Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400445/8/Le/La

Linz, 23.10.1996

VwSen-400445/8/Le/La Linz, am 23. Oktober 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Beschwerde des J T (T), geb. am , angeblich liberianischer Staatsbürger, dzt. in Schubhaft im Polizeigefangenenhaus Nord, Roßauer Lände 7-9,1090 Wien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W R, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Wels zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft als rechtswidrig festgestellt.

II. Der Bund (Bundespolizeidirektion Wels) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 8.520 S zu ersetzen.

III. Der Antrag der Bundespolizeidirektion Wien auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: §§ 51 Abs.1, 52 Abs.1, 2 und 4 des Fremdengesetzes FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idF BGBl.Nr. 110/1994, iVm § 67c Abs.1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG.

Zu II. und III.: §§ 74 und 79a AVG iVm § 1 Z3 und Z4 der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Mit Schriftsatz vom 17.10.1996, beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mittels Telefax eingelangt am 17.10.1996, erhob der Beschwerdeführer (im folgenden kurz: Bf) Beschwerde gemäß § 51 FrG mit der Behauptung, daß seine Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig wäre.

In der Begründung dazu führte er im wesentlichen folgendes aus:

Er sei liberianischer Staatsbürger und am 1.7.1995 in das Bundesgebiet eingereist. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 3.7.1995 sei über ihn die Schubhaft angeordnet worden, aus welcher er am 28.7.1995 wiederum entlassen worden sei. Mit Bescheid vom 5.7.1996 (gemeint: 1995), Zl. IV-831.009/FrB/95, sei über ihn ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Mit Bescheid vom 3.8.1996 (gemeint wohl: 1995) sei über ihn, der inzwischen in Wien seinen Wohnsitz genommen hätte, neuerlich die Schubhaft angeordnet und bis etwa Mitte August 1995 aufrechterhalten worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8.1.1996, Zl. 4c Vr 11190/95 Hv 7211/95 sei er wegen § 12 SGG iVm §§ 15, 269 StGB zu einer fünfzehnmonatigen Freiheitsstrafe verureilt worden, die bis zum 10.10.1996 in der Justizanstalt Wels vollzogen wurde.

Mit Bescheid vom 9.10.1996, Zl. IV-Fr-31.530, zugestellt am 10.10.1996, hätte die belangte Behörde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung angeordnet, die derzeit im Polizeigefangenenhaus Wien - Nord vollzogen werde.

Die Bundespolizeidirektion Wien hätte dem Rechtsfreund des Bf mit Verständigung vom 11.10.1996 mitgeteilt, daß auf Grund der Verurteilung des Bf die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes beabsichtigt sei.

Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die beschwerdegegenständliche Schubhaft von der belangten Behörde mittels Mandatsbescheid erlassen worden sei, was einen eindeutigen Widerspruch zu § 41 Abs.2 FrG darstelle, da sich der Bf bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Schubhaftbescheides nicht bloß kurzfristig in Haft befand.

Gemäß § 48 FrG dürfe die Schubhaft nur dann angeordnet und aufrechterhalten werden, wenn eine alsbaldige Erreichung des Schubhaftzieles mit Grund angenommen werden könne. Diese Verpflichtung werde, wenn dem Fremden bereits im Vorfeld der beabsichtigten Schubhaftverhängung die Freiheit entzogen sei, sinnvollerweise schon in diesem Zeitraum Platz greifen müssen.

Der Bf befinde sich seit 10.10.1995 auf Grund der ihm angelasteten Vergehen nach dem Suchtgiftgesetz in Haft; mit Urteil vom 8.1.1996 sei er rechtskräftig zu einer fünfzehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er befand sich daher iSd § 41 Abs.2 zweiter Satz FrG aus anderen als den im FrG angeführten Gründen nicht bloß kurzfristig in Haft. Dieser Anhaltungszeitraum wäre jedenfalls ausreichend gewesen, um Vorbereitungen für eine unverzügliche Abschiebung des Bf mit Abschluß seiner Strafhaft zu treffen, somit auch, um im Zuge eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens festzustellen, ob eine Abschiebung des Bf überhaupt durchführbar sei (ob die dafür notwendigen Reisedokumente für den undokumentierten Bf beibringbar wären sowie ob eine aufrechte Reiseverbindung in das Heimatland des Bf bestehe).

