Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400636/6/SR/Ri

Linz, 19.03.2003

 

 

 VwSen-400636/6/SR/Ri Linz, am 19. März 2003

DVR.0690392
 

 
 

E R K E N N T N I S
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des J Z, geb., StA Sierra Leone, zuletzt gemeldet in L, Nstraße , wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding aufgrund des Schubhaftbescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. Oktober 2000, Zl. IV-918.491/FrB/2000, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt.

 

II. Mangels Antrages war der Ersatz der notwendigen Aufwendungen nicht zuzusprechen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 72 und 73 Fremdengesetz 1997 - FrG iVm §§ 67c und 79a AVG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden Sachverhalt aus:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.), ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, geb. am, ist am 1. April 1999 von Italien kommend illegal in das Bundesgebiet eingereist. Am 1. April 1999 hat er beim Bundesasylamt Traiskirchen einen Asylantrag gestellt. Der Asylantrag wurde am 23. August 2000 vom Unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 6 Z3 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung oder Abschiebung nach Sierra Leone gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt.

1.2. Am 2. Juni 1999 wurde der Bf. in Wien 5, im Bereich der U-Bahnstation Margaretengürtel wegen Verdachts des Suchtmittelhandels festgenommen. Laut Aktenvermerk vom 3. Juni 1999 (Koat 5, BzInsp Sch) wurde der Bf. nicht in das Landesgericht Wien eingeliefert.

Der Bezirkshauptmann vom Baden verfügte mit Bescheid vom 15. Juni 1999, Zl. II/T-9904001, die Ausweisung des Bf. und erkannte einer Berufung gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung ab. Ebenfalls mit Bescheid vom 15. Juni 1999 wurde dem Bf. vom Bezirkshauptmann von Baden unter obiger Zahl ein Vollstreckungsaufschub (Abschiebungsaufschub) bis zum 15. September 1999 gewährt.

Am 19. Juli 1999 übermittelte das Fremdenpolizeiliche Büro der Bundespolizeidirektion Wien (im Folgenden: FrB) den Fremdenakt des Bf. an die Bezirkshauptmannschaft Baden.

Da sich der Bf. in der Folge in Linz polizeilich angemeldet hatte, ersuchte die Bundespolizeidirektion Linz mit Schreiben vom 3. September 1999 um Übermittlung des fremdenpolizeilichen Aktes.

Am 13. September 1999 hielt sich der Bf. illegal in der Betreuungsstelle Traiskirchen auf. Nach einer Kontrolle wurde der Bf. aus der Betreuungsstelle gewiesen. Mit 14. September 1999 wurde der Bf. in Linz abgemeldet, da er "nach unbekannt" verzogen war. Am 19. Oktober 1999 meldete sich der Bf. wiederum in Linz polizeilich an. Als Meldeadresse wurde L, Lstraße angegeben.

Über Antrag des Bf. gewährte der Polizeidirektor der Stadt Linz dem Bf. mit Bescheid vom 18. November 1999, Zl. Fr-100.142, einen Abschiebungsaufschub bis 30. April 2000.

Am 25. März 2000 wurde der Bf. wegen eines Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz festgenommen und in der Folge in die JA Wien Josefstadt eingeliefert.

Das FrB ersuchte daraufhin am 6. April 2000 die Polizeiabteilung bei der Staatsanwaltschaft Wien dem Bf. Parteiengehör zu gewähren und seine Angaben niederschriftlich festzuhalten. Am 13. April 2000 fertigte die Polizeiabteilung bei der Staatsanwaltschaft Wien mit dem Bf. eine "Niederschrift" an. Einleitend wurde der Bf. mit dem "Grund der Befragung" vertraut gemacht. Der Bf. führte vermutlich wiederholend aus, dass "er zur Kenntnis nehme, dass das FrB beabsichtige, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihn nach Beendigung der Gerichtshaft in Schubhaft nehmen werde". Abschließend gab er an, dass er sich zu GZ.: 26a Vr 2466/00 in U-Haft befinde und den Hauptverhandlungstermin noch nicht kenne.

Am 20. April 2000 übermittelte das FrB den Fremdenakt des Bf. der Bezirkshauptmannschaft Linz (gemeint: Bundespolizeidirektion Linz) zum Amtsgebrauch. Mit Schreiben vom 22. Mai 2000 reichte das FrB Aktenteile nach.

Die Bundespolizeidirektion Linz schickte am 16. August 2000 dem FrB den Fremdenakt mit der Anmerkung, dass der Bf. in Linz seit 28. März 2000 nicht mehr gemeldet sei, zurück.

Am 5. Oktober 2000 ersuchte das FrB die Polizeiabteilung bei der Staatsanwaltschaft Wien um Bekanntgabe des Verfahrensstandes bzw. des Sachausganges des den Bf. betreffenden Verfahrens. Am 30. Oktober 2000 teilte die Polizeiabteilung mit, dass das Verfahren gegen den Bf. beim Landesgericht für Strafsachen Wien unter der Zahl GZ.4 b Vr 2466/00 Hv 4085/00 wegen §§ 28/2/4 Z3 SMG und 15 StGB noch anhängig sei. Die Hauptverhandlung sei vertagt und für den 11. Jänner 2001 anberaumt worden.

Der Polizeipräsident von Wien ordnete mit Bescheid vom 3. Oktober 2000, Zl. IV-918.491/FrB/2000, gegen den Bf. die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens, zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 FrG und seiner Abschiebung an. Der Spruch wurde mit der Bedingung versehen, dass "die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des Bf. aus der Gerichtshaft eintreten". Aus der Begründung ist abzuleiten, dass der Bescheid nicht gemäß § 57 AVG erlassen wurde. Nach der Schilderung des Verhaltens des Bf. nach seiner illegalen Einreise in Österreich und seinen Behördenkontakten kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Anwendung gelinderer Mittel auszuschließen und die Schubhaft anzuordnen sei, da aufgrund des Verhaltens des Bf. befürchtet werden müsse, dass er sich dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen suchen werde.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. März 2002, GZ 4b Vr 2466/00 042 Hv 4085/00 wurde gegen den Bf. wegen Verbrechen/Vergehen nach § 28 Abs.2 SMG, § 28 Abs.4 Z3 SMG und § 12 StGB eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verhängt.

Am 23. April 2002 teilte die Polizeiabteilung bei der Staatsanwaltschaft Wien unter der Zahl II-3142/Pol.Abt/2002 dem FrB mit, dass der Bf. von der JA-Wien Josefstadt in die JA-Suben überstellt worden sei. Weiters wurde das voraussichtliche Strafende - 24. September 2002 - bekannt gegeben.

Am 6. Mai ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Schärding das FrB um Übermittlung des Fremdenaktes zum Zwecke der Einsichtnahme. Im Schreiben brachte die Bezirkshauptmannschaft Schärding zum Ausdruck, dass die Bundespolizeidirektion Wien die zuständige Fremdenbehörde sei.

Aufgrund dieses Schreibens übermittelte das FrB am 13. Mai 2002 den Fremdenakt und nach Einsichtnahme schickte die Bezirkshauptmannschaft Schärding diesen mit Hinweis auf das Schreiben vom 6. Mai 2002 zurück. Am 1. Juli 2002 reichte die Bundespolizeidirektion Linz dem FrB Teile des Fremdenaktes nach.

Am 4. September 2002 übersandte das FrB der Bezirkshauptmannschaft Schärding neuerlich den Fremdenakt und ersuchte im Rechtshilfeweg um Verfahrensführung im zu führenden Aufenthaltsverbotsverfahren.

