Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420001/5/Kl/Rl

Linz, 05.12.1991

VwSen - 420001/5/Kl/Rl Linz, am 5. Dezember 1991 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des S, wegen Festnahme und Anhaltung vom 23. September 1991, 12.15 Uhr, bis 24. September 1991, 12.15 Uhr, in Zurechnung der Bundespolizeidirektion Wels zu Recht:

I. Die Beschwerde, soweit sie sich auf die Festnahme am 23. September 1991 um 12.15 Uhr bezieht, wird als unbegründet abgewiesen; im übrigen wird ihr hinsichtlich der weiteren Anhaltung bis zum 24. September 1991, 12.15 Uhr, Folge gegeben und die Anhaltung für rechtswidrig erklärt.

Rechtsgrundlage: § 67a Abs.1 Z.2 im Zusammenhalt mit § 67c AVG i.V.m. § 35 Z.3 und § 36 Abs.1 VStG i.V.m. Artikel 2 Abs.1 Z.3 und Artikel 4 Abs.5, 6 und 7 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988.

II. Dem Antrag auf Kostenersatz wird insofern Folge gegeben, als die belangte Behörde (der Bund) dem Beschwerdeführer zu Handen des Beschwerdeführervertreters die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten im Betrag von 1.374,60 S binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen hat. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage: § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer beantragt in seiner Eingabe, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 4. November 1991, die erfolgte Festnahme am 23. September 1991 um ca. 12.15 Uhr durch Organe der Bundespolizeidirektion Wels und anschließende Anhaltung für gesetzwidrig zu erklären und dem Bund den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens an den Beschwerdeführer zu Handen des Beschwerdeführervertreters aufzuerlegen.

Als Begründung wurde im wesentlichen angeführt, daß der Schubhaftbescheid erst am 24. September 1991, sohin einen Tag nach der Verhaftung, zugestellt wurde und daher die Anhaltung in Schubhaft bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls gesetz- und verfassungswidrig war.

2. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und keine Gegenschrift erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in die vorgelegten Akte Einsicht genommen. Da der Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Punkten geklärt erscheint und schon aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 67d Abs.1 AVG unterbleiben.

4. Aufgrund der Aktenlage ergibt sich daher folgender, der Entscheidung zugrundegelegter erwiesener Sachverhalt:

4.1. Nachdem er am 20. September 1991 aus der Schubhaft entlassen wurde, reiste der Beschwerdeführer am 23. September 1991 per Bahn von Wien Richtung Linz und wurde um ca. 12.15 Uhr wegen seines Randalierens im Zug EC26 sowie durch "Anstänkern" und Belästigen von Passanten am Bahnsteig 5 des Welser Hauptbahnhofes, also wegen Ordnungsstörung an einem öffentlichen Ort, welche geeignet war, bei den Passanten Aufsehen und Ärgernis zu erregen, durch Organe der Bundespolizeidirektion Wels festgenommen, da er trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrte. Über Auftrag der Bundespolizeidirektion Wels wurde er in das Polizeigefangenenhaus Wels eingeliefert und im Anschluß vom dortigen Amtsarzt die Haft- und Deliktfähigkeit festgestellt (am 23. September 1991, 14.10 Uhr).

Aus dem Festnehmungs- und Anhalteblatt, aufgenommen durch ein Organ des Wachzimmers Bahnhof, ist ersichtlich, daß das Informationsblatt für festgenommene Erwachsene dem Beschwerdeführer nicht ausgefolgt wurde, "weil er der deutschen Sprache nicht mächtig war". Eine Verständigung einer Vertrauensperson ist unterblieben, weil "der Angezeigte solche nicht bekannt gab, bzw. keine Verständigungsmöglichkeit bestand". Die gewünschte Verständigung des Rechtsbeistandes ist unterblieben, weil "der Angezeigte diesbezüglich keine Angaben macht, bzw. aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten". Aus diesem Grund ist auch eine Kontaktaufnahme mit dem Rechtsbeistand nicht erfolgt. Die konsularische Vertretungsbehörde wurde von der Festnahme nicht verständigt, "da die Identität des Angehaltenen nicht einwandfrei geklärt war". Dieses Protokoll wurde am 23. September 1991 um 12.25 Uhr abgeschlossen, wobei der Angehaltene die Unterschrift verweigerte. Der Angehaltene wurde nachweislich am 23. September 1991 um 14.25 Uhr dem Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Wels übergeben.

4.2. Mit Straferkenntnis vom 24. September 1991, III-St.-3648/91/S, der Bundespolizeidirektion Wels, mündlich verkündet am 24. September 1991, wurde über den Beschwerdeführer wegen Art.IX/1/1 EGVG eine Geldstrafe von 600 S bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er am 23. September 1991 um 12.15 Uhr in Wels, Bahnsteig 5 beim Euro-City-Zug 26, durch Randalieren im Zug sowie "Anstänkern" und Belästigen der Passanten am Bahnsteig ein Verhalten gesetzt hat, das geeignet war, Ärgernis zu erregen und auch tatsächlich bei den Passanten und beim Schaffner Ärgernis erregt hat, und dadurch die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört hat. Weiters wurde ausgesprochen: "600 S werden für die Vorhaft von 24 Stunden angerechnet". Weiters wurden Verfahrenskosten und Barauslagen für Transportmittel auferlegt. Festgestellt wird, daß der Beschwerdeführer durch seine Unterschrift das Straferkenntnis zur Kenntnis genommen hat und einen Rechtsmittelverzicht abgegeben hat.

4.3. Die Bundespolizeidirektion Wels hat noch am 24. September 1991 zu FR-21.914 einen Schubhaftbescheid erlassen und um 12.15 Uhr dem Beschwerdeführer zugestellt, sodaß zu diesem Zeitpunkt die Schubhaft vollzogen wurde. Über die diesbezügliche Anhaltung wurde bereits mit Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. November 1991, VwSen-420059/4/Kl/Rl, abgesprochen.

5. Aufgrund des festgestellten als erwiesen angenommenen Sachverhaltes hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß Art.2 Abs.1 Z.3 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiterer gleichartiger strafbarer Handlungen erforderlich ist, entzogen werden. In Entsprechung bestimmt daher der § 35 Z.3 VStG, daß die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen dürfen, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht. Da der Beschwerdeführer am 23. September 1991 am Bahnsteig 5 des Welser Hauptbahnhofes durch Randalieren und "Anstänkern" und Belästigen von Passanten im Verdacht der Begehung einer Ordnungsstörung an einem öffentlichen Ort stand und in diesem Verhalten trotz Abmahnung verharrte, erfolgte seine Festnahme zum Zwecke seiner Vorführung vor die zuständige Behörde zu Recht.

Daß die vorgenommene Festnahme zur Verhinderung weiterer gleichartiger strafbarer Handlungen bzw. zur Sicherung der Strafverfolgung erfolgte, ist auch durch das nachfolgende Straferkenntnis vom 24. September 1991 wegen dieser Verwaltungsübertretung erwiesen.

In der Festnahme konnte daher keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten erkannt werden.

5.2. Gemäß Art.4 Abs.5 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit ist ein aus dem Grund des Art.2 Abs.1 Z.3 Festgenommener, wenn der Grund für die Festnahme nicht schon vorher wegfällt, unverzüglich der zuständigen Behörde zu übergeben. Er darf keinesfalls länger als 24 Stunden angehalten werden. Dem entspricht auch § 36 Abs.1 erster und letzter Satz VStG. Aufgrund des unter Punkt 4.1. festgestellten Sachverhaltes wurde dieser Anforderung insofern entsprochen, als der Beschwerdeführer aufgrund der Anordnung der zuständigen Bundespolizeidirektion Wels in das Polizeigefangenenhaus eingeliefert wurde und dort 24 Stunden, nämlich vom 23. September 1991, 12.15 Uhr bis 24. September 1991, 12.15 Uhr angehalten wurde.

Gemäß Art.4 Abs.6 und 7 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit i.V.m. § 36 Abs.1 Satz 2 und 3 VStG ist jeder Festgenommene ehestens, womöglich bei seiner Festnahme, in einer ihm verständlichenSprache über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten. Weiters hat er das Recht, daß auf sein Verlangen ohne unnötigen Aufschub und nach seiner Wahl ein Angehöriger und ein Rechtsbeistand von der Festnahme verständigt werden. Wie aber der unter Punkt 4. erwiesene Sachverhalt darlegt, wurde der Beschwerdeführer einerseits nur von einem Organ des Sicherheitsdienstes zur Festnahme und Anhaltung vernommen, wobei dies jedenfalls nicht in einer für den Beschwerdeführer verständlichen Sprache erfolgte, und andererseits von der zuständigen Behörde weder unverzüglich noch innerhalb der maximalen Anhaltungsfrist von 24 Stunden vernommen. Wegen der offenkundigen Sprachschwierigkeit wurde daher auch kein Angehöriger und kein Rechtsbeistand von der Festnahme verständigt. Der Beschwerdeführer hatte daher bis zu der Erlassung des Straferkenntnisses am 24. September 1991 bzw. des Schubhaftbescheides am selben Tag keine Gelegenheit, von den Festnahmegründen und der gegen ihn erhobenen Anschuldigung Kenntnis zu erlangen.

Die belangte Behörde hat daher den Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Anhaltung bis zum 24. September 1991, 12.15 Uhr erwiesenermaßen in seinem Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

5.3. Ist auch gemäß § 19a Abs.1 und 3 VStG im Sinne des ergangenen Straferkenntnisses vom 24. September 1991 die 24-stündige Haft als Vorhaft auf die wegen der Ordnungsstörung verhängte Strafe anzurechnen, so kann dies nicht - im nachhinein betrachtet - das Vorgehen der belangten Behörde rechtfertigen.

Im übrigen wird auf die Bestimmung des § 51 Abs.4 VStG hingewiesen.

6. Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung gemäß § 79a AVG hat nur der Beschwerdeführer geltend gemacht. Da der eingebrachte Schriftsatz sich sowohl auf die nunmehr abgesprochene Maßnahmenbeschwerde als auch auf eine Schubhaftbeschwerde, welche bereits entschieden wurde, bezieht, wurde unter Bedachtnahme auf die anteilige Mühewaltung jene für die Maßnahmenbeschwerde mit einem Drittel der beanspruchten Kosten festgelegt. Es ergibt sich daher spruchgemäß ein Betrag von 1.466,24 S (inklusive Umsatzsteuer). Das Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Es wird aber darauf hingewiesen, daß nach § 5 Z.38 AHR Beschwerdesachen erster Instanz bei unabhängigen Verwaltungssenaten mit einem Streitwert von 300.000 S belegt sind und daher lediglich ein Einheitssatz von 50% gebühren würde. Dieser Umstand war insofern nicht zu berücksichtigen, da aufgrund der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dem obsiegenden Beschwerdeführer ein höherer als der beantragte Kostenanspruch zustehen würde.

Weitere Verfahrenskosten der belangten Behörde bzw. des unabhängigen Verwaltungssenates sind nicht aufgelaufen, weshalb eine weitere Kostenentscheidung zu entfallen hat. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t 6

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