Auf Grund der Aktenlage könne ersehen werden, daß ein solches Ermittlungsverfahren unterblieben sei. Die belangte Behörde habe die Schubhaft mittels Mandatsbescheid angeordnet und beabsichtige nun offenbar, erst im Zuge der weiteren Anhaltung des Bf seine Abschiebung vorzubereiten.

Auf Grund der zehn Monate langen Strafhaft und im Hinblick auf die für die Schubhaft vom Gesetzgeber üblicherweise veranschlagte absolute Höchstdauer hätten sowohl die BPD-Wels als auch die BPD-Wien genügend Zeit zur Verfügung gehabt, um noch vor Verhängung der bekämpften Schubhaft durch geeignete Ermittlungen festzustellen, ob die Abschiebung des Bf überhaupt in tatsächlicher Hinsicht durchführbar sein würde bzw. ob nicht von einer Schubhaftverhängung mit Ablauf der Strafhaft Abstand zu nehmen sein würde, weil eine Außerlandesschaffung des Bf nicht möglich sei.

Durch die Anordnung der beschwerdegegenständlichen Schubhaft ohne Ermittlungsverfahren werde der Bf in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Er beantragte daher, der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge seine Anhaltung in Schubhaft seit dem 10.10.1996 für rechtswidrig zu erklären sowie festzustellen, daß die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft nicht vorliegen und der belangten Behörde den Ersatz der Kosten dieses Verfahrens in Höhe von 8.520 S zu Handen des Vertreters aufzuerlegen.

2. Die Bundespolizeidirektion Wels als belangte Behörde hat den bei ihr aufliegenden Schubhaftakt an den unabhängigen Verwaltungssenat per Telefax übermittelt. Zum Beschwerdevorbringen hat sie mitgeteilt, daß die Bundespolizeidirektion Wien das genannte fremdenpolizeiliche Verfahren führt. Der Schubhaftbescheid sei nur deshalb von der BPD-Wels erlassen worden, weil der Bf in der Justizanstalt Wels in Strafhaft war und daher deshalb die örtliche Zuständigkeit der BPD-Wels gegeben war.

Die belangte Behörde übermittelte dazu ein Schreiben des fremdenpolizeilichen Büros der Bundespolizeidirektion Wien, mit dem diese ersuchte, gegen den Genannten nach Entlassung aus der Gerichtshaft die Schubhaft anzuordnen. In diesem Schreiben wies die Bundespolizeidirektion Wien darauf hin, daß es von ihr beabsichtigt sei, gegen den nunmehrigen Bf wegen seiner Verurteilung gemäß § 12/1/2 erster Deliktsfall SGG, §§ 15, 269/1 StGB, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen.

Überdies wurde in diesem Schreiben ersucht, dem Bf bezüglich der beabsichtigten Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes Parteiengehör zu gewähren.

3. Die Bundespolizeidirektion Wien hat die dort vorhandene Aktenkopie des fremdenpolizeilichen Aktes (das Original lag beim Verwaltungsgerichtshof) vorgelegt und in ihrer Stellungnahme vom 22.10.1996 mitgeteilt, daß der Bf am 21.10.1996 im Beisein der Honorarkonsulin von Liberia zwecks Feststellung seiner Identität niederschriftlich einvernommen worden sei. Die Honorarkonsulin erklärte nach eindringlicher Befragung des Bf, daß dieser mit Sicherheit nicht aus Liberia stamme.

Mit Schreiben vom 14.10.1996 sei das Bundesministerium für Inneres um Hilfestellung bei der Erwirkung des Heimreisezertifikates ersucht worden und sei damit zu rechnen, daß auf Grund der nicht geklärten Identität des Bf die Erlangung des Heimreisezertifikates noch geraume Zeit in Anspruch nehmen werde. Dies insbesondere deshalb, da der Bf nicht gewillt sei, seine wahre Identität und Nationalität preiszugeben.

Weiters verwies die BPD-Wien auf das eingeleitete Verfahren zur Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, das bereits bestehende Aufenthaltsverbot für 5 Jahre sowie die Verurteilung nach dem Suchtgiftgesetz.

Abschließend begehrte die BPD-Wien die Abweisung der Beschwerde sowie den Zuspruch des pauschalierten Aufwandersatzes.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in die vorgelegten Akten Einsicht genommen und festgestellt, daß der Sachverhalt in den entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdeausführungen ausreichend geklärt ist.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gem. § 52 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben.

