Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400359/4/Ki/Shn

Linz, 24.07.1995

VwSen-400359/4/Ki/Shn Linz, am 24. Juli 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Beschwerde des Milan G, geb.5.6.1970, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.

Christoph S, vom 12. Juli 1995, wegen Schubhaftverhängung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§ 51 Abs.1 und § 52 Abs.1, 2 und 4 Fremdengesetz, BGBl.Nr.838/1992 in der geltenden Fassung iVm § 67c Abs.1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 12. Juli 1995, eingelangt bei der belangten Behörde am 14. Juli 1995, erhob der Rechtsmittelwerber Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 21. Juni 1995, Zl.IV Fr-29.670, mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu, den angefochtenen Bescheid zu beheben und der Erstbehörde zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung rückzuverweisen.

2. In der Beschwerdebegründung werden als Berufungsgrund Mangelhaftigkeit des Verfahrens bzw unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Das Erstgericht habe es unterlassen, die tatsächlichen familiären Verhältnisse des Einschreiters zu untersuchen, wobei diese tatsächlich so sind, daß er und seine gesamte Familie in Österreich seit mehreren Jahren aufhältig und auch berufstätig seien, sodaß sein gesamter Lebensmittelpunkt in Österreich liege. Seine Familie würde für den Unterhalt des Einschreiters bis zu dessen Selbsterhaltungsfähigkeit durch Aufnahme einer Arbeit aufkommen, sodaß auch aus diesem Grund die Abschiebung bzw die Schubhaftverhängung unzulässig sei.

Die Erstbehörde verkenne, daß aufgrund der Unschuldsvermutung jemand solange als unschuldig gilt, bis er tatsächlich rechtskräftig verurteilt sei. Bislang sei das entsprechende Strafverfahren aber noch nicht einmal in das Stadion (wohl richtig: Stadium) der Anklageerhebung getreten, sodaß es einer Vorverurteilung gleich käme, wollte man die Schubhaft wegen angeblicher Straftaten verhängen, über die bislang noch nicht einmal eine Anklage vorliege.

Darüber hinaus sei der Einschreiter unbescholten, sodaß die angekreuzte Ausführung im Bescheid, wonach er von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden wäre, nicht den Tatsachen entspreche. Überdies stamme der Einschreiter aus Banja Luka und würde eine Abschiebung für ihn einem Todesurteil gleichkommen, da es sich hiebei um Kriegsgebiet handle.

Ein Kostenzuschuß wurde nicht beantragt.

3. Die Bundespolizeidirektion Wels als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltunsakt vorgelegt. Ein Kostenzuspruch wurde ebenfalls nicht begehrt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den vorliegenden Verwaltungsakt Einsicht genommen und festgestellt, daß der Sachverhalt in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 52 Abs.1 Z1 FrG unterbleiben.

5. Es ergibt sich nachstehender im wesentlichen für die Entscheidung relevanter Sachverhalt:

Dem Beschwerdeführer wurde am 26. September 1994 von der österreichischen Botschaft in Belgrad ein Touristensichtvermerk mit einer Gültigkeit bis 18. Oktober 1994 erteilt.

Er reiste am 27. September 1994 nach Österreich zu seinen Eltern nach Schwanenstadt. Einige Wochen später nahm er in Wels Unterkunft ohne sich allerdings polizeilich anzumelden.

Am 26. November 1994 wurde er wegen Verdachtes des Einbruchdiebstahles, gewerbsmäßigen Diebstahles, verhaftet und in die Justizanstalt Wels eingeliefert. Aufgrund eines Beschlusses des Gerichtes wurde er am 21. Juni 1995 enthaftet. Der Grund seiner Enthaftung war eine zu lange andauernde Untersuchungshaft. Es wurde diesbezüglich vom Staatsanwalt bis dato noch kein Strafantrag gestellt.

Laut eigenen Angaben verfügt der Beschwerdeführer über keine finanziellen Mittel, er könne aber sicher Bargeld von seinem Vater bekommen.

