Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400780/4/SR/Ri

Linz, 27.03.2006

VwSen-400780/4/SR/Ri Linz, am 27. März 2006

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des B S, geb., dzt. Polizeianhaltezentrum Linz, vertreten durch die RAe Dr. P L und Dr. M S, Hubert-S-Gasse Nr., S, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

  1. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit dem 3. März 2006 wird als rechtswidrig erklärt.

  2. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in der Höhe von 623 Euro (darin enthalten 13 Euro Eingabegebühr) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, ist am 26. Februar 2006 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag einen Asylantrag gestellt.

Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 28. Februar 2006, Zl. 0602359, wurde dem Bf am 3. März 2006 gemäß § 29 Abs. 3 Z4 des Asylgesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG), mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag zurückzuweisen.

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 3. März 2006, Zl. Sich40-1368-2006, wurde über den Bf zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das PAZ Linz sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass er weder über familiäre Bindungen noch über die für einen Aufenthalt erforderlichen finanziellen Mittel verfüge. Abseits der ihm anlässlich der Einbringung seines Asylantrages zunächst zur Verfügung gestellten bundesbetreuten Unterkunft in der Erstaufnahmestelle West verfüge der Bf über keinen polizeilich gemeldeten Wohnsitz im Bundesgebiet. Darüber hinaus sei er nicht im Besitz eines Nationalreisedokumentes. Auf Grund des geschilderten Sachverhaltes und seines bisher gezeigten Verhaltens im Bundesgebiet sei zu befürchten, dass er sich dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen werde. In der Vergangenheit habe er infolge mehrerer illegaler Grenzübergänge zwischen Serbien und Montenegro und Österreich zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich in keinster Weise gewillt sei, die Rechtsordnungen der Gastländer im Bereich des Fremdenrechtes zu respektieren. Im Hinblick auf die beabsichtigte Abschiebung erscheine der belangten Behörde die Annahme gerechtfertigt, dass der Bf noch vor Abschluss seines Asyl- und Ausweisungsverfahrens versuchen werde, sich durch ein Abtauchen in die Illegalität einem weiteren Zugriff durch die Fremdenpolizeibehörde zu entziehen.

1.3. Dagegen bringt der Bf - soweit er sich gegen seine Anhaltung in Schubhaft wendet - vor, dass deren Zweck auch durch gelindere Mittel, insbesondere durch einen Aufenthalt bei seinem in Ostermiething wohnhaften Verwandten, erreicht werden könne. Dieser sei österreichischer Staatsbürger, verfüge über ein geregeltes Einkommen und habe überdies eine entsprechende Haftungserklärung abgegeben. Weiters stimme der Bf seiner erkennungspolizeilichen Behandlung zu und sei bereit, sich in regelmäßigen Abständen bei einem ihm zu nennenden Polizeikommando zu melden.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft beantragt.

1.4. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

Insbesondere wird in dieser darauf hingewiesen, dass die Verhängung der Schubhaft keinesfalls als rechtswidrig gesehen werden könne. Außerdem sei über den Rechtsmittelwerber eine Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG verhängt worden, sodass eine Anordnung, sich bei einer Sicherheitsbehörde im Bezirk Braunau zur Verfügung zu halten, klar rechtswidrig erscheine. Die notariell beglaubigte Haftungserklärung sei der belangten Behörde erst im Zuge der Schubhaftbeschwerde durch den Unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt worden. Im gegenständlichen Beschwerdefall seien daher die finanziellen Verpflichtungen des Herrn S T genauestens zu prüfen.

2. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

2.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 157/2005 (im Folgenden: FPG), hat (nur) ein Fremder, der unter Berufung auf das FPG festgenommen wurde oder angehalten wird bzw. gegen den die Schubhaft angeordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme, der Anhaltung oder des Schubhaftbescheides anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die Behörde auch über einen Asylwerber (als solcher gilt nach § 2 Abs. 14 AsylG ein Fremder ab der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz - d.i. gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG das auf welche Weise auch immer artikulierte Ersuchen, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen - bis zum rechtskräftigen Abschluss, bis zur Einstellung oder bis zur Gegenstandslosigkeit dieses Verfahrens) zum Zweck der Sicherung des Verfahrens einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängen.

Nach dem auch insoweit maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

Nach § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes-Bund, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: GVG-B), gewährt der Bund den Asylwerbern im Zulassungsverfahren sowie Fremden, deren Asylantrag zurück- oder abgewiesen wurde, solange eine Versorgung in einer Betreuungseinrichtung, bis diese das Bundesgebiet verlassen.

2.2. Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt dem Bf mit Schreiben vom 28. Februar 2006, Zl. 0602.359, gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag zurückzuweisen, weil seit demselben Tag Dublin-Konsultationen mit den Staaten Ungarn und Slowenien, über die der Rechtsmittelwerber in das Bundesgebiet eingereist ist, geführt werden.

Diese Mitteilung verkörpert jedoch noch keinen das Verfahren abschließenden Bescheid, sondern bloß eine - eine vorläufige, in eine bestimmte Richtung deutende Rechtsmeinung dieser Behörde zum Ausdruck bringende - Verfahrensanordnung (so explizit § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG).

Der Bf ist daher (zumindest bis dato) als Asylwerber i.S.d. § 1 Z. 1 GVG-B zu qualifizieren (arg. "über dessen Zulässigkeit noch nicht entschieden ist"), sodass ihm - weil sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt für einen Ausnahmefall des § 3 Abs. 1 GVG-B keine Anhaltspunkte ergeben - ex lege ein Anspruch auf Versorgung nach § 2 Abs. 1 GVG-B zukommt.

2.3. Davon ausgehend konnte die belangte Behörde im gegenständlichen Fall die Anordnung der Schubhaft zwar grundsätzlich auf § 76 Abs. 2 Z. 2 und/oder Z. 4 FPG stützen.

Zuvor wäre jedoch zu prüfen gewesen, ob nicht gelindere Mittel i.S.d. § 77 Abs. 1 FPG hätten angewendet werden können (vgl. dazu VwGH vom 8. September 2005, 2005/21/0301).

Dies ist hier im Ergebnis deshalb zu bejahen, weil auf eine Unterbringung in der Bundesbetreuung grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht (vgl. auch Diehsbacher, Bundesbetreuungsrecht, Wien 2005, 19 ff), der Bf bereits seit dem 26. Februar 2006 bis zur Schubhaftverlängerung in der Betreuungsstelle Thalham untergebracht war und vor dem Ergreifen einer derartigen gelinderen Maßnahme einem Fremden nicht a priori unterstellt werden kann, dass er eine derartige Anordnung in der Folge dazu nützen wird, in der Anonymität unterzutauchen.

Im Gegenteil: Eine derartige Sinneshaltung scheint vielmehr gerade dadurch bewirkt oder jedenfalls gefördert zu werden, dass ein Fremder, der - wie hier - unmittelbar nach seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet, der "Aslantragstellung" und der unmittelbar danach erfolgten Aufnahme in der Betreuungsstelle bei der ersten fremdenpolizeilichen Kontaktaufnahme gleich mit dem gravierendsten Eingriff, nämlich der Verhängung der Schubhaft, konfrontiert wird. Es liegt in einem derartigen Fall geradezu auf der Hand, dass er dann, wenn er in der Folge in die Freiheit entlassen wird, geneigt sein wird, zu versuchen, sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen.

Wäre hingegen von Anfang an in rechtmäßiger Weise die Bundesbetreuung aufrecht erhalten worden, bestünde demgegenüber in der Regel kein Grund für die Annahme, dass ein mittel- und unterstandsloser Fremder in der Anonymität untertauchen wird, ohne zuvor den Ausgang des Asylverfahrens abzuwarten.

Daraus folgt, dass eine Schubhaft in derartigen Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 77 Abs. 4 FPG angeordnet werden kann, d.h. dass zuvor die Aufnahme in die Bundesbetreuung oder die Verpflichtung zur periodischen Meldung bei einem bekannt gegeben Polizeikommando angeordnet worden sein muss.

2.4. Aus diesen Gründen war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 83 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

3. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer gemäß § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der Aufwandsersatzverordnung, BGBl.Nr. II 334/2003, antragsgemäß Kosten in Höhe von 623,00 Euro zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 45,40 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Mag. Stierschneider

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 28.06.2007, Zl.: 2006/21/0095-6

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