten Örtlichkeit mit den genannten Fahrgeschwindigkeiten. Vor dem Ortsgebiet (Ortstafel) B verläuft die B 126 auf etwa 1,5 km völlig gerade. Die Fahrbahnbreite beträgt etwa sieben Meter. Die Fahrbahn war trocken und die Sichtverhältnisse waren gut. Es befinden sich auf diesem Straßenzug mit der Ausnahme von einigen übersichtlichen Zufahrten zu bäuerlichen Anwesen keine Einmündungen in die B 126. Der dem Berufungswerber im Hinblick auf § 99 Abs.2 lit.c StVO zum Vorwurf gemachte Gegenverkehr im Zusammenhang mit dem von ihm ausgeführten Überholmanöver hat die Videodokumentation ergeben, daß dieser Gegenverkehr erst sechs Sekunden nach Beendigung des Überholvorganges die Höhe des Berufungswerberfahrzeuges passierte. Auch der Linksabbiegevorgang eines weiteren Gegenverkehrs ließ keine besondere Gefährlichkeit erkennen.

5.1.1. Das Beweisergebnis ergibt sich aus der Aktenlage und die ergänzend durchgeführte Augenscheinnahme bei gleichzeitiger Vornahme einer (weiteren) Videoaufzeichnung und aus der "Pro-Vida-Aufzeichnung".

6. Rechtlich hat der Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

6.1. Der erstinstanzliche Spruch leidet an einem eine Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Es wurden zwei verschiedene Delikte, welche, selbst wenn diese im Zuge einer einzigen Tathandlung begangen wurden (einer ununterbrochenen Fahrt), getrennt zu bestrafen sind, in eine Tathandlung zusammengefaßt und es wurde hiefür eine einzige Strafe ausgesprochen (vgl. hiezu die Erk. des VwGH vom 25.

Oktober 1989, 89/03/0145 u. vom 11. November 1987, 86/03/0237 ua). Auf einen derartig gelagerten Mangel wurde übrigens die Erstbehörde schon im h. Erkenntnis hingewiesen (VwSen - 101802 v. 23. August 1994).

6.1.1. Dazu sei generell bemerkt, daß laut jüngster Judikatur des VwGH, nur dann wenn sich dem erstinstanzlichen Straferkenntnis auch iVm seiner Begründung nicht entnehmen läßt, wie die verhängte Gesamtstrafe für mehrere Verwaltungsübertretungen auf die zur Last gelegten beiden Verwaltungsübertretungen aufzuteilen ist und es auch sonst keinen Maßstab gibt, anhand dessen sich zweifelsfrei beurteilen läßt, wie die Strafe aufgeteilt werden soll, die Fehlleistung der Behörde erster Instanz von der Berufungsbehörde nicht (mehr) saniert werden könnte; der Strafausspruch ist in einem solchen Fall von der Berufungsbehörde ersatzlos aufzuheben (VwGH v. 30. 6. 1994, 94/09/0049). Hier war aufgrund des og. Straferkenntnisses und des vom O.ö. Verwaltungssenat ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens im Rahmen der in jeder Richtung hin möglichen Abänderungsbefugnis durch die Berufungsbehörde die Aufteilung der Strafe vorzunehmen.

6.1.2. Besonders gefährliche Verhältnisse liegen dann vor, wenn zur Verletzung einer bestimmten Verkehrsvorschrift noch ein weiteres, die besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse begründendes Sachverhaltselement hinzutritt. Als solches kommen bei Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit ua. ungünstige Fahrbahnbeschaffenheit, starkes Verkehrsaufkommen sowie der Verlauf und die Breite der Straße hinzu. Diese Sachverhaltselemente sind aber nicht losgelöst vom konkreten Fahrverhalten, insbesondere der Fahrgeschwindigkeit, zu beurteilen. Die Fahrgeschwindigkeit ist zu den genannten zusätzlichen Sachverhaltselementen in Beziehung zu setzen. Grundsätzlich kann nicht ohne weiters gesagt werden, daß ein bestimmtes Ausmaß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - prozentuell oder absolut - allein schon den Tatbestand der besonders gefährlichen Verhältnisse erfüllt; sie ist jedoch in der geschilderten Gesamtbewertung der Begleitumstände einer Geschwindigkeitsüberschreitung von großer Bedeutung (VwGH 23.1.1990, Zl. 89/11/0210 und 13.6.1989, Zl.89/11/0061 uva).

Vom Vorliegen solcher zusätzlicher Voraussetzungen kann hier nicht ausgegangen werden; die vorliegenden Beweise geben dafür keine ausreichenden sachlichen Anhaltspunkte. Im Gegenteil, es wird in der Anzeige der Gendarmerie ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Fahrbahn trocken war und auch keine Sichtbehinderung vorlag. Mit einer - wenn auch sehr auführlichen - Beschreibung der mit Schnellfahren allgemein verbundenen Gefahren, kann die Qualifikation des § 99 Abs.2 lit.c nicht dargetan werden.

Damit ist der Berufungswerber mit seinem Vorbringen im Ergebnis im Recht.

7. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 70 km/h selbst auf einer übersichtlichen Freilandstraße und weiter - wenn auch nur ganz kurzzeitig und in der Bremsphase begriffen - eine Überschreitung der im Ortsgebiet erlaubten Höchstgeschwindigkeit um gleich 90 km/h stellt sehr schwere Verstöße gegen die StVO dar. Der Raserei auf den Straßen und der damit einhergehenden Gefahrenpotentierung ist mit spürbaren Strafen zu begegnen. Auch general- und spezialpräventive Gründe erfordern eine strenge Bestrafung (vgl. auch VwGH 18. September 1991, Zlen. 91/03/0043, 91/03/0250). Selbst bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf Autobahnen im Ausmaß von 50 km/h hat auch der Verwaltungsgerichtshof eine Strafe in der Höhe von 4.000 S bereits als durchaus angemessen erachtet, auch wenn mit der Übertretung sonst keine nachteilige Folgen verbunden gewesen sind (VwGH 91/03/0014, 13.2.1991).

7.1. Die nunmehr festgesetzten Strafen für zwei durch ein einziges Tatverhalten gesetzte Delikte scheinen dem Tatunwert angemessen. Da der Milderungsgrund der Unbescholtenheit nicht zum Tragen kommt, scheinen die nunmehr verhängten Strafen unter jeweiliger Ausschöpfung des Strafrahmens mit 75 % angesichts des in beiden Fällen gleich hohen Tatunwertes durchaus gerechtfertigt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L a n g e d e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum