Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400570/5/Kl/Rd

Linz, 05.05.2000

VwSen-400570/5/Kl/Rd Linz, am 5. Mai 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des Mahmut Y, vertreten durch RAe, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme und Anhaltung in Zurechnung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Anträge auf Aufhebung des Schubhaftbescheides und der Anhaltung werden zurückgewiesen.

II. Der Kostenantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 61, 66, 69, 70, 72 und 73 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 158/1998 iVm § 67c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

Zu II.: §§ 73 Abs.2 FrG und 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 26.4.2000, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 28.4.2000, wurde Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land sowie die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft im polizeilichen Gefangenenhaus Linz erhoben und die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Anhaltung und Festnahme gegen Kostenersatz beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass gegen den Beschwerdeführer (Bf) mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20.12.1999 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde, dieser Bescheid von der Sicherheitsdirektion von mit Bescheid vom 14.2.2000 bestätigt wurde und dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Der angefochtene Bescheid und die vorliegende Maßnahme zielen auf eine zwangsweise Durchsetzung der Abschiebung ab. Der bestätigende Bescheid der Sicherheitsdirektion sei aber per se keine "bestimmte Tatsache" iSd § 31 FrG. Der Bf halte sich seit 22.5.1986 ununterbrochen und rechtmäßig in Österreich auf und es hätte ihm gemäß § 10 Abs.1 StbG 1985 mit 23.5.1996 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können. Er gehe einer geregelten Beschäftigung bei der Firma B seit 19.1.1998 nach. Seiner Ehe mit Frau Waltraud Y entstammen vier gemeinsame minderjährige Kinder. Aufgrund der tiefgreifenden gesellschaftlichen und sozialen Verwurzelung in Österreich und der geregelten Beschäftigung hätte die belangte Behörde es dabei bewenden lassen können, ihn schriftlich oder telefonisch aufzufordern, dem verhängten Aufenthaltsverbot nachzukommen bzw das Bundesgebiet zu verlassen. Das Aufenthaltsverbot hätte gemäß § 38 Abs. 1 Z3 FrG zwingend nicht erlassen werden dürfen und es hätte auch keiner Verhaftung am Arbeitsplatz bedurft. Es wären von der Behörde gelindere Mittel anzuwenden gewesen. Auf die Begründung der Bescheidbeschwerde Punkt I. lit.a bis f wurde ausdrücklich hingewiesen, wonach die Verurteilung vom 22.10.1997 (Tatzeit Anfang 1997) ohne Zweifel außerhalb des Beobachtungszeitraumes iSd § 38 Abs.1 Z3 FrG lag. Der Bf sei zwar tatsächlich zweimal gemäß § 83 Abs.1 StGB (7.11.1994 sowie 22.10.1997) wegen des Vergehens der Körperverletzung verurteilt worden. Auf Verurteilungen vor dem Inkrafttreten des FrG 1997 dürfe jedoch nicht Bedacht genommen werden.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und in der Stellungnahme auf das rechtskräftige Aufenthaltsverbot hingewiesen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den vorgelegten Verwaltungsakt Einsicht genommen und es wird festgestellt, dass der Sachverhalt in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 73 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben kann.

4. Es ergibt sich im Wesentlichen folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt:

4.1. Der Bf ist nach seinen Angaben am 1.1.1955 geboren und türkischer Staatsangehöriger. Er hält sich seit 22.5.1986 ununterbrochen in Österreich auf, ist verheiratet und hat aus dieser Ehe vier minderjährige Kinder. Er ist seit 19.1.1998 bei der Firma B beschäftigt und geht einer geregelten Arbeit nach.

4.2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20.12.1999, Sich04/2600/1988, wurde über den Bf ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich gemäß §§ 36 Abs.1 und 2 Z1 iVm 37 und 39 FrG erlassen. Dieser Bescheid wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14.2.2000, St014/00, zugestellt am 2. oder 7.3.2000, bestätigt. Dagegen wurde Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 22.10.1997, 28EHV110/97 wurde der Bf wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs.1 StGB (Tatzeit Anfang 1997) rechtskräftig verurteilt. Eine weitere rechtskräftige Verurteilung gemäß § 83 Abs.1 StGB erfolgte am 17.11.1994. Darüber hinaus bestehen weitere Verurteilungen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26.4.2000, Sich04/2600, wurde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt und durch Festnahme an seinem Arbeitsplatz bei der Firma B und Anhaltung im bundespolizeilichen Gefangenenhaus Linz am selben Tage in Vollzug gesetzt.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 72 Abs.1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 158/1998, hat, wer gemäß § 63 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde (§ 73 Abs.1 FrG).

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 73 Abs.4 leg.cit.).

Der Bf befindet sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung in Schubhaft. In der Beschwerde wurde die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sowie der Festnahme und Anhaltung in Schubhaft behauptet. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig, sie ist aber nicht begründet.

5.2. Gemäß § 61 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots oder eine Ausweisung bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

5.3. Nach den wesentlichen Feststellungen wurde über den Bf ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt und wurde dieser Bescheid mit Zustellung am 2. bzw 7.3.2000 rechtskräftig. Der Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde bislang eine aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt. Es ist daher das Aufenthaltsverbot gemäß § 40 Abs.1 FrG durchsetzbar und es hat daher der Fremde unverzüglich auszureisen. Ein Durchsetzungsaufschub wurde nicht beantragt und nicht erteilt.

Gemäß § 56 Abs.1 FrG können Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn 1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig erscheint oder 2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder 3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen.

Aus dem tatsächlichen Aufenthalt an seinem Wohnsitz und seiner weiteren Beschäftigung bis zur Festnahme (26.4.2000) trotz des rechtskräftigen und durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes, das den Bf seit 2.3.2000 zur unverzüglichen Ausreise verpflichtet, ist ersichtlich, dass der Bf seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen ist. Immerhin liegt zwischen Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes und dem Zeitpunkt der Festnahme ein Zeitraum von schwachen zwei Monaten, was für eine ordnungsgemäße Ausreise jedenfalls ausreichend ist. Auch ist aus diesem Verhalten ersichtlich, dass der Bf nicht gewillt ist, freiwillig auszureisen.

Es war daher der gesetzliche Grund für eine Abschiebung gemäß § 56 Abs.1 Z2 FrG jedenfalls gegeben. Zur Sicherung der Abschiebung ist auch die Inschubhaftnahme gemäß § 61 Abs.1 FrG vorgesehen. Es war daher die Erlassung des Schubhaftbescheides zur Sicherung der Abschiebung rechtmäßig (VwGH vom 28.7.1995, 95/02/0117 und vom 17.11.1995, 95/02/0440). Eine gesonderte Aufforderung zur Ausreise ist dabei nicht erforderlich (VwGH vom 14.6.1996, 95/02/0480). Die Ausreiseunwilligkeit rechtfertigt die Schubhaftverhängung (VwGH vom 5.9.1997, 96/02/0568). Der Schubhaftbescheid wurde durch die Festnahme in Vollzug gesetzt. Die Anhaltung in Schubhaft war aber insofern erforderlich, weil der Bf seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nicht nachgekommen ist und auch noch in seinem Beschwerdeschriftsatz zu erkennen gibt, dass er nicht gewillt ist, freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen. Es sind daher auch gelindere Mittel iSd § 66 Abs.1 FrG nicht geeignet, zumal nicht damit gerechnet werden kann, dass dem Zweck der Anordnung der Schubhaft damit entsprochen werden kann. Gemäß § 69 Abs.1 FrG hat die Schubhaft so kurz wie möglich zu dauern. Von einer unverhältnismäßig langen Dauer der Schubhaft kann zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht ausgegangen werden. Es liegen daher auch zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung in Schubhaft vor.

5.4. Wenn in der Beschwerde behauptet wird, dass sich der Bf rechtmäßig in Österreich aufhält, so ist ihm die Bestimmung des § 16 Abs.2 FrG entgegenzuhalten, wonach Einreise- und Aufenthaltstitel ungültig werden, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar wird. Mit der gegenständlichen Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes am 2.3.2000 ist daher der Aufenthaltstitel des Bf ungültig und er hält sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Dem Vorbringen, dass das rechtskräftige Aufenthaltsverbot rechtswidrig ergangen sei und Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht vorliegen, ist die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach der unabhängige Verwaltungssenat im Rahmen eines Schubhaftbeschwerdeverfahrens die Rechtmäßigkeit von Bescheiden (ausgenommen Schubhaftbescheiden) nicht zu prüfen hat, sondern diese seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (VwGH vom 18.7.1997, 96/02/0359, 25.4.1997, 95/02/0115 ua). Auch rechtfertigt die Bekundung des Bf, jedenfalls bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht gewillt zu sein, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen, nicht seinen unrechtmäßigen Aufenthalt, sondern ist die Verhängung der Schubhaft, um die rechtlich gebotene Ausreise zu sichern, gesetzeskonform (vgl. VwGH vom 25.4.1997, 95/02/0115).

Es war daher die Beschwerde abzuweisen.

5.5. Der Antrag auf Bescheidaufhebung und Aufhebung der Anhaltung war zurückzuweisen, weil derartige Anordnungen durch den unabhängigen Verwaltungssenat gesetzlich nicht vorgesehen sind. Gemäß § 94 Abs.5 letzter Satz FrG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig. Mangels eines ordentlichen Rechtsmittels ist daher auch eine Bescheidaufhebung nicht möglich. Vielmehr hat der Oö. Verwaltungssenat gemäß §§ 61 Abs.4 und 72 Abs.1 FrG die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides festzustellen und die belangte Behörde für den Fall, dass der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ihre Fortsetzung nicht vorliegen, die Schubhaft durch Freilassung des Fremden formlos aufzuheben (§ 70 Abs.1 Z2 FrG). Eine Kompetenz zur Enthaftung kommt daher dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht zu (vgl. VwGH vom 8.11.1996, 96/02/0454).

6. Gemäß § 73 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG steht der belangten Behörde als obsiegender Partei der Kostenersatz zu, war aber mangels eines entsprechenden Antrages nicht zuzusprechen. Das Aufwandersatzbegehren des Bf war hingegen wegen des Unterliegens abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Ausreiseunwilligkeit, rechtskräftiges Aufenthaltsverbot, Schubhaft rechtmäßig, kein Aufenthaltstitel.

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