Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400380/4/Le/La

Linz, 23.10.1995

VwSen-400380/4/Le/La Linz, am 23. Oktober 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Beschwerde des S. S., geb. am ............., StaA. von Bosnien-Herzegowina, dzt. P. ....., vertreten durch V. K., Schubhaftbetreuerin, p.A. S. M. O., ............, ............., wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, daß zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Höhe von 3.044 S binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Kostenersatzantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: §§ 51 Abs.1, 52 Abs.1, 2 und 4 des Fremdengesetzes FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idF BGBl.Nr. 110/1994, iVm § 67c Abs.1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG.

Zu II.: §§ 74 und 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 19.10.1995, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am selben Tage, erhob Herr S. S.

Schubhaftbeschwerde.

In der Begründung dazu führte der Beschwerdeführer (im folgenden kurz: Bf) folgendes aus:

Er sei am 10.10.1995 in ....., vor dem Haus ............., verhaftet und aufgrund des Schubhaftbescheides der BPD Linz vom 13.3.1995, Zl.: Fr-80.236, in Schubhaft genommen worden.

Der Schubhaftbescheid sei ihm am 10.10.1995 zugestellt worden.

Seiner Ansicht nach gelte der Schubhaftbescheid seit 27.3.1995 als widerrufen, weil er nicht binnen 14 Tagen nach seiner Erlassung vollstreckt worden sei. Daher sei seine Anhaltung in Schubhaft seit 10.10.1995 rechtswidrig.

Er beantragte daher, den Schubhaftbescheid der belangten Behörde sowie seine weitere Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und den Bund zum Kostenersatz in Höhe von 8.455 S zu verpflichten.

2. Die Bundespolizeidirektion Linz als belangte Behörde hat mitgeteilt, daß sich der Bf noch in Schubhaft befindet. Der in Beschwerde gezogene Schubhaftbescheid sei zwar am 13.3.1995 zur Sicherung der Abschiebung ausgefertigt worden, doch sei er erst am 10.10.1995 dem Bf ausgefolgt worden und somit erst an diesem Tage erlassen worden.

Die Bundespolizeidirektion Linz beantragte daher, daß der unabhängige Verwaltungssenat die Beschwerde abweisen und erkennen möge, daß der Bf der BPD Linz (dem Bund) die Pauschalbeträge für Schriftsatzaufwand und Aktenvorlage zu ersetzen habe.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in die vorgelegten Akten Einsicht genommen und festgestellt, daß der Sachverhalt in den entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdeausführungen ausreichend geklärt ist.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gem. § 52 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben.

4. Es ergibt sich daraus im wesentlichen folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Gegen den nunmehrigen Bf wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 2.2.1995, Zl. Fr-80.236, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet Österreich erlassen. In der Begründung dazu wurde ausgeführt, daß der nunmehrige Bf bereits dreimal rechtskräftig verurteilt wurde, u.zw. einmal wegen versuchten Diebstahls und zweimal wegen Körperverletzung, einmal wegen gefährlicher Drohung.

Hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse hätte er bei seiner fremdenpolizeilichen Befragung angegeben, daß er seine Familie in Österreich hätte und nicht nach Bosnien zurückkehren wolle. Er sei zwar nicht verheiratet, hätte aber seit dreieinhalb Jahren eine Lebensgefährtin und mit dieser einen 15 Monate alten Sohn. Er sei noch nie einer Beschäftigung nachgegangen. Seinen Lebensunterhalt würde er vom Karenzgeld und der Kinderbeihilfe seiner Lebensgefährtin fristen. Alimente für sein Kind hätte er noch nicht bezahlt, da er dazu nicht in der Lage sei.

In rechtlicher Würdigung der festgestellten Tatsache kam die Behörde zum Schluß, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig sei, weil dies zur Erreichung der in Art.8 Abs.2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten erscheine.

Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.

Das Bundesministerium für Inneres stimmte mit Schreiben vom 9.3.1995 der beabsichtigten Abschiebung zu.

Am 13.3.1995 erstellte die BPD Linz einen Bescheid, mit dem gegen den nunmehrigen Bf die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde. In der Begründung dazu wurde darauf hingewiesen, daß ein bis zum 22.2.2005 befristetes durchsetzbares Aufenthaltsverbot bestehe, er seiner Ausreiseverpflichtung bislang nicht nachgekommen sei und offensichtlich auch nicht gewillt sei, Österreich von sich aus zu verlassen. Es müsse daher die Ausweisung durch Abschiebung durchgesetzt werden.

4.2. Am 10.10.1995 wurde der Bf in Linz vor dem Hause Lenaustraße 1 festgenommen und der BPD Linz vorgeführt. Dort wurde auch am selben Tag eine Niederschrift aufgenommen, aus der hervorgeht, daß ihm anläßlich der Polizeikontrolle der Schubhaftbescheid ausgefolgt und dies durch seine eigenhändige Unterschrift bestätigt wurde. Anschließend sei er der BPD Linz vorgeführt worden, die seine Einlieferung in das Polizeigefangenenhaus Linz angeordnet hätte.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 51 Abs.1 Fremdengesetz (FrG), BGBl.Nr. 838/1992 idF 110/1994, hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 leg.cit.).

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich.

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde - zumindest schlüssig - im wesentlichen die Rechtswidrigkeit der Inschubhaftnahme und der Anhaltung behauptet und die Feststellung begehrt, daß der Schubhaftbescheid, die Inhaftnahme sowie seine Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig wären.

Die Beschwerdevoraussetzungen sind erfüllt, die Beschwerde ist zulässig; sie ist jedoch im wesentlichen nicht begründet.

5.2. Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gem. § 57 AVG anzuordnen.

5.3. Auf Grund des unter Punkt 4. dargestellten Sachverhaltes steht fest, daß gegen den Bf ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bis 22.2.2005 besteht, gegen den Bf mit Bescheid vom 13.3.1995 die Schubhaft verhängt wurde und der Schubhaftbescheid dem Bf am 10.10.1995 erstmals ausgehändigt wurde.

Damit aber steht fest, daß dieser Schubhaftbescheid, wenngleich vom 13.3.1995 datiert, gegenüber dem nunmehrigen Bf erst am 10.10.1995 "erlassen" wurde.

Dies aus folgenden Gründen:

Die Judikatur und Literatur haben sich bereits eingehend mit der Problematik beschäftigt, wann ein Bescheid als "erlassen" gilt. Die Erlassung eines Bescheides bewirkt nämlich erst seine rechtliche Existenz. Der Zeitpunkt des Erlassens wurde daher von Lehre und Rechtsprechung mit dem Zeitpunkt festgelegt, an dem der Bescheid dem Bescheidadressaten tatsächlich zugestellt wurde (siehe hiezu Hauer-Laukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4.A, Seite 465).

Anders betrachtet: Ein Bescheid kann einer Partei gegenüber keine Rechtswirkungen entfalten, wenn er ihr nicht mitgeteilt (erlassen) worden ist (siehe hiezu VwGH vom 13.5.1986, 83/05/0204, 19.6.1980, 3128/79 ua).

Im vorliegenden Fall hat dies zur Konsequenz, daß der zwar am 13.3.1995 ausgefertigte Schubhaftbescheid gegenüber dem nunmehrigen Bf erst am 10.10.1995 erlassen wurde, u.zw.

dadurch, daß ihm an diesem Tage der genannte Bescheid zugestellt wurde.

Daß ihm derselbe Bescheid bereits vorher einmal zugestellt worden sei, wurde nicht behauptet.

Wenn sich der Bf in seiner Berufung auf § 41 Abs.2 letzter Satz des Fremdengesetzes beruft, so ist ihm entgegenzuhalten, daß diese Bestimmung nur für den Fall relevant ist, als der Schubhaftbescheid dem Adressaten zwar zugestellt, aber innerhalb von 14 Tagen der Betreffende nicht in Schubhaft genommen wurde. Nur in diesem Falle, als Zustellung und Inschubhaftnahme zeitlich auseinanderfallen, kann die gesetzlich angeordnete Widerrufsautomatik eingreifen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

5.4. Im Schubhaftprüfungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist die Rechtmäßigkeit der Schubhaft die einzig zu entscheidende Frage (VwGH vom 27.1.1995, 94/02/0334).

Der unabhängige Verwaltungssenat hat die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung nach jeder Richtung hin selbständig zu untersuchen und jedwede unterlaufene Gesetzwidrigkeit festzustellen und aufzugreifen (VfGH vom 23.6.1994, B 2019/93).

Eine Überprüfung des Schubhaftbescheides aus dem Blickwinkel der dem unabhängigen Verwaltungssenat zukommenden Prüfungskompetenz ergab die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Schubhaft, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 FrG dafür vorliegen und die Schubhaft notwendig ist, um die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und die Abschiebung zu sichern.

Zu II.:

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die angeführte Gesetzesstelle. Der belangten Behörde als obsiegender Partei war antragsgemäß der Ersatz der Kosten iSd § 52 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand zuzusprechen. Dabei ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von einem Ansatz in Höhe von zwei Drittel des Pauschalkostenersatzes vor dem VwGH (Verordnung BGBl.Nr.

416/1994 Art.1 B Z4 und 5) auszugehen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage: Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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