Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400375/7/Wei/Bk

Linz, 29.02.1996

VwSen-400375/7/Wei/Bk Linz, am 29. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des M O (auch S H M), geb. , irakischer Staatsangehöriger, wohnhaft im C W, N, vertreten durch Dr. W R, Rechtsanwalt in W, N, vom 18. September 1995 wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit vom 19. August 1995 bis zur Enthaftung am 24. August 1995 für rechtswidrig erklärt. Das Mehrbegehren wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in Höhe von S 8.483,33 (darin enthalten S 150,-- Bundesstempel) binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 51 Abs 1, 52 Abs 2 und 4 Fremdengesetz - FrG (BGBl Nr.

838/1992) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 iVm §§ 47 ff VwGG 1985.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der vorliegenden Beschwerde vom folgenden Sachverhalt aus:

1.1. Der Beschwerdeführer (im folgenden Bf), ein irakischer Staatsangehöriger und Kurde aus A, hat am 1. Juli 1995 in Begleitung seines Landsmannes K bei S illegal die Grenze in die Türkei passiert. Mit dem Bus gelangten beide in der Folge nach I, wo sie sich etwa einen Monat aufhielten.

Schließlich fanden sie Schlepper, die sie für 3.000 Dollar in die BRD bringen wollten. Am 2. August 1995 verließen sie I mit einem LKW, wo sie sich auf der Ladefläche in Kartons versteckten. Über die genaue Reiseroute konnte der Bf keine Angaben machen. Am 5. August 1995 wurde den beiden irakischen Staatsangehörigen auf einem Parkplatz gesagt, daß sie bereits in Deutschland wären. Mit einem PKW, Marke BMW, wurden sie weitertransportiert, wobei sie von den Schleppern für den Fall einer Verkehrskontrolle falsche ungarische Pässe und Forint erhielten. Fotos für die Pässe waren bereits in I gemacht worden. Nach einer Fahrt von etwa einer halben Stunde kamen sie zu einer Grenzkontrollstelle, wo sie wegen Verwendung der durch Lichtbildauswechslung verfälschten ungarischen Reisepässe festgenommen wurden (vgl näher Niederschrift vom 10.08.1995).

Es handelte sich um den Grenzübergang S. Der Bf und sein Landsmann wurden am 5. August 1995 von der bayerischen Grenzpolizei festgenommen und nach Aufnahme der Personaldaten dem österreichischen Grenzkontrollposten Suben um 18.05 Uhr übergeben. In weiterer Folge wurden sie in Verwahrungshaft angehalten und der Gendarmerie Suben zur weiteren Veranlassung übergeben.

1.2. Mit den im wesentlichen inhaltsgleichen Bescheiden je vom 6. August 1995, Zlen. Sich 41-647-1995-Hol und Sich 41-646-1995-Hol, hat die belangte Behörde gegen den Bf und seinen Begleiter (bezeichnet nach den A S M und K K A) die Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bis zu dessen Durchsetzbarkeit und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die Übernahme je einer Ausfertigung der Bescheide bestätigten beide mit ihrer Unterschrift in Blockschrift am 6. August 1995 um 11.30 Uhr.

In der Begründung der Schubhaftbescheide wird der wesentliche Sachverhalt geschildert und auf die entdeckte Verwendung eines durch Lichtbildauswechslung verfälschten ungarischen Reisepasses verwiesen. Die belangte Behörde ging von Unterstands- und Mittellosigkeit aus, zumal der Bf in Österreich weder Wohnsitz noch Familienangehörige hat und auch keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgehen kann. An Barmittel verfügte er über DM 100,--, US-Dollar 100,-- und ungarische Forint 700,--. Die belangte Behörde sah aus diesen Umständen die ernsthafte Gefahr gegeben, daß sich der Bf auf freiem Fuß dem fremdenbehördlichen Zugriff durch Untertauchen in der Anonymität entzogen hätte.

Im Auftrag der belangten Behörde wurden die beiden Iraker von der Gendarmerie Suben der Justizanstalt Ried im Innkreis zum Vollzug der Schubhaft vorgeführt. Die belangte Behörde übermittelte die Schubhaftbescheide der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis mit einem Amtshilfeersuchen, in dem auch um niederschriftliche Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetsch für die kurdische oder arabische Sprache ersucht wurde. Den Schubhaftbescheiden angeschlossen waren Informationsblätter (Bezeichnung: FrG-Drucksorte Nr. 2) in englischer Sprache, denen die Gründe der Inhaftierung zu entnehmen sind.

1.3. Am 10. August 1995 fand von 15.00 Uhr bis 15.45 Uhr die fremdenpolizeiliche Einvernahme des Bf am Haftort durch die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis im Wege der Amtshilfe statt. Beigezogen wurde ein in Ried im Innkreis wohnhafter Dolmetscher für die arabische Sprache. Anläßlich dieser Einvernahme schilderte der Bf seine Flucht aus dem Irak bis zur Verhaftung an der österreichisch-deutschen Grenze durch die bayerische Grenzpolizei wegen der Verwendung eines verfälschten ungarischen Reisepasses. Er gab an, daß sein Ziel Deutschland gewesen wäre, wo er Asyl hätte beantragen wollen. In Österreich sei er erstmals eingereist und habe er keinerlei Bindungen. Anläßlich der Einvernahme wurde ihm mitgeteilt, daß die belangte Behörde beabsichtige, ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihn nach Beischaffung eines Heimreisezertifikates abzuschieben. Außerdem wurde er über die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 Abs 1 FrG belehrt.

Mit den geplanten fremdenpolizeilichen Maßnahmen zeigte er sich nicht einverstanden. Er beantragte Asyl und die Feststellung, daß seine Abschiebung in den Irak unzulässig sei. Zur Begründung führte er an, daß er wegen politischer Betätigung in der kurdischen Partei "A" die Zeit von 1987 bis 1991 in A im Gefängnis verbracht hatte. Er hätte Flugzettel gegen die Diktatur Saddam Husseins verteilt.

Während der Anhaltung wäre er zweimal am Tag mit einem Gummistock geschlagen worden, um Namen von politischen Gesinnungsgenossen zu erfahren. Nach dem Golfkrieg und Schiitenaufstand kam es 1991 zu einer Amnestie für kurdische Häftlinge, weshalb er freigelassen wurde. In der Zeit danach lebte er in ständiger Angst vor dem Geheimdienst. Im Falle politischer Wiederbetätigung hätte man ihn getötet. Nach dem plötzlichen Verschwinden eines Freundes hätte er Angst bekommen und sich zur Flucht entschlossen.

1.4. Mit den gleichlautenden Bescheiden je vom 17. August 1995, Zlen. Sich 41-647-1995-Hol und Sich 41-646-1995-Hol, sprach die belangte Behörde gegen den Bf und seinen Landsmann im Spruchabschnitt I ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gemäß dem § 18 Abs 1 und 2 Z 7 FrG aus. Dabei wurde begründend auf die Umgehung der österreichischen Grenzkontrolle bei der Einreise und auf die Verwendung des verfälschten ungarischen Reisepasses beim Ausreiseversuch sowie auf die fehlenden Mittel zum Nachweis des Unterhalts hingewiesen. Im Spruchabschnitt II wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen Spruchabschnitt I gemäß § 64 Abs 2 AVG ausgeschlossen.

Gegen Spruchabschnitt I erhoben der Bf und sein Landsmann jeweils eine am 1. September 1995 eingebrachte Berufung vom 31. August 1995. Sie legten auch je eine Unterstützungserklärung der Caritas der Erzdiözese Wien vom 31. August 1995 vor, wonach sie im C für Flüchtlinge in N, untergebracht und mit dem notwendigen Unterhalt versorgt werden. Über die Berufungen hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich noch nicht entschieden.

Im Spruchabschnitt III stellte die belangte Behörde fest, daß stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, daß der Bf in der Republik Irak gemäß § 37 Abs 1 oder 2 FrG bedroht und daß seine Abschiebung in den Irak somit unzulässig sei.

Begründend wird u.a. ausgeführt, daß die Stadt A zwar in der vom UN-Sicherheitsrat im Norden des Irak eingerichteten Schutzzone für die kurdische Bevölkerung (Autonome Region Kurdistan) läge und grundsätzlich eine innerstaatliche Fluchtalternative bildete, eine Abschiebung in diese Region jedoch derzeit nicht möglich wäre.

1.5. Mit Begleitschreiben vom 17. August 1995 übermittelte die belangte Behörde vier Ausfertigungen der oben genannten kombinierten Aufenthaltsverbots- und Feststellungsbescheide an die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis mit dem Ersuchen, nach Ausfolgung der Bescheide gegen Übernahmebestätigung die beiden irakischen Staatsangehörigen aus der Schubhaft zu entlassen. Die im Hinblick auf § 67 Abs 2 FrG zuständige Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis sollte auch von Amts wegen einen Abschiebungsaufschub gemäß § 36 Abs 2 FrG erteilen. Dieses Begleitschreiben wurde erst am Freitag, dem 18. August 1995, von der Postauslaufstelle der belangten Behörde abgesendet. Eine Eilzustellung wurde nicht angeordnet. In der Folge dauerte die Zustellung einige Tage.

In der Justizanstalt Ried im Innkreis wurden die beiden irakischen Staatsangehörigen nach dem Beschwerdevorbringen und der damit übereinstimmenden Aktenlage offenbar bis zum 24. August 1995 angehalten. Eine genaue Enthaftungszeit ist der Aktenlage nicht zu entnehmen. Nach in den Akten befindlichen schriftlichen Übernahmebestätigungen haben die beiden Schubhäftlinge am 24. August 1994 je einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 24. August 1995, Zlen. Sich 41-156-1995 und Sich 41-157-1995, mit dem ein Abschiebungsaufschub erteilte wurde, erhalten.

1.6. Mit den Bescheiden des Bundesasylamtes, Außenstelle je vom 18. August 1995, Zlen. 95 03.246-BAL und 95 03.245-BAL, wurden die Asylanträge des Bf und seines Landsmannes jeweils gemäß § 3 AsylG 1991 abgewiesen. Eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 wurde nicht erteilt.

Mit Telefax je vom 4. September 1995 teilte das Bundesasylamt, Außenstelle , mit, daß der Bf und sein Landsmann rechtzeitig Berufung eingebracht hatten und die Akten dem Bundesminister für Inneres zur Entscheidung vorgelegt wurden.

1.7. Mit den per Telefax beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingebrachten, im wesentlichen gleichlautenden Beschwerden je vom 18. September 1995 stellten die beiden irakischen Staatsangehörigen durch ihren gemeinsamen Rechtsvertreter folgende Anträge an den Unabhängigen Verwaltungssenat Oberösterreich:

"Dieser möge 1) feststellen, daß die Anhaltung des Bf in Schubhaft vom 06.08.1995 bis zum 24.08.1995 auf Veranlassung der belangten Behörde rechtswidrigerweise erfolgt ist; hilfsweise 2) feststellen, daß die Anhaltung des Bf in Schubhaft vom 11.08.1995 bis zum 24.08.1995 auf Veranlassung der belangten Behörde rechtswidrigerweise erfolgt ist; hilfsweise 3) feststellen, daß die Anhaltung des Bf in Schubhaft vom 17.08.1995 bis zum 24.08.1995 auf Veranlassung der belangten Behörde rechtswidrigerweise erfolgt ist; 4) dem Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der Kosten dieses Verfahrens binnen zwei Wochen bei sonstigem Zwange auferlegen." An Kosten wurden insgesamt S 8.483,33 (inklusive 20 % USt und S 150,-- Bundesstempel) verzeichnet.

1.8. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat die Beschwerden mit dem Ersuchen um Aktenvorlage an die belangte Behörde per Telefax weitergeleitet. Diese hatte die Akten der Sicherheitsdirektion zur Entscheidung über die eingebrachten Berufungen gegen das Aufenthaltsverbot bereits vorgelegt. Da keine Kopien angefertigt worden waren, unterblieb zunächst die Aktenvorlage. Nach h. Urgenz vom 1. Februar 1996 hat die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich über Ersuchen der belangten Behörde die Verwaltungsakten dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung über die Schubhaftbeschwerden übermittelt und im Hinblick auf die noch ausstehenden Berufungsentscheidungen um Rücksendung ersucht. Eine Gegenschrift zu den eingebrachten Schubhaftbeschwerden hat die belangte Behörde nicht erstattet.

2. In der Beschwerdebegründung werden nach übereinstimmender Darstellung des Sachverhalts und Ausführungen zur Rechtzeitigkeit der erst nach Entlassung aus der Schubhaft eingebrachten Beschwerden unter "III. Beschwerdepunkte:" die Gründe für die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft im einzelnen angeführt.

2.1. Zunächst wird unter Hinweis auf Art 5 Abs 2 EMRK und Art 4 Abs 6 PersFrSchG 1988 gerügt, daß bei Verhängung der Schubhaft weder ein Dolmetscher für die kurdische noch für die arabische Sprache beigezogen wurde, obwohl der Bf der deutschen Sprache nicht mächtig war. Das ausgefolgte Merkblatt hätte dem Bf selbst dann nichts genützt, wenn er die englische Sprache für den Alltagsgebrauch beherrschte, weil es mit juristischen Begriffen "vollgepackt" wäre. Der Bf hätte weder Kenntnis über die Gründe seiner Festnahme und Anhaltung in angemessener Frist erlangen, noch ein Rechtsschutzinstrument zur Überprüfung der Anhaltung ergreifen können. Erstmals am 25. August 1995 wäre er von einer Ausländerberatungsstelle über die Schubhaftgründe und die Beschwerdemöglichkeit aufgeklärt worden.

2.2. Die Anhaltung des Bf erweise sich aber auch im Lichte des Art 1 Abs 3 PersFrSchG als unverhältnismäßig. Der Bf wäre direkt aus dem verfolgungsunsicheren Staat kommend ins Bundesgebiet eingereist. Er wäre sich im Zuge seiner Reise von der Türkei nach Österreich nicht bewußt gewesen, durch welche Drittstaaten er nach Österreich gelangte. Nicht einmal die Existenz Österreichs wäre ihm vor seiner Inschubhaftnahme geläufig gewesen. Selbst wenn man annähme, daß der Bf über Ungarn eingereist war, hätte dort keine Verfolgungssicherheit bestanden, weil Ungarn die Flüchtlingskonvention nur auf Flüchtlinge europäischer Herkunft anwenden müsse.

Der klare Verweis im § 6 AsylG 1991 auf Art 31 Genfer Flüchtlingskonvention zeige, daß die Direktheit der Einreise gebietsbezogen (vgl Genfer Flüchtlingskonvention: ".. die direkt aus einem Gebiet kommen ...") zu beurteilen und nicht bloß auf den Herkunftsstaat abzustellen sei. Für den Bf sei nicht nur der Irak, sondern jeder Staat, der ihn dorthin abschieben oder an den Irak ausliefern würde, verfolgungsunsicher. Dies treffe auf Ungarn in beiderlei Hinsicht zu. Der Bf sei daher direkt aus verfolgungsunsicherem Gebiet eingereist und wäre infolge rechtzeitiger Asylantragstellung gemäß § 7 Abs 1 iVm Abs 3 AsylG 1991 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Gemäß § 9 AsylG 1991 idF BGBl Nr. 838/1992 sei daher das erlassene Aufenthaltsverbot nicht durchsetzbar.

Die Anhaltung könne nicht der Sicherung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dienen, da die belangte Behörde im Hinblick auf ihre Verpflichtung nach § 48 Abs 1 FrG auf die Dauer des vorläufigen Aufenthaltsrechtes nicht Einfluß nehmen könnte.

2.3. Selbst wenn man von der Durchsetzbarkeit des erlassenen Aufenthaltsverbotes ausginge, hätte die Schubhaft nicht den Zweck der Sicherung der Abschiebung erfüllen können, da die Abschiebung in den Irak für unzulässig erklärt wurde. Die Rückschaffung des Bf nach Ungarn oder in ein anderes Drittland sei mangels Übernahmsverpflichtungen ausgeschlossen. Im Verhältnis zu Ungarn könnte zwar das Abkommen BGBl Nr. 315/1995 angewandt werden, eine Abschiebung nach Ungarn wäre aber wegen § 37 FrG unzulässig.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb gemäß § 52 Abs 2 Z 1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann gemäß § 51 Abs 1 FrG der unabhängige Verwaltungssenat von dem in Schubhaft Angehaltenen angerufen werden. Solange die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 52 Abs 4 FrG).

Im Hinblick auf die einschlägige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfGH 3.3.1994, B 960/93 = JBl 1994, 816; VfGH 29.6.1995, B 2534/94 ua Zlen; VfGH 25.9.1995, B 445/95 ua Zlen) wird die etwa dreieinhalb Wochen nach Entlassung aus der Schubhaft eingebrachte Beschwerde trotz gegenteiliger ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl grundlegend VwGH 23.9.1994, 94/02/0209 und zuletzt VwGH 28.7.1995, 95/02/0206) als zulässig behandelt. Sie ist aus den folgenden Überlegungen auch teilweise begründet.

4.2. Gemäß § 41 Abs 1 FrG können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder Durchbeförderung zu sichern.

Die Beschwerde hat den Schubhaftbescheid nicht bekämpft. Die grundsätzliche Notwendigkeit der Inschubhaftnahme des Bf nach seiner Zurückstellung durch die bayerische Grenzpolizei wegen der entdeckten Verwendung eines verfälschten ungarischen Reisepasses wurde demnach nicht in Zweifel gezogen. Sie ist ohnehin evident und bedürfte aufgrund der gegebenen Sachlage keiner näheren Begründung.

4.3. Die Beschwerde rügt eine Verletzung der Informationspflicht gegenüber dem festgenommenen Fremden durch die belangte Behörde. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Informationspflicht gegenüber dem festgenommenen Fremden in seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1994, Zlen. B 46/94 und 85/94, klargestellt, daß es sich bei dieser Informationspflicht über die Gründe der Festnahme in einer verständlichen Sprache gemäß Art 5 Abs 2 EMRK ("in möglichst kurzer Frist") und gemäß Art 4 Abs 6 PersFrSchG 1988 ("ehestens, womöglich bei ihrer Festnahme") um verfassungsgesetzlich festgelegte Erfordernisse der Festnahme bzw Anhaltung handelt. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes hat der unabhängige Verwaltungssenat diese Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit im Schubhaftprüfungsverfahren aufzugreifen und gegebenenfalls die Anhaltung bis zur Information in einer verständlichen Sprache für rechtswidrig bzw verfassungswidrig zu erklären.

Nach der Aktenlage ist davon auszugehen, daß der Bf nur kurdisch oder arabisch versteht. Für ausreichende Fremdsprachenkenntnisse finden sich keine aktenkundigen Anhaltspunkte. Der Schubhaftbescheid vom 6. August 1995 wurde dem Bf noch am gleichen Tag in deutscher Sprache übergeben. Eine Übersetzung in das Arabische oder Kurdische fand nicht statt. Das dem Schubhaftbescheid angeschlossene Informationsblatt in englischer Sprache konnte keine Aufklärung des Bf bewirken. Anläßlich der fremdenpolizeilichen Einvernahme vom 10. August 1995 hat die im Wege der Amtshilfe eingeschrittene Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis einen Dolmetscher für die arabische Sprache beigezogen. Bei dieser Vernehmung wurde der Bf, der nach seinen Angaben ohnehin wußte, daß er wegen Verwendung eines verfälschten Reisedokumentes festgenommen worden war (vgl dazu die Niederschrift vom 10.08.1995), ausreichend informiert und belehrt.

Die gerügte Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Informationsrecht über die Gründe der Festnahme und Anhaltung trifft nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates nicht zu. Bedenkt man, daß der Bf am Samstag, dem 5. August 1995, um 18.05 Uhr an der Grenzkontrollstelle Suben nach Österreich zurückgewiesen und am Sonntag die Schubhaft verhängt worden war, so überrascht es nicht, daß kein Dolmetscher für die arabische oder kurdische Sprache beigezogen wurde. Ist es an einem Wochenende schon an sich schwer möglich, Dolmetscher zu erreichen, so gilt dies umso mehr im Falle eines Dolmetschers für so ausgefallene Sprachen wie das Kurdische oder Arabische. Nach Schubhaftverhängung wurde innerhalb der nächsten vier Tage die fremdenpolizeiliche Einvernahme mit geeignetem Dolmetscher durchgeführt, was unter den gegebenen Umständen noch als rechtzeitig angesehen werden kann. Mit seinen Ausführungen übersieht der Bf, daß die Schubhaft gemäß § 41 Abs 2 FrG iVm § 57 AVG grundsätzlich im Mandatsverfahren zu verhängen ist. Eine sofortige Einvernahme des Bf ist daher schon gesetzlich nicht vorgesehen. Die Behauptung, daß der Bf erst am 25.08.1995 Kenntnis von den Schubhaftgründen erlangt habe, trifft im Hinblick auf die am 10. August 1995 durchgeführte Einvernahme nicht zu. Sollte er damals nicht alles verstanden haben, hätte er die Gelegenheit nützen und im Wege des Dolmetschers um Aufklärung ersuchen können. Eine gewisse Mindestinitiative kann man auch von einem Schubhäftling erwarten.

