Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420009/9/Gf/Kf

Linz, 13.04.1992

VwSen - 420009/9/Gf/Kf Linz, am 13. April 1992 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des C, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz nach der am 9. April 1992 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Vertreters durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde vom 14. Jänner 1992, 23.30 Uhr, bis 15. Jänner 1992, 15.00 Uhr, war rechtswidrig; der Beschwerde wird daher gemäß § 67c Abs.3 AVG stattgegeben.

II. Die Bundespolizeidirektion Linz als belangte und hinsichtlich der festgestellten Rechtswidrigkeit für den Bund tätig gewordene Behörde ist gemäß § 79a AVG verpflichtet, die mit 16.690 S zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig bestimmten Kosten dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers in Höhe von 3.845,60 S wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

1.1. Am 14. Jänner 1992 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Urkundenunterdrückung und der widerrechtlichen Einreise in das Bundesgebiet gegen 23.00 Uhr im Wachzimmer Landhaus, Theatergasse 1, 4020 Linz, von Organen der Bundessicherheitswache festgenommen und in der Folge der Bundespolizeidirektion Linz vorgeführt. Diese gab den Beschwerdeführer zunächst in das Polizeigefangenenhaus Linz ab. Am 15. Jänner 1992 hat die Bundespolizeidirektion Linz gegen den Beschwerdeführer einen Schubhaftbescheid erlassen und ihm diesen gegen 15.00 Uhr durch persönliche Übergabe zugestellt.

1.2. Gegen diese Festnahme und Anhaltung richtet sich die vorliegende, am 12. Februar 1992 - und damit rechtzeitig zur Post gegebene und auf § 67c AVG gestützte Beschwerde.

2. Der Beschwerdeführer räumt mit der vorliegenden Beschwerde ein, daß zwar seine Festnahme durch § 14e des Fremdenpolizeigesetzes gedeckt gewesen sei; die nachfolgende Anhaltung bis zur Aushändigung des Schubhaftbescheides erweise sich jedoch deshalb als rechtswidrig, weil diese unverhältnismäßig lange gedauert habe. Zur näheren Begründung wird auf die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 16.7.1991, VwSen-400025, verwiesen.

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung beantragt.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. Fr-78.059 sowie im Wege einer am 9. April 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der der Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter als Partei sowie Franz K, Franz L (beide Organe der Bundessicherheitswache, Wachzimmer Landhaus) und Dr. Walter Widholm (Bundespolizeidirektion Linz) als Zeugen erschienen sind. Die belangte Behörde hat trotz ordnungsgemäßer Ladung weder einen Vertreter zur mündlichen Verhandlung entsandt noch eine Gegenschrift erstattet.

3.2. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer, ein kubanischer Staatsangehöriger, hat in den Morgenstunden des 14. Jänner 1992 im Raum von Bad Leonfelden von der CSFR aus kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle die österreichische Staatsgrenze überschritten, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes zu sein. In der Folge begab er sich zu Fuß nach Linz und erschien gegen 22.45 Uhr im Wachzimmer Landhaus. Dort wurde er durch Verständigung mittels Zeichen einvernommen. Da sich im Zuge dieser Einvernahme ergab, daß sich der Beschwerdeführer widerrechtlich im Bundesgebiet aufhält und im Besitz eines österreichischen, seit längerer Zeit als verlustig gemeldeten Führerscheines war, wurde er gegen 23.00 Uhr wegen des Verdachtes der Übertretung des Grenzkontroll- und Meldegesetzes sowie wegen des Verdachtes der Urkundenunterdrückung (§ 229 StGB) festgenommen. In der Folge wurde er gegen 23.30 Uhr der Bundespolizeidirektion Linz vorgeführt und anschließend von dieser in das Polizeigefangenenhaus Linz überstellt. Am 15. Jänner 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. Fr-78.059 ein auf § 57 Abs. 1 AVG gestützter Schubhaftbescheid erlassen und diesem durch persönliche Übergabe gegen 15.00 Uhr zugestellt. Im unmittelbaren Anschluß daran wurde mit dem Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers eine Niederschrift aufgenommen; nach deren Beendigung um 16.30 Uhr wurde der Beschwerdeführer weiterhin in Schubhaft belassen.

Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung; soweit sich diesbezüglich hinsichtlich des Zeitpunktes der Zustellung des Schubhaftbescheides und der Einvernahme durch einen Dolmetscher eine Divergenz ergab, vermochten die Angaben des Beschwerdeführers, der den Schubhaftbescheid nicht am 15. Jänner 1992 um 15.00 Uhr, sondern erst am 16. Jänner 1992 um 15.00 Uhr übernommen haben und in der Folge einvernommen worden sein will, angesichts der gegenteiligen aktenmäßigen Belege nicht zu überzeugen.

4. Über diesen Sachverhalt und die vorliegende - zulässige - Beschwerde hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, darf einem Menschen die persönliche Freiheit nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 MRK).

Derartige gesetzliche Vorschriften finden sich mit Blick auf den vorliegenden Fall in § 35 VStG, in § 14e des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954 (zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991, im folgenden: FrPG), und in § 177 StPO.

§ 35 VStG ermächtigt - außer in den gesetzlich besonders geregelten Fällen - die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (hiezu zählen jedenfalls die Organe der Bundessicherheitswache) dazu, aus bestimmten Gründen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festzunehmen; im besonderen können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 14e FrPG einen Fremden, den sie bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung dadurch, daß er sich nicht rechtmäßig - nämlich ohne gültigen Sichtvermerk - im Bundesgebiet aufhält, betreten, zum Zweck einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde festnehmen. Solcherart Festgenommene sind nach § 36 Abs.1 VStG unverzüglich der nächsten Behörde zu übergeben; sie sind ehestens, womöglich schon bei ihrer Festnahme, in einer ihnen verständlichen Sprache über die Gründe ihrer Festnahme und über die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten; die Behörde hat den Angehaltenen unverzüglich zu vernehmen, keinesfalls darf er länger als 24 Stunden angehalten werden.

§ 177 StPO ermächtigt die Organe der Sicherheitsbehörden auch aus eigenem, d.h. ohne richterlichen Befehl, zur Verwahrung der eines Verbrechens oder eines Vergehens verdächtigen Person zum Zweck ihrer Vorführung vor den Untersuchungsrichter, wenn der Verdächtige unmittelbar nach der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens mit Gegenständen betreten wird, die auf seine Beteiligung an dieser Tat hinweisen; der in Verwahrung Genommene ist durch die Sicherheitsbehörde unverzüglich zur Sache und den Voraussetzungen der Verwahrungshaft zu vernehmen und binnen 48 Stunden dem zuständigen Gericht einzuliefern.

4.2. Die Festnahme des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes konnte im gegenständlichen Fall zu Recht sowohl auf § 14e FrPG als auch auf § 177 StPO gestützt werden. Denn zum einen war der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes und zum anderen wurde beim Beschwerdeführer ein seit längerer Zeit als verlustig gemeldeter österreichischer Führerschein vorgefunden, für dessen Besitz er keine plausible Erklärung abgeben konnte. Die Organe der Sicherheitswache haben den Beschwerdeführer sodann auch - wie in § 36 Abs.1 erster Satz VStG vorgesehen - unverzüglich der zuständigen Behörde, nämlich der Bundespolizeidirektion Linz, vorgeführt, sodaß deren Vorgehen insgesamt besehen nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet war.

4.3. Diese Übergabe des Beschwerdeführers an die belangte Behörde erfolgte nach den obigen Sachverhaltsfeststellungen am 14. Jänner 1992 gegen 23.30 Uhr. Warum der Beschwerdeführer jedoch erst um 15.00 Uhr des folgenden Tages von der belangten Behörde einvernommen wurde, konnte in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht geklärt werden. Inbesondere blieb die Frage offen, ob etwa die unumgängliche Zuziehung eines Dolmetschers für die spanische Sprache oder die Einvernahme trotz entsprechender Bemühungen der belangten Behörde nicht früher bewerkstelligt werden konnte, weil an diesem Tag noch zuvor zahlreiche andere Festgenommene einzuvernehmen waren. Sowohl § 36 Abs. 1 Satz 3 VStG als auch § 177 Abs. 2 StPO - also jene Bestimmungen, auf die die belangte Behörde im vorliegenden Fall die Anhaltung des Beschwerdeführers im Polizeigefangenenhaus Linz einzig zu stützen vermochte - ordnet jedoch übereinstimmend an, daß ein nach diesen Bestimmungen Festgenommener unverzüglich zu vernehmen ist. Diese Vorschriften sind somit offenkundig verletzt, wenn die Einvernahme des Festgenommenen durch ein Organ der Behörde nicht unmittelbar nach der Übergabe durch die Sicherheitswacheorgane, sondern wie im vorliegenden Fall erst 16 Stunden später erfolgt und weder ein objektiver Grund für diese Verzögerung ersichtlich noch auf der anderen Seite ein Bemühen der Behörde um eine raschestmögliche Einvernahme erkennbar ist. Selbst der Umstand, daß es - wie der bloß als Zeuge einvernommene Beamte der Bundespolizeidirektion Linz darlegte - die Regel sei, daß erst der "Tagdienst" innerhalb der gesetzlichen 24-Stunden-Frist (vgl. § 36 Abs. 1 letzter Satz VStG) solche Einvernahmen (und diese offenbar auch keineswegs unverzüglich) durchführe, vermag das Vorgehen der belangten Behörde sohin nicht zu rechtfertigen.

4.4. Der Beschwerdeführer wurde daher durch seine Anhaltung vom 14. Jänner 1992, 23.30 Uhr, bis 15. Jänner 1992, 15.00 Uhr, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt; daran ändert auch der Umstand, daß die sich daran anschließende Schubhaft als rechtmäßig erwies (vgl. VwSen400066 v. 19.2.1992), nichts, weil im gegenständlichen Verfahren eben kein Umstand hervortrat, der die belangte Behörde gehindert hätte, den Schubhaftbescheid schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt zu erlassen. Dies hatte der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß § 67c Abs. 3 AVG festzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten in Höhe von 16.690 S (Schriftsatzaufwand: 7.413,33 S; Verhandlungsaufwand: 9.276,67 S) zuzusprechen; die Berechnung dieser Kosten hatte nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. VwGH v. 23.9.1991, 91/19/0162) nach der Pauschalierungsverordnung BGBl.Nr. 104/1991 zu erfolgen, wobei deren Beträge um ein Drittel zu kürzen sind. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren war demgemäß abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 67c Abs.4 AVG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwSlg 12821 A/1988) oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Linz, am 13. April 1992 Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f 6

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