Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400815/5/Gf/Mu/Ga

Linz, 26.06.2006

VwSen-400815/5/Gf/Mu/Ga Linz, am 26. Juni 2006

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof aus Anlass der Beschwerde des I A, dzt. Erstaufnahmestelle West, vertreten durch RA Dr. E, gegen seine Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) Kosten in Höhe von insgesamt 271,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist − nachdem sein Asylbegehren in der BRD abgewiesen worden und er nach Angaben der deutschen Behörden seit 1. April 2004 in Deutschland nach unbekannt verzogen war − am 4. Mai 2006 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und hat am 10. Mai 2006 einen Asylantrag gestellt, weshalb ihm eine bundesbetreute Unterkunft zugewiesen wurde.

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 12. Juni 2006, Zl. Sich40-1934-2006, wurde über den Rechtsmittelwerber gemäß § 76 Abs. 2 Z. 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 157/2005 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das PAZ Salzburg sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass er einerseits weder über einen Identitätsnachweis noch über gültige Reisedokumente sowie andererseits nicht über die für einen Aufenthalt erforderlichen finanziellen Mittel verfüge und er sich - zumal über ein Informationsersuchen mit Deutschland in Erfahrung gebracht werden konnte, dass er in der Bundesrepublik bereits in die Illegalität abgetaucht sei und sich somit bereits seiner beabsichtigten Abschiebung von der BRD in die Türkei entzogen habe - im Hinblick auf die nunmehr beabsichtigte neuerliche Abschiebung nicht freiwillig der Fremdenpolizeibehörde zur Verfügung halten werde.

1.3. Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 2. Juni 2006, Zl. 0604990, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 des Asylgesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG), mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag zurückzuweisen.

Am selben Tag leitete die belangte Behörde mit der BRD ein Konsultationsverfahren wegen der Übernahme des Rechtsmittelwerbers ein.

1.4. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft wendet der Beschwerdeführer ein, dass er nicht seit dem 1. April 2004 in die Illegalität abgetaucht sei. Er habe der Behörde vielmehr eine Bestätigung des Einwohnermeldeamtes aus der Türkei vorgelegt, welche belege, dass er vom 13. Mai 2004 bis 20. April 2006 in seinem Heimatort wohnhaft und auch tatsächlich dort anwesend gewesen sei, weshalb einerseits von einem "Abtauchen in die Illegalität" nicht die Rede sein könne und auch entgegen der Ansicht der belangten Behörde keinerlei Konnex zur BRD mehr bestehe. Da er Verwandte in Österreich habe, die auch für ihn bürgen würden, würden gelindere Mittel in gleicher Weise geeignet sein, den beabsichtigten Zweck zu erreichen.

Daher wird die kostenpflichtige Aufhebung der Schubhaft beantragt.

1.5. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

2.1. Nach § 82 Abs. 1 Z. 3 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft angeordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme, der Anhaltung oder des Schubhaftbescheides anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG kann die Behörde auch über einen Asylwerber (als solcher gilt nach § 2 Abs. 14 AsylG ein Fremder ab der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz - d.i. gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG das auf welche Weise auch immer artikulierte Ersuchen, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen - bis zum rechtskräftigen Abschluss, bis zur Einstellung oder bis zur Gegenstandslosigkeit dieses Verfahrens) zum Zweck der Sicherung des Verfahrens einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängen, wenn auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Asylantrag mangels Zuständigkeit Österreichs zu dessen Prüfung zurückgewiesen werden wird.

Nach dem auch insoweit maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

Nach § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: GVG), gewährt der Bund den Asylwerbern im Zulassungsverfahren sowie Fremden, deren Asylantrag zurück- oder abgewiesen wurde, solange eine Versorgung in einer Betreuungseinrichtung, bis diese das Bundesgebiet verlassen.

2.2. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im Zuge seiner Einvernahme selbst vorgebracht, bereits in der BRD einen Asylantrag eingebracht zu haben, der jedoch abgewiesen worden ist.

Unter Heranziehung der einschlägigen europarechtlichen Vorschriften ist es daher offensichtlich, dass Österreich zur Entscheidung über einen neuerlichen, im Bundesgebiet gestellten Asylantrag nicht zuständig ist, sodass dieser Antrag jedenfalls zurückzuweisen sein wird.

Damit liegen aber grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Schubhaftverhängung gemäß § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG vor.

2.3. Wenngleich § 2 Abs. 1 GVG im Zulassungsverfahren einen Anspruch des Asylwerbers auf Übernahme in die Bundesbetreuung normiert, bedeutet dies nicht zugleich auch eine unbedingte Verpflichtung für die Fremdenpolizeibehörde, von der Verhängung der Schubhaft Abstand zu nehmen und stattdessen gelindere Mittel anzuwenden. Ob die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 FPG − nämlich: Grund für die Annahme, dass der mit der Schubhaft verfolgte Zweck durch gelindere Mittel in gleicher Weise erreicht werden kann − vorliegen, hat die Behörde vielmehr davon unabhängig zu prüfen, wobei die allfällige Aufnahme in der Bundesbetreuung nur einen Teilaspekt (nämlich das Vorhandensein einer Unterkunft und die Versorgung mit Nahrungsmitteln) abdeckt.

In diesem Zusammenhang ist aber im gegenständlichen Fall die Annahme der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer − unter dem Aspekt, dass er sich seiner schon zuvor in der BRD unmittelbar bevorstehenden Abschiebung in seinen Heimatstaat durch eine Flucht nach unbekannt tatsächlich entzogen hat − seine nunmehr in Aussicht genommenen Rücküberstellung nach Deutschland wiederum zu vereiteln versuchen wird, wenn er in Freiheit belassen würde, offenkundig nicht unvertretbar.

Die Nichtanwendung gelinderer Mittel kann daher hier nicht als rechtswidrig erkannt werden, und zwar auch selbst dann nicht, wenn der Rechtsmittelwerber (was ohnehin nicht zutrifft) eine konkrete, einklagbare Verpflichtungserklärung jener "Verwandten, die für ihn bürgen würden" (vgl. S. 4 der Beschwerde), vorgelegt hätte. Denn damit wäre ja nur dessen Versorgung, nicht aber auch sichergestellt, dass er sich zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Abschiebung auch tatsächlich der Behörde zur Verfügung hält.

2.4. Im Ergebnis erweist sich daher die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft als rechtmäßig.

Die gegenständliche Beschwerde war daher gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG abzuweisen; gleichzeitig war nach § 83 Abs. 4 FPG festzustellen, dass die für eine Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen aus den genannten Gründen weiterhin vorliegen.

3. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Rechtsträger der belangten Behörde nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 3 AVG iVm § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. Nr. II 334/2003, antragsgemäß Kosten in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageaufwand: 51,50 Euro; Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. G r o f

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum