Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400752/3/SR/Ri

Linz, 19.12.2005

 

 

 

VwSen-400752/3/SR/Ri Linz, am 19. Dezember 2005

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde der K D, geb. am, StA von Aserbaidschan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W E, Astraße, A, wegen Rechtswidrigkeit ihrer Anhaltung in Schubhaft im PAZ Linz vom 12. bis 15. Dezember 2005 durch den Polizeidirektor der Landeshauptstadt Linz zu Recht erkannt:

 

  1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der gegen die Beschwerdeführerin am 12. Dezember 2005 erlassene Schubhaftbescheid sowie die Verhängung und die Anhaltung in Schubhaft ab diesem Zeitpunkt bis zum 15. Dezember 2005 werden für rechtswidrig erklärt.

Der Antrag "auf sofortige Entlassung" wird zurückgewiesen.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor der Landeshauptstadt Linz) hat der Beschwerdeführerin Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Der Kostenersatzantrag der belangten Behörde war abzuweisen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 72 Abs. 1, 73 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 und UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 12. Dezember 2005, Zl. 1052998/FRB, wurde über die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf), einer Staatsangehörigen von Aserbaidschan, zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und diese am 12. Dezember 2005 unmittelbar nach der Zustellung des Bescheides durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Linz vollzogen.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass gegen die Bf ein von der BH Gmünd vom 21. Jänner 2002 erlassenes aufrechtes Aufenthaltsverbot bestehe und das Asylverfahren seit 25. Oktober 2005 rechtskräftig abgeschlossen sei. Da die Bf bislang ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und das Aufenthaltsverbot und den negativen Ausgang des Asylverfahrens offensichtlich nicht zur Kenntnis und Österreich nicht verlassen habe, sei das Aufenthaltsverbot durch die Abschiebung durchzusetzen. Die Bf sei zwar gemeldet, doch da sie ihrer bisherigen Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, gehe die belangte Behörde davon aus, dass sich die Bf zu der beabsichtigten Abschiebung nicht zur Verfügung halten werde. Im nunmehrigen Wissen um die beabsichtigte Abschiebung sei die Gefahr um so größer, dass die Bf die beabsichtigte Maßnahme zu vereiteln suchen werde.

 

1.2. Gegen ihre Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 14. Dezember 2005 bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde.

 

Darin bringt die Bf vor, dass der Verwaltungsgerichtshof zuletzt die Behandlung der Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid des UBAS abgelehnt hatte. Zutreffend sei auch, dass die BH Gmünd mit Bescheid vom 18. Jänner 2002 gegen sie ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen habe. Nach Erlangung einer Arbeitsbewilligung habe sie eine Arbeit angenommen und obwohl sie jetzt einige Tage arbeitslos gewesen sei, habe sie bereits eine neue Arbeit gefunden. Zu keiner Zeit sei sie der öffentlichen Hand zur Last gefallen.

 

Der angefochtene Schubhaftbescheid sei im Ergebnis rechtswidrig, da die belangte Behörde die Anwendung gelinderer Mittel nicht geprüft habe. Die Anwendung der Schubhaft sei unverhältnismäßig, weil gelindere Mittel ausgereicht hätten, um den Verwaltungszweck zu erfüllen.

 

Weiters bestünden gegen die Verhängung der Schubhaft massive gesundheitliche Bedenken. Kurz nach der (ersten) Einlieferung in das Linzer Anhaltezentrum habe sie sich aus gesundheitlichen Gründen in Lebensgefahr befunden und hätte in das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz gebracht werden müssen. Dort sei sie einige Tage stationär behandelt worden. Schon aus medizinischen Gründen sei die Weiterbelassung ihrer Person in Schubhaft rechtswidrig und widerspreche dem Asylgesetz und der Menschenrechtskonvention. Aus den beigelegten Unterlagen sei die Haftunfähigkeit evident. Die neuerliche Schubhaftverhängung ohne ausreichender medizinischer Prüfung sei unerfindlich.

 

Das Ziel der Schubhaft (Abschiebung) könne nicht mehr oder nicht vor Ablauf der höchstzulässigen Schubhaft erreicht werden, da die Abschiebung nach Aserbaidschan mit aller Voraussicht deswegen unmöglich sei, weil die Bf über kein Reisedokument verfüge, Aserbaidschan mit ziemlicher Sicherheit kein Heimreisezertifikat ausstelle und die geplante Abschiebung in einen Drittstaat aufgrund des Schubabkommens nicht möglich und unzulässig sei.

 

Abschließend beantragt die Bf, dass der Beschwerde Folge gegeben, der Schubhaftbescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben und die Entlassung aus der Schubhaft verfügt wird.

 

1.3. Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2005, Zl. 1052998/FRB, hat die belangte Behörde den Akt vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Gleichzeitig hat die belangte Behörde mitgeteilt, dass die Bf am 15. Dezember 2005 um 11.00 Uhr aus der Schubhaft entlassen wurde.

2. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

2.1. Nach § 72 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. I 75/1997, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 134/2002 (im Folgenden: FrG), hat u.a. derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit dieser Anhaltung anzurufen.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 leg. cit. können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines

Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 61 Abs. 2 leg. cit. grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides nicht bloß kurzfristig aus anderem Grund in Haft.

 

Gemäß § 69 Abs. 1 leg. cit. ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Die Bf wird zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr in Schubhaft angehalten.

 

Ihre Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft vom 12. bis zum 15. Dezember 2005 ist zulässig und begründet.

 

2.2. Aus § 61 FrG folgt, dass ein Fremder, der sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhält, auch dann in Schubhaft genommen werden kann, wenn es für die Behörde als plausibel erscheint, dass dieser - im nunmehrigen Wissen um die zu erwartenden fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen - versuchen könnte, sich dem weiteren Verfahren zu entziehen oder dieses zumindest zu erschweren, und darüber hinaus die Voraussetzungen des § 66 FrG (gelindere Mittel) nicht vorliegen.

 

Im gegenständlichen Fall ist zunächst der belangten Behörde darin beizupflichten, dass das vom Bezirkshauptmann von Gmünd mit Bescheid vom 18. Jänner 2002, GZ 11F-2002, rechtskräftig seit 2. Februar 2002, verhängte Aufenthaltsverbot (gültig bis 19. Jänner 2007) vollstreckbar und der Bf bei der Verhängung der Schubhaft kein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz 1997 zugekommen ist.

 

Andererseits ist hier zu berücksichtigen, dass die Bf - deren Sachverhaltsvorbringen von der belangten Behörde nicht bestritten wird - in St. Valentin ordnungsgemäß gemeldet ist und sich bis zu ihrer ersten Festnahme und Inschubhaftnahme am 7. Dezember 2005 auch tatsächlich dort aufgehalten hat. Unbestritten ist auch, dass die Bf zweifelsfrei über die zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erforderlichen finanziellen Mittel verfügt.

 

In der Begründung des gegenständlichen Schubhaftbescheides stellt die belangte Behörde ausschließlich darauf ab, dass die Bf der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und diese im Wissen um die beabsichtigte Abschiebung die fremdenpolizeilichen Maßnahmen vereiteln könnte. Es ist daher offenkundig, dass die Inschubhaftnahme der Bf hier primär dazu diente, um faktische Schwierigkeiten im Zuge der Abschiebung hintanzuhalten.

 

Wie der Oö. Verwaltungssenat bereits in seinem Erkenntnis vom 6. Juni 2005, VwSen-400715/4/GF/Pe ausgeführt hat, rechtfertigen derartige Unannehmlichkeiten generell ebensowenig eine Schubhaftverhängung wie eine ohne entsprechende tatsächliche Hinweise getroffene Prognoseentscheidung dahin, dass sich die Fremde im Bewusstsein um drohende Zwangsmaßnahmen dem behördlichen Zugriff entziehen und ihre Abschiebung dadurch erschweren könnte.

 

Denn ein andernfalls zu Gunsten der bloßen Vermeidung von Vollzugsschwierigkeiten auch nur tendenziell gebilligtes Abgehen von dem strikten Grundsatz, dass auch im Fremdenrecht die Haftverhängung stets nur eine ultima-ratio-Maßnahme darstellen darf, wäre eines demokratischen Rechtsstaates mitteleuropäischer Prägung schlicht unwürdig.

 

Die gegen das o.a. Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates erhobene Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0301-4 als unbegründet abgewiesen.

 

Begründend hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass sich aus den §§ 56 Abs. 1 Z. 2, 61 Abs. 1 und 66 Abs. 5 FrG in ihrem Zusammenhang ergebe, "dass fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein - entgegen der in der Amtsbeschwerde vertretenen Ansicht - die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen kann. Ist ein Fremder auf Grund mangelnder Ausreisewilligkeit nicht ausgereist, so erfüllt er - Existenz eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes oder einer durchsetzbaren Ausweisung unterstellt - die Voraussetzungen für eine Abschiebung im Grunde des § 56 Abs. 1 Z 2 FrG. Damit ist aber noch nicht - in jedem Fall ohne Weiteres - gesagt, dass es auch der Verhängung der Schubhaft bedarf, um diese Abschiebung zu sichern. Das Gesetz lässt vielmehr klar erkennen, dass dann, wenn die behördliche Prüfung die Erfüllung des Tatbestandes des § 56 Abs. 1 Z. 2 FrG (also etwa wegen fehlender Ausreisewilligkeit) ergeben hat, in einem zweiten Schritt die Frage zu beantworten ist, ob ein Sicherungsbedarf besteht. Diese Frage kann naturgemäß aber nicht immer schon dann als bejaht gelten, wenn infolge bestehender Ausreiseunwilligkeit überhaupt erst die vorweg zu behandelnde Zulässigkeit einer Abschiebung als solche feststeht. Das Sicherungserfordernis des § 61 Abs. 1 FrG muss daher in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa mangelnde berufliche oder soziale Verankerung im Inland in Betracht kommen. Nur bei einer derartigen - oder vergleichbaren - Konstellation, die vorliegend nicht zu sehen ist, kann die in der Amtsbeschwerde vorgetragene Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig angesehen werden. Nicht verkannt wird, dass die erfolgreiche Durchführung einer Abschiebung regelmäßig Vorbereitungshandlungen erfordert, die zuletzt auch in Maßnahmen gegenüber dem abzuschiebenden Fremden münden müssen. Dass die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen schon präventiv die Verhängung von Schubhaft rechtfertige, lässt sich allerdings am Boden des oben wiedergegebenen § 66 Abs. 5 FrG nicht vertreten, geht diese Bestimmung doch gerade davon aus, dass die Verhängung von Schubhaft ungeachtet der zur Durchsetzung einer Abschiebung letztlich notwendigen Maßnahmen von Befehls- und Zwangsgewalt unterblieben ist. Vor dem Hintergrund des erst am 1. Jänner 2003 in Kraft getretenen § 66 Abs. 5 FrG ist im Übrigen die in der Amtsbeschwerde zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur davor gültigen Rechtslage in ihrer Allgemeinheit nicht mehr aktuell".

 

Weder die Bescheidbegründung noch die Aktenlage lassen ein Sicherungserfordernis gemäß § 61 Abs. 1 FrG erkennen. Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes kann im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Zeit der Anhaltung in Schubhaft ein Sicherungsbedarf weder erkannt noch begründet werden.

 

2.3. Unter den gegebenen Umständen war daher der vorliegenden Beschwerde stattzugeben und gemäß § 67c Abs. 3 AVG die Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung und der Anhaltung in Schubhaft (12. bis 15. Dezember 2005; Entlassungszeitpunkt: 15. Dezember 2005, 11.00 Uhr) festzustellen.

 

3. Gemäß § 70 Abs. 1 FrG ist die Schubhaft durch Freilassung des Fremden formlos aufzuheben, wenn sie gemäß § 69 nicht länger aufrechterhalten werden darf oder der Unabhängige Verwaltungssenat festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ihre Fortsetzung nicht vorliegen.

 

Aus § 70 FrG ist ableitbar, dass unter den genannten Voraussetzungen die Schubhaft "formlos" aufzuheben ist. Dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist es verwehrt, eine Anordnung mit dem beantragten Inhalt zu treffen. Ausschließlich die Feststellung des Unabhängigen Verwaltungssenates, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen, führt dazu, dass auf Grund seiner Entscheidung eine formlose Aufhebung der Schubhaft vorzunehmen ist. Ein Anordnungsrecht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist daraus nicht abzuleiten.

 

Der gegenständliche Antrag wird daher als unzulässig zurückgewiesen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren der Beschwerdeführerin nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und 3 AVG iVm. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro (Gebühren: 13,00 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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