4.4. Gemäß § 48 Abs 1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 48 Abs 4 FrG darf die Schubhaft gemäß § 48 Abs 2 FrG nicht länger als zwei Monate dauern.

Die Beschwerde behauptet mit der unter Punkt 2.2. näher dargestellten Begründung ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Abs 1 iVm Abs 3 AsylG 1991. Selbst wenn dies zuträfe, wäre die Inschubhaftnahme möglich. Der Beschwerde ist entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch gegen Fremde mit einer Aufenthaltsberechtigung iSd § 7 Abs 1 AsylG 1991 die Schubhaft verhängt werden kann (vgl VwGH 8.9.1995, 95/02/0048; VwGH 28.7.1995, 95/02/0207; VwGH 5.4.1995, 93/18/0328, 0330; VwGH 25.11.1994, 94/02/0421 und 94/02/0349).

Im übrigen kann der Staat Ungarn entgegen der Beschwerdeauffassung nicht als unsicheres Drittland angesehen werden. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfGH 4.10.1994, B 986/94 ua Zlen; VfGH 10.10.1994, B 1382/93; VfGH 12.10.1994, B 1542/93) ist nämlich zu beachten, daß Ungarn am 6. November 1990 die EMRK unterzeichnet und am 5. November 1992 ratifiziert hat, wobei Erklärungen gemäß Art 25 und 46 EMRK abgegeben und somit das Recht auf Individualbeschwerde anerkannt wurde. Deshalb ist davon auszugehen, daß Ungarn auch den Art 3 EMRK beachten und niemanden in ein Land abschieben würde, wo ihm Folter oder unmenschliche Behandlung drohte. Stichhaltige Gründe für eine gegenteilige Annahme hat der Bf nicht vorgebracht. Das Argument betreffend die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nur auf europäische Flüchtlinge reicht nicht aus, um Ungarn als unsicheren Drittstaat auszuweisen.

4.5. Dennoch ist die Beschwerde teilweise im Recht. Die belangte Behörde hat nämlich bereits mit dem Aufenthaltsverbots- und Feststellungsbescheid vom 17. August 1995 im Spruchabschnitt III die Abschiebung in den Irak für unzulässig erklärt und die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis als Amtshilfebehörde im Begleitschreiben vom 17.

August 1995 um Freilassung des Bf nach Zustellung einer Bescheidausfertigung ersucht. Dabei ging die belangte Behörde offensichtlich - andere aktenkundige Anhaltspunkte fehlen - davon aus, daß die Abschiebung in ein anderes Land als den Irak nicht in Betracht kam, weil die im einzelnen nicht genau bekannten Drittstaaten, durch die die Reiseroute verlief, keine Rücknahmeverpflichtung träfe. Dies gilt auch für den Staat Ungarn, aus dem der Bf aufgrund der bekannten Umstände jedenfalls eingereist sein muß. Nach dem Artikel 3 des Schubabkommens zwischen Österreich und Ungarn (vgl BGBl Nr. 315/1995) werden Drittausländer, die rechtswidrig die Grenze überschritten haben, nur unter der Voraussetzung übernommen, daß sie sichtvermerksfrei einreisen konnten oder mit einem Sichtvermerk eingereist sind und eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben oder daß sie von einem dritten Staat aufgrund vertraglicher Verpflichtung zurückgenommen werden müßten. Keine dieser Voraussetzungen lag bei realistischer Betrachtung im gegenständlichen Fall vor.

Die belangte Behörde hat keinerlei Vorkehrungen getroffen, daß der Bescheid vom 17. August 1995 möglichst rasch zugestellt wird und danach die Freilassung aus der nicht mehr notwendigen Schubhaft erfolgen kann. Nicht einmal eine Zustellung per Eilboten wurde angeordnet. Da mit dem üblichen Postlauf offenbar erhebliche Verzögerungen eintreten, hätte die belangte Behörde im Interesse einer wesentlichen Beschleunigung der Angelegenheit auch unkonventionelle Übermittlungsarten beispielsweise durch einen Amtsdiener oder durch Auftrag an die Gendarmerie ergreifen müssen. Vor allem wäre auch an eine rasche Übermittlung im Wege der Telekopie an die Amtshilfebehörde und an den Anstaltsleiter der Justizanstalt Ried im Innkreis zu denken gewesen, der zumindest den Aufenthaltsverbots- und Feststellungsbescheid direkt an den Bf hätte weiterleiten können. Nach dem § 18 Abs 3 AVG 1991 idF BGBl Nr. 471/1995 bedürfen derartige Übermittlungen nicht mehr der Zustimmung des Empfängers, wenn sie an Verwaltungsbehörden oder an berufsmäßige Parteienvertreter erfolgen. Im Hinblick auf den besonders hohen Stellenwert, den der Bundesverfassungsgesetzgeber dem Schutz der persönlichen Freiheit zumißt (vgl VfGH 4.10.1994, B 1847/93), sind Haftsachen stets vordringlich zu behandeln.

Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates wäre zu erwarten gewesen, daß die Angelegenheit nach der Entscheidung der belangten Behörde vom 17. August 1995 am Freitag, dem 18. August 1995, durch Zustellung des Aufenthaltsverbots- und Feststellungsbescheides und durch anschließende Freilassung des Bf erledigt wird. Die belangte Behörde hätte voraussehen müssen, daß der Bf ansonsten während des Wochenendes und - wie sich gezeigt hat - auch noch erhebliche Zeit danach unnötigerweise angehalten wird.

Die Schubhaft zur Verfahrenssicherung wäre nach Erlassung des durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes nicht mehr nötig gewesen, eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kam mangels einer Abschiebemöglichkeit nicht mehr in Betracht.

Daß die Bescheidzustellung und Enthaftung durch die ersuchte Amtshilfebehörde erst am darauffolgenden Donnerstag, dem 24.

August 1995, erfolgte, war nicht nur eine unangemessene, sondern auch eine unverständliche Verzögerung, die jedenfalls die belangte Behörde mangels getroffener Vorkehrungen zu vertreten hat.

Im Ergebnis war daher der Beschwerde teilweise Folge zu geben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft durch die belangte Behörde in der Zeit vom 19. August 1995 bis zur Enthaftung am 24. August 1995 für rechtswidrig zu erklären.

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bf der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten gemäß § 52 Abs 2 FrG iVm § 79a AVG 1991 idF vor der Novelle BGBl Nr. 471/1995, die erst am 1. Jänner 1996 wirksam geworden ist, zuzusprechen. Da für die vor diesem Termin entstandenen Kosten keine nähere gesetzliche Regelung bestand, waren nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers (vgl BGBl Nr.

416/1994) analog anzuwenden, wobei die Pauschalsätze vor dem Verwaltungsgerichtshof um ein Drittel zu kürzen waren (stRsp seit VwGH 23.9.1991, 91/19/0162). In analoger Anwendung des § 50 VwGG hatte der Bf Anspruch auf uneingeschränkten Kostenersatz, obwohl seine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft nur teilweise erfolgreich war.

Der nach der genannten Pauschalierungsverordnung vorgesehene Schriftsatzaufwand von S 12.500,-- war daher auf S 8.333,33 zu kürzen. Außerdem waren analog dem § 59 Abs 3 VwGG die tatsächlich entrichteten und notwendigen Stempelgebühren für die Eingabe von S 120,-- und für eine Beilage von S 30,--, insgesamt daher S 150,--, zuzusprechen. Der Kostenersatzanspruch des Bf gegen den Bund, für den die belangte Behörde funktionell tätig geworden ist, beträgt daher - wie beantragt - S 8.483,33.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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