Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400598/4/Kl/Bk

Linz, 20.02.2001

VwSen-400598/4/Kl/Bk Linz, am 20. Februar 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des R, Sta. der russischen Föderation, derzeit PGH der BPD Linz, vertreten durch K, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Freistadt zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und es wird festgestellt, dass die Anhaltung in Schubhaft ab dem 4.2.2001 (einschließlich) rechtswidrig ist.

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Aufwandersatz für Schriftsatzaufwand inklusive Stempelgebühren in der Höhe von 8.580 S (entspricht  623,53 Euro) zu leisten. Das Aufwandersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 61, 69 Abs.2 und 4 Z3, 72 und 73 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 134/2000.

Zu II.: § 79a AVG iVm § 73 Abs.2 FrG und § 1 Z1 Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 13.2.2001 wurde Beschwerde gemäß §§ 72 und 73 FrG erhoben und beantragt, der UVS für das Land Oberösterreich möge die Anhaltung in Schubhaft seit 3.2.2001 für rechtswidrig erklären und den Bund zum Kostenersatz in Höhe von 8.580 S verpflichten. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer (Bf) Staatsangehöriger der russ. Föderation sei und am 3.12.2000 unter Umgehung der Grenzkontrolle ohne Besitz eines gültigen Reisedokuments eingereist sei und am selben Tage über ihn die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt worden sei. Am 4.12.2000 habe er beim Bundesasylamt, Außenstelle Linz, einen Asylantrag gestellt. Unter Zugrundelegung des § 69 Abs.4 FrG und der Judikatur des UVS darf eine Verlängerung der Schubhaft über diese Frist hinaus bis insgesamt längstens sechs Monate nur erfolgen, wenn der Fremde nur deshalb nicht abgeschoben werden kann oder darf, wenn einer der Gründe der Z1 bis 3 vorliegen. Diese Hinderungsgründe setzen aber voraus, dass alle sonstigen Voraussetzungen für eine Abschiebung (durchsetzbares Aufenthaltsverbot bzw durchsetzbare Ausweisung, Notwendigkeit der Sicherung der Abschiebung) vorhanden sind. Gemäß § 69 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Das bedeutet, dass die Behörde alle Schritte zu unternehmen hat, welche dem Erreichen des Ziels der Schubhaft dienen, wie zB das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung durchzuführen. Bis jetzt sei aber gegen den Bf keine Ausweisung bzw kein Aufenthaltsverbot erlassen worden, wodurch die belangte Behörde ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei. Es sei daher die Anhaltung in Schubhaft seit 3.2.2001 gesetzwidrig.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat den bezughabenden Fremdenakt vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde sowie den Zuspruch des pauschalierten Aufwandersatzes begehrt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt. Weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 73 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben.

4. Folgender rechtserheblicher Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt:

4.1. Der Bf ist Staatsangehöriger der russ. Föderation, am 2.9.1966 geboren und am 2.12.2000 auf einem Lkw mittels eines Schleppers unter Umgehung der Grenzkontrolle Wullowitz illegal in das Gebiet der Republik Österreich eingereist und wurde am 3.12.2000 um 1.45 Uhr aufgegriffen und festgenommen. Mit Schubhaftbescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 3.12.2000, Sich41-2000-Eh, wurde über den Bf gemäß § 61 Abs.1 und 2 FrG die Schubhaft zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung verhängt, weil er unter Umgehung der Grenzkontrolle ohne im Besitz eines Reisedokumentes und der erforderlichen Barmittel für den Lebensunterhalt eingereist ist und keinen Aufenthaltstitel und keinen Wohnsitz in Österreich aufweist. Dieser Bescheid wurde dem Bf persönlich übergeben und durch Überstellung in das Polizeigefangenenhaus Linz in Vollzug gesetzt.

Der Bf hat am 3.12.2000 einen Asylantrag gestellt. Dieser wurde nach niederschriftlicher Einvernahme durch das Bundesasylamt am 15.12.2000 gemäß § 4 Asylgesetz abgewiesen. Gegen die Abweisung wurde Berufung am 22.12.2000 eingebracht. Dem Bf kommt keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu.

4.2. Die Republik Tschechien wurde von der belangten Behörde zur Rückübernahme am 18.12.2000 ersucht. Nach ergänzenden Ermittlungen wurde eine Rückübernahme am 1.2.2001 endgültig abgelehnt.

Bei einer niederschriftlichen Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetschers wurde dem Bf am 12.1.2001 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot zu verhängen. Über weiteres Ersuchen der belangten Behörde wurde dem Bf niederschriftlich am 30.1.2001 mitgeteilt, dass die Schubhaft verlängert wird, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate, weil die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt bzw vor Ablauf der Frist von zwei Monaten nicht einlangen wird. Auch dieser Niederschrift wurde ein Dolmetsch beigezogen, die Unterschrift durch den Bf aber ohne Angabe von Gründen verweigert.

Mit Schreiben vom 29.1.2001 hat die Bezirkshauptmannschaft Freistadt an die Botschaft der russ. Föderation um Mitteilung ersucht, ob die Ausstellung von Heimreisezertifikaten möglich ist bzw welche Unterlagen hiefür seitens der Vertretungsbehörde benötigt werden.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 61 Abs.1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 134/2000 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Gemäß § 72 Abs.1 FrG hat, wer gemäß § 63 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen.

Gemäß § 73 Abs.1 ist zur Entscheidung über die Beschwerde der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde.

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 73 Abs.4 leg.cit.).

Der Bf wurde mit Schubhaftbescheid vom 3.12.2000 zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen und hat gegen die Anhaltung ab dem 3.2.2001 Beschwerde erhoben. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig. Sie ist im Übrigen auch begründet.

5.2. Gemäß § 69 Abs.1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs.4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern (Abs.2).

Wird ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt (Abs.3).

Kann oder darf ein Fremder nur deshalb nicht abgeschoben werden,

1. weil über einen Antrag gemäß § 75 noch nicht rechtskräftig entschieden ist oder

2. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder

3. weil er die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht besitzt oder

4. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 60) wiedersetzt,

so kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Wochen nach rechtskräftiger Entscheidung (Z1), nach Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit (Z2), nach Einlangen der Bewilligung bei der Behörde (Z3) oder nach Vereitelung der Abschiebung (Z4), insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden (Abs.4).

Das Beschwerdevorbringen stützt sich auf den rechtskräftig erlassenen und in Vollzug gesetzten Schubhaftbescheid vom 3.12.2000, weshalb die Schubhaft gemäß § 69 Abs.2 FrG nicht länger als zwei Monate also nicht länger als bis zum 3.2.2001 dauern darf. Die Voraussetzungen des § 69 Abs.4 FrG seien nicht erfüllt. Mit diesem Beschwerdevorbringen ist der Bf im Recht. Trotz des Schubhaftzweckes und der in der niederschriftlichen Einvernahme erfolgten Ankündigung wurde bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Oö. Verwaltungssenat ein Aufenthaltsverbot bzw ein Ausweisungsbescheid nicht erlassen. Es kann daher der Bf schon mangels eines rechtskräftigen und durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes bzw einer Ausweisung nicht abgeschoben werden (vgl. § 56 Abs.1 Einleitungssatz FrG "Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, können von der Behörde zur Ausreise verhalten werden [Abschiebung]"). Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotsbescheides bzw eines Ausweisungsbescheides ist aber kein Grund gemäß § 69 Abs.4 FrG, um die Schubhaft über die Zweimonatsfrist hinaus zu verlängern. Vielmehr setzt die Bestimmung des § 69 Abs.4 FrG bereits voraus, dass ein rechtskräftiges und durchsetzbares Aufenthaltsverbot bzw eine Ausweisung vorliegt (Arg. "nur deshalb nicht abgeschoben").

Darüber hinaus ist anzumerken, dass dem Bf bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 30.1.2001 als Grund der Verlängerung der Schubhaft genannt wurde, dass die Bewilligung für die Einreise in einen anderen Staat nicht vorhanden ist. Dies würde einen Grund gemäß § 69 Abs.4 Z3 FrG darstellen. Es ist daher befremdlich, dass in einem "Laufzettel" der Fremdenbehörde als Schubhaftverlängerungsgrund die "Z4" des § 69 Abs.4 FrG angekreuzt ist.

Weil daher die Voraussetzungen für die Verlängerung der Schubhaft gemäß § 69 Abs.4 FrG nicht vorliegen, war die Anhaltung in Schubhaft ab dem 4.2.2001 rechtswidrig. Dies musste spruchgemäß festgestellt werden.

6. Weil die Beschwerde Erfolg hatte, war dem Bf gemäß der Anordnung des § 73 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG und § 1 Z1 Aufwandersatzverordnung UVS der Schriftsatzaufwand in der Höhe von 8.400 S zuzüglich Stempelgebühren in der Höhe von 180 S, das sind insgesamt 8.580 S zuzusprechen. Das Aufwandersatzbegehren der belangten Behörde war daher abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

kein durchsetzbares Aufenthaltsverbot; keine Schubhaftverlängerung

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