Im Verfahrensakt befindet sich auch eine Kopie seines Reisepasses. Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 23. Juni 1995 angegeben, daß die Stempeleintragungen auf Seite 18 (Aufenthaltsgenehmigungen der Gemeinde Root, Schweiz) Fälschungen sind.

Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft wurde der Beschwerdeführer der belangten Behörde übergeben, welche über ihn mit Bescheid vom 21. Juni 1995, Zl.IV Fr-29.670, die Schubhaft zur Sicherung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw der Abschiebung angeordnet hat. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 4. Juli 1995, Zl.Fr 29.670, wurde über den Beschwerdeführer ein bis zum 4. Juli 2005 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet Österreich erlassen. Begründet wurde dieses Aufenthaltsverbot im wesentlichen damit, daß er keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet habe und er am 24.11.1994 wegen Verdachtes des mehrfachen Raubes, Einbruchdiebstahles, gewerbsmäßigen Diebstahles, Urkundenunterdrückung, Zech- und Einmietbetrugs in Haft genommen und in die Justizanstalt Wels eingeliefert worden sei. Er sei nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsbewilligung und könne aufgrund seiner Bargeldlosigkeit auch die Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nicht nachweisen.

Aufgrund der angeführten Umstände sei die Annahme gerechtfertigt, daß weitere strafbare Handlungen gesetzt werden und somit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erfolge. Einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Am 5. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführer zur Durchführung der Abschiebung zum Bahnhof Bruck an der Leitha verbracht und um 19.47 Uhr mit dem Dacia-Expreß außer Landes geschafft.

6. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs.1 FrG hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 leg.cit.).

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 52 Abs.4 leg.cit.).

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich, obwohl sich der Beschwerdeführer nicht mehr in Schubhaft befindet, gegen die Erlassung des Schubhaftbescheides. Bezüglich der Problematik hinsichtlich Erhebung einer Schubhaftbeschwerde nach Entlassung aus der Schubhaft hat der VfGH in mehreren Erkenntnissen zum Ausdruck gebracht, daß Art.6 Abs.1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr.684/1988, einen Anspruch des Schubhäftlings auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung auch dann, wenn diese schon beendet ist, begründet (VfGH vom 28.11.1994, B37/94-8 ua). Wie der VfGH dazu weiters die Auffassung vertritt, wäre es gesetz- und verfassungswidrig, einem Schubhäftling den Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner gesamten Anhaltung auch nach Beendigung der Schubhaft durch eine einschränkende Auslegung des § 51 Abs.1 FrG aus der Hand zu schlagen. Nicht nur wäre es dadurch faktisch häufig ausgeschlossen, die Zeit unmittelbar vor Beendigung der Schubhaft überhaupt überprüfen zu lassen, würde die Zulässigkeit einer Schubhaftbeschwerde insgesamt von dem vom Rechtsunterworfenen nicht vorhersehbaren und nur beschränkt und indirekt beeinflußbaren Umstand der Beendigung der Schubhaft, im Ergebnis also von Zufälligkeiten abhängen.

Die Rechtsprechung des VfGH orientiert sich somit in diesem Zusammenhang ausschließlich an dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) und es ist somit ausschließlich eine in diese Richtung gehende verfassungskonforme Interpretation der maßgeblichen fremdenpolizeilichen Bestimmungen geboten.

Eine restrektive Auslegung in dem Sinne, daß nach Haftentlassung eine Schubhaftbeschwerde nicht mehr zulässig wäre, würde demnach eine Verletzung des vorgenannten verfassungsgesetzlichen Rechtes auf persönliche Freiheit darstellen. Im Sinne des obzitierten § 52 Abs.4 FrG ist jedoch im vorliegenden Falle ausschließlich im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden. Die Beschwerde ist daher im vorliegenden Falle zulässig, sie ist aber nicht begründet.

Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

Der der Schubhaft zugrundeliegende Schubhaftbescheid wurde gemäß § 41 Abs.1 FrG zur Sicherung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw der Abschiebung erlassen und stützt sich darauf, daß der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Die gegen seine Person angestrengte behördliche Maßnahme sei zu sichern gewesen, weil er aufgrund seines bisherigen Verhaltens im österreichischen Bundesgebiet dokumentiert habe, daß er sich um die österreichische Rechtsordnung in sehr gravierendem Maße nicht kümmere bzw nicht gewillt sei, diese zu beachten.