5. Es ergibt sich daraus im wesentlichen folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, daß der Bf seit 24.1.1996 in der Justizanstalt Wels seine Strafhaft verbüßte. Von dort wurde er am 10.10.1996 entlassen und auf Grund des von der BPD-Wels ausgestellten Schubhaftbescheides sofort in Schubhaft genommen und in das Polizeigefangenenhaus Wien überstellt.

Das beabsichtigte unbefristete Aufenthaltsverbot war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch nicht erlassen und war auch noch kein Heimreisezertifikat ausgestellt; aktenkundig hat sich die BPD-Wien erst am 14.10.1996 mit dem Bundesministerium für Inneres in Verbindung gesetzt und um Hilfestellung bei der Beibringung des Heimreisezertifikates ersucht.

Am 21.10.1996 wurde von der Honorarkonsulin von Liberia erklärt, daß der Bf mit Sicherheit nicht aus Liberia stamme.

Der Bf befindet sich weiterhin in Schubhaft.

6. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

6.1. Gemäß § 51 Abs.1 Fremdengesetz (FrG), BGBl.Nr. 838/1992 idF 110/1994, hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 leg.cit.).

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich.

6.2. Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gem. § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befindet sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

Gemäß § 48 Abs.1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Die Schubhaft darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs.4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern (§ 48 Abs.2 FrG).

Es steht fest, daß sich der Bf zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides nicht bloß kurzfristig in Haft befand, sondern bereits eine mindestens zehnmonatige Strafhaft verbüßte. Dennoch hat die belangte Behörde im gegenständlichen Schubhaftbescheid ausdrücklich begründet, daß diese Maßnahme (gemeint: die Anordnung der Schubhaft) aus den angeführten Gründen wegen Gefahr im Verzuge keinen Aufschub duldete und somit der Bescheid ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren auf der Rechtsgrundlage des § 57 AVG erlassen werde.

Auch wenn man davon ausgeht, daß die belangte Behörde diesen Schubhaftbescheid im Wege der Amtshilfe auf Grund ihrer örtlichen Zuständigkeit erlassen hat und die das eigentliche fremdenpolizeiliche Verfahren führende Behörde die BPD-Wien ist, so ist auch dieser Behörde vorzuhalten, daß aus dem von ihr vorgelegten Verwaltungsakt keinerlei Ermittlungstätigkeit im Hinblick auf die Erlassung des Schubhaftbescheides ersehen werden kann. Überdies fehlt jegliche Ermittlungstätigkeit im Hinblick darauf, daß ein Heimreisezertifikat eingeholt bzw. die Staatsangehörigkeit des Bf festgestellt wird. Dies wäre aber bereits deshalb dringend geboten gewesen, da die BPD-Wien bereits in ihrem Bescheid vom 10.1.1996, Zl. IV-831.009-FrB/96, mit dem dem Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes keine Folge gegeben wurde, selbst massive Zweifel an der liberianischen Staatsangehörigkeit des Bf geäußert hat.

Wenn aber bereits die Fremdenpolizeibehörde im Jänner 1996 massive Zweifel an der Richtigkeit vom Bf angegebenen Staatsbürgerschaft hatte, so hätte sie während der Dauer der Strafhat genügend Zeit gehabt, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Daß sie solche Ermittlungen gepflogen hat, hat sie in ihrer Stellungnahme weder behauptet noch geht dies aus den vorgelegten Aktenteilen hervor.

Wenn die belangte Behörde bzw. die BPD-Wien von Anbeginn der Verbüßung der Strafhaft an Ermittlungen angestellt hätten, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit die wahre Staatsangehörigkeit des Bf geklärt worden und hätte das entsprechende Heimreisedokument angefordert werden können.

Da die belangte Behörde (eigentlich: die BPD-Wien) somit von Anfang an keine zweckdienlichen Maßnahmen gesetzt haben, um die Dauer der Schubhaft so kurz wie möglich zu halten, erweist sich die Anhaltung des Bf sohin schon im Hinblick auf § 48 Abs.1 FrG widerrechtlich. Der Schubhaftbeschwerde war somit gemäß § 67c Abs.4 AVG stattzugeben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft als rechtswidrig festzustellen.

Zu II.:

Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bf gemäß § 79a AVG iVm § 1 Z3 und Z4 der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr.

855/1995, Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in Höhe von 8.520 S (Schriftsatzaufwand 8.400 S, Barauslagen 120 S) zuzusprechen.

Wegen Stattgebung der Beschwerde war somit der Antrag der Bundespolizeidirektion Wien abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. L e i t g e b

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