Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400424/4/Kl/Rd

Linz, 29.07.1996

VwSen-400424/4/Kl/Rd Linz, am 29. Juli 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des MB, türkischer Staatsangehöriger, geb. am 7.2.1974, vertreten durch VK, wegen Rechtswidrigkeit der Festnahme, des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft wegen unverhältnismäßiger Dauer, insbesondere von 11.7.1996 bis zum 26.7.1996, als rechtswidrig festgestellt.

II. Der Bund (die belangte Behörde) hat dem Beschwerdeführer Aufwandersatz in Höhe von 8.400 S binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag über Gebührenbefreiung wird als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 51 Abs.1, 2 und 4 sowie 48 Fremdengesetz - FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idF BGBl.Nr. 110/1994, iVm § 67c AVG.

zu II.: §§ 52 Abs.2 FrG, 79a AVG und 1 Z1 Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

zu III.: § 67a ff AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 24.7.1996, beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangt am selben Tag, wurde Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit der Festnahme, des Schubhaftbescheides sowie der Anhaltung in Schubhaft, zumindest seit 11.7.1996, durch die BH Wels-Land erhoben und die Feststellung der Rechtswidrigkeit sowie der Kostenersatz beantragt. Auch wurde um Gebührenbefreiung ersucht.

Begründend wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer (Bf) türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität sei und am 9.5.1996 nach Österreich eingereist sei. Mit Bescheid der BH Wels-Land vom 11.5.1996, zugestellt am 11.5.1996, wurde über ihn die Schubhaft verhängt und im PGH der BPD Linz vollzogen. Mit 11.7.1996 sei die Zweimonatefrist gemäß § 48 Abs.2 FrG ausgeschöpft, während gegen den Bf noch kein Aufenthaltsverbot bzw. keine Ausweisung verhängt wurde. Bei dieser Frist handle es sich um eine Maximalfrist, die nur aus Gründen gemäß § 48 Abs.4 FrG, aber nur zur Sicherung der Abschiebung, verlängert werden kann. Der Bf sei auch nicht gemäß § 48 Abs.5 FrG von der Fristverlängerung niederschriftlich in Kenntnis gesetzt worden.

2. Die BH Wels-Land als belangte Behörde hat den bezughabenden Fremdenakt im Wege der Telekopie vorgelegt und gleichzeitig mitgeteilt, daß der Fremde mit 26.7.1996, 10.00 Uhr, aus der Schubhaft entlassen und auf freien Fuß gesetzt wurde.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den vorgelegten Verwaltungsakt Einsicht genommen und es wird festgestellt, daß der Sachverhalt in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, sodaß die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben kann.

4. Es ergibt sich im wesentlichen folgender für die Entscheidung erheblicher Sachverhalt:

4.1. Der Bf ist nach seinen Angaben türkischer Staatsangehöriger und Kurde, und er ist am 9.5.1996 gegen einen Betrag von 3.500 DM durch einen Schlepper ohne gültige Reisedokumente und mit einem gefälschten Ausweis nach Österreich eingereist. Von Wien begab er sich per Bahn nach Wels und wurde dort am 11.5.1996 im Zuge einer Fremdenkontrolle in Thalheim/Wels aufgegriffen. Nach niederschriftlicher Einvernahme im Beisein eines Übersetzers und eines Vertreters der belangten Behörde wurde über den Bf mit Bescheid vom 11.5.1996 durch die BH Wels-Land die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Abschiebung verhängt, weil er illegal nach Österreich eingereist ist, sich unberechtigt in Österreich aufhält, und nicht im Besitz der erforderlichen Mittel für den Unterhalt ist. Dieser Bescheid wurde von ihm persönlich übernommen und die Übernahme mit Unterschrift bestätigt. Gleichzeitig wurde ihm auch nachweislich ein Informationsblatt in türkischer Sprache ausgehändigt. Noch am selben Tage wurde weiters über ihn mit Strafverfügung eine Geldstrafe von 500 S verhängt, weil er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs.1 Z4 iVm § 15 FrG begangen hat. Der Bf wurde am 11.5.1996, 10.15 Uhr, in Schubhaft genommen und um 17.15 Uhr in das PGH Linz eingeliefert.

4.2. Ein Asylantrag vom 13.5.1996 wurde vom Bundesasylamt, Außenstelle Linz, mit Bescheid vom 29.5.1996, in Rechtskraft erwachsen am 20.6.1996, gemäß § 3 Asylgesetz abgewiesen, und es wurde der belangten Behörde mitgeteilt, daß dem Bf weder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommt noch ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde.

4.3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 1.7.1996, zugestellt am 3.7.1996, wurde dem Bf Parteiengehör zum Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gewährt.

Am 8.7.1996 stellte die belangte Behörde an die BPD Linz das Ersuchen, den Bf niederschriftlich über die Verlängerung der Schubhaft gemäß § 48 Abs.4 Z3 FrG zu unterrichten, was mit Niederschrift vom 9.7.1996 vor der BPD Linz erfolgte. Darin stellte der Bf auch einen Antrag gemäß § 54 FrG.

Am 8.7.1996 gelangte der belangten Behörde eine Vollmacht für S M vom 24.5.1996 zur Kenntnis.