Weil überdies zu befürchten sei, daß er wieder strafbare Handlungen begehen werde bzw für die inländischen Behörden nicht greifbar wäre, sei die Schubhaft notwendig, um den vom Gesetz vorgesehenen Sicherungszweck zu erreichen.

Dazu wird festgestellt, daß ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ausschließlich von den Fremdenbehörden zu führen ist. Dem unabhängigen Verwaltungssenat kommt diesbezüglich keinerlei Zuständigkeit zu. Für das Schubhaftbeschwerdeverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist ausschließlich relevant, ob im konkreten Falle die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes denkmöglich ist. Lediglich dann, wenn der unabhängige Verwaltungssenat zur Ansicht gelangt, daß die Erlassung des in Aussicht genommenen Aufenthaltsverbotes bzw allenfalls einer Ausweisung von vornherein unzulässig ist, könnte dieser Umstand der Schubhaftbeschwerde zum Erfolg verhelfen.

Dem Beschwerdevorbringen ist diesbezüglich wohl beizutreten, daß, entgegen der Argumentation der belangten Behörde im Schubhaftbescheid, eine von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftige Verurteilung noch nicht vorliegt, zumal diesbezüglich noch nicht einmal ein Strafantrag durch den Staatsanwalt gestellt wurde. Andererseits hielt sich jedoch der Beschwerdeführer nach Ablauf der Gültigkeit seines Touristensichtvermerkes seit 18. Oktober 1994 illegal ohne ordentlichen Wohnsitz in Österreich auf und er verfügt auch laut seinen eigenen Angaben über keine finanziellen Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Im Sinne des § 18 Abs.2 Z7 FrG ist gegen einen Fremden grundsätzlich ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag; es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und sei innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Da der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet eingereist ist und sich überdies illegal im Bundesgebiet aufgehalten hat, stellt der fehlende Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt eine bestimmte Tatsache iSd § 18 FrG dar und es war - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides - das von der belangten Behörde in Aussicht genommene Aufenthaltsverbot nicht von vornherein unzulässig. Wenn diesbezüglich der Beschwerdeführer argumentiert, er hätte sicher Bargeld von seinem Vater bekommen können, so ist damit iSd Beschwerdevorbringens noch nichts zu gewinnen. Diesbezüglich hätte der Beschwerdeführer initiativ Nachweise einerseits über eine rechtsverbindliche Verpflichtungserklärung und andererseits über die Bonität des Unterstützungsgebers erbringen müssen. Ein solcher Nachweis wurde im Verfahren nicht vorgelegt, weshalb dieser Umstand nicht zu berücksichtigen war (vgl die ständige Judikatur des VwGH, zB VwGH vom 10.2.1994, 93/18/0410 ua).

Dazu kommt noch, daß der Beschwerdeführer offensichtlich versuchte, durch gefälschte Angaben in seinem Reisepaß ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz vorzutäuschen.

Aus den oben dargelegten Gründen war nicht auszuschließen, daß der Beschwerdeführer versuchen könnte, sich dem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu entziehen, weshalb die Verhängung zur Sicherung dieses Verfahrens geboten war.

Was den Einwand gegen die Abschiebung in ein Kriegsgebiet anbelangt, so hat, laut Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts, der unabhängige Verwaltungssenat im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach dem Fremdengesetz im Hinblick auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG die Unzulässigkeit der Abschiebung in ein bestimmtes Land nicht zu überprüfen (vgl VfGH 16.6.1994, B1774/93; VwGH 24.2.1995, 94/02/0435 ua). Der Grund liegt vor allem darin, daß Anträge iSd § 54 Abs.1 FrG in einem Sonderverfahren zu behandeln sind, in dem die Fremdenbehörde und nicht der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig ist.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verhängung der Schubhaft nicht in seinen Rechten verletzt wurde und es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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