Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420014/5/Kl/Rd

Linz, 13.08.1992

VwSen - 420014/5/Kl/Rd Linz, am 13. August 1992 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des A, wegen Festnahme und Anhaltung am 26.3.1992 um 15.00 Uhr bis 15.26 Uhr durch die Bundespolizeidirektion Linz, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und die am 26.3.1992 um 15.00 Uhr vorgenommene Festnahme und weitere Anhaltung bis 15.26 Uhr durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz für rechtswidrig erklärt.

Rechtsgrundlage: Art.129a Abs.1 Z.2 B-VG und § 67a Abs.1 Z.2 in Zusammenhalt mit § 67c AVG i.V.m. Art.1 Abs.2, Art.2 Abs.1 Z.7 und Art.6 Abs.1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988.

II. Die belangte Behörde (der Bund) hat dem Beschwerdeführer zu Handen des Beschwerdeführervertreters die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten im Betrag von 6.918 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren (120 S Stempelmarke) wird abgewiesen. Der Kostenersatzantrag der belangten Behörde wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage: § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer beantragt in seiner Eingabe, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 5.5.1992, den angefochtenen Verwaltungsakt, nämlich Festnahme am 26.3.1992 um 15.00 Uhr und anschließende Anhaltung bis zur Erlassung eines Schubhaftbescheides um 15.26 Uhr - für rechtswidrig zu erklären, und dem Bund den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens an den Beschwerdeführer zu Handen des ausgewiesenen Vertreters aufzuerlegen.

Als Begründung wurde im wesentlichen angeführt, daß der Beschwerdeführer am 1.3.1976 geboren und daher noch minderjährig sei. Gemäß § 11a FrPG wird mit Einleitung des fremdenpolizeilichen Verfahrens gesetzlicher Vertreter der Jugendwohlfahrtsträger der Hauptstadt des Bundeslandes, in dem sich der Minderjährige aufhält, nämlich im konkreten Fall der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Jugend und Familie. Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen, darf nur mit vorangegangenem Schubhaftbescheid erfolgen. Da der gegen den Beschwerdeführer erlassene Schubhaftbescheid vom 26.3.1992 erst um 15.26 Uhr dem gesetzlichen Vertreter rechtswirksam im Wege der Telekopie zugestellt wurde, wurde der Bescheid gemäß § 5 FrPG erst mit diesem Zeitpunkt rechtswirksam erlassen und ist daher die vorausgegangene Festnahme um 15.00 Uhr und weitere Anhaltung bis zur Bescheiderlassung um 15.26 Uhr rechtswidrig. Der Beschwerdeführer behauptet daher in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt zu sein.

2. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und in einer ergänzenden Stellungnahme nach einer kurzen Sachverhaltsdarstellung angeführt, daß ein Sicherungsbedürfnis zur Anhaltung des Fremden bereits zum Zeitpunkt besteht, in dem der Entschluß zur Erlassung eines Schubhaftbescheides gefaßt wird, wobei die Ausfertigung des Bescheides noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehme. Wäre eine sofortige Anhaltung nicht erfolgt, wäre auch die Vollstreckung des zu erlassenden Schubhaftbescheides in Frage gestellt. Im übrigen war die Anhaltung in Schubhaft selbst gerechtfertigt. Für den Fall des Obsiegens wurde ein Antrag auf Kostenersatz für die Aktenvorlage und den Schriftsatzaufwand begehrt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsakt Einsicht genommen. Da der Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Punkten geklärt erscheint und schon aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 67d Abs.1 AVG unterbleiben.

4. Aufgrund der Aktenlage ergibt sich folgender, der Entscheidung zugrundegelegter erwiesener Sachverhalt:

4.1. Mit Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 13.4.1992, VwSen-400074/6/Kl/Rd, wurde bereits die gegenständliche Beschwerde im Grunde des § 5a Abs.1 und 6 des FrPG als unzulässig zurückgewiesen und die Anhaltung aufgrund des Schubhaftbescheides seit dem 26.3.1992, 15.26 Uhr als unbegründet abgewiesen. Auf die Sachverhaltsfeststellungen im zitierten Erkenntnis unter Punkt 4.1., 4.2. und 4.4. der Begründung wird hingewiesen und sie werden auch diesem Erkenntnis zugrundegelegt.

4.2. Mit Schreiben vom 14.4.1992, GZ: III/2-12, teilt der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Jugend und Familie, mit, daß am 3.4.1992 der rechtsfreundliche Vertreter Vollmachten, unterzeichnet vom Beschwerdeführer und von seinem Bruder O, dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsträger vorwies, um zum Wohl des Minderjährigen Rechtsmittel zu erheben, und seitens des öffentlichen Jugendwohlsfahrtsträgers das Einverständnis hiezu erklärt wurde. Nach der Auffassung des öffentlichen Jugendwohlfahrtsträgers sei daher seine Zuständigkeit mit der Vollmachtserteilung nicht mehr gegeben.

5. Aufgrund des festgestellten als erwiesen angenommenen Sachverhaltes hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß Art.1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG), BGBl.Nr. 684/1988, darf niemand aus anderen als den im zitierten Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Gemäß Art.2 Abs.1 Z.7 leg.cit. darf die persönliche Freiheit einem Menschen dann entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern. Der Sicherung einer beabsichtigten Ausweisung im Sinn des Art.2 Abs.1 Z.7 PersFrG dient die im § 5 FrPG geregelte Schubhaft dann, wenn sie zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung verhängt wird. Die Schubhaft setzt die Erlassung eines entsprechenden Schubhaftbescheides zwingend voraus. Festnahme und Anhaltung aufgrund eines vollstreckbaren Schubhaftbescheides stellen sich nach herrschender Auffassung als bloße Vollstreckungsmaßnahmen dar (vgl. VfGH vom 12.3.1992, G346/91-18, G5/92-15 und G6/92-14).

5.2. Wie bereits im eingangs zitierten Erkenntnis des O.ö. Verwaltungssenates vom 13.4.1992, ausgeführt wurde, stellt daher eine Festnahme und Anhaltung ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - und nicht eine Vollstreckung eines Schubhaftbescheides - dar, welche sodann durch eine Maßnahmenbeschwerde nach Art.129a Abs.1 Z.2 B-VG i.V.m. § 62a Abs.1 Z.2 AVG angefochten werden kann.

Es ist daher die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Im übrigen ist die Beschwerde rechtzeitig. Auch liegen die übrigen Beschwerdevoraussetzungen vor.

5.3. Die Beschwerde ist aus folgenden Gründen berechtigt und liegt daher eine Rechtsverletzung vor:

5.3.1. Aufgrund des Geburtsdatums des Beschwerdeführers (1.3.1976) steht die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers fest. Gemäß § 11a Abs.3 FrPG können minderjährige Fremde, die das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und deren Interessen von ihrem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, im eigenen Namen nur Verfahrenshandlungen zu ihrem Vorteil setzen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung des fremdenpolizeilichen Verfahrens der Jugendwohlfahrtsträger der Hauptstadt des Bundeslandes, in dem sich der Minderjährige aufhält. Gegenständlich ist daher die Landeshauptstadt Linz als Jugendwohlfahrtsträger gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers. Es wurde daher der Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 26.3.1992, Fr-78.670, an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Jugend und Familie, als gesetzlichen Vertreter gerichtet und laut aktenkundigem Übertragungsprotokoll im Wege der Telekopie am 26.3.1992 von 15.20 Uhr bis 15.26 Uhr übermittelt. Der Schubhaftbescheid gilt daher erst mit der ordnungsgemäßen Zustellung, nämlich der Beendigung des Telekopievorganges an den gesetzlichen Vertreter als erlassen. Die Übermittlung im Wege der Telekopie ist im übrigen gemäß § 11a Abs.4 FrPG zulässig. Es wurde daher ein rechtswirksamer Schubhaftbescheid erst um 15.26 Uhr am 26.3.1992 erlassen.

5.3.2. Hinsichtlich des weiteren Nachweises einer rechtswirksamen Zustellung des Schubhaftbescheides wird auf die rechtlichen Ausführungen unter Punkt 5.3.2. und 5.3.3. des bereits zitierten Erkenntnisses des O.ö. Verwaltungssenates hingewiesen.

5.3.3. Wenn auch, wie aus der Niederschrift vom 27.3.1992 hervorgeht, dem minderjährigen Beschwerdeführer von der belangten Behörde eine Bescheidausfertigung persönlich übergeben wurde, so stellt dies keine rechtswirksame, weil unzulässige Zustellung dar. Wird nämlich eine nicht voll handlungsfähige Person im Sinn des § 9 AVG von einem gesetzlichen Vertreter vertreten, so kann ein ergangener Bescheid nur diesem gegenüber rechtswirksam werden.

Gemäß § 9 Abs.1 des Zustellgesetzes hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Es ist diese Bestimmung auf die Fälle eines gesetzlichen Vertreters anzuwenden (VwGH 8.10.1986, 85/11/0207).

Es kann daher lediglich die Zustellung an den öffentlichen Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlichen Vertreter Rechtswirkungen erzeugen. Eine Festnahme aufgrund eines rechtswirksamen und vollstreckbaren Schubhaftbescheides ist daher erst aufgrund einer rechtswirksamen Zustellung im obigen Sinne zulässig.

5.3.4. Wenn sich dagegen der Jugendwohlfahrtsträger - wie unter Punkt 4.2. dargestellt - auf Grund der Vollmachtserteilung für unzuständig hält, so wird diese Rechtsauffassung vom erkennenden Verwaltungssenat nicht geteilt. Es kann nämlich eine gesetzliche Vertretung nicht durch eine Parteienvereinbarung - wie z.B. eine Vollmachtserteilung - außer Kraft gesetzt werden. Dies gilt insbesondere für die Vollmachtserteilung durch den Minderjährigen. Aber auch eine Vollmachtserteilung seitens des Jugendwohlfahrtsträgers an den gewillkürten Vertreter beseitigt die gesetzliche Vertretung nicht, sondern es kann der Vollmachtgeber (Jugendwohlfahrtsträger) auch weiterhin im Sinne der allgemeinen Verfahrensbestimmungen selbständig Erklärungen abgeben.

5.4. Weitere Grundlagen für eine Festnahme bzw. andere Festnahmegründe gehen weder aus dem Verwaltungsakt hervor noch wurden sie von der belangten Behörde behauptet. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer freiwillig einer behördlichen Ladung Folge geleistet hat.

5.5. Es war daher die Festnahme des Beschwerdeführers am 26.3.1992 um 15.00 Uhr durch Organe der belangten Behörde sowie die weitere Anhaltung bis 15.26 Uhr rechtswidrig, und es wurde der Beschwerdeführer dadurch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

Eine weitere Rechtsverletzung wurde in der Beschwerde nicht geltend gemacht und kam auch im Verfahren nicht hervor.

6. Im Sinne der im Spruch zitierten Gesetzesstelle steht nur der obsiegenden Partei Kostenersatz zu. Es war daher der Kostenantrag der belangten Behörde spruchgemäß abzuweisen. Hinsichtlich des Kostenbegehrens des Beschwerdeführers wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.9.1991, Zl.91/90/0163/7, hingewiesen, wonach die Bestimmungen der §§ 47ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze vor dem Verwaltungsgerichtshof analog heranzuziehen sind, wobei unter Bedachtnahme auf den Grundsatz einer Abstufung des Kostenersatzes im Verfahren entsprechend der Unterbzw. Überordnung der angerufenen Behörden und der damit verbundenen verschiedenartigen Mühewaltung die angeführten Pauschalsätze um ein Drittel zu kürzen sind. Da vom Beschwerdeführer ein geringerer als der ihm zustehende Kostenersatz begehrt wurde, war dem Kostenbegehren mit der Maßgabe stattzugeben, daß die verrechneten Barauslagen um eine Stempelmarke von 120 S zu kürzen waren. Es ist nämlich weder nach den Verfahrensgesetzen (§§ 67a ff AVG) noch aus sonstigen Überlegungen eine Beschwerdeeinbringung in zweifacher Ausfertigung vorgesehen bzw. erforderlich. Es war daher auch hinsichtlich der Kosten spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t 6

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