Die Bezirkshauptmannschaft Schärding sandte am 19. September 2002 dem FrB den Fremdenakt mit dem Hinweis zurück, dass die fremdenpolizeiliche Einvernahme des Bf. bereits am 13. April 2000 von der Bundespolizeidirektion Wien (Niederschrift vom 13.04.2000, AZ. II-2921/Polabt/00) durchgeführt worden sei. Weiters wurde auf den bevorstehenden Entlassungstermin am 24. September 2002 besonders hingewiesen.

Am 20. September 2002 hielt der zuständige Bearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Schärding mit Schreiben vom 19. September 2002 in einem Aktenvermerk fest, dass Frau Greger von der BPD Wien ersucht habe, den Bf. in den Stand der Schubhaft zu übernehmen, damit die BPD Wien das Aufenthaltsverbotsverfahren durchführen könne.

Trotz der Mitteilung an die Bezirkshauptmannschaft Schärding - Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch die BPD Wien - übermittelte das FrB am 25. September 2002 den Fremdenakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Erlassung eines Aufenthaltsverbotes.

Mit Schreiben vom 30. September 2002 retournierte die Bundespolizeidirektion Linz dem FrB den Fremdenakt. Am 11. Oktober 2002 ließ das FrB den Fremdenakt der Bundespolizeidirektion Linz über die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zukommen. Im Anschreiben bezog sich das FrB auf einen Erlass des BMfI und leitet daraus die Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Linz ab.

Am 16. Oktober 2002 ersucht die Bundespolizeidirektion Linz die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich um Klärung der Zuständigkeitsfrage.

Während des "Aktenverkehrs" zwischen den Behörden wurde der Bf. aufgrund des Schubhaftbescheides des Polizeipräsidenten der Bundeshauptstadt Wien am 24. September 2002 in Schubhaft genommen und über Ersuchen des Bezirkshauptmannes von Schärding in die Justizanstalt Ried im Innkreis eingeliefert.

Laut Aktenvermerk vom 15. Oktober 2002 (Bezirkshauptmannschaft Schärding - F S) konnte Frau G vom FrB bei der telefonischen Anfrage am 30. September 2002 keine Auskunft über das Aufenthaltsverbotsverfahren geben. Am 2. Oktober 2002 versuchte der zuständige Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Schärding neuerlich eine Auskunft über den Verfahrensstand zu erlangen. Nunmehr teilte ein mit der Aktenlage vertrauter Beamter des FrB mit, dass der Fremdenakt der zuständigen Bundespolizeidirektion Linz übermittelt worden sei. Bei der folgenden Anfrage am 10. Oktober 2002 gab dieser Beamte des FrB dem Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Schärding bekannt, dass die Bundespolizeidirektion Linz den Akt unzuständigkeitshalber wieder der BPD Wien zurückgeschickt habe. Zum Zweck der endgültigen Meinungsbildung -Lösung der Zuständigkeitsfrage - befinde sich der Fremdenakt beim Abteilungsleiter bzw. zuständigen Juristen.

Laut Aktenvermerk vom 16. Oktober 2002 (Bezirkshauptmannschaft Schärding - Friedrich Stollberger) gab der Leiter der fremdenpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Linz am 16. Oktober 2002 gegen 09.40 Uhr telefonisch bekannt, dass die BPD Wien neuerlich den Fremdenakt übermittelt habe. Die Bundespolizeidirektion Linz habe sich keinesfalls für zuständig erklärt und daher die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich um Entscheidung ersucht.

Aufgrund dieser Mitteilung wurde der Bf. am 16. Oktober 2002 unverzüglich aus der Schubhaft entlassen.

1.3. Am 22. Oktober 2002 langte beim Oö. Verwaltungssenat die gegenständliche Beschwerde wegen rechtswidriger Anhaltung in Schubhaft ein.

2.1. In der Beschwerde ersuchte der Bf. um Entlassung aus der Schubhaft. Begründend führte der Bf. u.a. aus, dass er seine Strafe ohne irgendein Problem mit den Behörden verbüßt habe.

Ein Antrag auf Kostenersatz für das Verfahren wurde nicht gestellt.

2.2. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding legte die bei ihr am 17. Oktober 2002 eingelangte Beschwerde vor. Im Vorlagescheiben wies sie darauf hin, dass der Bf. auf Wunsch der Bundespolizeidirektion Wien vom Stande der Strafhaft in den Stand der Schubhaft übernommen worden sei, damit die Bundespolizeidirektion Wien das von ihr zu führende Aufenthaltsverbotsverfahren abschließen könne. Aufgrund des folgenden Kompetenzkonfliktes zwischen den Bundespolizeidirektionen Linz und Wien habe sie die weitere Anhaltung in Schubhaft für nicht mehr zielführend und gerechtfertigt erachtet und daher den Bf. aus der Schubhaft entlassen. Sollte der Schubhaftbeschwerde keine Folge gegeben werden, so würde um Zuerkennung der Kosten ersucht.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hält nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und nach Anforderung des Fremdenaktes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich. Ein Parteienantrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht gestellt.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 72 Abs.1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 idgF, hat, wer gemäß § 63 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Bf. festgenommen wurde (§ 73 Abs.1 FrG).

 

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 73 Abs.4 leg.cit.).

 

Der Bf. befand sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht mehr in Schubhaft. Aus der Beschwerdebegründung ist erschließbar, dass der Bf. die Anhaltung für rechtswidrig angesehen hat. Es liegen somit die formellen Beschwerdevoraussetzungen vor.

 

4.2. Gemäß § 61 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FrG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen. Dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei der Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

Gemäß § 66 Abs.1 FrG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen.

Gemäß § 69 Abs.1 FrG 1997 ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 69 Abs. 4 FrG 1997 darf die Schubhaft gemäß § 69 Abs. 2 leg. cit. nicht länger als 2 Monate dauern.

4.3. Der Bf. hat sich im Beschwerdeantrag ausschließlich über die weitere (rechtswidrige) Anhaltung beschwert (arg: "Application for release").

 

Gemäß § 67 Abs. 3 FrG darf die Schubhaft im unmittelbaren Anschluss an eine gerichtliche Freiheitsstrafe auch sonst im gerichtlichen Gefangenhaus oder in der Strafvollzugsanstalt vollzogen werden.

 

Zum Zeitpunkt der Festnahme zum Zwecke der Anhaltung in Schubhaft befand sich der Bf. in der Justizanstalt Suben. Somit war die örtliche Zuständigkeit des Bezirkshauptmannes von Schärding zur Verhängung der Schubhaft gegeben.

 

Die Schubhaft setzt begriffsnotwendig eine Festnahme und eine Anhaltung voraus und ist mit Bescheid anzuordnen. Von einer "Verhängung" der Schubhaft kann erst dann gesprochen werden, wenn es zu einer Festnahme und Anhaltung im Sinne des § 61 Abs. 1 FrG gekommen ist.

 

Das FrG unterscheidet grundsätzlich zwischen "Anordnung der Schubhaft mit Bescheid", "Verhängung der Schubhaft" und "Vollziehung der Schubhaft".

 

Aus § 61 Abs. 2 FrG ist ableitbar, dass auf die Anordnung der Schubhaft und der Erlassung des Schubhaftbescheides nicht unmittelbar die Verhängung der Schubhaft zu erfolgen hat. Schubhaftbescheide, die nicht gemäß § 57 AVG erlassen worden sind, können wie im gegenständlichen Fall die Bedingung aufweisen, dass die Rechtsfolgen des Bescheides erst nach der Entlassung aus der Gerichtshaft eintreten.

 

Aus den §§ 61 Abs. 1, 2 und 4, 62 Abs. 1 Z. 2, 67 Abs. 1,2 , 3 und 6 und 72 Abs. 1 und 2 FrG, denen eine örtliche Nahebeziehung zwischen Fremden und Behörde immanent ist, ist aber erschließbar, dass nur die örtlich zuständige Behörde die Schubhaft anordnen darf.

 

Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war die bescheiderlassende Behörde - Polizeipräsident der Bundeshauptstadt Wien - örtlich zuständig. Der Schubhaftbescheid ist in Rechtskraft erwachsen, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde dagegen nicht erhoben und der Bescheid gehörte zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft dem Rechtsbestand an.

 

4.4. Gemäß § 91 Abs. 2 FrG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft nach dem Aufenthaltsort. Der Bezirkshauptmann von Schärding war auf Grund des Aufenthaltsortes die örtlich zuständige Behörde. Zu prüfen ist nunmehr, ob sich die belangte Behörde bei der Verhängung der Schubhaft auf den rechtskräftigen Schubhaftbescheid stützen konnte.

 

Gemäß § 70 Abs. 1 FrG ist die Schubhaft durch die Freilassung des Fremden formlos u.a. aufzuheben, wenn sie gemäß § 69 FrG nicht länger aufrechterhalten werden darf.

 

In der RV 1991 (Regierungsvorlage, 692 BlgNR, 18. GP) ist ausgeführt, dass die formlose Aufhebung der Schubhaft den "contrarius actus" zum Schubhaftbescheid darstellt.

 

Gemäß § 69 Abs. 2 FrG darf die Schubhaft nur solange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Aus den beiden letztgenannten Bestimmungen ist zu ersehen, dass der rechtskräftige Schubhaftbescheid nach der formlosen Aufhebung der Schubhaft keine Rechtswirkungen mehr entfaltet. Wenn der Gesetzgeber nun der Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 69 FrG die formlose Aufhebung der Schubhaft vorschreibt und somit die Bindungswirkung, die sich aus dem rechtskräftigen Schubhaftbescheid ergibt, formlos beseitigen lässt, dann ist entsprechend dem Größenschluss daraus abzuleiten, dass die örtlich zuständige Behörde auch vor der Verhängung der Schubhaft verpflichtet ist, die Voraussetzungen des § 69 FrG zu prüfen. Die Anordnung der Schubhaft erfolgt im Sinne des Gesetzes stets unter dem Vorbehalt, dass bei ihrer tatsächlichen Umsetzung durch Inhaftnahme (= Verhängung) ihre Voraussetzungen noch gegeben sein müssen, widrigenfalls die Schubhaft trotz an sich aufrechtem Schubhaftbescheid nicht in Vollzug gesetzt werden darf. Diese restriktive Auslegung der Rechtswirkungen eines

Schubhaftbescheids folgt auch aus den grundrechtsimmanenten Schranken des Rechts auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art 1 Abs. 2 und 3 PersFrSchG. Der Gesetzgeber hat in § 69 FrG eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der Eingriff in die persönliche Freiheit nur so kurz wie möglich andauern darf. Daraus folgt, dass die Bindungswirkung des rechtskräftigen Schubhaftbescheides immer an dieser Bestimmung zu messen ist. Unabhängig davon, dass die die Schubhaft verhängende Behörde eine genaue Prüfung der Voraussetzungen vorzunehmen hat, ist sie bei jenen Schubhaftbescheiden gehalten, deren Erlassungszeitpunkt weit zurückliegt oder die von einer anderen, vormals zuständigen Behörde erlassen worden sind, vor der Verhängung der Schubhaft ein besonderes Augenmerk auf den zu beurteilenden Sachverhalt zu legen.

 

Die belangte Behörde hat vor der Festnahme und Anhaltung nicht geprüft, ob die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft noch gegeben sind, sondern hat lediglich dem "Wunsch der BPD Wien" Rechnung getragen und den Schubhaftbescheid vollstreckt.

 

Wie oben unter Punkt 4.3. dargelegt, kann die Schubhaft bedingt angeordnet werden und vorsehen, dass die Rechtsfolgen erst nach Entlassung aus der Gerichtshaft eintreten. Der Polizeipräsident der Bundeshauptstadt Wien hat mit Bescheid vom 3. Oktober 2000, Zl. IV-918.491/FrB/2000 die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bf. versehen mit der Bedingung erlassen, dass die Rechtswirkungen des Bescheides nach der Entlassung aus der Gerichtshaft eintreten sollen. Wie aus der Aktenlage ersichtlich, trat die Bedingung beinahe zwei Jahre nach der Bescheiderlassung ein. Auf Grund dieser überlangen Zeitspanne, die zwischen der Bescheiderlassung und dem Eintritt der Rechtswirkungen des Bescheides liegt, stellt sich die Frage, ob der Schubhaftbescheid im Hinblick auf das ungenützte Verstreichenlassen der beiden Jahre, in denen sich der Bf. in Gerichtshaft befunden hat, nach der ratio des § 69 Abs. 1 FrG überhaupt noch einer Vollstreckung nach dem Ende der langen Gerichtshaft zugänglich ist.

 

Für den Fall, dass sich der Bf. in Schubhaft befindet, hat der Gesetzgeber dahingehend Vorsorge getroffen, dass er der Behörde für das Aufenthaltsverbotsverfahren unter Bedachtnahme auf § 69 Abs. 1 und 2 FrG nur eine Zweimonatsfrist zugebilligt hat. Der Grund für die Einräumung dieser Frist ist darin zu sehen, dass der örtlich zuständigen Behörde die erforderliche Zeit zur Führung eines rechtsstaatlichen Verfahrens gewährt werden soll. Es ist aber weder dem Gesetzestext noch den Materialen zum FrG die Intention des Gesetzgebers zu entnehmen, dass die zuständige Behörde ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zu führen hat, wenn sich der Fremde in Schubhaft befindet. Gerade das Gegenteil lässt sich bei einer Gesamtbetrachtung aus den einschlägigen Bestimmungen des FrG ableiten. Ausdrücklich verpflichtet § 69 Abs. 1 FrG die Behörde "darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert". Da es sich bei der die Schubhaft anordnenden Behörde nicht immer um jene Behörde handeln muss, die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zuständig ist, besteht für die schubhaftbescheiderlassende Behörde die Verpflichtung, die verfahrensführende Behörde unverzüglich von der Schubhaftanordnung zu verständigen.

 

Im gegenständlichen Verfahren fand vorerst überhaupt keine diesbezügliche Verständigung statt, da sich das FrB für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als zuständig erachtete. Während der beinahe zwei Jahre dauernden Gerichtshaft wurde das Aufenthaltsverbotsverfahren nicht abgeschlossen, obwohl bereits im April 2000 vom FrB ein entsprechendes Ermittlungsverfahren geführt worden ist (siehe Niederschrift vom 13. April 2000, AZ. II-2921/Polabt/00). Erst unmittelbar vor Ablauf der Gerichtshaft stellte sich für das FrB die Zuständigkeitsfrage zur Führung des Aufenthaltsverbotsverfahrens. Außer den Versuchen, die Zuständigkeit zu klären, wurden vom FrB keine weiteren Verfahrensschritte gesetzt und das Aufenthaltsverbotsverfahren nicht zum Abschluss gebracht.

 

In Kenntnis dieser Umstände hätte sich die belangte Behörde im Hinblick auf § 61 Abs. 1 und § 69 Abs. 1 FrG nicht bloß auf den Bescheid des Polizeipräsidenten der Bundeshauptstadt Wien stützen dürfen. Die Anhaltung in der Schubhaft war somit als rechtswidrig zu qualifizieren.

 

5. Gemäß § 73 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG steht der obsiegenden Partei der beantragte Kostenersatz zu. Da kein Antrag gestellt worden ist, war kein Aufwandersatz zuzusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 
Beschlagwortung: Wirkungen des Schubhaftbescheides

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