Mit Urteil des BG Wels vom 16.7.1996, 16U 381/96, wurde der Bf wegen Urkundenfälschung nach § 223 Abs.2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

4.4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.7.1996, eine Zustellung ist im Akt nicht ausgewiesen, wurde gegen den Bf für die Dauer von fünf Jahren, das ist bis 25.7.2001, ein befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich gemäß § 18 Abs.1 und 2 Z7 sowie §§ 19 bis 21 FrG erlassen und es wurde einer Berufung die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs.2 AVG ausgeschlossen.

Über Anordnung der belangten Behörde wurde der Bf am 26.7.1996, 10.00 Uhr, aus der Schubhaft entlassen.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 51 Abs.1 Fremdengesetz - FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idF BGBl.Nr. 110/1994, hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 leg.cit.).

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 52 Abs.4 leg.cit.).

Der Bf befand sich zum Zeitpunkt der Schubhafteinbringung noch in Haft. Die Beschwerde ist daher rechtzeitig. In der Beschwerde wurde Rechtswidrigkeit der Festnahme, des Schubhaftbescheides sowie der Anhaltung zumindest seit 11.7.1996 behauptet. Die Beschwerdevoraussetzungen sind erfüllt; die Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet.

5.2. Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

Wie unter Punkt 4. ausgeführt wurde, wurde der Schubhaftbescheid zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung erlassen. Da im Grunde der weiteren Sachverhaltsfeststellungen, nämlich unrechtmäßige Einreise, unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich, Mittellosigkeit und Nichtvorhandensein von gültigen Reisedokumenten, vorderhand Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes iSd § 18 Abs.2 Z6 und 7 FrG vorliegen, und weil keine geordnete Unterkunft und keine Mittel vorhanden waren, auch seitens der belangten Behörde zu befürchten war, daß sich der Bf einem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, war die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt. Es war daher der Schubhaftbescheid und die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft entgegen den Beschwerdeausführungen rechtmäßig.

5.3. Soweit sich aber die Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft wegen übermäßiger Dauer bzw. wegen Ablaufes der zulässigen Maximalfrist per 11.7.1996 richtet, kommt den Beschwerdeausführungen Berechtigung zu.

Gemäß § 48 Abs.1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Die Schubhaft darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs.4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern (§ 48 Abs.2 leg.cit.).

Schon dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde nicht nachgekommen. Vielmehr ergibt sich aus dem bereits unter Punkt 4. festgestellten Sachverhalt, daß die belangte Behörde nicht - wie es geboten ist - unverzüglich die erforderlichen Schritte zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - dies stellt immerhin den Haftgrund dar - gesetzt hat. So wurde außer der Wahrung des Parteiengehörs mit 3.7.1996, also kurz vor Ablauf der zweimonatigen Frist, kein Verfahrensschritt im Hinblick auf die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gesetzt. Auch ist aus dem vorgelegten Verfahrensakt nicht ersichtlich, daß sich die belangte Behörde in der Zwischenzeit um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht hat. Auch hinsichtlich der Identitätsfeststellung wurden von der belangten Behörde aktenkundig keine Verfahrensschritte gesetzt. Es haftet daher schon aus diesem Grunde der Anhaltung in Haft eine Rechtswidrigkeit an.

Im übrigen kommt der Beschwerde auch insofern Berechtigung zu, als die höchstmögliche Dauer der Schubhaft von zwei Monaten mit 11.7.1996 endete.

Gemäß § 48 Abs.4 FrG darf eine Verlängerung der Schubhaft über diese Frist hinaus - bis insgesamt längstens sechs Monate - nur erfolgen, wenn der Fremde nur deshalb nicht abgeschoben werden kann oder darf, wenn einer der Gründe der Z1 bis 3 vorliegen. Diese Hinderungsgründe setzen aber voraus, daß alle sonstigen Voraussetzungen für eine Abschiebung iSd § 48 Abs.3 FrG (durchsetzbares Aufenthaltsverbot bzw. durchsetzbare Ausweisung, Notwendigkeit der Sicherung der Abschiebung) vorhanden sind. Ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot ist aber im gegenständlichen Beschwerdefall überhaupt noch nicht vorhanden. Dem schließlich am 25.7.1996 erlassenen Aufenthaltsverbotsbescheid hingegen fehlt noch ein Zustellnachweis.

Es ist daher unter diesem Aspekt eine Anhaltung des Bf in Schubhaft vom 11.7.1996 bis zu seiner Haftentlassung am 26.7.1996 jedenfalls rechtswidrig gewesen.

An dieser Feststellung ändert auch nicht der Umstand, daß dem Bf - entgegen den Beschwerdebehauptungen - die (wenn auch rechtswidrige) Verlängerung der Schubhaft rechtzeitig gemäß § 48 Abs.5 FrG niederschriftlich (im Wege der BPD Linz) zur Kenntnis gebracht wurde.

6. Gemäß § 52 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG steht der obsiegenden Partei Kostenersatz zu, wobei nach der nunmehr geltenden Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995, der Ersatz für den Schriftsatzaufwand von 8.400 S dem Bf zuzusprechen waren.

7. Der Antrag auf Gebührenbefreiung war als unzulässig zurückzuweisen, weil ein solches Begehren weder im AVG noch in den betreffenden bundesgesetzlichen Vorschriften für das Schubhaftverfahren vorgesehen ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K l e m p t

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